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- Geschrieben von: Rudolf
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In Verbindung mit PCB beobachtete gesundheitliche Schädigungen
- ein Beitrag von Rudolf Uebbing -
(Dieser Artikel v. 9. Nov. 2014 wird fortgeschrieben - letzte Fortschreibung am 19.06.2015.)
Der Bürgerinitiave habe ich vorgeschlagen, in eigener Verantwortung die
Resultate meiner Recherchen auf einer Unterseite in ihrer Website zu publizieren -
dies geschieht hiermit und stellt zugleich eine Einzelmeinung dar.
Diese Unterseite der BI-Webpage enthält im Wesentlichen Rechercheresultate zu gesundheitlichen Auswirkungen von PCB/Gemischen und wird in unregelmäßigen Abständen erweitert bzw. fortgeschrieben. Dies geschieht auch, weil leider einigen gutachterlichen Äußerungen oder auch Auslassungen vor dem Dortmunder Landgericht - sh. nicht stattgegebenen Befangenheitsantrag der Nebenklage in 2014 - klare Aussagen gegenüber zu stellen sind.
Ab Januar 2015 werden auf dieser Unterseite die hinzukommenden Ergänzungen nach oben gestellt, d.h. ältere Einträge erscheinen erst am Ende des Textseite. So soll denjenigen Lesern geholfen werden, die häufiger auf diese Textseite zugreifen wollen.
Hinweise zur Ergänzung und Berichtigung der Informationen nimmt der Autor gerne entgegen (
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Teil 9 (v. 04. Aug. 2015) Anmerkung zu
PCB als endokrin störend (als "disrupter") wirkende Chemikalien (EDC):
Zu dem Grad der Gewissheit einiger spezieller Gesundheitsschäden bzw.
von Gesundheitsrisiken via PCB sei hier eine Fragestellung genannt:
Nur "verdächtig" oder aber "bekannt" -
Diese Fragestellung muss als geklärt angesehen werden - Begründung:
Lange Zeit galten Polychlorierte Biphenyle als "verdächtig", für den
Menschen krebsbewirkend zu sein.
Vor nun wenigen Jahren hat die Weltgesundheitsorganisation WHO
den Status "verdächtig" für das PCB 126 entfallen lassen und
dieses PCB-Kongener als karzinogen für den Menschen eingestuft.
Eine ähnlich vorbehaltliche Aussage
(also: "verdächtigt" bzw. "suspected") zur disregulierenden Funktion von PCB
im menschlichen Hormonhaushalt wurde im Juli 2015 auf
einer Informationsveranstaltung in Essen
weitergereicht - diese Darstellung bedarf dringend einer Ergänzung:
PCB wird in einer US-Fachschrift von endokrinologischen
Forschern im Dezember 2014 als "known" bzw. mithin als "gewusste" oder als
"bekannte" endokrinologisch unterbrechende Chemikalie bezeichnet - siehe dazu:
INTRODUCTION TO ENDOCRINE DISRUPTING CHEMICALS (EDCs)
December 2014
AUTHORS
On behalf of the Endocrine Society, the following individuals led
the development of the scientific content of this document.
Lead Author:
Andrea C. Gore, PhD, The University of Texas at Austin
David Crews, PhD, The University of Texas at Austin
Loretta L. Doan, PhD, Endocrine Society
Michele La Merrill, PhD, MPH, University of California at Davis
Heather Patisaul, PhD, North Carolina State University
Ami Zota, ScD, MS, George Washington University
http://endocrine.org
Seite 10, Table 2: "known" endokrine disruptor: ... "PCBs"
(also nicht: "verdächtige" oder "suspected" endokrine disrupter,
sondern: "known" - siehe Tabelle 2 am a.O.)
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Teil 8 (v. 19. Juni 2015) - dokumentierte wissenschaftliche Ergebnisse zu den gesundheitlichen
Auswirkungen nach den Gefahrstoffbelastungen bei der Fa. Envio - hier eine Zusammenstellung von
Facharbeiten:
Im folgenden gebe ich Hinweise zu Publikationen, die eng
in Verbindung mit dem PCB-Fall (Fa. Envio) stehen und
die Erkenntnisse im wesentlichen aus dem HELPcB-Programm
(RWTH-Aachen) wiedergeben. - Das Studium der Zusammenfassungen
bzw. der Fachartikel zeigt unzweifelhaft deutlich das hohe Maß der Assoziation
zwischen den Belastungen mit den arbeitsbedingten Gefahrstoffen
und den gesundheitlichen Symptomen der Betroffenen auf:
1.) V1 Innere PCB-Belastung von Angehörigen der Beschäftigten eines Transformator-Recycling-
Betriebs
T. Schettgen, M. Gube, A. Alt, W. Zschiesche, M. Hagmann,
M. Kraft, M. Wilhelm, T. Kraus,
Arbeitsmed.Sozialmed.130 Umweltmed. 46, 03, 2011, S.139
weitere Artikelüberschrift:
Hohe innere PCB-Belastungen von Beschäftigten beim Transformatoren-Recycling
2.) V43 Nachweis von PCBs im Blut in Abhängigkeit von Expositionsdauer und Tätigkeit
sowie Effekte auf die Schilddrüse – erste Auswertungen
einer Langzeitstudie
M. Gube, T. Schettgen, A. Esser, J. Neulen, T. Kraus
Arbeitsmed.Sozialmed.Umweltmed. 47, 3, 2012 S. 136
3.) V44 Verlust an Quality adjusted lifeyears (QALY) nach einer PCB-Exposition von Arbeitern
eines Recycling-Betriebes, deren Familienangehörigen und Beschäftigten umliegender Firmen
A. Esser, J. Lang, M. Gube, T. Schettgen, T. Kraus
Arbeitsmed.Sozialmed.Umweltmed. 47, 3, 2012, S. 138
4.) V45 Psychische Beanspruchung durch PCB-Exposition
J. Lang, T. Schettgen, M. Gube, A. Esser, T. Kraus
Arbeitsmed.Sozialmed.Umweltmed. 47, 3, 2012 138
5.) V100 Entwicklungsstand und Gesundheitsstatus von PCB exponierten Kindern
A. Werthan1, G. Monika1, A. Esser1, A. Alt1, T. Schettgen1,
J. Lang1, K. Konrad2, D. Schneider3, S. Martin3, S. Deisz4, T. Kraus1
Eine Sonderpublikation von DGAUM, ÖGA, SGARM und ASU, S. 55
6.) V108 Verlust an Quality-adjusted Lifeyears (QALY) nach einer PCB-Exposition
von Arbeitern eines Recycling-Betriebes im zeitlichen Verlauf des Vorsorgeprogramms
Health Effects in „high level exposure to PCB“ (HELPcB)
A. Esser, M. Gube, T. Schettgen, T. Kraus, J. Lang
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Universitätsklinikum der RWTH Aachen
Eine Sonderpublikation von DGAUM, ÖGA, SGARM und ASU, S. 59
7.) Dokumentation 53. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutsche Gesellschaft
für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V. -
Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin -
Frühjahrstagung der Schweizerischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin -
13.-16. März 2013, Bregenz, S. 252 - 256
Entwicklungsstand und Gesundheitsstatus von PCB exponierten Kindern
A. Werthan1, M. Gube1, A. Esser1, A. Alt1, T. Schettgen1, J. Lang1, K. Konrad2, D.
Schneider3, S. Martin3, S. Deisz4, T. Kraus, S. 252 - 256
8.) Dokumentation 53. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutsche Gesellschaft
für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V. -
Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin -
Frühjahrstagung der Schweizerischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin -
13.-16. März 2013, Bregenz, S. 278 - 281
Gesundheitsbezogene Lebensqualität und QALY HELPcB im Längsschnitt I. bis III.
Querschnitt
A. Esser, M. Gube, T. Schettgen, A. Werthan, T. Kraus, J. Lang
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Aachen,
9.) Hautveränderungen bei Arbeitern im Rahmen
einer Belastung mit Polychlorierten Biphenylen (PCBs)
Werthan A, Leijs M, Gube M, Esser A, Schettgen T, Alt A,
Lang J , Baron JM, Kraus T, Merk H
RWTH Aachen University, Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin,
Aachen u. Klinik für Dermatologie und Allergologie, Aachen
Umweltmed – Hygiene – Arbeitsmed 19 (2) 2014, S. 181
10.) Prävalenzraten des depressiven Syndroms nach einer
arbeitsbedingten Exposition mit Polychlorierten Biphenylen (PCB)
Gaum PM, Esser A, Schettgen T, Gube M, Kraus T, Lang J
RWTH Aachen University, Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin,
Aachen und Uniklinik RWTH Aachen, Aachen
Umweltmed – Hygiene – Arbeitsmed 19 (2) 2014, S. 181
11.) Veränderungen von Neurotransmitter Metaboliten nach einer arbeitsbedingten
Belastung mit PCB
Putschögl F, Gaum PM, Schettgen T, Gube M, Kraus T, Lang J
Uniklinik RWTH Aachen, Aachen
Umweltmed – Hygiene – Arbeitsmed 19 (2) 2014, S. 182
12.) Einfluss einer PCB-Belastung auf die Telomerlänge
in Lymphozyten und Granulozyten
Gube M, Wilop S, Ziegler P, Beier F, Vankann L, Werthan A,
Esser A, Kraus T, Brümmendorf TH
RWTH Aachen University, Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin,
Aachen, u. RWTH Aachen University, Klinik für Onkologie,
Hämatologie und Stammzelltransplantation, Aachen
Umweltmed – Hygiene – Arbeitsmed 19 (2) 2014, S. 183
13.) DGAUM-Tagung 2015
Beitrag 199: Zusammenhang zwischen PCB-Exposition und Diabetes Mellitus im
PCB-Betreuungsprogramm HELPcB
(André Esser, Petra Maria Gaum, Monika Gube, Alexander Werthan,
Joseph Neulen, Thomas Kraus)
Im 1. und 2. QS finden sich für das zweite und dritte Quartil der Belastung mehrere Kongenere, bei
denen die ORs für DM signifikant erhöht sind. Nach Adjustierung für Alter, BMI und Steroideinnahme
im Rahmen der logistischen Regression blieb ein Trend im 2. QS für PCB 123, 114 und 52 erhalten. Im
3. Querschnitt gilt dies für PCB 52 und 28. Die multivariate lineare Regression mit HbA1c als
abhängiger Variable weist im 1. QS auf einen Zusammenhang von DM und PCB 28, 52 sowie der
Summe der Indikatorkongenere hin; ein Trend für die Kongenere 105, 114 und 123 wird ebenfalls
beobachtet. Im 3. und 4. QS sind diese Zusammenhänge zwischen PCB-Belastung und DM für
annähern alle Kongenere signifikant.
Diskussion
In der Literatur werden für PCBs mehrere Modelle für die Entstehung von DM bzw. negativer
Beeinflussung eines bestehenden DM beschrieben. (Fischer et al. 1996, Fischer et al. 1998, Langer et
al. 2002, Casals-Casas 2011). Mehrere epidemiologische Studien zeigen ebenfalls Assoziationen z.T.
auch mit Dosis-Effekt-Beziehungen zwischen einer PCB-Exposition und DM. Insofern ergeben sich in
Übereinstimmung mit der Literatur insgesamt Hinweise auf eine konsistente und biologisch plausible
Risikoerhöhung für einen DM nach PCB Exposition." (Hervorhebung v.m.)
14.) DGAUM-Tagung 2015
Beitrag 310: Nachweis von Hydroxy-PCB-Metaboliten in Humanplasma mittels
online-SPE-LC/MS/MS
(Thomas Schettgen, Christina Aretz, Thomas Kraus, Natalia Soares Quinete)
15.) DGAUM-Tagung 2015
Beitrag 307: Periphere Neurotoxizität nach arbeitsbedingter Belastung durch polychlorierte Biphenyle
(PCBs)
(Alexander Werthan, André Esser, Johannes Schiefer, Monika Gube, Thomas Schettgen, Anne
Alt, Jessica Lang, Thomas Kraus)
Zitat aus dem Abstrakt:
"Zusammenfassend sind pathologische Neurographie-Befunde mit höheren PCB-Belastungen auch nach
Adjustierung für Confoundern assoziiert. ...
Verschiedene Nachweise einer Toxizität von PCBs und Dioxinen auf das periphere Nervensystem durch
sind in der Literatur beschrieben worden."
16.) Wittsiepe, J., Wilhelm, M., and Kraus, T., 2012.
Levels of PCDD/F in blood samples of occupationally exposed workers from a
transformer recycling plant in Dortmund, Germany – first results.
J. Toxicol. Environ. Health A 75(8–10)
17.) Plasma Polychlorinated Biphenyls (PCB) Levels of Workers in a Transformer Recycling Company,
their Family Members, and Employees of Surrounding Companies
Thomas Schettgen, Monika Gube, Andre Esser, Anne Alt & Thomas Kraus,
Institute for Occupational and Social Medicine, Aachen University, Aachen, Germany
Journal of Toxicology and Environmental Health, Part A, 75:414–422, 2012
18.) Kraus, T., Gube, M., Lang, J., Esser, A., Sturm, W., Fimm, B., Willmes, K.,
Neulen, J., Baron, J., Merk, H., Schettgen, T., Konrad, K., Wagner, N., Rink,
L., Hagmann, M., Fillies, B., Zschiesche, W., Kraft, M., Rauchfuss,
K., Wittsiepe J., and Wilhelm M., for the HELPcB-Group. 2012.
Development of a preventive surveillance program for former workers of a transformer and condenser
recycling company, their family members and employees of surrounding companies.
J. Toxicol. Environ Health. A 75(8–10):.
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Von weiteren, anderen Autoren als bei der RWTH-Aachen (i.w. nicht HELPcB-Progr.):
Bruckmann, P, Hiester, E., Klaas, M., and Radermacher, L. 2011.
Die Umweltbelastung durch polychlorierte Biphenyle (PCB) im Dortmunder Hafen.
Gefahrstoffe–Reinhaltung der Luft 71:151–158.
Radermacher, L., Altenbeck, P., Kraft, M., Delschen, T., and Hiester, E. 2011.
Ermittlung von PCB-Quellen im Dortmunder Hafen mittels Exposition von pflanzlichen Bioindikatoren.
Gefahrstoffe–Reinhaltung der Luft 71: 159–64.
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Teil 7 (v. 12. Juni 2015) - einige Informationen zur Neurotoxizität von PCB:
Fundstelle:
University of Gothenburg - 2012 / The Nordic Expert Group for Criteria Documentation
of Health Risks from Chemicals - 146. Polychlorinated biphenyls
(PCBs)- Birgitta Lindell, ISBN 978-91-85971-35-0 - dort auf Seite 37 -
von mir gekürzt ("...") übersetzt:
"Bei PCB-Gemischen wie bei verschiedenen Aroclors und bei
einzelnen PCB-Kongeneren wurde aufgezeigt, dass sie direkt auf neuronale
Zellen einwirken.
Mechanistische Studien in vivo und in vitro haben gezeigt,
dass (einige - d.Ü.) PCB-Kongenere ... direkt auf mindestens vier
verschiedene Weisen auf das Nervensystem einwirken:
- Veränderung der intrazellulären Konzentration von Kalzium ... und
damit veränderte intrazelluläre Signalübertragungswege
- herbeigeführte Apoptosis (programmierter Zelltod - d.Ü.)
als Folge der Aktivierung des Ryanodine-Rezeptors.
Zelltod ... wird durch den N-methyl-Daspatarte-Rezeptor (NMDA) vermittelt,
- veränderte Stoffmengen an Neurotransmittern wie Dopamin ...
- vermehrte Freilassung von arachidonic acid ...
... ... ...
Von diesen Endpunkten wird angenommen, dass sie einen Bezug
haben zur motorischen Aktivität, zum Lernen und zum Gedächtnis,
zu nervlichen Schäden und abnormaler Gehirnentwicklung."
(Hervorhebungen v.m.)
Demgegenüber steht die Aussage eines vor dem Dortmunder
Landgericht befragten Gutachters: "Wenn man weiß, dass man in
seinem Körper Stoffe hat, die da nicht hingehören,
kann das zu depressiven Stimmmungen und Angstgefühlen führen."
Hatte dieser Gutachter in 2012 versäumt,
auf die dokumentierten Messergebnisse der
Nervenleitgeschwindigkeit bei einigen PCB-Opfern in Ostasien
detailliert zu verweisen, wobei sich dort schon vor
Jahrzehnten eine Verbesserung der Nervenleistung bei abnehmender PCB-Menge
im Blut gezeigt hatte, ferner vergessen, auf Beobachtungen der
Nervenleitgeschwindigkeit im HELPcB-Programm hinzuweisen und die
beobachteten PCB-Konzentrationen hier wie dort in angemessener Weise
zu vergleichen ?? Diese sehr wichtigen Hinweise auf erste diskutierbare
Quantifizierungsmöglichkeiten von PCB-Schäden im Nervensystem
wurden aus dem Envio-Prozess in den Medien nicht berichtet.
Für mich als medizinischen Laien scheint zwischen verminderter
Nervenleitgeschwindigkeit und z.B. Reaktionsvermögen sehr wohl eine
unmittelbare Beziehung bestehen zu können
(motorische Leistung / motorische Aktivität).
Das oben genannte, in der Presse berichtete Gutachterzitat, wenn
es denn Nocebo-Effekte überbetont, wie ich meine, ist hingegen u.U.
auffassbar als ein erster Schritt zur Einleitung einer sogenannten
Psychogenese der Symptomatiken bei den betroffenen Arbeitern
- ziemlich empörend angesichts der tatsächlichen PCB-Belastung der Envio-
Arbeiterschaft; die Argumentation mit einer Psychogenese seitens der Gutachter bei den
Versicherungen wird des öfteren beklagt - in Verbindung mit der
Schadensregulierung ganz anderer Gefahrstoffbelastungen (sh. Dr. T. Merz).
Die Studien insbesondere der nordeuropäischen Länder zu PCB mögen
gelegentlich besonders aufschlussreich sein - mein Eindruck.
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TEIL 6 (v. 06. Juni 2015) - bitte, hier nur stichwortartige Darstellung:
Zur Schwellenlosigkeit von EDC (endocrine disrupter chemicals - zu Stoffen wie PCB, die im Hormonbereich störend wirken):
In 2013 haben 89 Ärzte auf internationaler Ebene, darunter auch zwei Mediziner aus Deutschland, eine Erklärung zur Situation im Hormonbereich (endokrine Disruptoren / EDC, Störung im Hormonsystem) abgegeben, die Berlaymont-Erklärung von Juni 2013:
Dort findet sich unter Pkt. 2.) zu dem Krankheitspotenzial von PCB folgende Aussage:
"Eine Exposition zu großen Mengen von polychlorierten Dioxinen, zu bestimmten polychlorierten Biphenylen (PCB) (bei Frauen mit Mangel an bestimmten Entgiftungsenzymen) und zu zu Dichlordiphenyldichlorethen (in jungem Alter)
ist n a c h w e i s l i c h ein Risikofaktor für Brustkrebs." (Hervorhebungen v.m.)
Anmerkung: Hier denke man an den betroffenen Envio-Arbeiter aus dem Münsterland, welcher um das ca. 10000-Fache mit PCB belastet war und wo zuhause der PCB-Wert bei der Frau noch um einen Faktor von 800 gemessen wurde (infolge des Kontaktes zu PCB-belastete Arbeitskleidung des Mannes). Basis: Referenzwerte aus 2010 seitens des Institutes Prof. Dr. Drexler oder auch Referenzwerte genannt in einem Dokument des ehem. Landesinstitut für Arbeit u. Gesundheit NRW - die RWTH Aachen gibt hier einen doppelt hohen Referenzwert an, so dass die o.g. hohen Belastungsfaktoren demnach durch den Divisor 2 zu teilen sind.)
Weiter unter Pkt. 2.) der Berlaymont-Erklärung:
"... PCB werden mit Entwicklungsneurotoxizität und einer beeinträchtigten Entwicklung des Gehirns in Verbindung gebracht."
Hier denke man an den DGAUM-Bericht (i.V.m. dem HELPcB-Programm), in welchem beobachtete, nachteilige Veränderungen an den Kindern der betroffenen Familien in Dortmund detailliert beschrieben wurden.
Zur Schwellenlosigkeit einiger PCB-bedingten Gesundheitsschäden - unter Pkt. 8.) der Berlaymont-Erklärung:
" ... aufgrund einer vorherigen internen Exposition gegenüber natürlichen Hormonen und, im Fall einer Hintergrundbelastung, gegenüber Substanzen mit ähnlichen Wirkprofilen... können sich die endokrinen Disruptoren ... zu den internen Konzentrationen addieren, ohne dass sie unbedingt einen Schwellenwert überschreiten." (Hervorhebungen v.m.)
Wissenschaftler der Chemischen Industrie haben zwar dazu prinzipiell Stellung genommen - die Klarheit der obigen Berlaymont-Aussage kann m.M.n. wegen der stimmigen mechanistischen Deutung in keiner Weise berührt werden und scheint daher fundamental bedeutsam zu sein:
Das Schwellenwertkonzept hat einen entschiedenen Mangel - weil die Schwelle in der Praxis eben nicht bedeuten kann, dass bei Schwellenwertunterschreitungen keinerlei nachteilige gesundheitliche Effekte eintreten können, und auch weil keine Beobachtungsdaten für extrem kleine Gefahrstoffmengen vorliegen und gewinnbar sind.
Demnach sind in einigen Fällen gesundheitliche Schäden prinzipiell möglich.
So können dann in den üblicherweise vorbelasteten Situationen auch kleinste Mengen an PCB als Zünglein an der Waage wirken, oder den Tropfen abgeben, der das Fass zum Überlaufen bringt bzw. dass sie eben in einer Instabilitätssituation den gesundheitlich nachteiligen Ausschlag hergeben können (sh. bitte auch Teil 3 in dieser Webunterseite, worin unmittelbar einleuchtende, elementarlogische Überlegungen gemacht sind).
Der Präsident der Endokrinologischen Gesellschaft führt in einem Schreiben an die Europäische Union die Problematik des Schwellenwertkonzeptes für den Bereich der Endokrinologie aus -
William F. Young, M.D., President, The Endocrine Society, 3. June 2013:
"Importantly, it cannot be assumed that a safe “threshold” level of
exposure to any given EDC can be identified. ... it would be impossible to assign a lower safe limit of additional exposure." (Hervorhebungen v.m.)
Eine adverse Effektaddition in Form von Gefahrstoff-bedingten Gemischbelastungen erscheint aus informierter Laiensicht als ein schwerwiegendes Argument – nahezu wie Fundamentalkritik - an einigen Aspekten des Wirkschwellenkonzeptes, auch erst recht und gerade im Bereich von PCB (als ein mögliches Zünglein an der Waage).
Weiter unter Pkt. 8.) der Berlaymont-Erklärung – zur Einschränkung des Schwellenwertkonzeptes - wird auf Schadstoffe, wie sie im Envio-Fall nachgewiesen sind, besonderer Bezug genommen:
"Dies gilt in besonderem Maße für östrogenartige Wirkstoffe und für chemische Substanzen, die vergleichbar wirken wie Dioxine." (Hervorhebungen v.m.)
Anmerkung: In PCB-Gemischen bei der Fa. Envio wurden dioxinähnliche PCB vorgefunden, welche also vergleichbar den Dioxinen wirken. Zudem bestätigt sich damit prinzipiell ein weiteres Mal die Sinnhaftigkeit des EPA-Konzeptes von 1996 bei der Krebsrisikoberechnung in Abhängigkeit von bestimmten PCB-Dosen.
............................................................................................
Beobachtungen von Mutagenität bei PCB-Belastungen:
In Laborversuchen stellte sich PCB 3 als mutagen heraus.
"Für gewisse PCB (z.B. 4-Chlorbiphenyl) und Handelsprodukten (z.B. Aroclor 1221) wurde ... im Ames-Test eine mutagene Wirkung nachgewiesen (36)." - Anmerkung: Mutagene Wirkungen wie auch genotoxische Wirkungen gelten i.a. als schwellenlos. (Quellenangabe bei mir erfragbar.)
"These results show that metabolites of PCB 3 are induced genotoxic and that
each metabolite induces its own, specific type of DNA damage."
Vor über zwei Jahrzehnten wurden in der Tschechoslowakei Arbeiter, die längerfristig in einer PCB-produzierenden Fabrik tätig waren, auf Blutveränderungen untersucht. Die peripheren Lymphozyten wiesen vermehrte Chromosomenaberrationen auf. Die mittleren PCB-Plasmabelastung lag zwischen 320 bis 420 Mikrogr./Liter.
Somit wurde 1991 in vivo an Menschen eine Mutagenität i.V.m PCB-Gemischen bei Arbeitern festgestellt, welche Umgang mit Delor 103 und Delor 106 (PCB-Gemische)
über etliche Jahre hatten (D.h.: Feststellung von Chromosomenaberrationen bei Blutzellen von PCB-Arbeitern - ein vollständiger Ausschluss anderer Ursachen wurden in den mir vorliegenden Unterlagen nicht beschrieben).
Die oft lesbare Behauptung über die generelle Mutagenitätslosigkeit von PCB ist also anhand dieser Beispiele mehr als nur fraglich. - Nun, welchem Autor ist auch das komplette Studium von derzeit über 9600 Publikationen, die u.a. das Thema PCB abhandeln, vollständig zuzumuten, mag gefragt werden dürfen. - Was gilt überdies für das PCB 126, humankarzinogen gemäß der WHO ? - In Verbindung mit den aktuellen WHO-Krebseinstufungen von einigen PCB als humankarzinogen kann sehr wohl eine schwellenlose PCB-Schadwirkung diskutiert werden.
Konkretisierend mag im Sinne einer groben Vorstellung eine Überschlagsrechnung wie folgt sein:
Hierzu möchte ich den Algorithmus des EPA-Modelles der Krebsrisikobestimmung auf Lebenszeit (70 Jahre, Körpergew. 70 kg, 30 Jahre Exposition) auf eine kleinste Menge PCB anwenden - dazu zieht man bspw. rechnerisch die Masse eines einzigen Moleküls, z.B. mit dem Atomgewicht von ca. 326 heran (PCB mit 5 Chloratomen).
Anmerkung: Der EPA-Algorithmus für die Krebsrisikobestimmung gilt für bestimmte PCB-Gemische - Aroclor, sh. EPA-Doku. Pcb.pdf.
Um überhaupt eine Vorstellung der etwaigen Größenordnung des Risikos zu ermitteln, reiche hier diese Rechenweise (Linearität / Dreisatz) in einem ersten Schritt zunächst aus. - Effekte wie Hormesis, Sublinearität, Supralinearität oder anderer Verläufe bei kleinen Dosen bleiben wegen der Nichtbeobachtbarkeit kleinster Wirkungen unbestimmt.
Ergebnis **):
ca. 1 in 10 hoch 24 als zusätzliches „Lebenszeit“-Krebsrisiko
(1 PCB-Molekül als kleinste "Norm"-PCB-Menge / gem. EPA,
nur im Falle der PCB-Inhalation, 70 kg Körpergewicht, 30-jährige Exposition, 70 Jahre Lebenszeit)
**) Zahlenangaben hier lediglich zur Demonstration der EPA-Berechnungsmodi
Aber: Bei aufgenommenen PCB-Mengen in einem Bereich von etwa 1 Gramm (etwa wie bei den Yusho-, Yusheng-Unfälle) existieren in etwa 2 mal 10 hoch 20 Moleküle im menschlichen Körper, d.h. das zusätzliche „Lebenszeit“-Krebsrisiko beträgt somit nach weiterer Überschlagsrechnung größenordnungsmäßig 1:5000 **).
Zu dieser laienhaften Abschätzung sind freilich die Fachleute gefragt, welche die mitzuberücksichtigenden Vertrauensintervalle mittels mathematisch strenger Methoden abschätzen können. Von vornherein zu sagen, die Vertrauensintervalle seien für sinnvolle Aussagen zu groß, wäre voreilig - Aufgabe kann nur sein: Die Aussagengenauigkeit zu steigern, dass heißt die Spannbreite eines Wahrscheinlichkeitsintervalles klein zu machen.
Bei dieser Überschlagsberechnung erscheint mir das EPA-Modell für die Praxis zu kleine Risiken (via Luftpfad) anzugeben, weil die Inzidenz-/Mortalitätsraten für Krebs in einigen PCB-Betrieben öfters doch relativ höher sein können, wie in einigen Statistiken nachgelesen werden kann (spezielle standardisierte Inzidenz-/Prävalenzraten i.V.m. PCB-Belastungen größer als 1).
Als Unsicherheiten können der nicht völlig präzis ermittelte Risikoproportionalitätsfaktor (slope factor) und die nicht genaue Expositionsmenge im Falle des Belastungspfades via Luft geprüft werden. - So werden die Faktoren im Rechenbeispiel „sample 3“ der EPA bedeutend höher angesetzt, wenn für den Fall der Nahrungsaufnahme - i.V.m. bestimmten Fischkonsum - um einige Größenordnungen höhere Werte seitens EPA zugrunde gelegt werden.
Wer das nachrechnet sieht, welche konkrete Bedeutung die TEF-Faktoren, also die relative Giftigkeitsfaktoren, hier für spezielle PCB-Kongenere, im EPA-Modell zugewiesen bekommen.
Ist die oben angegebene Größenordnung des Krebsrisikos zumutbar oder ist das Risiko nicht vielmehr als entschädigungspflichtig zu prüfen (insbesondere wenn es sich als höher herausstellt) - wie im Rechtsstaat erwartet werden darf ?
Hinzukommend wären die vielfältigen, andersartigen PCB-Erkrankungsrisiken mitzuberücksichtigen - sh. beispielsweise die Dosis-Wirkungs-Beziehung im Falle von Diabetes Mellitus, die schleichenden Beeinträchtigungen im Nervensystem oder die adversen Veränderungen im Bereich des Hormonhaushaltes (Schilddrüse).
Als weitere Anwendung kann der Algorithmus der EPA-Krebsrisikobestimmung für den Fall der Luftbelastung mit z.B. 5 Nanogramm / cbm durchgeführt werden:
Ergebnis **):
weniger als ca. 1 in 10 000 000 als zusätzliches „Lebenszeit“-Krebsrisiko
("Norm"- PCB / gem. EPA, nur im Falle von PCB-Inhalation,
70 kg Körpergewicht, 10-jährige Exposition, 70 Jahre Lebenszeit)
**) Zahlenangaben hier lediglich zur Demonstration der EPA-Berechnungsmodi
Eine genauere Bewertung - ebenfalls im EPA-Modell der Krebsrisikobestimmung - kann seitens der Fachleute durchgeführt werden, wenn die speziell in der Luft beobachteten PCB-Kongenere mit ihren TEF-Werten aufaddiert werden.
Die Vorbehalte gegen diese rechnerische Abschätzungsmethodik für zusätzliche Krebsrisiken infolge von PCB-Belastungen bestehen offenbar in den USA weniger als hierzulande; das EPA-Rechenmodell wurde noch vor sehr wenigen Jahren im Falle eines PCB-belasteten Hochhauses in der US-Stadt Seattle angewendet.
Hier führe ich diese Beispiele an, um das Merkmal der Schwellenlosigkeit von einigen PCB-Gesundheitsschäden deutlich zu machen und hoffte, dass entschlossene Fachleute auf diese Thematik im Dortmunder Envio-Prozess eingehen. Immerhin stehen zwei in den Medien publizierte Aussagen von Prof. Dr. Kraus und von Prof. Dr. Rettenmeier in keinem direkten Widerspruch zu einer Schadenschwellenlosigkeit von PCB.
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TEIL 5 (v. 04. Juni 2015) - bitte, ab hier Fortsetzung über Fundstellen wie im Nachrichtenstil:
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PCB und Transformatorenarbeiter bis 1996 / Spandau:
Im Juni 1995 haben Spandauer Medizinwissenschaftler eine
PCB-Forschungsarbeit bei einer einschlägigen Fachzeitschrift (vormals Neurotoxikologie)
eingereicht und über klinische Daten zu PCB-Vergiftungen in drei Fällen berichtet
(NeuroToxicology, Vol. 17(3-4), 1996, S. 639-643, Intox Press Inc.). Die Betroffenen
waren Transformatorenölen (großenteils Clophen A30) ausgesetzt. Dies kann
schon ziemlich genau an die Dortmunder Fälle erinnern.
Unter anderem wurde in Spandau eine graduell fortschreitende Polyneuropathie,
Akne und auch Chlorakne beobachtet. Auch nach Ende der PCB-Exposition
musste ein Fortdauern der neurophysiologischen Veränderungen
berichtet werden, wozu die Autoren die langen Halbwertszeiten
von PCB im menschlichen Körper als eine Erklärungsmöglichkeit in Verbindung brachten.
Wie die gesundheitliche Weiterentwicklung der Betroffenen bis heute verlaufen ist,
konnte ich nicht nachlesen; die RWTH-Aachen kennt o.g. Forschungsarbeit.
Für die Dortmunder Betroffenen wären die weiteren Spandauer Erfahrungswerte
besonders wichtig, wenn es sie denn gibt, darf man meinen - auch für HELPcB.
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Dosis-Effekt-Beziehungen: PCB und Diabetes Mellitus (DM) -
s. DGAUM/Fachtagung 2015 -
"In der Literatur werden für PCBs mehrere Modelle für
die Entstehung von DM bzw. negativer Beeinflussung eines bestehenden
DM beschrieben. (Fischer et al. 1996, 1998; Langer et
al. 2002; Casals-Casas 2011). Mehrere epidemiologische Studien
zeigen ebenfalls Assoziationen z. T. auch mit Dosis-Effekt-Beziehungen
zwischen einer PCB-Exposition und DM."
sh. dazu: DGAUM – 55. Wissenschaftliche Jahrestagung 2015 . ABSTRACTS DER VORTRÄGE ,
S. 125., Hervorhebung von mir.
Eine Facharbeit habe ich zwischenzeitlich dazu gefunden, die aufzeigt, dass
Erhöhungen im Falle von Diabetes Mellitus in Verbindung mit erhöhten PCB-Belastungen
zu beobachten waren. Im Landgerichtssaal 130 in Dortmund war diese
Dosis-Effekt-Beziehung offensichtlich nicht bekannt
- vielmehr wurde noch im April 2015 (Datum berichtigt, d.A.) dort richterlicherseits gesagt,
es gäbe keine Dosis-Wirkungs-Beziehungen. Was war damit gemeint ?
Im Falle von PCB-belasteten Kindern hatte die HBM-Kommission des Umweltbundesamtes
sogar noch von stimmigen Dosis-Wirkungs-Beziehungen für mentale Entwicklungsstörungen
geschrieben (Hervorhebung v.m.). In den betroffenen Envio-Familien hat die
RWTH-Aachen im Zuge des HELPcB-Programms darüber hinaus einige bestätigende Beobachtungen
publiziert (DGAUM-Bericht, statistische Signifikanz). Gehören in der Klägerschaft des Envio-Prozesses
einige der betroffenen Väter ?
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TEIL 4 (v. 20. Jan. 2015) -
in Vorbereitung: Höchstbelastung PCB in Deutschland, Schädigungsmechanismen von PCB
Die Transformatorentechnologie ist mehr als ein Jahrhundert alt und Askarele (u.a. PCB-Gemische) werden seit ca. 1930
in Transformatoren zu deren Kühlung und zur Isolation eingesetzt - d.h. bei 50-jähriger Betriebsdauer von
Transformatoren oder weniger ist das Recycling bzw. die Reparatur von Transformatoren mindestens schon vor 1980
mit PCB-Belastungen der betroffenen Arbeiter verbunden.
So kann es erstaunen, dass ausgerechnet in Dortmund im Jahre 2010 die jemals in Deutschland höchstgemessene
PCB-Belastung verzeichnet wurde. - Warum werden vorhergehende Fälle, die ausführlich belegt und publiziert wurden,
nicht angemessen beachtet ? - So zu einem Mechaniker, der wie die Envio-Arbeiter Transformatoren zerlegt hatte.
In einer Spandauer Klinik wurde 1995 in seinem Körper eine 4500 Mikrogramm PCB-Belastung pro Liter Vollblut
festgestellt.
Leider höre und lese ich nicht in der Lokalpresse, dass sich jemand von den PCB-Experten am Dortmunder Landgericht
um das gesundheitliche Schicksal des damals 32-jährigen Mannes kümmerte, um mehr Aussagensicherheit für die
aktuell betroffene Envio-Arbeiterschaft zu gewinnen.
Im Februar auf dieser Unterseite mehr dazu:
Hochbelaster PCB-Arbeiter (Spandauer Hospital 1995):
4500 Mikrogr. / Liter Vollblut und zwei weitere hochbelastete Arbeitnehmer
(zum Vergleich extreme Summe PCB 6 - im Dortmund: 376 Mikrogr. / Liter Blutplasma)
Hochbelasteter PCB-Fall in Polen:
500 000 Nanogramm / Gramm PCB im menschlichen Fettgewebe
Nordische Expertengruppe / Univ. Götheborg (2012):
Detaillierte Beschreibung von 4 unterschiedlichen PCB-Wirkmechanismen,
welche advers auf das Nervensystem einwirken.
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TEIL 3 (zuerst hier eingestellt am 17. Jan. 2015):
Zur Verdeutlichung der Schwellenlosigkeit von PCB-Gesundheitsrisiken (gemäß US-EPA):
Für PCB-Konzentrationen usw. gibt es in Deutschland einige festgesetzte Werte (z.B. teils im Sinne des obligatorischen Vorsorgeprinzips nämlich die maximalen Konzentrationswerte von PCB in Nahrung - sh. Grünkohl-Monitoring - oder z.B. PCB-Konzentrationswerte in der Innenraumluft als Atemluft).
Ein "Null-Wert" für die PCB-Konzentration - als Zielwert, "goal" - lässt sich in einer Publikation der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA (United States Environment Protection Agency, Umweltschutzagentur) vorfinden.
Der dort genannte "zero"-Wert für PCBs bezieht sich auf Trinkwasser und ist ein Zielwert (public health goal, auch MCLG = maximum concentration level goal - ein höchstens zu erreichendes, daher maximales Konzentrationsnivau für PCB = Null PCB im Trinkwasser gem. EPA - mithin überhaupt kein PCB.).
Zum Verständnis der Grenzwerte zu PCB kann die unten verlinkte EPA-Liste hilfreich sein, denn sie unterstützt mit der Angabe des "zero"-Wertes (als öffentliches Gesundheitsziel, in mg/Liter) unverwechselbar deutlich das Konzept der schwellenlosen Schädlichkeit der PCBs.
Wie gemeint werden darf, kann ein gesundheitlich nicht wünschenswerter, also ein adverser Effekt in Folge von einer kleinen Menge an PCB sehr wohl konkret eintreten, wenn z.B. das Immunssystem im menschlichen Körper in einer extrem beanspruchenden, in einer aus übrigen Gründen angespannten Situation einen Krankheitsausbruch abwehren soll, insbesondere wenn gerade mal ein einziges oder nur wenige Antikörper fehlen (weil z.B. Funktionsminderungen vorliegen), um eine Attacke von Krankheitserregern erfolgreich abzuwehren.
Mit PCB und anderen Schadstoffen kommt gleichsam ein Tropfen zum anderen Tropfen und ein einziger Tropfen reicht dann später aus, dass schlussendlich der "Eimer überläuft" – was dann genau Krankheitseintritt bedeutet.
Eine somit sich logisch ergebende Folge von PCB-Belastungen ist, dass sich mit der Schwächung des Immunsystems die minimale Infektionsdosis sich ungünstigerweise beim PCB-Betroffenen erniedrigen kann (min. Infektionsdosis = Mindestanzahl der Krankheitserreger, die eine Erkrankung auslösen - bei Pest 1 Erreger, bei Tuberkulose 2, bei Noroviren ca. 10 bis 100 und bei vielen anderen Infektionskrankheiten oft auch sehr viel mehr, Tausende oder noch sehr viel mehr; unterschiedl. Zahlenangaben in der Fachliteratur). Mit seiner Schwächung hat es dann das menschliche Immunssystem prinzipiell schwerer, eine Infektion mit Erfolg abzuwehren. Die Erschwerung der Infektionsabwehr infolge der PCB-Auswirkungen muss ohne Zweifel für einige Erst- und Sekundärinfektionen gelten.
Knapp bemessen kann eine Krankheitsabwehr dann sein, wenn z.B. andere, zusätzliche stoffliche Belastungen auf die Körperzellen störend einwirken und den Körper an den Rand seiner Abwehrkräfte bringen - dann kann eine zusätzliche, sehr kleine PCB-Belastung den Ausschlag dazu hergeben - wie ein Zünglein an der Waage - , den unerwünschten Umschwung auszulösen, nämlich eine Erkrankung.
In diesem gedanklichen Konzept (wie wollte man das Gegenteil nachweisen?)
muss ein einzelnes PCB-Molekül bereits ein (extrem) kleines, aber endliches Risiko im menschlichen Körper darstellen, beginnend auf Zellebene - damit ist die PCB -"Schwellenlosigkeit" zumindestens plausibilisiert, und wie ich aus Laiensicht meine - sie kann nicht widerlegt werden! - Warum verlangt als Zielvorstellung (public health goal) die US-EPA eine Nullkonzentration (MCLG) von PCB im Trinkwasser ? Der MCL-Wert (ohne "G") der US-EPA - als eine technisch praktikable und einforderbare Handhabung für eine PCB-Belastungssituation - sieht hier unter Abwägung von Kosten- und Nutzengründen einen pragmatischen Wert in Höhe von 0,0005 mg / Liter im Trinkwasser vor.
Ich möchte vermuten dürfen, im Falle von Neurotoxizität, bei der Krebspromotion, bei der Reproduktionsschädlichkeit und bei den hormonellen Auswirkungen kann eine zusätzliche PCB-Belastung gleichfalls wie das vielbeschworene "Zünglein an der Waage" wirken, wenn bereits andersartige, adverse Stoffbelastungen das biologische System des menschlichen Körpers bis knapp zur Grenze eines Krankheitsausbruches oder Grenze eines gesundheitlichen Schadens hin beeinträchtigen.
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Zwei konkrete Anwendungen konkreter numerischer Bestimmungen von PCB-Krebsrisiken -
Link: www.doh.wa.gov/Portals/1/Documents/Pubs/334-274.pdf (S. 15)
Das oben verlinkte Dokument berichtet im Jahre 2011 die numerische Bestimmung von Krebsrisiken (hier: schwellenlose PCB-Schädlichkeit, Annahme der US-Behörde EPA) für PCB-belastete Menschengruppen, wobei von einem zweieinhalb Jahrzehnte währenden Aufenthalt in einem PCB emittierenden Hochhaus der US-Stadt Seattle ausgegangen wurde. - Dies stellt somit einen praktischen Anwendungsfall für die ggf. weiterentwickelte EPA-Risikobestimmungsmethode für PCB-bedingte Krebserkrankungen aus 1996 dar.
Ferner existieren detaillierte Risikobestimmungen für Krebserkrankungen infolge hauptsächlicher ("primarily") PCB-Einwirkungen auf unterschiedliche Gruppen von belasteten Menschen in der US-Kleinstadt Anniston, wo über Jahrzehnte hinweg u.a. PCB produziert wurde.
Zugrunde liegt für die Bestimmung der PCB-Krebserkrankungsrisiken ein Rechenmodell der EPA, welches somit im US-Staat Washington wie auch in Anniston detailliert ausgeführt und angewendet wurde, erst um den Zeitpunkt des Envio-Skandales in Dortmund, also vor ca. vier Jahren bzw. auch vor etwa einem Jahrzehnt.
Ergebnis für die PCB-belasteten Hochhausnutzer in Seattle:
Kein bedeutsames ("insignificant") Krebsrisiko als Lebenszeitrisiko in der Höhe von ca. 7 in 10 Millionen, da der rechnerische max. Risikowert etwas kleiner als 1 in einer Million bei den betroffenen Hochhausnutzern ist. Ein derart zahlenmäßig kleines, zusätzliches Krebsrisiko geht auf Grund des kleines Zahlenwertes in den übrigen, eh bereits vorhandenen Krebsrisiken unter. (Was hier gerade noch als zusätzlicher Risikowert im Sinne einer Obergrenze duldbar ist oder hingenommen werden soll, ist letzten Endes als eine politische Entscheidung zu verstehen - z.B. ein zusätzliches Risiko in Höhe 1 in 10000, welches - als ein von außen auferlegtes - Risiko dem einen oder anderen Menschen schon als unzumutbar viel erscheinen kann.)
Die rechnerische Krebsrisikobestimmungen (hauptsächlich - „primarily" - infolge von PCB-Einwirkung im Boden, sh. EPA-Dokument anpcbstalfax08.pdf, S. 6 bis 8, Human Health Risk Assessment Fact Sheet, Jan. 2008) für gegenwärtige und zukünftig Beschäftigte in Anniston zeigte jedoch mehrfach höhere Risikowerte als in Seattle (2011) auf, z.B. den zusätzlichen Krebsrisikowert 1 in 5000 für eine spezielle Arbeitergruppe.
Die zugrundeliegenden, in Anniston häufig quantifizierten PCB-Belastungen und andere Belastungen hatten zu den Entschädigungen beigetragen (insgesamt ca. 700 Mill. US-Dollar nach 2001 im Rahmen eines gerichtlich unterstützten Vergleiches). - Man kann für den Dortmunder Fall durchaus den Eindruck gewinnen, dass die Envio-Arbeiter schadstoffmäßig in der Größenordnung wie einige der Anniston-Betroffenen belastet wurden, sicherlich teilweise mehr und teilweise aber auch weniger als in den Anniston-Fällen.
Im Sinne der Wahrheitsfindung für die betroffenen Menschen sollte man dazu festhalten:
a) Die US-Behörde EPA geht von einer Schwellenlosigkeit für ein PCB-Krebsrisiko aus - so in 2011, also zeitlich noch sehr nahe dem Envio-Fall in Dortmund.
Zur Schwellenlosigkeit vermerken die Autoren des behördlichen Dokumentes:
"EPA still assumes no threshold exists for cancer risk unless sufficient data indicate otherwise." - sh. S. 9, Link:
http://www.doh.wa.gov/Portals/1/Documents/Pubs/334-274.pdf
Die Formulierung "still" (= noch) darf hier, wie ich meine, durchaus kritisch gesehen werden, denn die Autoren unterstellen hier, dass tatsächlich auch keine Schwelle (treshold) existieren kann - oder in anderen Worten, sie bedenken nicht, dass im menschlichen Körper grenzwertige Rand- / Kippsituationen, welche grundsätzlich und auch tatsächlich das Erkrankungsrisiko erhöhen, eintreten können. Eine Limitüberschreitung einer gesundheitlichen Belastung, aufgebaut durch übrige Störfaktoren, kann nämlich auch gerade dann eintreten, wenn die PCB-Auswirkungen dem biologischen System (Immunsystem) die eben noch fehlende Menge an Abwehrleistung kappen.
b) Eine gleichwertige Risikoabschätzung dieser Art wie in den USA wäre schon bedeutsam für die hochbelasteten Envio-Arbeiter, weil vermutlich ein zahlenmäßig kleines Risiko - und daher vielleicht doch ein etwas beruhigender Risikowert (gegenüber den teils vorhandenen, noch schlimmeren Erwartungen der Envio-Betroffenen) - , also ein rechnerisch ermitteltes Krebserkrankungsrisiko erstmalig ansatzweise abschätzbar wird, welches, auch wenn es ziffernmäßig klein ist, zu einer Entschädigung verpflichten wird müssen. - Risikowerte im Envio-Fall wurden bislang m.W. nicht in der Presse berichtet.
Mit dem Ziel einer Entschädigung sind derartige Zahlenwerte (wie in den USA von der EPA-Behörde) im Rahmen eines Analyse-Modelles konkret in Form von Intervallangaben (evlt. Konfidenzintervallen) ermittelbar und zwar auf Basis seriöser, behördlich geprüfter methodischer Vorgehensweisen - dies sollte schon geprüft werden.
Reale Risiken - wie in vielen Fällen der PCB-Historie bereits beobachtet - kommen dabei wenigstens im Ansatz den erwartbaren Schädigungen nahe oder vielleicht in der weiteren Zukunft sogar gleich; jedenfalls schmälern sie tatsächlich die Zukunftsperspektive der Betroffenen - undenkbar wäre daher eine von der Justiz abgelehnte Entschädigungspflicht.
Eine Geldstrafe, zu zahlen in einen einzurichtenden Opferfond, aus dem ein Gremium (z.B. eine Expertengruppe der RWTH-Aachen) Entschädigungsleistungen bemessen und zuweisen wird können, wäre m.M.n. im Sinne eines Mindestmaßes an Gerechtigkeit.
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Nochmals zur Schwellenlosigkeit des PCB-Schädigungspotenzials:
Auch möchte ich hier, bitte, noch einmal zurückkommen auf die Beurteilung von PCB-Gehalt (im Trinkwasser) der US-Behörde EPA, welches gekennzeichnet ist mit dem Wert "zero" - überschrieben im Spaltenkopf mit "public health goal". Die folgende Betrachtung verdeutlicht ebenfalls die Schwellenlosigkeit ungünstiger Wirkungen von PCB auf den menschlichen Körper, wie ich weiter unten ausführe und begründe.
EPA publizierte eine weitere, fast identische Tabelle, wo der Wert "zero" für PCB im Spaltenkopf mit "MCLG" (statt "public health goal") übertitelt ist. Die US-Behörden erläutern bzw. definieren MCLG - auch für PCB - gleich dreimal wie folgt. Zitate aus den behördlichen Dokumenten:
a) MCLG - "Maximum Contaminant Level Goal (MCLG) -
The level of a contaminant in drinking water below
which there is no known or expected risk to health.
MCLGs allow for a margin of safety and are
non-enforceable public health goals." (S. bitte Behördendokument,
"National Primary Drinking Water Regulations" - Link:
http://water.epa.gov/drink/contaminants/upload/mcl-2.pdf )
Anmerkung: Der MCL-Wert beträgt hier für PCB 0,0005 mg/Liter und
fußt u.a. auch auf Kosten- und Nutzenerwägungen. Der MCLG-Wert ist daher
ein wirklich sicherer Wert für die Trinkwasserverbraucher als der MCL-Wert ihn darstellen kann.
Anmerkung: Man mag einmal den MCL-Wert (also ohne "G", goal) der US-EPA für Trinkwasser von 0,0005 mg / Liter Trinkwasser mit dem deutschen vorsorglichen Grenzwert von 300 ng PCB / cbm in der Innenraumluft (Atemluft) vergleichen.
b) MCLG - "Maximum Contaminant Level Goal
The level of a contaminant at which there would be
no risk to human health (not a legally enforceable
standard)" - siehe bitte:
http://water.epa.gov/drink/guide/upload/book_waterontap_full.pdf
Appendix D, p. 31.
c) " "Maximum contaminant level goal" or "MCLG" means the maximum
level of a contaminant in drinking water
at which no known or anticipated adverse effect on the health
of persons would occur; and which allows an adequate margin of safety.
Maximum contaminant level goals are non-enforceable health goals;..."
s.S.4 in dem Dokum. - Link:
http://www.dir.ct.gov/dph/PHC/docs/33_Public_Drinking_Water_Qu.doc
- vom (US-)"Department of Public Health".
( Anderes EPA-Beispiel - zum besseren Verständnis:
MCLG for lead [Blei] is zero (0) and for copper [Kupfer] is 1.3 mg/L. )
Blei ist somit schwellenlos als schädlich (advers / unerwünscht) anzusehen; geringe Mengen an Kupfer benötigt der menschliche Körper als Spurenelement, während größere Mengen an Kupfer auf die Gesundheit schädlich wirken.)
Ist der im Trinkwasser vorgefundene PCB-Wert größer als der MCLG-Wert "zero",
- d.h. also bei exakter Auslegung von MCLG - wurde dann z.B. mindestens ein PCB-Molekül in der Trinkwasserprobe registriert - kann ein "adverser Effekt", beginnend auf Zellebene, nicht ausgeschlossen werden. Folglich muss die Schwellenlosigkeit für adverse Effekte, wie ich meine, aus der EPA-Definition elementarlogisch geschlussfolgert werden können, gleich welche Definition man nimmt unter a), b) oder c).
Insbesondere muss Folgendes auf der Basis elementarlogischer Herleitung bei PCB-Kontiminationen größer als Null gelten (mithin gemäß obiger EPA-Definitionen und gemäß dem EPA-Zielwert von "zero" für PCB unter a) bis c) ) - hier also im Detail:
a) There is a known or an expected risk to health.
b) There is a risk to human health.
c) A known or an anticipated adverse effect on the health of persons would occur.
Der von der US-Behörde dazu exakt angebene Wert von "zero" (= Null) macht somit gemäß den EPA-Angaben ein Schädigungspotenzial von PCB zwangsweise schwellenlos.
Ein biologisch adverser Effekt auf Zellebene muss / wird zwar noch keinen gesundheitlich fühlbaren adversen Effekt darstellen (dieser wäre extrem selten, etwa bei Krebsinitiierung oder Krebspromotion) - sollte aber in einer seltenen Grenzsituation (z.B. infolge eines beginnenden Infektes, wenn der Körper aus anderen Gründen schon nahezu voll mit der Krankheitsabwehr ausgelastet ist) im menschlichen Körper genau ein einziges bestimmtes gesundheitsstabilisierendes Eiweißmolekül PCB-bedingt beeinträchtigt sein bzw. nicht, wie sonst von der Natur vorgesehen, ausreichend gut funktionieren und dieser Fall auch eintreten, so erhöht sich somit grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung.
Auch wenn zur Erläuterung an anderen Stellen in der Fachliteratur beschrieben wird bzw. der Eindruck erweckt wird, dass keine schlüssigen Erkenntnisse zur schwellenlosen Schädlichkeit von PCB vorliegen und falls damit - evtl. von interessierter Seite (Haftpflichtversicherungen ?) - impliziert werden sollte, dass die Bestimmung von MCLG = zero für PCB lediglich eine vorsorgliche Festsetzung seitens der EPA darstellen kann - , so werden die bislang gewonnenen biologischen, biochemischen und biophysikalischen Erkenntnisse über die Auswirkung von PCB im menschlichen Körper ohne jeden vernünftigen Zweifel zur Feststellung von gesundheitlich adversen, schwellenlosen Wirkungen ausreichen (meine Meinung):
Zum Beispiel dadurch, dass ein einzelnes PCB-Molekül, wenn es ein Funktionseiweiß (AhR-Rezeptor) besetzt, dieses Funktionseiweiß daran geringfügig hindern kann, in allen Fällen seine übrigen biologischen Aufgaben in einer günstigen Weise, also uneingeschränkt, zu erfüllen. Anmerkung: Eine spezielle Anhaftfähigkeit von PCB an einen speziellen Rezeptor (Funktionseiweiß) unterliegt starken Unterschieden, z.B. 1:50000, wenn PCB 126 mit PCB 127 verglichen wird.
D.h., dass ein PCB-Molekül wird auf Zellebene bereits einen biologisch adversen Effekt mit sich bringen können (beobachtbar und fühlbar erst, wenn die PCB-Mengen dazu ausreichen oder auch in den grenzwertigen, seltenen Randsituationen, wo ausgerechnet nur ein oder nur sehr wenige voll funktionstüchtige, biologische Apparatismen im Körper PCB-bedingt fehlen - man denke an mögliche Kippsituationen und übersehe nicht den Effekt des "Züngleins an der Waage".
Meine seit 2012 gewonnenen Rechercheresultate und meine Sicht der Situation und Meinungen zu den Vorgängen habe ich bereits niederlegen dürfen unter: http://www.lokalkompass.de/dortmund-city/politik/krankmachung-durch-pcb-keine-frage-d222243.html (Zuletzt aufgerufen am 15.01.2015 - dort mag der interessierte Leser meine Sichten und Findungen aufsuchen. Dankeschön an die Redaktion des Lokalkompasses! Zwecks weiterer kritischer Fortschreibungen meiner Rechercheergebnisse bin ich für Rückmeldungen an
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TEIL 1 (zuerst eingestellt am 9.11.2014):
Im Juni 2014 war bei einer der drei Anhörungen des wichtigsten
Gutachters immerhin für Momente der merkwürdige Eindruck
positiver gesundheitlicher Wirkung von PCB beim Vorsitzenden Richter
des Dortmunder Landgerichtes entstanden
- eine entsprechende richterliche Rückfrage bezeugt dies;
der Gutachter stellte dann den von ihm selbst erzeugten Eindruck richtig.
So soll hier darauf hingewiesen werden können, dass mittlerweile die Nebenklägerseite
einen Befangenheitsantrag gegen den besagten Gutachter eingereicht hat.
In der Gefahrstoffforschung wurde mit Hilfe von Säugetieren,
deren Organe mithin oft ähnlich dem des Menschen funktionieren, in zahllosen
Experimenten die Schädlichkeit auf den tierischen Körper
nachgewiesen. Z.B. wurden Letaldosen für eine 50-prozentige Tödlichkeit
ermittelt und somit auch eine sogenannte akute Toxizität im Tierversuch bestimmt
- auf 100 kg Tiergewicht umgerechnet oft deutlich weniger als 1 kg bis hin
zu ca. 100 g Gefahrstoffmenge.
(Die Stoffmenge bestimmt die Auswirkungen ihrer Giftigkeit.
Bekannt ist, dass einige schwellenlose Wirkungen existieren,
wenn nämlich bereits die kleinste denkbare Gefahrstoffmenge
das biologische Gesundheitssystem beeinträchtigt, auch wenn im Anschluss
danach eine gesundheitliche Symptomatik erst bei höheren Gefahrstoffmengen
einsetzt und diese erst später bei ausreichender Intensität überhaupt beobachtbar wird.)
Bei erfolgten Verseuchungen von Menschen mit PCB-Gemischen
(Yusho 1968, Yu Sheng 1979) wurden in der Vergangenheit ebenfalls
schwerwiegende gesundheitliche Auswirkungen beobachtet;
diese Gemische enthalten in der Regel auch bestimmte
Furane oder dioxinähnliche Stoffe, so dass sich für den
Dortmunder Fall herausstellt, dass vom Grundsatz her kein wesentlicher
Unterschied zu einigen vorhergehenden Schadensfällen mit PCB gegeben ist
- auch in Dortmund gab es zusätzlich belastende Stoffmischungen,
und im Dortmunder Fall bei einigen Arbeitern zudem noch eine Belastung
mit Per, Perchlorethylen, einem Lösung- und Reinigungsmittel, gleichfalls eine Chlorverbindung.
Im Oktober 2009 wurde von einer Arbeitsgruppe der IARC, einer internationalen
Forschungseinrichtung, zuzuordnen der Weltgesundheitsorganisation (WHO),
das PCB 126 als krebserregend für den Menschen - im Rahmen einer Vorarbeit -
eingestuft (Quelle sh. w.u.) und wurde danach im
Rahmen der Liste der humankarzinogenen Gefahrstoffe geführt. Bald danach
wurden weitere bestimmte PCB der WHO-Liste humankarzinogener Stoffe hinzugefügt.
Mit der Veröffentlichung vom Dezember 2010 (Lancet) hätte demnach
die neue Einstufung von PCB 126 als humankarzinogener Stoff in den
PCB-entsorgenden Betrieben Aufmerksamkeit und Berücksichtigung verdient.
(www.thelancet.com/oncology Vol 10 December 2010, p. 1143 ff)
In vielen Jahrzehnten waren bezüglich der Krebspromotion von PCB zahlreiche Studien vorausgegangen,
die den anfänglich Verdacht bis hin zu den jüngeren Krebseinstufungen seitens der WHO
bestätigt und erhärtet haben.
Ein vernünftiger Zweifel kann daher an der Krebspromotion via PCB nicht bestehen.
EXPOSITION-RISIKO-BEZIEHUNG von 1996
Dieser vernünftige Zweifel bestand bereits bei der amerikanischen Umweltbehörde (EPA) offenbar
schon seit 1996 nicht mehr, wo bereits damals von der EPA für quantifizierte Mengen bestimmter
eingenommener PCB-Gemische (Aroclor 1016) Risikoschätzwerte für menschliche Krebserkrankung
ganz konkret beziffert wurden - dazu wurden mathematisch Exposition-Risiko-Beziehungen auf
Basis vorhandener Messergebnisse bestimmt und mehrere Beispiele detailliert vorgerechnet.
Quelle: EPA/600/P–96/001F, September 1996, p 58 ff
Auch wenn speziell kein Aroclor-Gemisch in Dortmund vorliegen wird,
sondern auf Grund der vielfältigen Transformatorenlieferungen mit PCB-Ölbindern
unterschiedlichste PCB-Mischungen inhaliert wurden, könnte im Dortmunder Fall
der EPA-Algorithmus durchaus - nach entsprechender Anpassung - angewandt werden,
um zunächst im EPA-Modell eine grobe Größenordnung des Krebsrisiko in den verschiedenen
Einzelfällen abzuschätzen. - Zu hoffen ist, dass zahlenmäßig nur "kleine" Risikowerte
sich hierbei ergeben -
jedoch sind auch zahlenmäßig kleine Risiken für eine Entschädigung
der bedauertenswerten PCB-Belasteten zu prüfen, wie ich meinen muss.
Bei der Dortmunder Anwohnerschaft wird man davon ausgehen dürfen,
dass um Bruchteile der PCB-Gehalt im menschlichen Gewebe erhöht wurde,
welche auch unterhalb der praktizierten, messtechnisch gegebenen Nachweisgrenze liegen können;
die seinerzeitigen Messungen hatten - mit Ausnahme weniger Personen (evtl. nur eine Person) -
keine auffällige PCB-Belastung ergeben. Dies unterscheidet die östliche Dortmunder Hafenanwohnerschaft
von den Bürgern des amerikanischen Ortes Anniston, wo Dekaden währende PCB-Fabrikationen
zu einem Vielfachen der Belastung mit PCB - gemessen an der übrigen Bevölkerung - geführt hatten.
(Fehlt mir zu der Dortmunder Anwohnerschaft wichtige Information?)
Anmerkung: Die Anniston-Bewohner wurden vor über einem
Jahrzehnt von dem PCB-Fabrikanten finanziell entschädigt. - Dennoch
ist eine sorgfältige Diskussion nicht zuletzt im Rahmen der europaweit
verbindlichen Vorsorge weiter zu betreiben, wie z.B. die aktuellen Ergebnisse
der Grünkohlverprobungen in den Kleingärten immer noch deutlich machen.
Im Unterschied zu den Anwohnern haben etliche Angehörigen einiger Envio-Mitarbeiter
unzweifelhaft sehr stark erhöhte PCB-Gehalte im Blutplasma - so eine Frau,
die den 800-fachen Wert aufwies, wobei bei dem angehörigen, betroffenen Envio-Arbeiter
mehr als das 10000-Fache an PCB-Belastung gemessen wurde. Die Arbeitskleidung
hatte in der Wohnung zur Verseuchung mit PCB geführt.
GESUNDHEITLICHE AUSWIRKUNGEN IM UMFELD VON PCB-BELASTUNGEN
Wessen Körper in industriellen Produktionsprozessen mit PCB belastet wurde,
wird oft auch mit den PCB-begleitenden Stoffen belastet sein, z.B. Furanen. Das
Zusammenwirken verschiedener Stoffe erschwert hier die medizinische Beurteilung
der Ursachen von Krankheiten; dennoch die Existenz von deutlich sprechenden
Beobachtungen wurde vielfach dokumentiert und kann nachgelesen werden.
Hier sollen Ergebnisse aus publizierten Berichten zu Gesundheitsschädigungen,
welche in Verbindung mit PCB-Belastungen (Gemische) beobachtet wurden, genannt werden -
mithin grundsätzliche Risikoerhöhungen im Falle einiger von PCB-assozierten Krebserkrankungen.
Negative gesundheitliche Auswirkungen im Bereich des Immunsystemes, des Nervensystemes,
des Fortpflanzungssystemes und mehr mussten zudem schon seit langem registriert werden. Hier
seien zunächst einige Mitteilungen bzgl. der Krebsmortalität - ohne die Angabe der
belastenden Stoffmengen an PCB-Gemischen - genannt, wie sie sich in einer Fabrik,
welche PCB verarbeitete, ergeben hatten (Kondensatorenfabrik in Indiana, USA*)).
KREBSMORTALITÄT:
Dazu finden sich konkrete Angaben zu erhöhten Sterblichkeitsraten - im Falle
von speziellen Krebsbildungen bei Menschen mit fabrikationsbedingten PCB-Belastungen*).
Für jede dieser Häufigkeitsfeststellungen (sh. u.) lässt sich eine grundsätzlich systematische
Erhöhung des Krankheitsvorkommens mit 95 Proz. oder mehr Wahrscheinlichkeit unter
bestimmten Modellannahmen plausibilisieren. Dabei wurde auf die Krebssterblichkeit
der Allgemeinbevölkerung Bezug genommen und standardisierende Bewertungsverfahren
zugrunde gelegt. (Standardisierte Mortalitäts-Rate =: SMR, als Quotient der Zahlen
von beobachteten (Zähler) und erwarteten (Nenner) Todesfällen. -
Z.B. SMR=5,99 bedeutet die nahezu 6-fache Mortalitätshäufung gg. unbelasteten Situationen,
wobei der Zusatz "95% CI, 1.2–17.5" hier angibt, dass der SMR-Wert von 5,99 mit 95 Proz.
Wahrscheinlichkeit tatsächlich zwischen 1,2 und 17,5 liegt. - Hinzuzufügen ist nochmals, dass PCB oft
nicht allein vorkommen, sondern noch zusätzlich weitere gefährliche Stoffe (z.B. Furane)
mit sich bringen können, was bei überhitzten, gealterten bzw. defekten Transformatoren
oder aus industriellen Fertigungsgründen gut möglich ist. -
Ein Faktor von z.B. 5,99 kann als hoch erscheinen - das übliche Vorkommen
der zugehörigen Krankheitsform ist jedoch klein, so dass selbst eine Erhöhung
um den besagten Faktor keine sofort bedenklich stimmende positive Prognose
im Einzelfall zulässt - falsch ist daher, zu sagen,
der Betroffene werde dann daran erkranken
(sondern eher nicht erkranken, denn der absolute Risikozahlenwert ist klein
- weit, weit weniger als 50 Prozent).
Die damalige Beobachtung von erhöhtem Krankheitsvorkommen
in der Fabrikarbeiterschaft kann zudem nicht eins zu eins auf
die gegenwärtige Situation übertragen werden; sie ist jedoch durchaus
als ein erster Anhaltspunkt verstehbar, wie gemeint werden darf.
Hier gebe ich einige gesammelte SMR-Angaben zu Haut-/Hirn-/Leberkrebs etc.
i.V.m. PCB-Belastungen und damit verbundenen Stoffen wieder (alle textlichen Hervorhebungen in Zitaten von mir) -
dabei handelt es sich i.d.R. um Fälle, in denen die Schadstoffbelastungen über einige Jahre erfolgte,
jedoch auch Fälle mit nur etwa dreimonatiger Belastung. - Die Anzahl der einbezogenen Personen
betrug 3569 (Kondensatorenfabrik, Indiana, USA *)).
1.) Hautkrebs:
... Melanoma remained in excess (9 deaths; SMR, 2.43; 95% CI, 1.1–4.6),
2.)
...especially in the lowest tertile of estimated cumulative exposure
(5 deaths; SMR, 3.72; 95% CI, 1.2–8.7) ...
3.) Hirnkrebs:
... Seven of the 12 brain cancer deaths (SMR, 1.91; 95% CI, 1.0–3.3)
occurred after the original study. ...
4.)
... Brain cancer mortality increased with exposure
(in the highest tertile, 5 deaths; SMR, 2.71; 95% CI, 0.9–6.3);
the SRR dose–response trend was significant (p = 0.016). ...
5.) Hautkrebs:
...Among those working =90 days, both melanoma (8 deaths; SMR, 2.66; 95% CI, 1.1–5.2)
and brain cancer (11 deaths; SMR, 2.12; 95% CI, 1.1–3.8) were elevated, ...
6.)
... especially for women: melanoma, 3 deaths (SMR, 5.99; 95% CI, 1.2–17.5); ...
7.) Leberkrebs u.m.:
... death from cancer of the liver, gall bladder, and biliary tract
(5 observed, 1.9 expected,SMR=2,63, p<0.05). ...
8.) Hautkrebs:
... a statistically significant excess risk of death from skin cancer
(8 observed, 2.0 expected, SMR=4,1; CI=1,8–8,0); …
Quelle: Volume 114 | NUMBER 1 | January 2006 • Environmental Health Perspectives, p 18
Hier muss erwähnt werden, dass auch Untersuchungen vorliegen,
die keine Steigerung des SMR-Wertes aufzeigten - jedoch die Aufnahme
einiger PCB in die Liste der humankarzinogenen Stoffe der WHO bestätigt
im Grundsatz die obige Auswahl an SMR-Werten. - Die Untersuchungssituation wird
regelmäßig erschwert durch weitere Einfluß nehmende Umstände bzw. Variablen -
wie spezielle Ernäherungsbedingungen, genetische Grunddisposition,
weitere umweltstoffliche Belastungen, Lebensstilfragen (z.B. Sport) und mehr.
Genauer zu diskutieren wären die Resultate aus dem Betreuungsprogramm, welche
teilweise bereits in Fachzeitschriften veröffentlicht wurden und welche die Arbeitsgruppen von
HELPcB (RWTH Aachen) als statistische Auffälligkeiten im Bereich der gesundheitlichen
Auswirkungen bei den Envio-Arbeitern festgestellt haben. (Hinweise z.B. auf
- ungünstige Veränderung der Nervenleitgeschwindigkeit
- Veränderung im Nervensystem
- des Verhaltens der Schilddrüse
- Veränderung der Haut und mehr.)
Ein vernünftiger Zweifel daran, dass die Arbeit bei der Firma Envio
eine Gruppe von Menschen konkret geschädigt hat, kann auf
Basis der festgestellten Beobachtungen nicht existieren. - Völlig
verfehlt ist es in diesem Zusammenhang, von "abstrakter Gefahr" zu sprechen.
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TEIL 2:
F o r t s e t z u n g des Beitrages am 2. Dez. 2014 (letzte Fortschreibung am 4.12.):
Aussagen im Envio-Prozess und die beobachtete Realität
- meine Sicht:
Zu den mit PCB-Gemischen verbundenen gesundheitlichen Effekten und zu den
dazugehörigen Ursachen, deren nicht hinreichende Nachweismöglichkeiten vor dem
Dortmunder Landgericht im Envio-Prozess von einigen Gutachtern oft betont
werden, zu diesen Sachverhalten habe ich weiter recherchiert und auch dazu, dass
im Envio-Prozess fragenswürdige, oft leider nicht konkret gewichtete Zweifel gesetzt
wurden. Im Folgenden beziehe ich mich unter a) bis c) auf Meldungen zu einigen
Äusserungen des Hauptgutachters, Herrn Prof. Dr. Albert Rettenmeier.
http://www.financial.de/news/wirtschaftsnachrichten/ehemaliger-envio-geschaftsfuhrer-weist-vorwurfe-zuruck/
Gemäß der verlinkten Meldung v. 4. Juli 2012 von dapd
hatte Herr Dr. Rettenmeier vor dem Dortmunder Landgericht 2012 geäußert:
a) " "Es gibt keine Dosis-Wirkung-Beziehung",
sagte anschließend der Leiter des Instituts für Hygiene und
Arbeitsmedizin der Universität Duisburg-Essen, Albert Rettenmeier. "
b) "Er betonte ..., dass das Risiko für eine
Krankheit bei denjenigen höher sei, die stärker belastet seien. "
c) "Es sei aber nicht möglich zu sagen, wie hoch die
Belastung sein müsse, um eine Krankheit auszulösen."
(Auszüge aus der hier verlinkten dapd-Meldung, alle Texthervorhebungen
von mir, auch unten.)
.........................................
Dazu möchte ich hier wie folgt kommentieren und belegen -
zu a)
der Verneinung der Existenz von Dosis-Wirkung-Beziehungen:
(Leider kann ich mich nur auf o.g. dapd-Mitteilung beziehen, Herr Dr.
A. R. mag in 2012 an anderer Stelle auch mehr gesagt haben.)
In der Literatur gibt es mehrere Belegstellen zu Dosis-Wirkungs-Beziehungen:
1. Dokument der US-Umweltbehörde EPA:
In einer von einer amerikanischen Umweltbehörde gestützten
Fachstudie (EPA-Dokument: EPA/600/P-96/001F, S. 59 ff)
werden diesbezüglich drei Beispiele an Risikobemessungen für Krebs
(hier als Risikowahrscheinlichkeit für den Eintritt der Krebskrankheit)
- in Abhängigkeit von den aufgenommenen PCB-Mengen -
genau durchgerechnet und als Risikoschätzwerte beziffert;
dabei werden Aroclor-Mischungen zugrundegelegt.
2. Dokument des Landesumweltamtes NRW:
In dem vom Land Nordrhein-Westfallen veröffentlichen Infomaterial
(NRW LANUV Materialien Band 62, S. 192) findet sich
zu dem Thema von toxikologischen Bewertungen von PCB,
was z.B. das menschliche Krebsrisiko betrifft,
ein deutlicher Hinweis auf eine "Dosis-Wirkungsbeziehung".
Zitat: ".., im Gegensatz zu den Befunden bei Norback und Weltman (1985)
sind aus der neueren Studie Dosis-Wirkungsbeziehungen ersichtlich."
Anmerkung: Bezug auf die Datenbasis in EPA (2000a).
(Eine grundsätzlich völlig konträre Äusserung eines Gutachters -
vor dem Landgericht war jedoch öffentlich berichtet worden, s.b.o.)
3. Beziehung zwischen Krebsrisiko und Arbeitsdauer:
"Excess risks for melanoma were reported in
several studies, mainly cohort studies
of workers in the manufacture of
capacitors and transformers, and
in electric power and equipment
maintenance. A significant linear
exposure–response trend was noted in the largest study." -
Hier die Benennung der größten Studie - 'Largest' study:
Loomis D, Browning SR, Schenck AP, et al.
"Cancer mortality among electric utility workers
exposed to polychlorinated biphenyls.",
Occup Environ Med 1997; 54: 720–28.
Anmerkung: Je länger die Arbeit währte, je höher
wurde das Erkrankungsrisiko - eine lineare Beziehung wurde
hier konkret quantifiziert.
4. Beziehung zwischen Entwicklungsdefiziten bei Kindern und PCB-Belastungen:
" Die HBM-Kommission des UBA führt... aus:
"... sind für die kritische Gruppe von Kleinkindern
(bis 42 Monate) stimmige Dosis-Wirkungs-Beziehungen
für mentale Entwicklungsstörungen beschrieben worden,
die sich auf PCB im Schwangerenplasma bzw. auf PCB
im kindlichen Plasma ... beziehen (Walkowiak et al, 2001).""
sh. dazu S. 7 in
POLYCHLORIERTEN BIPHENYLEN (PCB) IN INNENRÄUMEN -
STUDIE ZU VORKOMMEN UND GESUNDHEITLICHER BEDEUTUNG
Verfasser: Herbert Obenland, ARGUK-Umweltlabor GmbH, Oberursel.
Sonja Pfeil, Institut für Angewandte Umweltforschung e.V., Oberursel,
November 2004
Frage: Welcher der Gutachter hat vor dem Dortmunder LG diese "stimmigen"
Dosis-Wirkungs-Beziehungen mit den betroffenen Kinder in den Familien
der Envio-Arbeiter versucht in Verbindung zu bringen, wenn überhaupt ?
5. PCB-Gehalt im Blut und Nervenleitgeschwindigkeit:
sh. dazu "A clinical and electrophysiological study of
patients with polychlorinated bipenyl poisoning, LIE-GAN
CHIA, FU-LI CHU, Taiwan 1984 - im
J Neurol Neurosurg Psychiatry. Sep 1985; 48(9): 894–901,
sh. S. 896, Table 3:
Untersucht wurden die Nervenimpulse an Beinen und Armen
der Betroffenen im Abstand von zwei Jahren, zunächst im Jahre 1980 an
35 Opfer des Yu-Cheng-Unfalles (1978) und von diesen dann wieder
in 1982 bei 28 Personen, zusammen mit einer unbelasteten Kontrollgruppe
von 44 Personen.
Die Nervenleitgeschwindigkeit unterschied sich von der Vergleichsgruppe
maximal im arithmetischen Mittel um ca. 14 Prozent (Verringerung),
die Amplitude des Nervenimpulses sogar um maximal 37 Proz. (1980);
bei der Zweituntersuchung in 1982 betrugen die maximalen Minderungen hier
9 Proz. bzw. 26 Prozent (eigene Nachrechnung, R.U.).
1980 betrug bei den Untersuchten die durchschnittliche PCB-Belastung 35,9 ppb
im Blut, 1982 dann 19,2 ppb - bei einem Normalwert von unter 4 ppb.
Wenn der Umweltmediziner Dr. Kurt Müller die Auswirkungen der PCB-Gemische
mit nachteiligen psychischen Auswirkungen verknüpfte, scheint daher dies infolge
der beschriebenen Minderung der Nervenleistung dem Laien nur allzu verständlich,
mithin aus rein physischen Gründen (PCB als Isolierungsmittel) bedingt zu sein
- eben auch o h n e das Zitieren von Placebo- oder Nocebo-Effekten -
erklärbar zu sein. - Bei einigen Kindern wurden auch Reaktionszeitverlängerungen
beobachtet und auch in weiteren Fällen Einschränkungen des Hörvermögens.
6. Im Tierversuch festgestellte Dosis-Wirkungsbeziehungen:
Sh. bitte dazu: "Belastung mit polychlorierten Biphenylen (PCB) während der
Entwicklung der Ratte: Wirkung auf emotionales Verhalten,
Lernverhalten, geschlechtsspezifisches Verhalten und
Sexualhormone, Dissertation, Hatice Kaya, 2003" - dort S. 8:
"1.7 Akute und Chronische Toxizität
Im Allgemeinen haben PCB keine oder nur sehr geringe akute Toxizität.
Eine letale Dosis führte im Tierversuch zu allgemeinen Symptomen wie
Entkräftung und Mattigkeit („Wasting Syndrom") und führte erst nach
3 Wochen zum Tod (Rogan et al., 1992). Der LD50-Wert für
Ratten wird bei oraler Zufuhr von technischen Gemischen
abhängig vom Chlorierungsgrad in einem Bereich von
1 bis 11g/kg angegeben (Ahlborg et al., 1992)."
Auch wenn die vorhandenen Dosis-Wirkungs-Beziehungen nicht
eins zu eins auf den Dortmunder Fall übertragbar sind, so sind diese doch,
wie ich bitte meine, seriöserweise auf Anpassungsfähigkeit
im Dortmunder Fall zu prüfen, auch selbst dann, wenn anschließend lediglich
nur Risikowerte im Sinne von Obergrenzen oder Untergrenzen
- infolge der Anpassungen - im jeweiligen Analysemodell ermittelbar sind.
Einige der o.g. Beziehungen lassen sich, wie ich meine,
prinzipiell anpassen, speziell unter Verwendung einer Datenauswahl
- z.B. unter Mitverwendung der vorgefundenen individuellen PCB-Belastungsprofile -
zwecks Feststellung eines Risikowertes als Ober-/Untergrenze im Rahmen des
speziellen Analysemodelles, wie ich schon denken möchte.
.......................................
Zu b) :
Diese klare gutachterliche Aussage aus 2012, "dass das Risiko für eine
Krankheit bei denjenigen höher sei, die stärker belastet seien",
habe ich an den drei Anhörungstagen im Juni 2014 von
Prof. Dr. A. R. nicht ein weiteres Mal vernehmen können. Inhaltlich wird diese
Aussage jedoch bestätigt voll durch eine Aussage, wiedergegeben in
den RuhrNachrichten.de v. 20.8.2014, von Professor Dr. Thomas Kraus (HELPcB, RWTH
Aachen), welcher bedauerlicherweise bereits vom Dortmunder LG als befangen
erklärt worden war: "Je höher die Belastung mit PCB sei,
desto wahrscheinlicher werde eine Erkrankung."
Verschärfend für sehr kleine Mengen von PCB-Belastungen findet sich in
den USA - Zitatanfang:
"There is no such thing as a ‘safe level' " of PCBs.
Concentrations of PCBs commonly
found in the general U.S. population has been
clearly shown to result in adverse effects
on thyroid hormone levels, time that girls
reach puberty, blood pressure, and poorer
performance on cognitive tests.
David Carpenter, M.D., Institute for Health &
the Environment" - Zitatende. - Sh. bitte dazu:
http://chej.org/campaigns/cehp/projects/pcbs-in-schools/health-effects-of-pcbs-fact-sheet/
Dies kann so gedeutet werden: Bereits die kleinste denkbare Menge des
Gefahrstoffes greift negativ wirkend in das biologische System ein,
z.B. in dem es einen Rezeptor beschäftigt und diesen damit
von seiner üblichen, nützlichen Funktion geringfügig abhält. Eine adverse, also
eine schädliche Wirkung bleibt zunächst (latent) klein und unbeobachtbar bis
schließlich bei Erhöhung der PCB-Belastung die Nachweisbarkeitsgrenze
für eine gesundheitliche adverse Wirkung erreicht wird oder der
Betroffene ein Krankheitssymptom an seinem Körper bemerkt.
(Beispiel: Sollte sich z.B. im Zuge einer beginnenden Infektion eine denkbare
Kippsituation einstellen, nämlich dann, wenn ausgerechnet nur ein einziges geeignetes,
funktionstüchtiges Antikörperchen fehlt, so ist denkbar, dass genau dann
eine Infektion tatsächlich ausbrechen kann.)
Meine Meinung: Wie im HELPcB-Programm müssen neue Anstrengungen
unternommen werden, die Risiken genauer zu quantifizieren, wie auch
bereits teilw. geschehen und den Ausführungen unter a) entnehmbar -
d.h. auch vermehrte Quellenforschung in tausenden von Publikationen täte schon gut.
Entsprechende Erläuterungen, auf welche Weise die nötige Erkenntnissicherheit
erreicht werden kann, fanden seitens Prof. Dr. A. R. im Juni 2014 an 3 Tagen
(ich war jeweils prozessganztägig im Saal 130 anwesend) nur spärlich statt.
Konstruktive Wege zur Erkenntnisgewinnung oder zur Ermittlung kausaler Sachverhalte
wurden, wenn überhaupt, nur beiläufig aufgezeigt. - Hinweise auf neue Möglichkeiten
in der Methodenforschung konnten nicht vernommen
werden (IT-unterstützte Simulierung von Modellen).
.......................................
Zu c) :
Die o. wiedergegebene gutachterliche Aussage halte ich für stark vereinfachend;
sie kann, für sich alleine gestellt, geeignet sein, einen falschen Eindruck zu erzeugen.
Anzumerken ist aus meiner Sicht:
Für das Eintreffen eines diagnostizierbaren Krankheitssymptomes ist
prinzipiell eine Wahrscheinlichkeit mit herzuleitenden, zugehörigen
Unsicherheiten auf Basis der erhobenen Beobachtungsdaten ermittelbar -
gerade die strenge wissenschaftliche Analyse quantifiziert das Ausmaß von zugehörigen
Unsicherheiten; diese Unsicherheitsmaße müssen zusammen mit einer Beschreibung
des angewendeten Modelles angegeben werden, damit überhaupt eine möglichst
realistische Aussagensicherheit gewonnen und beurteilt bzw. bewertet werden kann. -
Wenn der Versuch dazu unterbleibt und kein einziger Zahlenwert mitgeteilt wird,
kann eher der Eindruck einer Scheu vor bestimmten Aussagen entstehen.
Eindeutige Ergebnisse bei den Tierversuchen können hier zu überzeugenden Aussagen
beitragen; wie beschrieben existieren auch im Humanbereich sehr wohl einige konkrete
Aussagen über die Beziehung zwischen Dosis und gesundheitlicher Auswirkung.
In diesem Sinne müsste die unter c) getroffene Aussage
- zwecks Vermeidung eines falschen Eindruckes - wie folgt umformuliert werden:
"Es sei aber nicht möglich zu sagen, wie ... die
Belastung exakt quantizifiziert sein müsse,
um eine Krankheit z.B. mit 95-proz. Wahrscheinlichkeit auszulösen."
Diese Aussage lässt immer noch unerwähnt, dass tatsächlich Schwellenwerte
publiziert wurden, ab denen beobachtbare gesundheitliche Veränderungen erwartet
werden können oder müssen.
Hier gilt zudem, dass im Individualfall Besonderheiten zu
berücksichtigen sind, welche hingegen bei der Untersuchung
von Gruppen - mit der Größe der Gruppe zunehmend -
in gewisser Weise ausgemittelt werden
(eben für die Bewertung einer Gruppe anstatt eines Individualfalles).
Resumierend kann festgehalten werden, dass manche verkürzende Darstellung
in der öffentlichen Berichterstattung einen falschen Eindruck erwecken kann.
..................................................
d) Grundsätzliches - auch zu Befangenheitsfragen:
Vorhergehende Aufträge, erteilt von potenten, interessengeleiteten Auftraggebern,
könnten eine in der Zukunft wirkende, gewisse Abhängigkeit eines Gutachters
verursachen (wie gemeint werden darf), welche in anderweitig nachfolgenden
Gutachten sich niederschlagen kann - z.B. um weiteren Aufträgen nicht den Boden
zu entziehen; hier mag schon ein Grund für eine Befangenheitssituation erkennbar sein,
was immerhin denkbar ist.
Zum Umgang mit Unsicherheitsmaßen im gutachterlichen Beurteilungsprozess
(meine Sicht):
Sind die Zahlenwerte der Unsicherheitsmaße von vornherein
sehr groß - wie in einigen Wirkbereichen von PCB -
so verzichtet oft die gutachterliche Beschreibung auf
eine Quantifizierungsangabe, z.B. auf die Größenangabe zu den Vertrauensintervallen -
anstelle zu sagen, wie unsicher etwas ist oder in welchem Ausmaß
etwas unsicher ist, wird lediglich gesagt: Unsicher.
Derartige Verkürzungen halte ich für die Wahrheitsfindung stark abträglich.
Durch Weglassen von wichtigen, quantifizierenden Informationen konzentriert
damit der Gutachter die Bewertungshoheit zu einem Sachverhalt
- unzulässigerweise, wie ich meine - auf seine eigene Person.
(Im Juni 2014 an den drei Anhörungstagen von Prof. Dr. A.R. konnte ich nicht einen
einzigen bezifferten Kennwert zu den statistischen Ergebnissen der RWTH-Analysen
im Gutachtervortrag wiederfinden.)
Oder: Falls der Eindruck von großer Aussagenunsicherheit von Anfang an besteht, wird
auf den Hinweis zu der Möglichkeit einer mathematisch-statistische Analyse durchaus
schon mal verzichtet - anstelle eine Quantifizierungsmöglichkeit wenigstens anzusprechen,
auszuloten bzw. zu erörtern. Oder es wird davon abgesehen, einschlägige Erkenntniswege
detailliert aufzuspüren und diese aufzuzeigen, welche dann der Aussagensicherheit durchaus
dienlich sein können, um diese effektiv zu verbessern; stattdessen werden fragenswürdige
Zweifel gerne höher gewichtet. - Meine Eindrücke von den genannten Prozesstagen.
....................................
Informationen (Weblink s.b.u.) bzgl. gutachterlicher Tätigkeiten bei Lösemittelschäden
seitens einer Frau Dr. Angela Vogel (ehemals Verband der arbeits- und berufsbedingt
Erkrankten e.V.) sollen bitte nur darauf hinweisen, dass bei diesem ehemaligen Verband
ein Interesse an Belegstellen für gutachterliche Resultate mit Befangenheitsmerkmal
bestanden haben muss.
Frau Dr. Vogels Vortrag (sh. pdf-Dokument) ließ für mich als Laien zwar
besondere Sachkompetenz durchblicken, jedoch die Belege für teilweise
sehr kritisch formulierten Zwischentöne sind für den fachlich Unbedarften nicht direkt ersichtlich.
Vielleicht finden sich beim ehemaligen Verband arbeits- und berufsbedingt Erkrankten e.V.
zudem noch andere Hinweise, warum seinerzeit eine Frau Dr. Angela Vogel hier einen
bestimmten Kreis von Experten eher als nicht positiv einschätzte (s. S. 177 u. 178, Link sh. u.).
Das unten verlinkte pdf-Dokument kann im Übrigen ziemlich erschüttern, weil
darin aufgezeigt wird, auf welche subtile Weise wissenschaftlich begründete Aussagen
verbogen oder Rechte mindernd verwendet werden können - der Wunsch kann schon
aufkommen, Frau Dr. A. Vogel wäre im Unrecht; jedoch klingt das von ihr Gesagte leider allzu logisch.
(Sh. die Vorgänge um das Berufskrankheiten-Merkblatt 13 17, welche nichts mit dem Envio-Prozess
zu tun haben, dennoch nachdenklich stimmen können. Bedenklich stimmt insbesondere auf S. 180 des
pdf-Dokumentes - Zitat: "Die Gutachten ... glänz(t)en in der Regel durch mehr oder
weniger gut getarnte Parteilichkeit zu Gunsten der BG-lichen Haftpflichtversicherer.", wobei
die Autorin 7 Namen von Experten aufzählte, wozu auch der Name des wichtigsten
Gutachter des Envio-Prozesses erschien (S. 178). Die Beschreibung der Autorin ist jedoch keinesfalls
der Grund, warum ein Befangenheitsantrag seitens der Nebenklägerpartei im
Envio-Prozess gestellt wurde.)
Noch anzumerken ist, dass im Berufskrankheiten-Merkblatt Nr. 13 02 auch die
Halogenkohlenwasserstoffe abgehandelt werden,
zu denen die polychlorierten Biphenyle (PCB) gerechnet werden.
Fortsetzung / Fortschreibung folgt (letzte Fortschreibung 4. Dez. 2014) -
- email dazu bitte an
R.U.
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Agenda 2010 im Zusammenhang mit dem PCB-Skandal
Vor 15 Jahren, am 14. März 2013 stimmte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) den deutschen Bundestag auf die Agenda 2010 ein: »Niemandem aber wird es künftig gestattet sein, sich zu Lasten der Gemeinschaft zurückzulehnen; wer zumutbare Arbeit ablehnt, der wird mit Sanktionen rechnen müssen.« Die Agenda 2010 ermöglichte (unter anderem) die massenhafte Einführung von Leiharbeit in Betrieben. Hinzu kamen weitere Einschnitte sozialstaatlicher Absicherung (u.a und nicht zuletzt die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe durch "Hartz IV" auf Sozialhilfeniveau) und die Einführung eines Niedriglohnsektor in Deutschland.
Die Agenda 2010 war auch ein "Meilenstein", der den Envio-Skandal ermöglichte. Denn auch der Betriebsablauf von Envio, mit nur wenigen Leuten an Stammbelegschaft, stützte sich vor allem auf den Einsatz von vielen Arbeitskräften aus Verleihfirmen. Und bei dieser prekär beschäftigten Randbelegschaft wurde zynischerweise am Lohn und an Arbeitsschutzstandards gespart.
In dem Artikel aus dem Jungen Welt vom 01.03.2018 werden kenntnisreich, knapp und verständlich Wesen und Wirkung der Agenda 2010 dargestellt.
Thema PCB generell
Europäische Gesellschaft für gesundes Bauen und Innenraumhygiene (2019): Bewertungen von Informationen und Prüfberichten zu Produkten/Produktgruppen, Schadstoffen Bausystemen beimEinsatz in Gebäuden mit erhöhten Anforderungen an die „Wohngesundheit“ (Schulen, Kitas und Risikogruppen: Allergiker, Chemikaliensensitive, Schwangere, Kleinkinder...) Informationsstand: 24.05.2019 Raumschadstoff PCBpolychlorierte Biphenylegesundheitliche FolgenGrenzwerterechtliche FragenPCB in Schulen und Kitas: Raumschadstoff PCB
Gift im Klassenzimmer (planet/e) 20.11.2016 ZDF
"Unterricht an Deutschlands Schulen kann gefährlich sein: Asbest, PCB und Formaldehyd belasten die Luft in den Klassenzimmern. Für über 30 Milliarden Euro müssten die Schulen saniert werden.Lehrer und Kinder zugleich: Viele von Ihnen setzen sich täglich Giftstoffen aus, ohne es zu wissen. Asbest, PCB, Formaldehyd, Weichmacher und Co. verpesten die Luft in den Klassenzimmern der Nation. Die direkten Folgen: Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Übelkeit und Atemnot bis hin zu allergischen Reaktionen, Vergiftungen und Immunkrankheiten. Manche Chemikalien stehen sogar im Verdacht, die Zeugungsfähigkeit zu beeinträchtigen oder Krebs zu fördern. Solche Folgen werden erst in vielen Jahren zu spüren sein."
Spiegelbericht aus dem Jahr 1971: Ein früher Bericht des "Spiegel"- 1971 ging es um die Einstellung der PCB-Produktion.
Der Fall Envio in der überregionalen Berichterstattung
Chronologien der "taz"
Die taz stellt sämtliche ihr vorliegenden Dokumente chronologisch aufgearbeitet zum Download zur Verfügung:
Verfahrensakte von 08/2004 bis 06/2010 (440 Seiten) > hier.
Genehmigungen 12/1985 bis 05/2010 (484 Seiten) > hier.
IG Metall
Metallzeitung 1/2011 "Wenn Arbeit krank macht" > hier.
Metallzeitung 2014, Silvia Koppelberg über gesundheitliche Folgen des PCB bei einem ehemaligen Mitarbeiter. >hier
Der Fall Envio in Dortmund in der lokalen Berichterstattung
23.12.2015 RN Blickpunkt Envio: Gregor Beushausen beschreibt anhand dreier Beispiele wie die Folgen des Giftskandals das Leben ehemaliger Envio Mitarbeiter und ihrer Familien verändert hat.
Der Westen 25.11.2015: Oliver Volmerich zum Start der Envio-Sanierung.
nordstadtblogger 25.11.2015: nordstadtblogger zum Start der Sanierung.
Der Westen 12.10.2015: Michael Schnitzler berichtet über den Verkauf des Envio-Geländes an einen Investor.
Nordstadtblogger 10.10.2015: Joachim vom Brocke berichtet von einem Pressetermin der BI.
Der Westen Suchbegriff "Envio": Auf dem Portal finden sich viele Artikel zum Thema PCB-Skandal bei der Firma Envio.
Der Westen 25.05.2010 "Die Giftfirma": Klaus Brandt berichtet über die Aufdeckung des Skandals und erste rechtliche Schritte gegen das Unternehmen.
Der Westen 12.01.2010 "Gesundheitsgefährdende Gifte am Dortmunder Hafen": Bericht über die damals noch andauernde Suche nach dem Emittend der Gifte.
Radiosendungen
WDR Mediathek Suchbegriff "envio"
Der Hafen ist nicht das einzige Dioxin- belastete Areal in Dortmund
Zum Thema Westfalenhütte- ehemaliges Gelände der Sinteranlage Hoesch soll neu genutzt werden
FOCUS Magazin | Nr. 39 (1993):
Schleichendes Gift aus dem Stahlwerk
Ein einziges Stahlwerk in Dortmund pustet dreimal so viele Dioxine in die Luft wie alle Müllverbrennungsanlagen (MVA) Deutschlands zusammen. Die Sinteranlage von Hoesch entpuppte sich bei Messungen der nordrhein-westfälischen Landesanstalt für Immissionsschutz als die größte bisher bekannte industrielle Dioxinquelle.
Sämtliche MVAs in Deutschland stoßen jährlich etwa 100 Gramm Toxizitätsäquivalente an Dioxin aus. Die Hoesch-Sinteranlage bringt es allein auf 250 Gramm. Auch andere Stahlwerke produzieren Dioxine – jedes mehr als eine Müllverbrennungsanlage. Selbst die mit Unterstützung des Umweltbundesamts umgebaute Sinteranlage der Bremer Firma Klöckner emittiert etwa zwei- bis dreimal soviel wie die Bremer MVA.
Umweltstaatssekretär Uwe Lahl vermutet noch größere Emissionen in anderen Ländern Europas. Er fordert einheitliche Grenzwerte für alle europäischen Stahlwerke. Bei überstürzten Reaktionen in Deutschland bestehe die Gefahr, daß die „weit größeren Dreckschleudern im Ausland“ unbehelligt bleiben.
Anwohner der Hoesch-Sinteranlage sollten Sicherheit über Prüfung von Dioxinimmissionen erhalten. - Ausschussbericht;
Landtag intern, 25. Jahrgang, Ausgabe 22 vom 23.12.1994, S. 14
Während der 40. Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses II "Dioxin" unter der Leitung des stellvertretenden Ausschußvorsitzenden Egbert Reinhard (SPD) stand am 9. Dezember erneut die Rolle des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) im Mittelpunkt. Als Zeugen wurden Arbeits-, Sozial- und Gesundheitsminister Franz Müntefering (SPD) sowie der MAGS-Mitarbeiter Dr. Helmut Weber gehört. Beide standen dem Ausschuß zum wiederholten Mal Rede und Antwort.
Minister Müntefering schilderte zunächst die Richtlinien der Landesregierung für die Vergabe von Gutachten. Wenn die Notwendigkeit eines solchen Auftrags "nach außen" festgestellt sei, müsse geprüft werden, ob der Auftrag an eine in Nordrhein-Westfalen ansässige Institution vergeben werden könne und ob eine Ausschreibung erforderlich sei oder eine freihändige Vergabe genüge. Ferner müsse sich der Auftraggeber, das bedeute das Ministerium, die Überwachung des Vorhabens sichern, damit die Ausgangsfragestellung hinreichend beantwortet werde. Im konkreten Fall der Dioxin-Studie sei eine beschränkte Ausschreibung unter drei Bewerbern erfolgt, von denen der preiswerteste den Zuschlag erhalten habe, erklärte Müntefering.
Der Anlaß für die Studie habe darin bestanden, den Anwohnern der Hoesch-Sinteranlage in Dortmund-Scharnhorst die Sicherheit zu vermitteln, daß Dioxinimmissionen bei ihnen geprüft würden. Nach Meinung des zuständigen MAGS-Beamten und Referatleiters für Arbeitsmedizin Dr. Weber habe jedoch bereits im vorhinein aufgrund vorliegender wissenschaftlicher Erkenntnisse festgestanden, daß von der Sinteranlage keine Gefährdung der Bevölkerung ausgehe. Müntefering erklärte, daß Weber den Gutachtern hinsichtlich der ermittelten Ergebnisse keine Vorgaben habe machen können. Jedoch habe Weber Empfehlungen zur Art und Weise der öffentlichen Vermittlung der Ergebnisse geben dürfen. Hierbei entstand nach Worten des Ausschußmitglieds Bärbel Höhn (GRÜNE) der Eindruck in der "subjektiven Wahrnehmung der unteren Behörden", namentlich des Dortmunder Gesundheitsamts, sie wurden durch Dr. Weber vom MAGS "unter Druck gesetzt".
Weber bestritt während seiner Vernehmung mehrfach, jemals Druck ausgeübt zu haben. Hierbei verwies er auf die weitgehende Autarkie der Gesundheitsämter sowie auf seine dienstliche Erklärung, auch auf Gutachter keinen Druck ausgeübt zu haben. Er könne sich auch nicht erklären, weshalb bei mehreren Personen habe überhaupt der Eindruck entstehen können, er habe Pressionen auf sie ausüben wollen. Die Leiterin des Dortmunder Gesundheitsamts habe er lediglich gebeten, sich an die Erkenntnisse ihrer eigenen Fachleute zu halten, insbesondere hinsichtlich der vom Gesundheitsamt bekanntgegebenen Vorsorgemaßnahmen, selbstgezogenes Obst zu schälen und auf den Verzehr bestimmter Gemüsesorten ganz zu verzichten. Laut Weber trügen derartige Empfehlungen nicht zur Beruhigung, sondern vielmehr zur Beunruhigung der Bevölkerung bei.
Darüber hinaus versuchten mehrere Ausschußmitglieder die Frage zu klären, ob die Aussagen des MAGS zur Unbedenklichkeit der Dortmunder Dioxinwerte objektiv und wissenschaftlich fundiert seien oder vielmehr auf der Interpretation durch Dr. Weber beruhten. Es wurde in Frage gestellt, ob das MAGS an größtmöglicher wissenschaftlicher Pluralität interessiert sei, da bei zahlreichen Studien immer wieder dieselben Autoren vorkämen. Weber erklärte diesen Umstand damit, daß erstens wegen der Begünstigung von in NRW ansässigen Instituten und zweitens wegen der geringen Zahl qualifizierter Anbieter die Variationsmöglichkeiten bei der Auftragsvergabe gering seien.
Logistik auf der Westfalenhütte: Areal der ehemaligen Sinteranlage für Gewerbe- und Industrieflächen Nordstadtblogger 12.10.2015
So stellt sich die Stadtplanung die innere Erschließung der ehemaligen Sinteranlage vor:
Die Planungen sehen vor, das Areal als Gewerbe- und Industrieflächen für Logistikunternehmen zu entwickeln. Eigentümer des Bereichs ist die Dortmund Logistik GmbH.
Um die Fläche vermarkten zu können, ist es notwendig, den gesamten inneren und äußeren Bereich entsprechend durch den Eigenbetrieb Stadtentwässerung (für den Kanalbau) sowie durch das Tiefbauamt (für den Straßenbau) zu erschließen.
Um eine schnelle Vermarktung und Bebauung des Geländes zu erreichen, wird dem Investor die Durchführung der Baumaßnahme übertragen und die Verwaltung ermächtigt, notwendige städtebauliche Verträge abzuschließen.
Im sogenannten äußeren Bereich soll hierfür die Rüschebrinkstraße nach Westen verlegt und zunächst bis zur Einmündung der neuen Planstraße A ausgebaut werden. Die Kosten der äußeren Erschließung umfassen den Straßen- und Kanalbau und betragen insgesamt rund 1,6 Millionen Euro.
Gesamtvolumen der notwendigen Investitionen belaufen sich auf rund 7,5 Millionen Euro
Die innere Erschließung westlich der zu verlegenden Rüschebrinkstraße (der ehemaligen Sinteranlage) soll über zwei neue Straßen (Planstraße A und Planstraße B) erfolgen. Ausgehend von der Rüschebrinkstraße erfolgt die Erschließung über die Planstraße A und als Abzweig von der Planstraße A in nördlicher Richtung ausgehend mit der Planstraße B.
Die innere Erschließungsmaßnahme umfasst den kompletten Kanalbau, den Bau eines Regenrückhalte- und Regenklärbeckens, den Straßenbau inklusive Verkehrsgrün, Beschilderung und – sofern notwendig – Markierung sowie die Beleuchtung mit einem Gesamtvolumen von rund 7,5 Millionen Euro.
Prozessbegleitung M.Hildebrandt, Artikel für die AZ
1 (4-2012)
PCB-Skandal bei Envio: Profit contra Leben
Am 9.Mai 2012 begann in Dortmund vor dem Landgericht der Prozess gegen die Umwelt-Skandalfirma Envio, ihren Chef Dirk Neupert und drei Kollaborateure.
Das Gerichtsgebäude ist leicht zu finden; vor dem Haupteingang stand schon eine etwas größere Gruppe von Menschen mit Schildern. Bei näherem Hinsehen erwies sich jedoch, dass zumindest die Schilderträger Mitglieder der Grünen waren, die offenbar den Prozess für ihren Wahlkampf missbrauchten.
Der Prozess fand in großen Saal 130 statt - der liegt im 1. Stock und einen Fahrstuhl gibt es angeblich nicht. Eine gehbehinderten Frau, die die Mühen des Treppensteigens auf sich nahm, um dabei zu sein, wurde von Gerichtebediensteten damit vertröstet, dass im Laufe der Zeit das öffentliche Interesse nachlassen werde, dann könne man die folgenden Prozesstermine in einem kleineren Saal unten machen... Nachdem wir die Sicherheitsschleusen überstanden hatten, musste einer der Besucher feststellen, dass es im Landgericht – zumindest in dem für uns zugänglichen Teil - angeblich auch keine Toiletten gab...
Erstaunlicherweise waren zum Prozess alle vier Angeklagten erschienen, äußerten sich jedoch während der gesamten Termindauer nicht zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen. Die trug der Staatsanwalt etwa eine Stunde lang vor. Er war noch wesentlich ausführlicher als der schon informative Dokumentarfilm des WDR „Grünkohl, Gifte und Geschäfte“.
Danach wollte einer der Verteidiger eine Gegenrede vortragen. Der Richter entschied daraufhin, seine Vollmachten so auszulegen, dass er die Gegenrede zuließ, obwohl es dafür keine rechtliche Grundlage gibt. Dem widersprach der Staatsanwalt - allerdings vergebens.
Die „Gegenrede“ der Verteidigung glich dann eher einem Schlußplädoyer, was der Richter allerdings nicht unterband. Sie war entnervend lang, wimmelte von Unterstellungen („Hetzkampagne der Medien“, das Vorgehen des Umweltministers sei politisch motiviert, sachlich unbegründet und somit ein ungeheurer Skandal usw.), sie wimmelte von Spitzfindigkeiten wie unterschiedlichen juristischen Bewertungen von „Schadstoffen“ und „Abfällen“, und gipfelten in indirekten Drohungen gegen die 22 als Nebenkläger auftretenden geschädigten ehemaligen Envio-Beschäftigten. Er wies sie darauf hin, dass ihnen, falls sie den Prozess verlören, die Prozesskosten auferlegt würden... Außerdem beleidigte er sie, in dem er ihre gesundheitlichen Schäden auf „ungesunden Lebensstil“ zurückführte. Diesen Zynismus wiederholte er dann gegenüber Fernsehreportern noch einmal. In allen Medien, die ich gesehen bzw. gelesen habe, wurde diese Aussage des Verteidigers herausgegriffen – insofern ist es vielleicht ganz gut, dass er seine „Gegenrede“ halten und sich so entlarven konnte... Mit der Erklärung hat er ja sogar Recht, nur vergisst er, dass ja gerade wegen des ungesunden Lebensstils der bei ihm Beschäftigten sein Mandant auf der Anklagebank sitzt... Ein weiteres tolles „Argument“ war, dass ja gar nicht nachgewiesen sei, wie stark die PCB-Belastung durch Envio bei den Geschädigten sei, denn bei ihrer Einstellung habe man nicht festgestellt, welchen PCB-Gehalt sie da „wie jeder von uns“ schon in sich hatten...
Dirk Neupert würden im Falle einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung bis zu 10 Jahre Haft drohen, doch da er und seine drei Mittäter nur wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt sind, haben sie keine Haftstrafe zu befürchten. Im Zuhörerraum waren einige Mitglieder der Bürgerinitiative, die dankbar klatschten, als die Seite der Staatsanwaltsschaft die Gegenrede der Verteidigung auch moralisch richtig einstufte. Ihr Klatschen wiederum veranlasste den Richter dazu, jede Reaktion aus dem Publikum zu untersagen. Die Mitglieder der Initiative sind überzeugt davon, dass es zwischen „denen da oben“ ein Gekungel gibt. „Die haben Angst davor, dass der Neupert auspackt, wenn sie ihn in die Zange nehmen.“
Mit dem Verlesen der „Gegenrede“ war der erste Prozesstag beendet. Der Richter teilte noch mit, dass es an den nächsten 5 oder 6 Terminen um die in der Vergangenheit für und gegen Envio erteilten Genehmigungen und Stilllegungbeschlüsse gehen werde - erst danach käme es zur Beweisaufnahme und zu Zeugenbefragungen. Eine der Prozessparteien zitierte aus den Akten einmal die Seite 6761 oder so ähnlich - das war bestimmt nicht die letzte Seite der Akten. Insgesamt rechnet er mit noch etwa 15 Terminen.
Soweit der Bericht eines am ersten Prozesstag anwesenden Zuhörers. Inzwischen haben weitere Termine stattgefunden, die aus stundenlangen Verlesen von jahrzehntealten Papieren aus den Genehmigungsverfahren bestanden. Interessant könnte es wieder am 4. Juli werden – da soll ein Gutachter aus Essen Stellung nehmen (Landgericht Dortmund, Raum 130, ab 9:30 Uhr).
Die Bürgerinitiative „PCB-Skandal“ trifft sich an jedem dritten Mittwoch eines Monats von 18-20 Uhr im Keuninghaus in Dortmund in der Leopoldstr. 52-58.
Zu ihrem Treffen im April kamen fast 60 Leute, zum Treffen im Mai - nach dem ersten Prozess – nur etwa 15. Die Erklärung ist wohl einfach: sie haben nicht etwa resigniert, sondern der April-Termin lag vor den Landtagswahlen in NRW und die um Stimmen buhlenden Parteien rannten der Bürgerinitiative die Bude ein. Nun sind die Wahlen vorbei, die Inititive ist uninteressant geworden, nur die Piraten kamen im Mai noch, sagten auch für die Zukunft ihre Unterstützung zu und fragten, wie sie helfen könnten. Die Empörung der im Mai Anwesenden über die übrigen Parteien ist groß. Die Linkspartei unterstützt die BI ebenfalls und auch ein Mitglied der Grünen – er ist wahrscheinlich ebenfalls ein Giftopfer.
Die 51 Geschädigten, deren Vergiftung durch die Arbeit in der Recycling-Firma Envio den 4 Angeklagten vorgeworfen wird, stehen auch dann, wenn der Prozess für sie mit einem Erfolg enden sollte, vor großen Schwierigkeiten. Ihre Verseuchung durch PCB wird nicht als Berufskranheit anerkannt, denn – anders als in anderen europäischen Ländern – sind in Deutschland die gesundheitsschädlichen Auswirkungen von PCB wissenschaftlich angeblich nicht bewiesen. So fahren die Opfer zwar zu allen möglichen Untersuchungen über die Veränderungen in ihrem Körper, z.B. nach Aachen, doch geholfen wird ihnen dort nicht – sie werden lediglich „medizinisch begleitet“, d.h. ihr Zustand wird datenmäßig festgehalten. Das ist richtig und notwendig, da dann unleugbare Fakten über die Gefährlichkeit vorliegen. Für drei Jahre zahlt die Berufsgenossenschaft diese Untersuchungen – und dann?
Eine medizinische Betreuung der Opfer gibt es nicht, es sei denn die durch ihren Hausarzt, der jedoch im Normalfall nicht über die notwendigen Fachkenntnisse und technischen Untersuchungsmöglichketen verfügt, um PCB-Schäden zu erkennen bzw. zu behandeln. Ein PCB-versechter ehemaliger Envio-Beschäftigter drückte es sehr drastisch aus: “ Noch zwei Jahre – und dann ab in die Tonne!”
Opfer der PCB-Vergiftung durch die Recyclingfirme Envio sind nicht nur die ehemals dort Beschäftigten, sondern z.B. auch ihre Familienangehörigen und die Anwohner. Jeder Mensch hat in seinem Körper eine gewisse PCB-Belastung, doch die Werte bei den Envio-Geschädigten liegen z.T. um das mehr als Hunterfache über diesen Werten. Einen Grenzwert, der nicht überschritten werden dürfte, gibt es nicht, da jede – auch die geringste – PCB-Konzentration schädlich ist. Daher hat man einen „Präferenzwert“ gewissermaßen zusammengebastelt, der nicht überschritten werden darf, bei Envio aber deutlich überschritten wurde.
Prof. Michael Wilhelm, Arbeitsmediziner der Universität Bochum, wies übrigens darauf hin: „Zum Beispiel lässt sich über eine Blutanalyse unterscheiden, ob die PCB-Belastung über die Nahrung oder die Luft entstanden ist.“ (1) Damit wäre die unverschämte Unterstellung eines „ungesunden Lebensstils“ der Vergifteten dann auch wissenschaftlich vom Tisch...
Völlig unklar ist übrigens auch noch, was mit dem verseuchten Gelände der inzwischen stillgelegten Envio-Anlagen und mit deren Umgebung im Hafengelände passieren soll – der Boden ist hochgradig vergiftet. Durch den Lastwagenverkehr wird der verschmutzte Boden aufgewirbelt und das Gift mit Feinstaub weiterhin verbreitet. Die Bürgerinitiative hat den Eindruck, dass der Skandal im wahrsten Sinne des Wortes unter den teppich gekehrt werden soll. Der Hafen soll als Wirtschaftsstandort ausgebaut werden und es besteht die Gefahr, daß über den kontaminierten Boden ledicglich eine Gesteinsdecke gekippt wird. „Die bauen keinen Wirtschaftsstandort – die bauen eine Müllkippe aus,“ drückte das ein Mitglied der BI sarkastisch aus.
Übrigens: Herr Neupert macht in Südkorea genau so weiter, wie es ihm in Dortmund untersagt wurde. Auch dort huldigen die Arbeiter einem “ungesunden Lebensstil”...
Die Bürgerinitiative hat übrigens eine Hompepage mit vielen Informationen: www.pcb-scandal.de. Hier (oder bei YouTube bzw. im Archiv des WDR) kann man sich auch die etwa 45minütige, sehr eindrucksvolle Dokumentation des WDR „Grünkohl, Gifte und Geschäfte“ ansehen.
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1) Recklinghäuser Zeitung bzw. Zeitungshaus Bauer, 19.6.2012
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2 (5-2012) Envio Dortmund - nach dem Umweltskandal jetzt auch ein Justiz-Skandal?
Zu Beginn des Juli gab es vor dem Dortmunder Landgericht die erste Befragung eines medizinischen Gutachters über die gesundheitlichen Gefahren, die von den PCB-Verbindungen ausgehen. Bis dahin hatte es - abgesehen vom ersten Prozesstermin - nur langweilige Verhandlungstage gegeben mit stundenlangem Verlesen von Dokumenten aus den Genehmigungsauflagen der Bezirksregierung Arnsberg und den Stellungnahmen von Envio dazu.
Die derzeitige Entwicklung gibt zur Sorge Anlass. Schon die Berichte in den Medien erweckten - die Darlegungen des Sachverständigen Albert Rettenmeier von der Universität Duisburg-Essen entstellend - den Eindruck, gesundheitsschädigende Auswirkungen von PCB-Stoffen seien nicht bewiesen und nicht nachweisbar. Am 19. Juli brachten die Medien Meldungen mit zum Beispiel folgender Überschrift: "Envio-Prozess steht vor dem Aus." Das wirft die Frage auf:
Wird aus dem Umweltskandal nun auch ein Justizskandal?
Diese Befürchtung wird durch das bisherige Verhalten des Richters Kelm nicht gemildert. Die Verteidigung hatte an den vergangenen Prozesstagen mehrfach Anträge gestellt, die laut Prozessordnung nicht hätten zugelassen werden müssen; die Staatsanwaltschaft bzw. die Vertretung der Nebenkläger haben jedesmal gegen die Zulassung dieser Anträge protestiert, doch das beeinflusste den Richter nicht - er ließ die Anträge nach eigenem Ermessen zu. Wenn ein Prozessbeobachter den Eindruck bekommen haben sollte, der Richter sei den Angeklagten bzw. deren Verteidigern wohlgesonnen, so können wir das verstehen.
Auch beim ersten Sachverständigen-Termin ging die Verteidigung so vor und kam sich wohl besonders schlau vor, weil sie die (alten) Gutachten des geladenen Sachverständigen Rettenmeier zugunsten ihrer Mandanten auslegte. Als der dann aber zu Wort kam - er berichtete mehr als zwei Stunden lang über die wissenschaftlichen Erkenntnisse über PCB und nahm zu Rückfragen Stellung - da schwamm der Verteidigung ein Fell nach dem anderen davon.
Vor allem aus seinem Bericht geben wir nur einige Dinge wieder; er war sehr ausführlich und wir hoffen, uns unterläuft im folgenden kein Fehler.
PCB-Verbindungen sind - wie Dioxine und Furane - künstliche, vom Menschen geschaffene Stoffe. Das bedeutet: es gibt in der Natur so gut wie keine abbauenden Organismen (Destruenten), die diese Stoffe in ihre Bausteine zerlegen und so dem Stoffkreislauf wieder zuführen; für die wenigen Bakterienstämme, die über entsprechende Gene verfügen, ist der Abbau anderer, natürlicher Stoffe ertragreicher. PCB-Verbindungen sind außerdem wasserunlöslich, aber fettlöslich, sie lagern sich daher z.B. im Fettgewebe ab und reichern sich dort an. Bei PCB-Verbindungen handelt es sich um zahlreiche unterschiedliche Stoffe (englische Autoren sind bisher auf 209 verschiedene Stoffe gekommen), die sich durch die Anzahl und die Position der in ihnen enthaltenen Chlor-Atome unterscheiden ("PC" bedeute "Poly-Chlor", also [unterschiedlich] viel Chlor). Dabei kann es sich um eine Verbindung mit nur wenigen Chlor-Atomen handeln oder um eine mit zahlreichen. Man weiß, daß die Verbindungen mit wenigen Chlor-Atomen ( = niederwertige PCBs) eine kürzere Halbwertszeit haben als die mit vielen ( = hochwertige PCBs), dass sie also "schneller" abgebaut werden.
Als man die Gefährlichkeit der PCB-Verbindungen erkannte, wurde ihre Verwendung in Deutschland 1989 und am 22. Mai 2001 weltweit verboten. Da sie verboten waren, erschien es auch nicht mehr notwendig, weitere wissenschaftliche Forschungen über die Wirkungen der unterschiedlichen PCB-Verbindungen durchzuführen. (Darauf beruft sich die Verteidigung jetzt). Es ist klar, daß jede Verbindung anders wirkt, aber man weiß (oder wusste bis zum Envio-Skandal) nicht, welche dieser zahlreichen Verbindungen ab welchem Grenzwert bei wem welche Schäden hervorruft. Daher hat man für den Sammelbegriff "PCB" auch keinen Grenzwert, der nicht überschritten werden darf, sondern nur einen sogenannten Präferenzwert, dem eigentlich nur Vermutungen über mögliche Auswirkungen zugrunde liegen. Sicher war allerdings schon vor mehr als 20 Jahren, dass alle PCB-Verbindungen die Gesundheit schädigen.
Der Envio-Skandal hat dazu beigetragen, dass die wissenschaftlichen Forschungen wieder aufgenommen wurden. Und so konnte Herr Rettenmeier nun auch neue gesicherte Erkenntnisse mitteilen, um die seine früheren, von der Verteidiung zitierten Gutachten natürlich ergänzt werden müssen. So ist inzwischen gesichert nachgewiesen, dass niederwertige PCB-Verbindungen das Erbgut schädigen. Die Verteidigung versuchte hier, durch ein Schlupfloch zu entkommen, und wies darauf hin, dass diese neuen Erkenntnisse ja noch nicht der Gesetzgebung zugrunde lägen und deshalb ihre Mandanten auch nicht... Dieser Fluchtversuch wurde allerdings vom Sachverständigen vereitelt.
Die Anklage beantragte dann, dass eine erneute medizinische Untersuchung der Envio-Geschädigten durchgeführt wird, was wir für unbedingt erforderlich halten, schon um solchen Strategien wie denen der Verteidigung in Zukunft begegnen zu können. Die Reaktion auf diesen Antrag war bezeichnend: die Verteidigung wollte die Untersuchung beschränken auf eine relativ kleine Zahl der geschädigten Envio-Arbeiter, nämlich auf die, bei denen sie eine höhere PCB-Belastung im Blut nicht leugnen kann. Staatsanwaltschaft und Nebenklage forderten die Untersuchung von allen möglicherweise Betroffenen. Nun weiß jeder, dass eine wissenschaftliche Aussage um so gesicherter ist, je mehr Daten ihr zugrunde liegen, und jeder kann sich daher selber ein Urteil darüber erlauben, wer von beiden - Verteidigung oder Anklage - ein Interesse an fundierten Aussagen hat...
Der unserer Meinung nach richtige Antrag der Staatsanwaltschaft auf die medizinische Untersuchung droht nun zum Bumerang zu werden: die Verteidigung verunglimpft ihn mit dem Vorwurf der "Grundlagenforschung", die bei einem Gerichtsprozess nichts zu suchen habe. "Ich habe die Befürchtung, dass wir zu einer Aussetzung des Verfahrens kommen," wird Richter Kelm in der Presse zitiert. Die Untersuchung der 51 ehemaligen Envio-Beschäftigten und gar die von weiteren 259 Personen würde den Zeitplan der Richter sprengen.
Der zuständige Staatsanwalt reagierte natürlich auch. Schon dem "Sachverständigen-Versuch" der Verteidigung hielt er sinngemäß entgegen, dass für die von ihm erhobene Anklage die Auswirkungen von PCB nicht erheblich seien, er habe den Envio-Chef Dirk Neupert und drei weitere Manager angeklagt, weil sie gegen die dem Betrieb erteilten Auflagen erheblich verstoßen haben. Auch der Toxikologe Rettenmeier warf ihnen "offensichtliche Versäumnisse im Arbeitsschutz" vor.
Von diesen in der Anklageschrift erhobenen schweren Vowürfen ist bei den Überlegungen über eine mögliche Unterbrechung oder gar Einstellung des Prozesses auf einmal keine Rede mehr. Der von uns oben erfundene und zitierte Prozessbeobachter könnte nun sogar zu der Befürchtung kommen: "Will das Gericht den Angeklagten aus der Patsche helfen?" Sogar in der Tagespresse ist zu lesen: "Die Anwälte sehen sich bis lang in ihrer Verteidigungslinie voll bestätigt."
Bei einem weiteren Verhandlungstermin hat die Verteidigung einen eigenen Sachverständigen präsentiert, der - zumindest für uns überraschend - vom Richter ziemlich in die Mangel genommen wurde. Bei einigen Prozessbesuchern - befürchten wir - hat das zu der Illusion geführt, der Prozess könne doch im Sinne der Envio-PCB-Geschädigten zu Ende gehen. Derzeit sieht es so aus, als solle ein Gutachter die große Zahl der Geschädigten medizinisch untersuchen, was wir - es sei noch einmal betont - ausdrücklich begrüßen und auch fordern. Doch der Haken bei der Sache, der eigentlich keiner ist, sieht zur Zeit so aus: die Verhandlung gegen Neupert und Co kann angeblich erst weitergeführt werden, wenn die jahr(zehnt)elangen medizinischen Untersuchungen abgeschlossen und die Gegenschlechtachten widerlegt sind. Das halten wir für falsch.
Man stelle sich einmal vor: ein Autofahrer rast mit 100 Sachen durch die Dortmunder Innenstadt. Eine Polizeistreife hält ihn an, er soll Bußgeld zahlen und Punkte in Flensburg kriegen. Sein Anwalt sieht das gar nicht ein: "Weisen Sie erst einmal nach, dass ein Schaden entstanden ist!" Ist jedoch ein Schaden entstanden, ist z. B. jemand durch die Raserei verletzt worden, so gilt die Körperverletzung als entstanden "in Tateinheit" mit der Raserei, wobei die Verletzung als das schwerere Vergehen angesehen wird. Übertragen auf den Envio-Skandal heißt das, dass die (fahrlässige oder vorsätzliche) Körperverletzung zum Mittelpunkt des Prozesses gemacht werden soll; dazu sind lange und umfangreiche Untersuchungen nötig und es kann sein, dass ein gesundheitlicher Schaden durch das vom Envio-Betrieb verbreitete PCB erst nach Jahren auftritt - und auch dann müsste bewiesen werden, dass die Ursache bei Envio liegt.
Zu erwähnen noch, dass auch Herr Rettenmeier, für die medizinischen Untersuchungen vorgesehen, bald in den Ruhestand geht und dann nicht so ohne weiteres an die notwendige medizinische Ausrüstung herankommt.Der weitere Verlauf des Prozesses scheint vorgezeichnet: die - wir betonen es noch einmal - notwendigen medizinischen Untersuchungen der PCB-Opfer wird dazu führen, dass die Anklage wegen des Verstoßes gegen erteilte Auflagen nicht weiter verfolgt wird und sowohl diese Verstöße als auch die Vergiftung mehrere hundert Menschen für die Täter ohne Folgen bleiben wird - "die herrschenden Gesetze sind die Gesetze der Herrschenden." (Karl Marx)
Die Forderungen der Envio-PCB-Geschädigten muss eindeutig sein: weitere gerichtliche Verfolgung des Vorwurfs, Neupert und Co hätten bei Envio gegen die ihnen erteilten Auflagen massiv verstoßen und gleichzeitige Untesuchung der möglichen Opfer - gegebenenfalls müssten beide Verfahrensteile voneinander getrennt werden. Eine solche Forderung erheben und unterstützen wir.
Weil Du arm bist...
Eindrücke vom Envio-Prozess (PCB-Skandal) in Dortmund:
Der für den 2.Oktober erwartete juristische Super-GAU - die jahrelange Aussetzung oder gar die Einstellung des Verfahrens - blieb erfreulicherweise vorerst aus. Doch zu großen Hoffnungen, dass der Prozess im Sinne der PCB-Geschädigten verlaufen könne, besteht deswegen kein Anlass. Denn der Staatsanwalt machte einen völlig unerwarteten Schritt, er ruderte ganz massiv zurück, wie es der Vertreter der Nebenklage zu Recht und unter dem erheiterten Beifall der Verteidigung formulierte. Er, der den Envio-Chef der Körperverletzung an seinen Beschäftigten angeklagt hat, ist auf einmal der Ansicht, die gesundheitsschädigenden Auswirkungen von PCB seien wissenschaftlich noch gar nicht sicher bewiesen. Dabei beruft er sich auf zumindest angeblich unterschiedliche Einschätzungen von Wissenschaftlern. Deren Befragung als Sachverständige beantragte er nun, wofür der Richter einen Zeitraum von etwa sechs Wochn für notwendig hält.
Gegen die Befragung von Sachverständigen ist natürlich nichts einzuwenden, doch besteht die Gefahr, dass die Staatsanwaltschaft unterschiedliche Auffassungen der Sachverständigen zum Anlass nimmt, die Anklage wegen Körperverletzung der Envio-Beschäftigten einzustellen. Es ist an die Befragung von sieben Sachverständigen gedacht. Die wissenschaftliche Erforschung der 209 verschiedene chemische Verbindungen umfassenden Stoffgruppe mit der Sammelbezeichnung "PCB" ist noch nicht umfangreich, sie ist aber so umfassend geleistet worden, dass wissenschaftlich mit der notwendigen Sicherheit bewiesen (!) ist, dass alle PCB-Verbindungen gesundheitsschädlich sind und der begründete (!) Verdacht, viele - wenn nicht alle - von ihnen seinen z.B. krebserregend, hat dazu geführt, dass man diese Stoffgruppe in das "dreckige Dutzend" der gefährlichsten Stoffe einordnet und dass ihre Verwendung seit etwa zwei Jahrzehnten weltweit verboten ist. PCB-haltige Gegenstände wie z.B. Transformatoren dürfen daher nur mit Sondergenehmigung und mit strengen Auflagen verarbeitet werden. Wer diese Auflagen unterläuft - das wird dem bei Envio hauptverantwortlichen Herrn Neupert und drei Mitangeklagten vorgweorfen - handelt aus dem niederen Beweggrund Profitsucht und er nimmt dabei eine gesundheitliche Schädigung seiner Beschäftigten und der Anwohner billigend inkauf, wie das im Juristen-Deutsch heißt. Damit dürfte einer Verurteilung oder zumindest einem Strafverfahren eigentlich nichts im Wege stehen...
Doch wird es dazu jemals kommen? Es hat bisher mehr als zehn Prozesstermine gegeben seit Anfang Mai, eine etwa gleiche Anzahl soll es bis Mitte Dezember noch geben. Und dabei ist die Beweisaufnahme nocht nicht einmal eröffnet und es steht "in den Sternen", ob sie es jemals wird. Zu befürchten ist Folgendes: sieben Sachverständige werden zu einem schwierigen, noch unzureichend erforschten Thema befragt; da steht dann fast hundertprozentig fest, daß diese sieben Wissenschaftler zumindest in Teilfragen unterschiedlicher Meinung sein werden. Die uns bekannten Sachverständigen sind anerkannte Wissenschaftler verschiedener Universitäten, wir haben keinen Grund, an ihrer Seriosität zu zweifeln - ein "Sachverständiger" der Firma "Den-Namen-sag-ich-nicht" ist nicht dabei, bei dem sähe das eventuell anders aus...
Es wäre gut, wenn die Sachverständigen zu einem gemeinsamen Treffen geladen würden, sich miteinander beraten könnten und dann eine abschließende gemeinsame Stellungnahme herausgeben könnten darüber, in welchen Punkten sie sich geeinigt haben und in welchen nicht. Doch das ist unseres Wissens so nicht vorgesehen. Die Sachverständigen werden einzeln befragt werden - von einem Richter, der kein PCB-Sachverständiger ist, vom Staatsanwalt und den Nebenklägern, von der Verteidigung, die allesamt ebenfalls keine PCB-Sachverständigen sind, wenngleich sie heute darüber sicherlich besser Bescheid wissen als vor einem Jahr.
Was wird das Ergebnis sein? Die sieben Sachverständigen werden - da sind wir sicher - in einer Reihe von Teilfragen eine unterschiedliche Auffassung haben. Für den Staatsanwalt ergibt sich dann die Möglichkeit (wir unterstellen ihm diese Absicht), die Anklage zurückzuziehen, da ihre Grundlage wissenschaftlich nicht bewiesen sei; mit derselben Begründung könnte der Richter das Verfahren einstellen...
Selbst die bürgerlichen Medien stellten angesichts dieser drohenden Entwicklung die Frage: Was ist dann mit Schmerzensgeld und Entschädigung für die Geschädigten?
Die medizinische Untersuchung der Geschädigten lässt übrigens auch auf sich warten. Der schwarze Peter wird dabei den Opfern zugeschoben. Die müssen nämlich eine "Entbindungserklärung" abgeben, was offenbar noch nicht alle getan haben oder wenn doch, dann - da unter ihnen wohl kaum ausgebildete Berufsbürokraten sind - dann in unzureichender Form. Der Richter wörtlich: "Ohne die Mitwirkung der Geschädigten sind wir nicht in der Lage, etwas zu machen." (Einschub: Immerhin, der Richter bezeichnete die Envio-Opfer hier als Geschädigte und nicht als "angeblich Geschädigte" oder ähnlich und die Verteidigung erhob keinen Einspruch...)
Falls es jemanden geben sollte, der nicht weiß, was eine "Entbindungserklärung" ist: das ist die schriftliche Erklärung des Patienten, dass er seinen Haus- oder sonstigen Arzt von dessen Schweigepflicht entbindet. Denn die Krankheitsgeschichte des Envio-Geschädigten muss natürlich mit herangezogen werden. Und diese "Entbindung" ist keinesfalls so einfach: sollte aus den Unterlagen des bereits "entbundenen" Arztes hervorgehen, dass sein Patient in seinem bisherigen Leben auch mal bei anderen Ärzten in Behandlung war, so müssen die natürlich auch "entbunden" werden. Jeder von uns weiß: Gut Ding will Weile haben. Aber ob das, was hier nach ich weiß nicht welcher Weile für die PCB-Vergifteten herauskommt, dann auch wirklich gut ist? Wenn der Staatsanwalt die Anklage der Körperverletzung fallen ließe, müsste das Gericht eigentlich sofort die Anklage gegen Envio wegen zahlreicher Verstöße gegen erteilte Auflagen verfolgen, doch das wagen wir nicht zu hoffen.
Die Einstellung des Verfahrens gegen Neupert und Komplizen könnte auch noch einen ganz anderen Hintergrund haben: es geht um das PCB-verseuchte Gelände in mindestens einem Kilometer Umkreis um das Envio-Werk am Dortmunder Hafen. Das ganze Gebiet müsste mit einem hohen Kostenaufwand saniert werden, auch zahlreiche Häuser und die Wohnungen der Geschädigten und deren Einrichtung. Natürlich streiten sich Neupert und Konsorten mit der Stadt Dortmund und mit ich weiß nicht wem sonst noch darüber, wer diese Kosten trägt (im Normalfall natürlich sowiewo der Steuerzahler...). Wenn nun das Ergebnis der Befragung der Sachverständigen sich so deuten ließe, dass "wir" über die tatsächliche Gefährlichkeit der PCB-Verbindungen eigentlich ja noch gar nichts Genaues wissen - tja, muss denn dann überhaupt saniert werden? Dann reicht es doch wahrscheinlich, über den ganzen Fall die Decke des Schweigens auszubreiten - äh, ich meine, eine Schicht Beton oder ähnliches über das Gelände zu kippen. Das kann doch so teuer nicht sein; da brauchen wir als Stadt Dortmund und Herr Neupert uns dann doch nicht zu streiten, über die paar Kröten werden wir uns schon einig werden. Und dann ist endlich Ruhe...
Kommentar eines Bochumer Opel-Arbeiters bei anderer Gelegenheit: "Als Arbeiter hast Du im Kapitalismus immer die Arschkarte gezogen!"
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4 (1-2013)
Putativ-Befangenheit...
Im Prozess um den PCB-Skandal der Dortmunder Firma Envio wurden zunächst zwei Sachverständige über die gesundheitlichen Schäden von PCB befragt. Sie wiesen darauf hin, dass die sogenannten "Schwellenwerte", also die Werte, oberhalb derer eine gesundheitliche Schädigung bei Menschen zu befürchten bzw. bewiesen ist, nach unten korrigiert wurden. Die Verteidigung stürzte sich auf diese Aussage und versuchte ganz offenbar, von einem der beiden Sachverständigen die Aussage zu erhalten, die Korrektur sei auf politischen Druck erfolgt. Doch der wies darauf hin, dass die ursprünglichen (zu hohen) Schwellenwerte auf die Eregebnisse von Tierversuchen zurückzuführen sind und die sind nicht einfach auf den Menschen übertragbar; jetzt gibt es (leider) genügend Ergebnisse auch für den Menschen, so dass die Schwellenwerte, die nicht überschritten werden dürfen, wissenschaftlich begründet nach unten korrigiert werden konnten und mussten.
Der dritte geladene Sachverständige - Herr Dr. Kruse - wurde vom Richter kurzfristig wieder ausgeladen, obwohl er aus Kiel angereist war. Grund für die Ausladung war ein Befangenheitsantrag der Verteidigung gegen Dr. Kruse. Der ist ein anerkannter Wissenschaftler auf dem Gebiet der Toxikologie und arbeitet an der Christian-Albrecht-Universität in Kiel. Er hält Vorlesungen und leitet Seminare; er ist aber vor allem auch ein Wissenschaftler, der sich engagiert. Bei den Engländern gibt es die Redensart "to call a spade a spade", was wörtlich übersetzt heißt "einen Spaten einen Spaten nennen" oder sinngemäß: eine Sache beim rechten Namen nennen. Das tat und tut Herr Dr. Kruse auch: in seinem Seminar und bei Vorträgen bezeichnete er die Vorgänge um die Firma Envio als Umweltskandal und warf und wirft den Angeklagten bewusste Verstöße vor.
Das nahm die Verteidigung nun zum Anlass, gegen ihn einen Befangenheitsantrag zu stellen. Geladen ist Herr Dr. Kruse als Sachverständiger, als anerkannter Wissenschaftler - die Verteidigung stellte seine Qualifikation hierfür ausdrücklich nicht infrage. Dass Dr. Kruse jetzt aber so weit geht, aus seinen wissenschaftlichen Erkenntnisse gesellschaftliche Rückschlüsse zu ziehen, macht ihn in den Augen der Verteidigung "befangen". Hauptargument der Verteidigung war dabei, dass dem Hauptangeklagten Neupert nicht zugemutet werden könne, einem Sachverständigen gegenüberzusitzen, der ihn moralisch "vor"verurteilt. Es ist bisher noch nicht bekannt geworden, dass Neupert oder einer der drei anderen Angeklagten jemals ein Wort oder eine Geste des Bedauerns für die PCB-Geschädigten geäußert hätten...
Auch gegen zwei andere von der Staatsanwaltschaft vorgeschlagene Gutachter meldete die Verteidigung fadenscheinige Ablehnungsbedenken an. So wurde Prof. Kraus, der an der Technischen Universität Aachen seit Jahren die gesundheitlichen Auswirkungen auf die Dortmunder PCB-Opfer untersucht, als voreingenommen hingestellt, weil in einem englischsprachigen wissenschaftlichen Artikel, an dem er mitgearbeite hat, im Zusammenhang mit Envio zweimal das Wort "scandal" auftaucht. Noch dreister wurde der Ablehnungsantrag gegen Prof. Frentzel-Beyme begründet: hier reichte es aus, dass er am "Umweltpolitischen Ratschlag" teilnahm, auf dem jemand anderer im Zusammenhang mit Envio von einem Skandal sprach und sagte, "dass Envio für zahlreiche Unternehmen stehe, in denen auf menschenverachtende Weise die Gesundheit und das Leben der Arbeitskollegen billigend aufs Spiel gesetzt werden, um Maximalprofite zu erreichen." (aus dem Protest-Schreiben der "Offenen Akademie - Fortschrittliche Wissenschaft" zum juristischen Entsorgungs-Versuch unbequemer Wissenschaftler, durch Envio-Verteidiger)
Die Verteidigung hat mit ihren vom Gericht übrigens zurückgewiesenen Ablehnungsanträgen dennoch ihr - wie wir unterstellen - eigentliches Ziel erreicht: den Prozess um mehrere Monate zu verschleppen. Das Gericht hatte im Mai noch mit nur etwa 16 Prozessterminen gerechnet - diese Zahl ist bereits überschritten und es wird mit einem Ende frühestens im Jahre 2014 gerechnet - möglicherweise wird sogar der Berliner Flugafen früher fertig... Und dabei ist das Gericht zum eigentlichen Hauptpunkt der Anklage (zahlreichen Verstößen gegen die Envio erteilten Auflagen) noch gar nicht gekommen. 2
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5 (2-2013)
Sachverstand unerwünscht...
Zwischenbericht vom Prozessverlauf um den PCB-Skandal bei Envio (Dortmund)
Zu Beginn des Prozesses - AZ hat schon mehrfach berichtet - im Mai 2012 ging der Richter noch davon aus, dass etwa 15-16 Prozesstermine notwengi seien und das Verfahren Mitte August 2012 beendet sein könne. Das hat sich inzwischen als völlig illusorisch herausgestellt. Nachdem zwischenzeitlich sogar einmal die Einstellung des Verfahrens drohte, geht das Gericht davon aus, dass es allein in diesem Jahr 57 Termine geben wird und es erst im Januar 2014 beendet werden kann. Aber möglichweise wird ja sogar der Berliner Flughafen eher fertig...
Im ersten Januar-Termin wurde ein Betroffener als Zeuge vernommen. Ihm waren die Mißstände im Betrieb aufgefallen, er hatte einige von ihnen mit Photos dokumentiert und diese der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ihm wurde als Störer des Betriebsfriedens (juristisch heißt das sicherlich anders) fristlos gekündigt und er durfte nach der Kündigung im Werk keinen Schritt mehr unbeobachtet machen, nicht einmal seinen Spind unbewacht ausräumen. Im Betrieb hatte er z.B. die mangelnde Qualität verwendeter Absauggeräte bemängelt - die bliesen nach seiner Darstellung hinten das raus, was sie vorne einsaugten...
Zumindest in einer Dortmunder Tageszeitung wurden seine Aussagen am nächsten Tag als "Rache für die Kündigung" diffamiert, andere Zeitungen berichteten allerdings anders.
Der Hauptteil des Prozesses am 24.1. dauerte etwa 2 Stunden und bestand ausschließlich darin, dass das Gericht sich mit Anträgen der Verteidigung befassen musste und deshalb zur Beratung die Sitzung immer wieder unterbrechen musste - dafür ging etwa die Hälfte der Zeit drauf.
Als Altlast vom vorherigen Termin wies der Richter den Antrag der Verteidigung ab, Prof. Kraus als "sachverständigen Zeugen" nur zu den Personen zu befragen, die er selbst untersucht hat. Prof. Kraus arbeit an der Technischen Universität Aachen und hat von der Stadt Dortmund und der Bezirksregierung in Arnsberg den Auftrag erhalten, die Envio-Geschädigten "medizinisch zu begleiten" - und er tut dies offenbar sehr gründlich. Begründung des Richters für seine Ablehnung (mit meinen Worten): Prof. Kraus ist der Leiter des Gesamtprojektes, bei ihm laufen alle anderen Informationen usw. zusammen, er hat also als einziger den Gesamtüberblick.
Doch so schnell lässt sich ein Verteidiger nicht abspeisen. Es folgte fluggs der Antrag, Prof. Kraus solle als "sachverständiger Zeuge" nur Untersucbungsergebnisse vorlegen, ohne sie als Sachverständiger zu beurteilen - sein Sachverstand war also für die Verteidigung nicht erwünscht. Mir als Nichtfachmann kommt das so vor, als dürfe ein Arzt zwar festellen: Der Patient hat 40 Grad Fieber, aber er darf nicht sagen: das liegt an der Erkältung. Dieser Antrag wurde abgelehnt.
Doch so schnell... siehe oben. Es zeigte sich jetzt, dass - anders als ich zu wissen glaubte - über den "alten" Befangenheitsantrag der Verteidigung gegen Prof. Kraus bisher noch nicht endgültig entschieden war. Das tat der Richter jetzt - er lehnte mit einer sehr ausführlichen Begründung auch diesen Antrag ab.
Doch so schnell... ja, ja, das kennen wir schon. Die Verteidigung erreichte eine erneute Unterbrechung, weil sie die Ablehnung der Ablehnung ablehnte und dazu eine Begründung formulieren wollte. Die stützte sich dann hauptsächlich auf eine von Prof. Kraus gemachte, schon einige Zeit zurückliegende und daher bekannte Äußerung, dass es unumgänglich sei, den Envio-Betrieb sofort stillzulegen. Da sieht man doch, dass er mit einer vorgefassten Meinung an seine Untersuchungen geht, denn er fordert die Schließung ja, bevor durch den Prozess bewiesen ist, dass bei Envio...und damit ist seine Befangenheit doch eindeutig bewiesen... Außerdem hat Prof. Kraus geäußert, dass seine Untersuchungen die schädlichen Auswirkungen der Arbeitsbedingungen bei Envio... also schon wieder befangen! Der Staatsanwalt griff hier sofort energisch ein, ohne eine Unterbrechungspause zu beantrage; im Gegensatz zur Verteidigung konnte er das auch so. Er wies darauf hin, dass es auch die Aufgabe von Prof. Kraus ist, die PCB-Geschädigten psychologisch zu betreuen, und darauf, dass das Aachener Forschungsprojekt nicht von Prof. Kraus privat initiert wurde, sondern dass er den offiziellen Auftrag dazu erhalten und übernommen hat.
Prof. Rettenmeier und Prof. Kraus waren anwesend, wurden aber dank der Verzögerungstaktik der Verteidigung nicht gehört. Bis zum nächsten Termin am folgenden Montag sollte über den erneuten Befangenheitsantrag entschieden werden - der Verteidigung fällt dann sicher noch mehr ein. Die beiden verhinderten Sachverständigen Zeugen wurden aus dem Publikum verabschiedet mit "Bis Montag!", was sie mit Heiterkeit quittierten.
Doch daraus wurde dann am Montag doch nichts. Der Hauptangeklagte Neupert hatte sich mit einer Erkrankung entschuldigt und auch sein Rechtsanwalt war - wohl deshalb - nicht anwesend. Zur Art der Krankheit bemerkte der Richter nur, Herr Neupert habe Konzentrationsprobleme... Die sollen übrigens PCB-Geschädigte auch haben.
Der Staatsanwalt zog die Konsequemzen aus dem Verlauf der letzten Verhandlung, er stellte einen gut begründeten Antrag, der Verteidigung bis zum nächsten Prozesstermin am 15. Februar aufzuerlegen, alle ihr jetzt bekannten bzw. bis dahin noch bekanntwerdenden Fakten, die eine Befangenheit des Sachverständigen Prof. Kraus begründen könnten, vorzulegen, und er warf der Verteidigung Prozessverschleppung vor - für jeden Zuhörer, der beim letzten Termin anwesend war, völlig nachvollziehbar und auch für die Anwälte der Nebenkläger. Nur für die Verteidiger völlig unverständlich. Einer von ihnen, der bei den bisherigen Terminen kaum etwas gesagt hatte, musste plötzlich die Rolle des "Spielführers" übernehmen, da der bisherige Wortführer der Verteidigung ja wohl am Krankenbett des Herrn Neupert saß... Der "Ersatz-Spielführer" wies den Antrag des Staatsanwalts empört zurück und verurteilte die Schärfe, die dieser damit angeblich in das Verfahren brächte.
Interessant sind hierbei die Formulierungen, die die Anwälte der Nebenkläger bzw. die übrigen Anwälte der Verteidigung benutzten - Juristen pflegen ja möglichst "unanfechtbar" zu formulieren. Die vom Richter zum Antrag des Staatsanwalts befragten Nebenkläger antworteten: "Wir schließen uns an." Die anderen Anwälte der Verteidigung antworteten: "Wir geben keine Erklärung ab." Das müsste dann eigentlich heißen, dass sie auch die Erklärung ihres Verteidiger-Kollegen nicht "abgeben" - aber vielleicht bin ich doch nur zu logisch...
Bei der nächsten Verhandlung wurde vom Richter - nicht nur aus akustischen Gründen für die Zuhörer unverständlich - der Antrag des Staatsanwaltes abgelehnt. Dennoch sieht es so aus, als würden nun endlich Prof. Kraus und Prof. Rettenmeier als Sachverständige vernommen werden können - und zwar am 19. März ab 9:30 Uhr im Landgericht Dortmund, Raum 130, doch wer weiß schon, was der Verteidigung bis dahin noch so alles einfällt...
Der WDR hat übrigens im November 2011 einen sehr eindrucksvollen Dokumentarfilm über Envio und den PCB-Skandal in Dortmund gesendet und eine aktualisierte Fassung im Juli 2012. Man kann sich die (neue) Fassung bei YouTube ansehen, aber auch auf der Homepage des WDR unter folgendem Link:
http://www.wdr.re/tv/diestory/sendungsbeitrag/2012/0730/envio.jsp
Wir möchten noch hinweisen auf die "Bürgerinitiativ für die Aufklärung des PCB-Skandals in Dortmund." Über ihre Arbeit kann an sich im Internet informieren unter dem Link:
www.pcb-skandal.de (=genau hier... Anmerkung)
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6 (3-2013)
Weiterer Zwischenbericht vom Envio-Skandal Dortmund:
Untersuchungsergebnisse der TH Aachen beweisen die PCB-Belastung der Beschäftigten
"...zum Beispiel die erhöhten Leberwerte, die lassen sich mit höchst ungesundem Lebensumständen der untersuchten Personen erklären, lassen sich plausibel und ganz einfach erklären, aber keinesfalls durch PCB." So der wortführende Anwalt Neuhaus des Hauptangeklagten Neupert bei der Verfahrenseröffnung am 9. Mai vorigen Jahres. Er führte dann weiter aus, dass es keinen gesicherten Nachweis und nicht einmal eine statistische Erhöhung gäbe (für PCB).
Nun gestehen wir Herrn Neuhaus natürlich das Recht zu, wissenschaftlich zweifelsfreie Erkenntnisse über die Wirkungen der zum "Dreckigen Dutzend" gezählten - den 12 giftigsten Stoffen - zu forden. Nur sollte er denAnsprüchen, die er an andere stellt, auch selber entsprechen. Für die oben gemachte Unterstellung angeblicher ungesunder Lebensumstände - eine Aussage, die wohl von jedem Medium in Deutschland zitiert wurde und die für große Empörung sorgte - haben seit Prozessbeginn weder Herr Neuhaus noch seine Verteidiger-Kollegen und -Kolleginnen einen Beweis erbracht. Im Gegenteil - jemand, der hierüber wissenschaftlich fundierte Aussagen machen kann, sollte von der Verteidigung unbedingt daran gehindert werden, seine Untersuchungsergebnisse dem Gericht vorzulegen: Prof. Kraus von der Technischen Hochschule Aachen, der seit langem im Auftrag der Stadt Dortmund und der Bezirksregierung Arnsberg zahlreiche PCB-Geschädigte der Firma Envio und ihrer Umgebung medizinisch "begleitet".
Doch gegen diesen Sachverständigen führte die Verteidigung einen monatelangen Ablehnungskampf wegen angeblicher Befangenheit, den Mann - hätten ihn Frauen geführt - als "Zickenkrieg" bezeichnet hätte. Sie hatte hierbei insofern Erfolg, als es ihr gelang, Aussagen von Prof. Kraus monatelang zu verschleppen, und sie erreichte außerdem, dass er nur als "Sachverständiger Zeuge" aussagen durfte. Der Richter erklärte diesen Begriff sinngemäß so: "Einen Sachverständigen kann man austauschen, einen Zeugen nicht."
Am 19. Januar durfte der "sachverständige Zeuge" dann endlich aussagen, allerdings nur als Zeuge; d.h., er durfte für eine Reihe seiner Patienten die auf den Personalbögen eingetragenen Ergebnisse vorlesen, aber ihre Bedeutung nicht erklären. Jedes etwa 14jährige Schulkind hätte das auch gekonnt, es wäre vielleicht bei dem ein oder anderen Fachbegriff mal ins Stocken gekommen, aber es hätte den "Zeugen" ersetzen können...
Der "Zickenkrieg" ging übrigens auch an diesem Termin weiter. Prof. Kraus bat das Gericht, ihm seine Unterlagen auszuhändigen, damit er die Ergebnisse vortragen könne. Darob war das Gericht sehr erstaunt, es war der Ansicht, Prof. Kraus seien die Unterlagen zurückgegeben worden. Der Staatsanwalt erklärte sich bereit, seine Unterlagen-Kopien zur Verfügung zu stellen - das rief den Protest der Verteidigung hervor, denn der Staatsanwalt hat da bestimmt Sachen unterstrichen oder etwas an den Rand geschrieben - das beeinflusst doch dann die Meinung des Zeugen. Dem Einspruch wurde - wen überrascht es ? - stattgegeben. Und dann fanden sich - welch Wunder - die Unterlagen tatsächlich in den Räumen des Landgerichts wieder und es gab keine Gründe für weitere Verzögerungen mehr. Jetzt geht's lo-hos!
Es kamen nun die Untersuchungsergebnisse von etwa 12 Patienten zur Sprache und, obwohl sie Prof. Kraus nicht deuten durfte, waren sie für den Zuhörer letztlich eindeutig und unseren Lesern hat das Gericht kein Denkverbot auferlegt.
Eins vorweg: der angebliche "höchst ungesunde Lebensstil" bestand ausschließlich im Verbrauch von 10 (bei einem Untersuchten 20) Zigaretten pro Tag - das haut natürlich auf Leber, Niere, Schilddrüse usw...
Von den zahlreichen vorgetragenen Fakten nennen wir nur einige: Hautschäden, Schweißausbrüche, Reizbarkeit, niedrige Testosteron-Werte (Sexual-Hormon) - alles Erscheinungen, die auch andere Ursachen als PCB haben können. Es gab aber auch anderes: etwa die Hälfte der Untersuchten berichtete über rauschähnliche Schwindelgefühle, die an den Wochenenden und im Urlaub nicht auftraten (Halt! Denkverbot!).
Zunächst falsche Hoffnungen in Bezug auf die Gesundheit der Betroffenen erweckten bei den Zuhörern die bei jedem der besprochenen Patienten erstaunlich niedrigen Blutwerte für die untersuchten PCB-Verbindungen - sie lagen im "unbedenklichen Bereich" weit unter den gesetzlich festgelegten Schwellenwerten und man musste als Zuhörer befürchten, dass hier sich ein Schlupfloch für Neupert und die drei anderen Angeklagten auftat; diese falsche Hoffnung bzw. Befürchtung wurde noch verstärkt dadurch, dass die neueren Messergebnisse deutlich unter den älteren lagen.
Dcch leider bedeutet das nicht, dass die Giftstoffe abgebaut oder ausgeschieden worden sind. Alle Verbindungen der PCB-Gruppe - man unterscheidet heute mindestens 209 verschiedene - sind künstlich hergestellt, d. h. es gibt so gut wie keine Organismen, die sie für ihren Stoff- oder Energiebedarf wieder abbauen. Alle PCB-Verbindungen sind in Wasser unlöslich, lösen sich aber in Fetten. Wenn nun im Blut der in Aachen untersuchten Patienten eine niedrigere PCB-Belastung festgestellt wird als früher, so liegt das daran, dass diese Verbindungen aus dem Blut in die Fettgewebe des Körpers eingedrungen sind und somit im Blut nicht mehr nachgewiesen werden können. In den Fettgeweben und Organen wie Leber, Niere und Schilddrüse reichern sie sich immer mehr an. Bei ihrem sehr langsamen Zerfall bzw. Abbau entstehen noch unzureichend bekannte Abbauprodukte, die allesamt schädlich sind, über deren genaue Schädlichkeit und den Zeitpunkt des Schadens man aber noch so gut wie nichts weiß. Das heißt, dass es aufgrund der niedrigen PCB-Werte im Blut für die Geschädigten leider keine Entwarnung geben kann.
Warum wurden die Untersuchungen dann am Blut durchgeführt? Nun, natürlich wären Untersuchungen an den Körperorganen besser, doch das geht verständlicherweise nicht so einfach. Den Patienten wurden bei den jeweiligen Untersuchungen 20, ja 27 verschiedene Blutproben entnommen - es leuchtet wohl jedem ein, dass man aus beispielsweise der Leber nicht einfach ein paar Stücke herausschneiden kann.
Aber etwas anderes ist nun klar bewiesen: die heute im Blut der ehemaligen Envio-Beschäftigten und der in der Nähe des Betriebes lebenden Menschen festgestellte niedrige PCB-Belastung ist nur zum geringen Teil auf Envio zurückzuführen, denn der Betrieb ist erfreulicherweise 2010 dicht gemacht worden. Von seinem hochgradig kontaminierten Gelände geht allerdings immer noch eine Gefahr aus, doch das meiste heute im Blut der Untersuchten gefundene PCB stammt aus denselben Quellen, aus denen jeder Mensch heute belastet wird. Die Tatsache, dass zu Beginn der Aachener Untersuchungen die Werte deutlich höher lagen als heute, beweist also eindeutig, dass das "frühere" PCB aus einer anderen, besonderen Quelle kam als aus der heutigen für alle gleichen Umweltbelastung. Mit der Schließung von Envio hat sich für die damals dort Beschäftigten und für die Anwohner etwas entscheidend geändert - und prompt sinkt die PCB-Belastung ihres Blutes... Damit ist unseres Erachtens die Beweiskette gegen Dirk Neupert und Mittäter geschlossen. Die "höchst ungesunden Lebensumstände" der ehemaligen Envio-Beschäftigten und der Anwohner sind bestätigt und deswegen sitzt Neupert dort, wo er zunächst hingehört: auf der Anklagebank.
Schon an früheren Verhandlungstagen hatten ehemalige Envio-Beschäftigte die vier Angeklagten als Zeugen stark belastet - ihre Aussagen wurden von der lokalen Presse mit Formulierungen wie "der Zeuge ... behauptet" dargestellt. Einer der Zeugen, ein ehemaliger Produktionsleiter, sagte aus, dass die Behörden bei angemeldeten (!) Kontrollgängen regelmäßig getäuscht worden seien. So seien PCB-Verseuchte Transformatoren, für die es keine Entsorgungsgenehmigung gab, so verändert worden, dass sie nicht mehr zu erkennen gewesen seien; Aufkleber mit dem Gift-Hinweis seien z.B. mit Farbe übersprüht worden. Auch seien im Hafengelände viel zu viele verseuchte Bleche gelagert worden, vor den angekündigten Kontrollen seien die dann versteckt worden.
Ein früherer Vorarbeiter sagte ebenfalls als Zeuge aus und belastete die vier Angeklagten schwer. Er hatte mit heimlich gemachten Photos und Informationen an die Grünen und an die Presse den Skandal um Envio ins Rollen gebracht und wurde natürlich als Störer des Betrebsfriedens angesehen; man warf ihm vor, er habe auf eigene Rechnung Schrott verkauft, das Verfahren wurde jedoch eingestellt; ihm wurde aber dennoch im Jahr 2008 gekündigt - seine jetzigen Aussagen gegen Envio werten einige Journalisten - ihrem geistigen und ideologischen Niveau entsprechend - als Racheakt...
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7 (4-2013) Da waren es nur noch drei...
Zwischenbericht vom Envio-Prozess in Dortmund
Seit mehr als einem Jahr läuft nun der Prozess gegen vier Angeklagte in - wie es auch in den bürgerlichen Medien heißt - einem der größten Umwelt-Skandale Deutschlands, dem PCB-Skandal. Die Entsorgungsfirma Envio machte in Dortmund - bis der Betrieb stillgelegt werden musste - Profite mit dem Recycling, der Wiederverwertung von z.B. in Transformatoren enthaltenen Rohstoffen, vor allem von Kupfer. Den Angeklagten werden zahlreiche Verstöße gegen z.B. von der Bezirksregierung Arnsberg erteilte Umwelt- und Gesundheitsauflagen und Körperverletzung in 51 Fällen vorgeworfen - so viele ehemalige Envio-Beschäftigte haben Klage eingereicht bzw. sich als Nebenkläger der Klageerhebung angeschlossen. Die tatsächlishe Zahl der durch PCB geschädigten Opfer ist viel höher. Die Bezirksregierung Arnsberg hat es den Angeklagten allerdings - gelinde gesagt - leicht gemacht, denn eine Überprüfung, ob der Betrieb die Auflagen auch einhielt, fand selten statt und wurde immer rechtzeitig angekündigt, sodass nicht nur der Kaffee für die "Prüfer" schon bereit stand, als diese eintrafen... Begünstigung im Amt? Ein gegen die Bezirksregierung eingeleitetes Verfahren wurde jedenfalks nie eröffnet...
Die vier Angeklagten spielen nicht im selben Golfclub, sie gehen auch nicht gemeinsam in einem Nobelrestaurant essen - sie gehören zwei verschiedenen Gesellschaftsschichten an. Es handelt sich um den früheren Geschäftsführer Dirk Neupert (der übrigens in Südkorea genau so weitermachen soll, wie es ihm in Dortmund endlich verboten wurde), um zwei ehemalige Mitarbeiter aus der "Führungsebene" und um einen ehemaligen Betriebsleiter. Der saß bisher mit den anderen drei nur deshalb gemeinsam auf einer Bank, weil sie die Anklage vereinte, sonst nichts.
Unsere Vermutung ging daher von Anfang an davon aus, dass die Gemeinsamkeiten zwischen ihnen zeitlich begrenzt sind. Wenn es hart auf hart gehen würde und die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft durch die vernommenen Zeugen immer erdrückender bestätigt würden, dann würde es mit der Einheit der vier vorbei sein - die drei "aus dem Krawattenbunker", wie es die Rheinhausener Stahlarbeiter früher ausdrückten, würden ihren nicht gesellschaftsfähigen Kumpan dann fallen lassen und ihn für alle möglichen nachgewiesenen Verstöße verantwortlich machen.
Das scheint sich nun zu bewahrheiten. In der Verhandlung am 18. Juni kam es zu einer Einstellung des Verfahrens gegen den ehemaligen Betriebsleiter nach Zahlung eines Bußgeldes von 3000 Euro. Der nunmehr ausgeschiedene ehemalige Angeklagte hatte zuvor zugegeben, einmal PCB-belastetes Blech ohne Genehmigung entsorgt zu haben. Mit der Einstellung des Verfahrens gegen ihn sind nach Zahlung des Bußgeldes "seine möglichen Verfehlungen im Zusammenhang mit dem PCB-Skandal vom Frühjahr 2010 ausreichend gesühnt" - sagten den Ruhrnachrichten vom 19.6.13 zufolge "alle Beteiligten", also auch Staatsanwaltschaft und Nebenkläger.
Die 3000 Euro lieferte der jetzt ehemalige Angeklagte noch am selben Tag vor 12 Uhr ab. Bösartige Menschen stellen jetzt vielleicht verschiedene Fragen: Hatte der ehemalige Betriebsleiter etwa "zufällig" 3000 € in der Hosentasche? Wusste er etwa schon vorher, was an diesem Gerichtstermin über ihn beschlossen werden würde? Von welchem Konto stammen diese Euros? Aber wir sind ja keine bösartigen Menschen...
Dieser Verlauf des Prozesses scheint unsere oben geschilderten Erwartungen zu bestätigen. Den übrig gebliebenen drei Angeklagten "aus dem Krawattenbunker" bietet sich nun noch deutlicher die Möglichkeit, alle unwiderlegbaren Verstöße ihrem ehemaligen Mitangeklagten in die Schuhe zu schieben. Der hat dann sicherlich ohne ihr Wissen gehandelt, hinter ihrem Rücken, ihr Vertrauen missbraucht usw.; passieren kann ihm ja nichts mehr, denn er ist raus, und Staatsanwaltschaft und Nebenklage haben dem zugestimmt.
Nun können wir nur hoffen, dass die übrig gebliebenen Angeklagten bzw. ihre Verteidigung nicht Leser von AZ sind. Sonst müssten wir uns den Vorwurf gefallen lassen, ihnen einen guten Tipp gegeben zu haben...
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8 (5-2013) Zum PCB-Skandal in Dortmund:
Blutwäsche - wenig Hoffnung für die Envio-Geschädigten
Der seit fast eineinhalb Jahren laufende Prozess gegen Dirk Neupert und noch zwei weitere Angeklagte - ein vierter hat sich inzwischen für 3000 Euro freigekauft - macht bis etwa Ende August "Sommerpause". Hier gibt es also nichts Neues zu berichten. Das gibt uns Gelegenheit, einmal auf das Schiksal der Geschädigten etwas näher einzugehen.
PCB ist ein Sammelbegriff für eine Stoffgruppe von mindestens 209 verschiedenen künstlich hergestellten chemischen Verbindungen, für die es - da sie künstlich sind - in der Natur so gut wie keine Organismen gibt, die sie wieder abbauen. Die PCBs wurden früher in der Bauindustrie, aber auch z.B. bei Transformatoren häufig benutzt, bis man ihre Gefährlichkeit für die menschliche Gesundheit erkannte. Sie zählen heute zum "dreckigen Dutzend", den 12 giftigsten Stoffgruppen auf der Erde. Ihre Verwendung ist seit langem weltweit verboten.
Aus der Aufarbeitung, dem Recycling der wertvollen Rohstoffe alter Transformatoren, lässt sich ein enormer Profit erzielen, allerdings mit erheblichen Gesundheitsrisiken für die damit Beschäftigten. Die Wiederaufbereitung ist daher nur unter strengsten Auflagen zulässig. Gegen zahlreiche dieser Auflagen verstoßen zu haben, wird der Leitung der 2010 stillgelegten Firma Envio vorgeworfen. Allerdings lautet die Anklage sinngemäß auf "Körperverletzung in Tateinheit mit Verstößen gegen..."; das bedeutet, dass zunächst die Körperverletzung nachgewiesen werden muss, was wissenschaftlich sehr schwer ist.
Die PCBs bewirken eine ganze Reihe von gesundheitlichen Schäden, die jedoch auch durch andere Ursachen hervorgerufen worden sein können. Die einzige Krankheit, die sich eindeutig auf PCB zurückführen läßt, ist Chlor-Akne, eine Hauterkrankung.
Seit mehr als drei Jahren werden an der Uniklinik Aachen zahlreiche ehemals bei Envio- Beschäftigte und auch geschädigte Dortmunder untersucht. Prof. Thomas Kraus und sein Team haben bei der Untersuchung der PCB-Belastung ihres Blutes festgestellt, dass die Werte im Blut der Geschädigten heute viel niedriger sind als zu Beginn der Untersuchungen. Das hat verständlicherweise zu einer Erleichterung bei den betroffenen Menschen geführt, doch die ist leider nicht berechtigt.
Alle PCB-Verbindungen sind wasserunlöslich, aber fettlöslich. Sie werden mit der Nahrung aufgenommen oder gelangen über die Haut oder mit der eingeatmeten Luft in den menschlichen Körper. Dort gelangen sie in das Blut, bleiben dort aber nicht, sondern gelangen in fetthaltige Gewebe und Organe und reichern sich dort an. Die heute gemessenen niedrigen Werte bei den Envio-Opfern bedeuten nicht, dass die PCBs abgebaut oder gar ausgeschieden wurden, sondern dass sie jetzt im Körperfett sind. Dort zerfallen sie bzw. werden sie abgebaut in offenbar jahrzehntelangen Prozessen zu Abbauprodukten, deren Auswirkungen noch weitgehend unbekannt sind. Die PCB-Opfer leben daher in einer beständigen Angst und jede noch so kleine negative gesundheitliche Erscheinung könnte der Beginn sein von...
Als Hoffnung für sie wird von einer Reihe von Medizinern und Heilpraktikern die Blutwäsche dargestellt. Dabei wird der Patient an ein Gerät angeschlossen, das gewissermaßen seinen Blutkreislauf erweitert. Der Umweltmediziner Dr. Christian Hoffmann führt diese Blutwäsche in Dortmund durch. Dabei werden dem Patienten in einem etwa eineinhalbstündigen Verfahren etwa 4 Liter Blut entnommen; die angeschlossene Maschine "reinigt" das Blut, d.h. konkret, dass ihm 30-40 Prozent der in ihm enthaltenen PBC-Verbindungen entzogen werden - danach wird das "gereinigte" Blut wieder dem Körperkreislauf zugeführt und es befinden sich jetzt nur noch (!) 60-70 Prozent im Blut...
Das sind zugegebenermaßen weniger als vorher, doch das ist leider nicht alles. Erneute Messungen sowohl von Dr. Hoffmann in Dortmund als auch von Prof. Kraus in Aachen haben ergeben, dass bereits nach einer Woche die Blutwerte wieder dieselben sind wie vor Beginn der Prozedur. Ein Dortmunder Patient, der 3 Jahre lang als Leiharbeiter bei Envio gearbeitet hat, hat diese Blutwäsche bereits zehnmal bei sich durchführen lassen - seine Blutwerte sind jedesmal nach einer Woche wieder auf dem alten Stand.
"Einige Umweltmediziner und manche Heilpraktiker (haben) behauptet, dass sie damit die PCBs in kurzer Zeit komplett aus dem Körper entfernen können. Wir haben bei hochbelasteten fünf Personen dieses Verfahren erprobt und mussten leider feststellen, dass sich unsere Befürchtungen bestätigen, nämlich dass es zwar eine kurzfristig funktionierende Methode darstellt, aber schon nach einer Woche praktisch das PCB, das im Gewebe gespeichert ist, wieder ins Blut zurückfließt und damit fast die Ausgangssituation wieder erreicht wird," sagte Prof. Kraus in einem Interview in der "Aktuellen Stunde" des WDR.
Das ist nicht verwunderlich. Man kann sich vorstellen, dass sich eine Art Gleichgewicht einstellt zwischen dem PCB im Blut und dem im Gewebe. Entzieht man nun dem Blut einen Teil des PCBs, so wird dieses Gleichgewicht gestört und PCB gewissermaßen aus dem Fettgewebe ins Blut gesaugt, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Es wird befürchtet, dass - um so das PCB fast vollständige aus dem Körper zu entfernen - hunterte Blutwäschen über viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinweg notwendig sind.
Selbst wenn diese Erklärung nicht zutrifft, gibt es eine andere auf jeden Fall zutreffende: Fette sind Stoffe, die der Körper als Energiereserven speichert. Bei Energiebedarf werden sie abgebaut und ihre energiereichen Bausteine über das Blut zu den Organen gebracht, die die Energie benötigen..Und in diesen Fettgeweben sind auch die PCBs...
Die wissenschaftlichen Arbeiten an der Uniklinik Aachen haben ergeben, dass die PCB-Belastung des Blutes bei den untersuchten Personen heute wesentlich niedriger ist als zu der Zeit, als sie bei Envio den Profit für Herrn Neupert und Co schufen. Th. Schettgen und Mitarbeiter (in: Journal of Toxicology and Environmental Health, Vol. 75, 2012) haben die Häufigkeit der PCB-Belastung der bei Envio-Beschäftigten untersucht und sie verglichen mit der Belastung ihrer Familienmitglieder, der der in Nachbarbetrieben Arbeitenden und der Anwohner; sie haben die Daten verglichen mit den Blutwerten "normaler" Menschen als Kontrollgruppe; sie stellten dabei fest, dass 80 % der Envio-Beschäftigten deutlich höhere Blutwerte aufwiesen, sie fanden bei den Familienmitgliedern sogar 85 %; bei den Beschäftigten der Nachbarbetriebe waren es noch fast 28 %, bei den Anwohnern nur 2,4 % - d.h. je näher die betreffenden Personen dem Envio-Gelände waren, vor allem der Halle 1, desto mehr von ihnen waren höher belastet. Das bestätigt die Aachener Ergebnisse. Dabei ist hier nur von der Zahl der betroffenen Personen die Rede, nicht vom Grad ihrer Belastung. Die häufigere Belastung der Familienangehörigen lässt sich möglicherweise dadurch erklären, dass die in Halle 1 Beschäftigten wenigstens eine provisorische Schutzkleidung hatten, die Verwandten, die die Arbeitskleidung zuhause wuschen, jedoch nicht.
Etwa 50 Envio-Geschädigte haben bisher (Stand Juli 2013) den Antrag gestellt, ihre Erkrankung als berufsbedingt anzuerkennen - nur drei von ihnen hatten Erfolg; in ihrem positiven Bescheid ist allerdings nicht vom PCB bei Envio die Rede... Prof. Kraus sieht eine Ursache darin, "dass die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die in den letzten Jahren erreicht wurden..., noch nicht in der naturwissenschaftlichen Literatur zu finden sind, sodass einige Gutachter dann immer noch urteilen auf einem Wissensstand von 1965 oder 1970." Das spielt sicherlich eine Rolle, doch da es hier auch um die Profitmaximierung geht, sehen wir die Ursache zumindest auch woanders.
Wir haben es oben angedeutet: die schädlichen Auswirkungen der PCBs ist vielfältig. Ein häufig bei Opfern auftretendes Verhalten, das Wissenschaftler auf PCB zurückführen, ist übersteigerte Reizbarkeit der belasteten Personen. Es ist nun soweit gekommen, dass zumindest eine Ehe durch das Profitstreben der Neuperts in die Brüche gegangen ist. Die Ehe ist - so versucht man uns beizubringen - heilig und die Keimzelle "unserer" Gesellschaft. Doch wir haben keinen Zweifel: wenn diese Keimzellen-Propagandisten vor die Alternative gestellt werden, sich entweder für die Ehe zu entscheiden oder für den Profit, dann wählen sie den Profit.
Und noch etwas: Das von den Neuperts hochgradig kontaminierte Envio-Werksgelände muss kostspielig saniert werden, bevor es anderweitig profitabel genutzt werden kann. Das muss natürlich bezahlt werden - die Neuperts und die Stadt Dortmund streiten sich auch darum. Der WDR hat da schon eine Vermutung, wer da letztlich zur Kasse gebeten werden wird: der Steuerzahler. Zu diesen Steuerzahlern gehören übrigens auch die Envio-Opfer. Die dürfen dann für die Profitjäger nicht nur mit ihrer Gesundheit zahlen...
"Kollegen, das ist Euer tägliches Brot,
es fragt sich, wie lange Ihr mitmacht.
Das Gesindel braucht Euch so lange bloß,
so lange Ihr ihnen den Profit macht.
...
Doch wenn Ihr endlich zusammensteht,
dann wird das Obere nach unten gedreht..."
(aus: Erich Weinert, Lied der Rationalisierung, 1930)
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9 (6-2013) Envio-PCB-Skandal in Dortmund:
Was bleibt, ist die Angst
„Unsere Kompetenz liegt darin, schnell auf der ganzen Welt eingreifen zu können, um die Umwelt und die Menschen dort zu schützen.“
Das ist nicht etwa eine Drohung der US-Regierung oder der NATO, sondern eine Behauptung des Firmen-Chefs Dirk Neupert in einem früheren Werbespot des Recycling-Unternehmens Envio. Inzwischen sitzt er seit etwa 18 Monaten als einer der Hauptangeklagten auf der Anklagebank des Landgerichts in Dortmund. Vorgeworfen wrd ihm – nicht vom Landgericht – die Vergiftung von etwa 360 (andere Quellen nennen eine weit größere Zahl) Menschen aus Profitsucht. Den Profit machte er bis zur Schließung des Betriebes 2010 durch das Ausschlachten z.B. alter Transformatoren, deren Kupferinhalt auf dem Weltmarkt hohe Preise brachte und bringt, die aber auch hochgiftige PCB-Verbindungen enthalten – AZ hat bereits mehrfach darüber berichtet. In Dortmund darf er nicht mehr „ausschlachten“, das soll er jetzt in Südkorea machen...
Etwa 200 der Geschädigten nahmen am inzwischen leider beendeten Betreuungsprogramm des Arbeitsmediziners Prof. Thomas Kraus an der TU Aachen teil. Unter ihnen eine Reihe ehemaliger Envio-Leiharbeiter, aber auch Familienangehörige und Menschen, die auf dem Weg zu und von ihrem Arbeitsplatz täglich einfach nur durch das Gelände in der Nähe des Skandalbetriebs radelten. Das allein reichte bei einem von ihnen aus, den PCB-Gehalt in seinem Blut auf das Dreifache ansteigen zu lassen...
Prof. Kraus hat bereits bei einer früheren Anhörung als „Sachverständiger Zeuge“ anhand seiner Untersuchungsergebnisse aufzeigen können, dass die Blutwerte der von ihm untersuchten Leiharbeiter in ihrer Zeit als Envio-Beschäftigte deutlich über den Werten lagen, die nach der Stilllegung des Betriebes bei ihnen gemessen wurden. Eine Entwarnug ist das für sie nicht, denn das PCB ist nicht etwa abgebaut oder ausgeschieden worden, sondern hat sich im Körperfett angereichert, und das für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Dort zerfallen die PCBs (insgesamt kennt man bisher 209 verschiedene Verbindungen, alle künstlich hergestellt und daher dem natürlichen Abbauprozeß entzogen) mit unterschiedlichen Halbwertszeiten in bisher weitgehend unbekannte Abbauprodukte. Deren Auswirkungen sind ebenfalls weitgehend unbekannt.
Prof . Kraus hat nun vor dem Landgericht – die Verteidigung konnte es offnbar nicht verhindern – die Ergebnisse seiner medizinischen Untersuchungen dargelegt. Er sieht eindeutige Auswirkungen der PCB-Belastung auf Schilddrüsenhormone, einzelne geschlechtsspezifische Hormone, Veränderungen an der Haut, Auffälligkeiten in der Leberfunktion, gehäufte Veränderungen im Nervensystem, und zwar sowohl im zentralen Nervensystem als auch im peripheren ( = äußeren) Nervensystem. Er stellt bei vielen seiner Patienten auch eine tiefe Verunsicherung beim Blick in die Zukunft fest, die zu Depressionen führt. Er sieht „erhebliche Sorgen und Ängste, ob vielleicht zukünftige ernstere Erkrankungen auftreten“ und fragt „ob mit dem Abfall der immensen inneren Belastungen sich viellecht bei vielen eine Besserung ergibt.“ (in einem WDR-Interview)
Seine Untersuchungsergebnisse werden z.Z. von dem Essener Arbeitsmediziner Albert Rettenmeier „gegengelesen“ – er wird etwa im Dezember ebenfalls vom Landgericht als Zeuge vernommen werden. Doch die Untersuchungen von Prof. Kraus haben schon bewiesen, dass die Blutwerte der Opfer während ihrer Zeit bei Envio höher lagen als heute, dass sie das PCB also in jener Zeit vermehrt aufgenommen haben.
Doch nicht nur hier ergibt sich wieder ein Schlupfloch für die Angeklagten. Es verstärkt sich in letzter Zeit immer mehr der „50-Prozent-Verdacht“, die Befürchtung nämlich, dass Envio nicht die einzige PCB-Dreckschleuder im Dortmunder Hafengebiet ist. Denn auch heute noch – mehr als drei Jahre nach der Schließung – werden „erstaunlich“ hohe PCB-Werte in diesem Dortmunder Viertel gemessen. Woher kommen sie? Können etwa andere Betriebe einfach weitermachen, um das Image des „Industriestandortes Dortmund“ nicht zu gefährden? Und. wie können wir nachweisen, dass unser oben erwähnter Radfahrer sich seine PCB-Belastung auf der Vorbeifahrt bei Envio geholt hat und nicht bei einem anderen „umweltfreundlichen“ Betrieb?
Im September 2008 versicherte Firmenchef Neupert der „Behörde“, der Bezirksregierung Arnsberg schriftlich: „Eine Gefährdung der Mitarbeiter beim Versuchsbetrieb und beim späteren Normalbetrieb können wir daher sicher ausschließen.“
Michael Müller, PCB-Gutachter der UN, sah das nach ihm vorgelegten optischen Beweismaterial anders: „Die Prozessabläufe waren so dilettantisch, dass man hier wirklich nur mit Vollschutz hätte arbeiten dürfen.“
Der wurde den insgesamt 8 bei Envio Vollbeschäftigten auch zur Verfügung gestellt. Die anderen – allesamt Leiharbeiter – bekamen als Atemschutz z.B. „bessere Papiertücher“. „Um Atemschutzmasken musste man betteln und wenn man dann mal gefragt hat, ob man so eine haben kann – wofür man das denn bräuchte, das wäre ja alles gar nicht so schlimm,“ so einer der geschädigten Leiharbeiter. „Wenn mal meine Schweißhandschuhe durchlöchert waren, hieß es nur, ich solle besser darauf aufpassen, weil die Dinger teuer sind.“
Uns drängt sich ein Verdacht auf: für „seine“ 8 Vollbeschäftigten hat Neupert offenbar gesorgt, ihnen hat er die gesetzlich vorgeschriebene Schutzkleidung zur Verfügung gestellt, „obwohl die Dinger teuer sind.“ Anders sieht es da bei den Leiharbeitern aus – die sollten ihre Schutzkleidung offenbar selber mitbringen, für 7,50 € Stundenlohn, und das, „weil die Dinger teuer sind.“ Denn die Leiharbeitsfirma hat ihre Billiglohnarbeiter zwar an Envio vermittelt, sie aber auch nicht mit der notwendigen Schutzkleidung ausgerüstet, „weil die Dinger teuer sind“, teurer jedenfalls als die Gesundheit und das Leben von Arbeitern...
Den Opfern bleibt zu wünschen, dass ihnen die materiellen Existenzsorgen genommen werden, was hoffentlich psychisch zu ihrer Beruhigung und damit zur Stärkung ihrer körperlichen Widerstandskraft beiträgt. Dazu würde aber sicherlich auch eine gerechte Strafe der Profiteure beitragen, doch da fälllt uns die wissenschaftliche begründete Feststellung von Karl Marx ein: „Die herrschenden Gesetze sind die Gesetze der Herrschenden.“
Von den Untersuchungen des Prof. Kraus und den Auswertungen von Prof. Rettenmeier fordert das Gricht und erhoffen sich nicht nur die Nebenkläger „einen eindeutigen wissenschaftlichen Nachweis, dass die Männer von PCB in ihrem Blut krank wurden und durch nichts anderes... In jedem Einzelfall muss nachgewiesen werden, dass durch die PCB-Belastung Krankheitszustände (verursacht), also eine Körperverletzung begangen worden ist,“ so Rechtsanwalt Quittmann.
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10 (1-2014)
PCB – nicht nur für Dortmund ein Problem
Die zum „dreckigen Dutzend“ der gefährlichsten chemischen Verbindungen zählenden PCB-Verbindungen sind nicht nur für Dortmund ein Problem. Im Zusammenhang mit dem Prozess gegen die vor Jahren stillgelegte Recycling-Firma Envio hat AZ bereits mehrfach berichtet.
Der im Mai 2012 begonnene Prozess gegen Dirk Neupert, den Haupteigner der Firma, und weitere Angeklagte war zunächst mit etwa 20 Terminen nur bis Ende August 2012 geplant und sollte eigentlich jetzt im Januar 2014 beendet werden – doch nun hängen im Landgericht Dortmund schon Prozesstermine bis Mitte 2014 aus... und läuft und läuft und läuft...
Im Jahr 2010 – dem Jahr der Envio-Schließung – wurde für die bei Envio Beschäftigten (vor allem Leiharbeiter) ein dreijähriges Betreuungsprogramm begonnen, mit dem die Beschäftigten „medizinisch begleitet“ wurden. Finanzier wurde es von der Berufsgenossenschaft. Die zahlte jedoch nicht für Familienangehörige, auch nicht für in der Umgebung von Envio lebende oder arbeitende Menschen. Die „Begleitung“ schloss nur Untersuchungen ein, aber keine Behandlung. Allerdings erhielten die Envio-Opfer von Prof. Kraus (TU Aachen) durchaus auch psychologischen Betreuung. Das eigentlich schon beendete Programm wurde jetzt erfreulicherweise für weitere drei Jahre verlängert – unerfreulich ist der Anlass: die deutliche Zunahme von Schilddrüsen-, Haut- und anderen Schäden bei den Betroffenen.
Inzwischen bereitet man sich in Dortmund auch darauf vor, die auf dem Envio-Gelände noch lagernden Materialien „für die Insolvenz-Kasse“ zu vermarkten. Dazu wird es demnächst zu den gesetzlich vorgeschriebenen öffentlichen Ausschreibungen kommen. Allerdings gibt es einige Probleme – wir nenn nur eins: Auf dem Gelände sollen Transformatoren sein mit einem Eigengewicht von 50 Tonnen und mehr – die Kräne, die diese Ungetüme bewegen sollen, wiegen selber aber nur etwa 20 Tonnen. Aber was soll’s? „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör!“
PCB wurde nicht nur für Transformatoren verwendet, sondern vor rund vierzig Jahren auch in der Bauindustrie eingesetzt. Wenn wir die Zahl richtig in Erinnerung haben, hat das Land NRW zu Beginn dieses Jahres etwa 5600 öffentliche Gebäude, die in dieser Zeit errichtet wurden, auf ihre heutigen PCB-Ausdünstungen untersuchen lassen und ist bei mehreren tausend „fündig“ geworden.
In Dortmund betrifft das einige Schulen, in anderen Städten sicherlich auch. An der Universität Düsseldorf musste eine ganze Anzahl von Räumen geschlossen werden wegen der PCB-Belastung, etliche Beschäftigze verloren dadurch ihre Arbeit. In Duisburg gibt es als Folge der Stahlproduktion für die Kleingärtner mehrerer Stadtteile „Verzehrsempfehlungen“, d.h. es wird ihnen geraten, was sie nicht verzehren sollen: z.B. kein Gemüse oder Obst, das in Bodennähe geerntet wird. In Leverkusen gibt es ähnliche Probleme – verursacht durch wen wohl? Nicht durch die Fußballspieler...
Die Universität Bochum, vor etwa 50 Jahren als architektonische Gruseltat aus dem Boden gestampft – hat ihre Mitarbeiter am 6.9.2013 durch ein Schreiben informiert, aus dem wir zitieren:
„In den Gebäuden der Ruhr-Universität Bochum ist PCB in den 1960er und 1970er Jahren als Baustoff verwendet worden. PCB ist ein Gefahrstoff und durch verstärkte Raumluftmessunen und Materialproben in den Fakultätsgebäuden in den Fokus gerückt...
PCB wurde als Bauschadstoff in allen Fakultätsgebäuden (MA, N-Reihe, G-Reihe, I-Reihe, NI/NT, Bota) verbaut... In den Fakultätsgebäuden liegen die Werte in der Regel zwischen 300 ng und 3000 ng PCB/m3 Raumluft. Die PCB-Richtlinie NRW gibt für diese Räume folgendes vor:
„Bei der Raumlufkonzentration zwischen 300 und 3000 ng PCB/m3 Luft ist die Quelle der Raumluftverunreinigung aufzuspüren und unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit mittelfristig zu beseitigen...“
...Zusätzlich wurden in einigen Räumen erhöhte Gehalte des dioxinähnlichen PCB-118 in der Raumluft nachgewiesen. Die Gehalte überschreiten den Wert von 10 ng/m3 Luft, bei dem von ... der Obersten Landesgesundheitsbehörde expositionsmindernde Maßnahmen gefordert werden. Räume, die Werte über 3000 ng PCB/m3 Raumluft (Interventionswert) aufweisen, werden der Nutzung entzogen, bis durch geeignete Maßnahme der Interventionswert wieder unterschritten wird.
Zu den gesundheitlichen Auswirkungen von PCB kann nur wenig gesagt werden. Aus Unfällen mit hochdotiertem PCB und Tierversuchen werden mögliche dosisabhängige Effekte auf Nervensystem, Immunsystem, Hormonhaushalt, Haut, Leber, Psyche und Krebsentwicklung vermutet. Es wurde 2012 von der DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft – Anm. AZ) eingestuft...“
Wir zitieren in diesem Zusammenhang den Leiter des Betreuungsprogramms für die Envio-Opfer, Herrn. Prof. Kraus von der TU Aachen:
„Die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die in den letzten Jahren erreicht wurden und die wir auch im Betreuungsprogramm festgestellt haben, (sind) noch nicht in der nachlesbaren wissenschaftlichen Literatur zu finden, so dass einige Gutachter dann immer noch (urteilen) auf einem Wissensstand von 1965 oder 1970.“ (in einem Interview mit dem WDR)
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Die Dortmunder „Bürger-Initiative gegen den PCB-Skandal“ beabsichtigt, mit entsprechenden Gruppen in anderen Städten Kontakt aufzunehen zwecks Erfahrungsaustuasch und Zusammenarbeit.
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11 (4-2014) Zum PCB/Envio-Skandal in Dortmund:
Wissenschaft für die Menschen oder Menschen für die Wissenschaft?
Seine Aussagen waren mit Spannung erwartet worden – die des Sachverständigen der Universität Duisburg-Essen. Er sollte die Untersuchungsprotokolle auswerten, die Prof. Kraus von der Universität Aachen im Rahmen des ersten dreijährigen Betreuungsprogramms für die Envio-Opfer erstellt hatte. Denn Prof. Kraus war von der Verteidigung des der Körperverletzung zahlreicher Menschen und des Verstoßes gegen zahlreiche Auflagen der Bezirksregierung Arrnsberg angeklagten Envio-Chefs Neupter und zweier Mittäter als befangen abgelehnt worden – der Sachverständige aus Duisburg-Essen nicht. Warum der eine abgelehnt wurde und der andere nicht, wurde bald deutlich...
Vorweg etwas zur Vorgeschichte: Die Firma Envio machte ihren Reibach durch das Ausschlachten alter Transformatoren und anderer z.B. Kupfer enthaltender Geräte. Die enthielten jedoch nicht nur die wertvollen Metalle, sondern auch die zum „dreckigen Dutzend“ (den 12 giftigsten chemischen Stoffgruppen) zählenden PCB-Verbindungen. Eine für PCB typische Krankheit beim Menschen ist die Hautkrankheit Chlor-Akne; außerdem gibt es zahlreiche andere gesundheitsschädliche Auswirkungen, die allerdings auch andere Ursachen als eine Vergiftung durch PCB haben können und die oft erst nach vielen Jahren auftreten. AZ hat in früheren Ausgaben mehrfach hierüber berichtet.
Prof. Kraus aus Aachen durfte im Prozess nur als „sachverständiger Zeuge“ die von ihm und seinem Team beobachteten Daten vortragen – jede Interpretatio dieser Beobachtungsergebnisse war ihm untersagt. Damit wurde dafür der Sachverständige aus Duisburg-Essen beauftragt. Er war schon einmal kurz nach Prozessbeginn als Sachverständiger zum Thema PCB befragt worden und machte einen kundigen Eindruck. Seine erneute Befragung – diesmal zu den Untersuchungsprotokollen aus Aachen - war schon für den Herbst des vergangenen Jahres vorgesehen, wurde aber immer wieder verschoben. Etwa ein halbes Jahr später war es dann endlich so weit. Und nun wurde auch klar, warum die Verteidigung diesen Sachverständigen nicht abgelehnt hatte. Er präsentierte sich als reiner Wissenschaftler, für den die Menschen, deren Untersuchungsergebnisse aus Aachen ihm vorlagen, nur Lieferanten von Daten waren, die man dann auswerten kann oder auch nicht. Bei Herrn Prof. Kraus gewann man einen anderen Eindruck: er wurde in mehreren Fernsehinterviews nach dem Befinden der von ihm untersuchten Menschen gefragt und stellte immer wieder heraus, dass es einigen von ihnen jetzt besser gehe, denn (und nun kommt der Unterschied zum Duisburg-Essener Sachverständigen) sie hätten wieder Arbeit gefunden; für ihn ist ganz offenbar die soziale Lage ein wichtiger Faktor, der sich auf die Gesundheit und Psyche der Menschen auswirkt. Für den einen Wissenschaftler steht der Mensch im Vordergrund, für den anderen die Daten, die er liefert – der eine wird als „befangen“ abgelehnt, der andere nicht...
Wir wollen dem Duisburg-Essener Sachverständigen jedoch keine Böswilligkeit unterstellen, nur haben wir eine andere Auffassung von Wissenschaftlichkeit: sie sollte nicht neutral sein, sondern objektiv. Ist man neutral, so nimmt man nicht Stellung gegen den/die Täter und nicht für die Opfer; ist man jedoch objektiv, so nimmt Stellung gegen die Täter und für die Opfer. Man braucht nur an das Dritte Reich zu denken, dann wird dieser Unterschied ganz deutlich.
Zur Ehrenrettung des Duisburg-Essener Sachverständigen müssen wir sagen, das er es wesentlich schwerer hatte als sein Kollege aus Aachen. Ihm standen nur die Unterlagen von 29 Untersuchten zur Verfügung, die anderen hatten Prof. Kraus nicht von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbunden. Wie schwer es daher war, gesicherte Aussagen zu machen, wird klar, wenn man sich z.B. folgendes überlegt: Teilt man diese 29 Personen z.B. ein in Altersgruppen von 21-30 usw. bis hin zu 51-65 Jahren, so ergibt sich, dass in jede dieser Gruppen nur wenige Personen kommen; unterteilt man eine solche Gruppe dann noch in Raucher und Nichtraucher, in Menschen mit und ohne Übergewicht usw., dann wird klar, dass in die jeweiligen Unter(unter)gruppen nur sehr wenige Personen kommen und dass man mit den so erzielten Daten wissenschaftlich gesichert kaum etwas anfangen kann.
Prof. Kraus hatte (erfreulicherweise und leider!) mehr Patienten zur Verfügung. Er ging allerdings auch anders an die Untersuchung heran. Aus den von ihm dem Gericht vorgetragenen Meßergebnissen ging eindeutig hervor, dass bei allen Untersuchten die PCB-Belastung des Blutes zu Beginn des ersten Betreuungsprogramms (kurz nach der Envio-Schließung) deutlich höher waren als gegen Ende des Programms etwa 3 Jahre später. Damit ist Envio als Ursache für die Blutbelastung eindeutig festzumachen.
Aus Duisburg-Essen gibt es ein mindestens 70 Seiten umfassendes Gutachten zu den Daten der 29 Personen. Zu diesem Gutachten gab es von Seiten des Staatsanwaltes und der Nebenkläger zahlreiche Nachfragen, merkwürdigerweise keine von der Verteidigung. Und bei den Antworten des Duisburg-Essener Sachverständigen kamen zumindest dem Zuhörer im Gerichtssaal Zweifel daran, ob dieser Sachverständige die hohen wissenschaftlichen Ansprüche, die er an andere stellt, auch an sich selbst stellt. So zeigte sich, dass er an mehreren in letzter Zeit zum Thema PCB durchgeführte Konferenzen nicht teilgenommen hatte und deren z.B. im Internet veröffentlichten Beiträge und Ergebnisse nicht kannte. Ein inzwischen eindeutiger Chlor-Akne-Fall eines ehemaligen Envio-Beschäftigten war ihm offenbar unbekannt – der gehörte allerdings nicht zu den 29. In seinem eigenen Gutachten hatte er die PCB-Verbindungen missverständlich sogar als das Immunsystem aktivierend dargestellt, was zumindest im ersten Augenblick als positiv erscheint, denn ein aktives Immunsystem ist doch gut. Auf Nachfrage stellte er das dann klar: das Immunsystem kann auch fehlgeleitet aktiv werden und Antikörper gegen nützliche Körperzellen produziern. Gefragt wurde er auch, ob die PCB-Verbindungen und das ebenfalls schädliche, bei Envio verwendete Lösungsmittel Per (Perchlorethylen) nebeneinander wirkten oder miteinander und sich dabei dann eventuell gegenseitig verstärkten; diese Frage wusste er wissenschaftlich nicht zu beantworten, nahm aber an (!), sie wirkten nebeneinander, was den Angeklagten sicherlich recht ist. Er wurde auch gefragt, ob die in Aachen bei den Untersuchten festgestellten psychischen Schäden nicht auf das PCB zurückzuführen seien. Das verneinte er und machte dafür auch die Medienberichterstattung mitverantwortlich, die PCB als „Ultragift“ dargestellt habe. Uns war diese Bezeichnung für PCB bis dahin unbekannt; er nannte auch keine Quellen und keine Medien, die seine 29 untersuchten Personen als Informatinsquellen haben.
Der Sachverständige konnte den ihm vorgelegten Unterlagen der 29 Envio-Opfer keine wissenschaftlich gesichterten Aussagen über die Schadensquelle entnehmen. Schilddrüsenschädigungen und Übergewicht gibt es ja auch bei zahlreichen anderen Menschen. Nicht so kritisch war da die Berufsgenossenschaft: die Auffälligkeiten an der Schilddrüse der in Aachen Untersuchten waren für sie Grund genug, das Betreuungsprogramm um weitere drei Jahre zu verlängern. Allerdings werden hierbei die Menschen nur „wissenschaftlich begleitet“, es gibt keine medizinische Behandlung.
Übrigens: wir unterstellen diesem Sachverständigen keine böse Absciht, weswegen wir seinen Namen auch nicht nennen, er hat aber offensichtlich eine andere Auffassung von Wissenschaftlichkeit.
Noch etwas: Die Verteidigung hat sich eine neue Taktik überlegt – dafür hat sie ziemlich genau zwei Jahre gebraucht. Sie fuhr einen Angriff auf gegen die Bezirksregierung Arnsberg und stellte dar, diese sei von Anfang an über „alles“ informiert gewesen und habe es geduldet. Nun sitzen Herr Neupert und Mittäter völlig zurecht auf der Anklagebank, aber da gehören auch noch andere hin. Der Bezirksregierung Arnsberg muss man den Vorwurf machen, dass sie zu vielem geschwiegen hat und sich zahlreiche leicht zugängliche Informationen nicht besorgt hat; auch die Stadt Dortmund muss sich diesen Schuh anziehen, auch bei der Aufarbeitung des Skandals, der Sanierung des verseuchten Geländes usw. Schön ist, dass nicht nur die „Bürgerinitiative für die Aufklärung des PCB-Skandals in Dortmund“ sich nun bei ihrer Kritik an der Bezirksregierung sogar auf die Aussagen der Verteidigung berufen kann. Lenin hat da irgendwann irgendwo mal etwas von „nützlichen Idioten“ gesagt...
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12 (6-2014) Zum Envio-PCB-Skandal in Dortmund:
Prozess gegen Dirk Neupert und Mitangeklagte vor skandalösem Ende ?
„Envio hat die Gesundheit meiner Familie kaputt gemacht, hat meinen Mann vergiftet, meinen Sohn, hat meinen zweiten Sohn krank gemacht – ich hoffe, dass sie alle bestraft werden und das bekommen, was sie verdienen.“
So äußerte sich die Frau eines der Hauptgeschädigten Althoff, der drei Jahre lang als Leiharbeiter bei Envio gearbeitet hat – bis zur Schließung des Werkes im Mai 2010. Dirk Neupert verdiente sich bis dahin – auf gesundheitliche Kosten der bei ihm Beschäftigten – eine „goldene Nase“ mit dem Recycling, der Ausschlachtung alter Transformatoren und Transistoren; vor allem das in ihnen enthaltene Kupfer war und ist hochbegehrt. Doch diese alten Geräte enthalten auch hochgiftige und nachweislich gesundheitsschädigende Stoffe, die PCB-Verbindungen. Das ist eine Gruppe von 209 verschiedenen Stoffen, die zum „dreckigen Dutzend“ gezählt wird, den zwölf giftigsten chemischen Stoffgruppen, die man kennt. PCB-Verbindungen werden künstlich hergestellt, es gibt also keine natürlichen Organismen, die sie wieder abbauen. Die PCBs sind wasserunlöslich, lagern sich aber in Fettgeweben ab und reichern sich dort an mit Halbwertszeiten von bis zu mehreren Jahrzehnten, falls der Mensch so lange lebt. Alle 209 Verbindungen sind unterschiedlich schädlich, ihre Verwendung ist seit Jahrzehnten weltweit verboten. AZ hat in den letzten zweieinhalb Jahren schon mehrfach über PCB, über die Dortmunder Skandalfirma Envio und den Prozess berichtet.
Aus den oben zitierten Worten klingt keine große Zuversicht einer der Geschädigten in das Rechtssystem dieses Staates – schon vor Prozessbeginn im Mai 2012 hatte sie nicht mehr als Hoffnung...
Der WDR Dortmund hat im November 2011 eine eindrucksvolle 45minütige Dokumentation über den Skandal gesendet und im Juli 2012 – nach Prozessbeginn im Mai – eine ergänzte Fassung noch einmal ausgestrahlt. Diese 2. Fassung endet mit dem ersten Gerichtstag und der Kommentator drückt seine Befürchtungen am Schluss des Filmes noch deutlicher aus:
„Ob Neupert für einen der größten Umweltskandale in Deutschland zur Verantwortung gezogen wird, ist heute völlig offen – auch, ob sich am Ende überhaupt jemand verantworten muss.“
Das war nach dem ersten Prozesstag. Seitdem hat es in zweieinhalb Jahren mehr als hundert Prozeßtermine gegeben und der WDR hat sich anlässlich dieses „Jubiläums“ so geäußert: Nur, wenn Dirk Neupert wegen Körperverletzung verurteilt wird, haben die Geschädigten Aussicht auf Schadensersatz..
Doch das ist schon seit langem sehr unwahrscheinlich. Die Anklage lautet sinngemäß auf Körperverletzung durch Envio und auf Verstößen gegen Auflagen der Bezirksregierung Arnsberg und der Stadt Dortmund. Der Staatsanwalt, der diese Anklage erhob, ist kein Anfänger. Es gibt den Vorwurf, dass er die Anklage so formulierte, um einen bestimmten Prozessausgang zu erreichen. So, wie die Anklage lautet, muss eine Körperveletzung durch Envio nachgewiesen werden, und das ist definitiv unmöglich. Denn die meisten gesundheilichtn Schäden, die den PCB-Einwirkungen zugeschrieben werden, können auch andere Ursachen haben; es gibt nur eine Erkrankung (Chlor-Akne), die nur durch PCB verursacht wird; an ihr ist ein Envio-Beschäftigter erkrankt, doch der gehört nicht zu den Nebenklägern, spielt also im Prozess keine Rolle. Würde die Anklage lauten auf „fahrlässige“ bzw. „vorsätzliche“ Körperverletzung, so stünden die Fahrlässigkeit bzw. der Vorsatz im Mittelpunkt der Gerichts-Untersuchungen und könnten eindeutig nachgewiesen werden, doch das ist nicht der Fall. Ein „Versehen“ des Staatsanwaltes?
Zahlreiche Envio-Opfer haben an einem von der Berufsgenossenschaft finanzierten, dreijährigen Betreuungsprogramm an der Universität Aachen teilgenommen. Es stand unter der Leitung von Prof. Kraus. Obwohl es seine Aufgabe war, die Geschädigten auf gesundheitliche Veränderungen hin zu untersuchen, betreute er sie auch psychologisch und empfand mit ihnen, was dazu führte, dass er vom Landgericht Dortmund auf Antrag der Verteidigung als „befangen“ abgelehnt wurde – wer Mitgefühl mit den Opfern hat, ist befangen. Ähnlich erging es zwei anderen Sachverständigen, die offen ihr Mitgefühl mit den Opfern bekundeten. Keine Probleme in dieser Beziehunh hatte der vom Gericht und der Verteidigung akzeptierte „Hauptsachverständige“ Rettenmeier.
Die Untersuchungen von Prof. Kraus ergaben, soweit sie uns bekannt sind, für alle Untersuchten eine deutlich höhere PCB-Belastung im Blut zu Beginn des Betreuungsprogramms (unmittelbar nach Schließung von Envio) verglichen mit den nach drei Jahren ermittelten Werten. Für uns – aber offenbar nicht für das Gericht – ist das ein eindeutiger Beweis für die höhere PCB-Belastung durch Envio. Auch eine auffällig häufige und starke Schädigung der Schilddrüse war festzustellen – für die Berufsgenossenschaft Beweis genug, um das Betreuungsprogramm um weitere drei Jahre zu verlängern. Auch zahlreiche andere Schäden treten gehäuft auf, z.B. Zellschäden, Leberschäden, Hauterkrankungen, Nervenschäden, psychische Schäden. Ja, sogar dem vom Gericht als „Hauptsachverstängiger“ auserkorene Prof. Rettenmeier (Uni Duisburg-Essen, inzwischen im Ruhestand, also nur aufs Akten-Studium angewiesen und offenbar ohne eigene Untersuchungen) fällt beim Studium eben dieser Akten auf, dass einzelne Geschädigte ein unzeitgemäß aktiviertes Immunsystem haben, d.h. es werden Anti-Körper gegen nützliche, gesunde Körperzellen gebildet, was Prof. Rettenmeier auf PCB zurückführt.
Das alles ficht das Gericht jedoch nicht an. Der Versuch der Nebenkläger, andere Sachverständige heranzuziehen, wird abgelehnt. Eine Verurteilung wegen Körperverletzung hat, so sieht es aus, keiner der drei Angeklagten zu befürchten. Das bedeutet, dass die mehreren hundert Opfer keine Entschädigung erhalten, ja, ihre Körperverletzung wird noch nicht einmal als Berufskrankheit anerkannt (bei drei Personen gab es die Anerkennung, doch ohne Hinweis auf Envio).Und es sieht nun sogar so aus, als müssten Neupert und Mittäter nicht einmal mit einer Verurteilung wegen Schädigung der Umwelt rechnen, denn der zuständige Richter geht mittlerweile davon aus, dass die Bezirksregierung Arnsberg über alle Vorgänge bei Envio informiert war; sie ist auch nach Auffassung des WDR sehr schluderig mit den Genehmigungen und deren Kontrolle umgegangen, was einer Duldung gleichkommt.
Bis zum 100. Prozesstag waren nach vorsichtigen (!) Schätzungen des WDR Gerichtskosten in Höhe von mindestens 180.000 Euro angefallen, davon für (dem Gericht genehme ?) „Sachverständige“ etwa 40.000 Euro, für Pflichtverteidiger 100.000 Euro. Herr Neupert hat außerdem (mehrere ?) Wahlverteidiger, die er zunächst selbst bezahlen muss – das Geld erhält er allerdings von einer Manager-Haftpflichtversicherung zurück... Der WDR geht davon aus, dass der Prozess alles in allem mindestens eine halbe Millionen Euro kosten wird. Sollten die Angeklagten nicht verurteilt werden – vieles deutet darauf hin – dann kommt hierfür die „Staatskasse“ auf, also die Steuerzahler. Zu denen gehören auch die PCB-Geschädigten, die dürfen dann nicht nur mit ihrer Gesundheit zahlen. Damit nicht genug: es geht ja auch um die Sanierung des Geländes und und und ... Auch da dürfen sie (und wir) dann zur Kasse, die oben erwähnte „goldene Nase“ des Neupert hat wohl nichts zu befürchten!
Das Urteil (am 16. Dezember ?) wird „im Namen des Volkes“ gesprochen werden. In wessen Namen allerdings der Prozeß geführt wird, verdeutlicht vielleicht folgende Episode, die uns Prozeßbesucher erzählten:
Vor etwa zwei Jahren sollte an einem Freitag Herr Neupert vor Gericht aussagen (bis dahin und danach hatte er nur seine Anwälte reden lassen - vielleicht, um sich nicht zu verplappern). Doch der Richter teilte mit, dass Herr Neupert erkrankt sei und ein Attest vorgelegt habe; es wurde dann ein anderer Prozeßpunkt vorgezogen. Beim darauf folgenden Prozesstermin sollte ein ehem. Envio-Beschäftigter befragt werden, doch auch das ging nicht. Der Richter teilte mit, er sei erkrankt und habe ein ärztliches Attest vorgelegt; er sei vom Gericht darauf hingewiesen worden, welche schweren Folgen ein Gefälligkeitsgutachten für ihn und den betreffenden Arzt haben könne; nach so einem Hinweis würden die Erkrankten oft erstaunlich schnell gesund, doch Herr XYZ sei wohl wirklich krank...
Bei Herrn Neupert hatte der Richter eine solche Bemerkung nicht gemacht. Für uns ist das ganz zweifellos ein eindeutiger Beweis für die Objektivität, die Neutralität, die Ernsthaftigkeit des Richters...
Ein gewisser Karl Marx soll einmal geäußert haben: „Die herrschenden Gesetze sind die Gesetze der Herrschenden.“ Mensch Karl, in welcher Welt hast Du denn gelebt?
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13 (1-2015) Zum Stand im PCB-Envio-Skandal in Dortmund
Zumindest keine Vollbremsung...
Das befürchtete Prozess-Ende am 16. Dezember 2014 (siehe AZ 6/14) bleibt nun erfreulicherweise doch noch aus – das Landgericht Dortmund hat einen Terminplan zumindest bis April 2015 bekanntgegeben. Wir sind als Kommunisten und Marxisten zwar Realisten, aber auch bei uns stirbt die Hoffnung zuletzt – die Hoffnung, dass die drei Angeklagten doch noch zur Rechenschaft gezogen werden und ihre zahlreichen Opfer zumindest eine ausreichende Entschädigung erhalten und dass ihre durch Envio ruinierte Gesundheit als Berufskrankheit anerkannt wird.
Genährt wurde diese Hoffnunf zunächst dadurch, dass eine Anwältin der Nebenklage (bezeichnenderweise nicht der Staatsanwalt !) einen Befangenheitsantrag gegen den vom Gericht offenbar als Haupt-Sachverständigen betrachteten Gutachter Alfred Rettenmeier gestellt hatte. Der war nämlich nicht in der Lage, aus den ihm vorgelegten medizinischen Unterlagen von 29 Opfern einen Nachweis für irgendein Verschulden der Angeklagten in Richtung Körperverletzung zu entdecken. Der Befangenheitsantrag gegen ihn stützte sich vor allem auf das von Prof. Rettenmeier erstellte, viele Seiten umfassende Gutachten, das die Anwältin der Nebenklage schon bei der Anhörung des „Gutachters“ im Gerichtssaal ziemlich zerpflückte.
Am 16. Dezember wurde nun nicht der Prozess beendet, sondern die Entscheidung über den Befangeheitsabtrag verkündet. Würde dem Antrag stattgegeben, so könnte das bedeuten (so der Richter nach Aussagen von Prozessbeobachtern), dass der Prozess um 6-9 Monate unterbrochen werden müsse, dass neue Gutachter (evtl. auch im Ausland) gesucht werden müssten, die möglichweise eine Einarbeitungszeit in die Problematik von zwei Jahren oder länger benötigten, und dass der Prozess dann noch einmal ganz neu aufgerollt werden müsste.
Nicht nur die Dortmunder Bürgerinitiative gegen den PCB-Skandal begrüßte diese Entwicklung, weil zumindest das Schlimmste zunächst einmal abgewendet wäre. Sie führte am 16. Dezember ab 9.45 eine optisch wirksame Aktion vor dem Landgericht durch, bei der viele der noch ungelösten Probleme aufgezeigt wurden (siehe unten).
Das Gericht entschied dann leider doch wie befürchtet: der Befangenheitsantrag wurde abgelehnt. Zwei Sprecherinnen des Gerichts wechselten sich ab beim hastigen und genuschelten Verlesen der langen Ablehnungsbegründung. Es war kaum etwas zu verstehen. Notizen als Gedächtnisstütze zu machen war unpraktisch, denn dann verpasste man ein paar der wenigen verständlichen Satzteile – also konnten die ungewöhnlich zahlreichen Zuhörer nur versuchen, sich einen Gesamteindruck zu bilden. Und der spricht nicht für das Gericht. Als bezeichnend greifen wir heraus:
Prof. Rettenmeier hatte in seinem Gutachten offenbar geschrieben, es gäbe keine wissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse über gesundheitliche Auswirkungen von PCB auf den Menschen. Dies widerlegte die Nebenklage mit dem Hinweis auf die sog. Iowa-Studie (USA 2011). Das wurde nun wiederum vom Gericht zurückgewiesen, weil bei dieser Studie nur „in vitro“ („im Reagenzglas“) untersucht worden sei. Tatsächlich waren aus dem menschlichen Körper isolierte Zellen auf Schädigung durch PCB hin untersucht worden und diese eindeutig nachgewiesen worden. Gegen-„Argument“ des Gerichts: damit ist ja nicht wissenschaftlich „belastbar“ bewiesen, dass diese Zellen auch geschädigt worden wären, wenn sie nicht isoliert gewesen wären. Zu gut (?) Deutsch: das Gericht bemängelt offenbar, dass für die Iowa-Studien keine Versuche an Menschen durchgeführt wurden. Das beweist unseres Erachtens aber, dass unter den Iowa-Wissenschaftlern kein Dr. Mengele war, was wir begrüßen. Doch das scheint nun zugunsten der Angeklagten ausgelegt zu werden und zum Nachteil der Menschen, die der zuständige Richter an früheren Verhandlungstagen selbst als „PCB-Geschädigte“ bezeichnet hatte. Übrigens meldete sich unnötiger, aber bezeichnender Weise auch der Staatsanwalt zu Wort mit dem Hinweis, er teile die Befangenheitsbedenken der Nebenklage (alle anderen Nebenkläger hatten sich ihr angeschlossen) nicht. Was Wunder? Schließlich hatte er Herrn Prof. Rettenmeier als Gutachter vorgeschlagen. Seine Anklage lautet übrigens sinngemäß auf „Körperverletzung in Tateinheit mit Verstößen gegen folgende Auflagen.“ Es muss also eine Körperverletzung durch Envio definitiv nachgewiesen werden, was zwar statistisch einfach, aber konkret fast unmöglich ist, weil bis auf Chlor-Akne alle anderen Gesundheitsschäden auch andere Ursachen haben können. Würde die Anklage lauten auf „Fahrlässige (oder gar vorsätzliche) Körperverletzung...“, so stünden Verstöße gegen Auflagen der Bezirksregierung Arnsberg z.B. im Mittelpunkt. Der Staatsanwalt ist kein Anfänger, er weiß, wie „man“ Anklageschriften abfasst...
Die befürchtete „Vollbremsung“ des Prozesses am 18. Dezember blieb nun aus, bei so einer Bremsung kann man ja auch leicht ins Schleudern kommen. Statt ihrer scheint es ein langsames Ausbremsen zu geben. Der Nebenklage wurde immerhin die Anhörung eines weiteren Gutachters zugestanden.
Keine Versuche, aber Untersuchungen an Menschen haben übrigens Prof. Kraus und sein Team von und an der TH Aachen durchgeführt. Er ist Leiter des Betreungsprogramms, das nunmehr seit gut viereinhalb Jahren für die Envio-Opfer durchgeführt wird. Es gibt in der Welt niemanden sonst, der über einen so langen Zeitraum Untersuchungsergebnisse vorliegen hat. Er wäre daher ein Wissenschaftler, den man zur Beurteilung von PCB-verursachte Gesundheitschäden beim Menschen zurate ziehen müsste. Doch Prof. Kraus wurde auf Antrag der Verteidigung vom Gericht als „befangen“ abgelehnt – er macht aus seinem Mitgefühl für die untersuchten Menschen keinen Hehl.
Nun soll – wahrscheinlich im Januar – Prof. Tim Brümmendorf vom Gericht befragt werden. Er hat offenbar bei den von ihm untersuchten Arbeitern, Familienangehörigen und Anwohnern die Schädigungen durch PCB beobachtet, die in der Iowa-Studie nur an isolierten Zellen bewiesen wurden: eine Schädigung der Zellenden (Telomere), die sich beim gesunden Menschen regelmäßig abspalten und neue Zellen bilden – nach PCB-Einwirkung tun sie das nicht; es wird die Bildung neuer Zellen jedoch gebremst, ähnlich wie oft bei älteren Menschen; das ist eindeutig eine Körperverletzung, diesmal eindeutig nicht durch „...höchst ungesunden Lebensumstände“, wie von der Verteidigung unterstellt. (Eigentlich nicht) erstaunlich ist, dass Prof. Brümmendorf nicht als Gutachter aussagen darf, sondern nur als „Sachverständiger Zeuge“. Moment mal – da war doch was? Ach ja, Prof. Kraus, durfte der nicht auch nur als...? Genau! Und nun rate mal, liebe(r) Leser(in), wo Prof. Brümmendorf arbeitet? Richtig! In Aachen, an der Technischen Hochschule. Und noch schlimmer: an demselben Institut wie Prof. Kraus! Und noch viel schlimmer: im Team von Prof. Kraus! Na hör mal, liebe(r) Leser(in), wie kannst Du denn da an Sippenhaft denken!
AZ schließt sich den Kritiken der Bürgerinitiative am Prozess, an der Bezirksregierung Arnsberg und der Stadt Dortmund und den Forderungen an:
„Sicherung des Wirtschaftsstandortes Dortmund - Hauptsache Arbeitsplätze – zu welchem Preis, das ist egal!“
„Entschädigung der betroffenen Arbeiter und ihrer Familien!“ - „Verurteilung der Envio-Verantwortlichen!“ - „Sanierung des verseuchten Geländes – aber nicht auf unsere Kosten!“
„Der Envio-Skandal: ein Umwelt-, ein Politik-, ein Justizskandal!“ - „Freispruch für Neupert = Ermutigung für Unternehmer zur sanktionslosen Vernachlässigung von Umwelt und Arbeitsschutz!“
Der eindrucksvolle Dokumentarfilm des WDR ist unter „Grünkohl, Gifte und Geschäfte“ bei YouTube zu sehen.
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14 (4-2015) Dortmund: Envio-Geschädigte - Angst ist ihr ständiger Begleiter
(Als Kasten): AZ hat seit mehr als zweieinhalb Jahren immer wieder über diesen Skandal berichtet und wir fürchten und hoffen, das wird auch in Zukunft noch öfter der Fall sein. Für „Seiten-Einsteiger“ in unsere Zeitung deshalb hier einige Kurzinformationen zu PCB und zum bisherigen Prozeßverlauf:
PCB wurde wegen seiner Eigenschaften vor etwa 60 Jahren in der Bauindustrie verwendet und als Isoliermittel z.B. in Elektrogeräten wie Transformatoren. Seine gesundheitsschädigende Wirkung wurde schnell erkannt, es zählt zum „dreckigen Dutzend“ der giftigsten chemischen Stoffgruppen; seine Herstellung und Anwendung ist daher seit Jahrzehnten weltweit verboten. Es ist eine Stoffgruppe von 209 verschiedenen, alle unterschiedlich wirkenden Schadstoffen. Da die Gefährlichkeit bald erkannt und die Nutzung verboten wurde, wurde die Forschung eingestellt und erst wieder in Zusammenhang mit vor allem Envio wieder aufgenommen. Alle 209 Verbindungen sind künstlich hergestellt, es gibt also keine Organismen, die sie wieder abbauen. Ihre „Halbwertszeit“ ist lang. Die 209 Stoffe unterscheiden sich durch die Anzahl und die Anordnung der ihnen künstlich zugefügten Chlor-Atome (PC = PolyChlor). Auch über die Zerfallsprodukte der Stoffe und deren eventuelle Auswirkungen ist kaum etwas bekannt. Gesichert ist, daß „niederwertige“, also PCBs mit wenigen Chloratomen das Erbgut des Menschen beeinflussen und dass ihre Halbwertszeit kürzer ist als die „höherwertigen“ PCBs. Außerdem sind alle PCBs wasserunlöslich, aber fettlöslich – sie reichern sich daher in fetthaltigen Geweben an. Aufgenommen mit der Nahrung, durch die Atmung oder über die Haut gelangt PCB ins Blut, bleibt dort aber nicht, sondern wandert ins Fett weiter. Eine Abnahme der PCB-Werte im Blut bedeutet für Betroffene also keine Besserung, sondern nur, dass das PCB jetzt (jahrzehntelang) im Körperfett ist. Fie Hautkrankheit Chlorakne ist die einzige Krankheit, die eindeutig auf PCB zurückzuführen ist.
Das Recycling-Unternehmen Envio machte seinen Profit vor allem mit der Ausschlachtung alter Transistoren, deren wertvolle Kupferspulen herausgeholt wurden – die waren allerdings durch PCB isoliert. Envio wurde 2010 stillgelegt und Herr Neupert und drei Mittätter angeklagt. Der Prozeß war zunächst nur für eine Dauer von paar Wochen angesetzt und drohte auch einmal eingestellt zu werden; er wurde immer wieder verlängert. Bei Envio in Dortmund (in Südkorea macht Neupert weiter) waren hauptsächlich Zeitarbeiter beschäftigt. Ihre gesundheitlichen Schädigungen durch Envio/PCB werden bisher nicht als Berufskrankheit anerkannt.
Der Prozess um den Envio/PCB-Skandal geht in das vierte Jahr. Der in seinem Beruf zweifellos erfahrene Staatsanwalt hat die Anklage so formuliert, dass es äußerst schwierig ist, den Angeklagten eine Schuld nachzuweisen; sie lautet sinngemäß „Körperverletzung und Verstoß gegen diese und jene Auflagen“. Dabei ist „Körperverletzung“ der schwerwiegendere Vorwurf und muss konkret nachgewiesen werden, die Umweltschädigungen spielen dann eher eine Nebenrolle. Eine Körperverletzung der bei ihm beschäftigten Menschen durch PCB konnte dem Hauptangeklagten Dirk Neupert bisher nicht nachgewiesen werden. Gutachter wie der das Betreuungsprogramm der Geschädigten leitende Prof. Kraus (Aachen) wurden wegen ihres offensictlichen Mitgefühls für die PCB-Belasteten vom Gericht auf Antrag der Verteidigung als Sachverständige abgelehnt und durften entweder gar nicht oder nur als „sachverständige Zeugen“ aussagen, aber ihre eigenen Untersuchungsergebnisse nicht auswerten. In sie hatten die Geschädigten und auch die Mitglieder der Dortmunder Bürgerinitiative große Hoffnungen gesetzt.
Der WDR hat im November 2011 und in einer ergänzten Fassung im Juli 2012 in einer sehr guten Dokumentation über diesen Skandal berichtet; sie ist bei YouTube zu finden unter dem Titel „Grünkohl, Gifte und Geschäfte“. Sie ist objektiv, aber nicht neutral: sie nimmt Position für die Opfer ein und gegen die Täter. Als im vergangenen Dezember das Ende des Prozesses drohte, gab ein WDR-Mitarbeiter seinem Bericht den Titel „Kommt Envio-Chef Neupert ungestraft davon?“ Hier fehlt an Deutlichkeit eigentlich nur das Wort „etwa“...
Eine Vertreterin der Nebenklage hat erreicht, dass als weiterer Sachverständiger Prof. Brümmendorf aus Aachen vom Gericht befragt wurde. Auch bei seiner Befragung war der WDR anwesend und brachte einen Bericht, aus dem eine Enttäuschung, dass es wieder nicht gelungen war, den noch übriggebliebenen 2 Angeklagten eine Körperverletzung nachzuweisen, deutlich zu spüren war.
Es waren übrigens ursprünglich einmal vier Angeklagte, aber einer von ihnen (der einzige aus der Arbeiterklasse stammende) wurde nach Eingeständnis von einigen Kleinigkeiten gegen ein Bußgeld von 3000 € aus dem Prozess entlasse und ein weiterer (aus der Oberschicht) aus uns nicht bekannten Gründen ebenfalls.
Die Bürgerinitiative und auch wir beurteilen die Aussagen von Prof. Brümmendorf jedoch ganz anders. Er hat auf Bitten von Prof. Kraus das Blut von 24 Patienten des Betreuungsprogramms untersucht: wie wirkt sich PCB auf die Blutplättchen und auf die Lymphocyten (zu den weißen Blutkörperchen gehörend) aus? Er untersucht seit längerem die Auswirkungen von PCB auf die die Erbinformationen enthaltenen Chromosomen im Zellkern. Er und andere Wissenschaftler haben herausgefunden, dass durch PCB die sog. Telomere geschädigt werden, das ist der Anfangsbereich jedes Chromosoms. Am Vorhandensein eines Telomers „erkennt“ das bei der Zellteilung an der Verdoppelung des Chromosoms beteiligte Enzym, wo der Anfang ist, in welcher Richtung also die Verdoppelung abzulaufen hat. So ein Telomer besteht aus einer ganzen Reihe von 6 sich immer wiederholenden Basen; bei jeder Teilung wird ein Stückchen des Telomers abgetrennt, wodurch dieses natürlich (wörtlich gemeint !) immer kürzer wird. Irgendwann ist das Telomer so kurz, dass eine weitere Teilung zum Tod der Zelle führen würde. Dem wirkt das Enzym Telomerase entgegen, das die ursprüngliche Länge wieder herstellt. Es kann sein, dass das abgetrennt Telomerstückchen für das durch die Teilung entstandene Chromosom verwendet wird, um hier den Anfang deutlich zu machen; es ist natürlich viel zu kurz, wird dann aber wohl durch die Telomerase zur vollständigen Länge aufgebaut.
So, nun etwas weniger trocken: es ist – auch durch Prof. Brümmendorf – bewiesen, dass PCBs das Enzym Telomerase schädigen, also den (Wieder)Aufbau der Telomere. Prof. Brümmendorf hat bei allen 24 von ihm Untersuchten bei den Lymphozyten eine deutliche Verkürzung der Telomere festgestellt. Er hat seine Untersuchungen noch nicht beendet, hat aber vor Gericht eindeutig ausgesagt, dass er auf Grund seiner Untersuchungen zu der festen Überzeugung gekommen ist, dass alle 24 Patienten dauernd (!) medizinisch betreut werden müsen – nur wissenschaftlich beweisen kann er es (noch) nicht.
Das ist die bisher eindeutigste Aussage zugunsten der Geschädigten, die ein Gutachter im Envio-Prozess gemacht hat – andere wollten es nicht oder (wie Prof. Kraus und Dr. Kruse aus Kiel) durften es als angeblich Befangene nicht. Die lebenslange medizinische Untersuchung ist eine eindeutige Minderung der Lebensqualität der Betroffenen und damit zumindest eine Vorstufe der Körperverletzung, die es ja den Angeklagten nachzuweisen gilt. Das spürte auch die Verteidigung und versuchte mit einigen primitiven Tricks, die Aussagen von Prof. Brümmendorf zu erschütter. Wann zum Beispiel wurden die Blutproben untersucht? Nun, natürlich kamen sie sofort nach ihrer Entnahme ins Labor und nicht erst monatelang ins Gefierfach... 24 Personen sind doch – statistisch gesehen – viel zu wenige Nun, 100 Prozent sind 100 Prozent! Unser Kommentar: wenn in einem Raum 8 Personen sind und es bricht ein Brand aus und danach haben alle 8 Personen Brandwunden, kann man dann den Brand als Ursache angeben oder ist das „statistisch nicht gesichert“?
Übrigens gibt es eine Methode, mit der der Einfluss von PCB auf Gene des Erbguts direkt nachgewiesen werden kann. Hierzu die Auskunft einer Mitarbeiterin der in Kamp Lintfort gegen die auswirkungen der dortigen PCB-Verbrennungsanlage kämpfenden Bürgerinitiative:
„Es ist eine ganze Gen-Batterie, die durch dl-PCB und Dioxine zur Replikation angeregt wird. Unter anderem werden Cytochrom-P450-Oxidasen gebildet, bsp. CYP1A1, CYP1A2.
Diese Enzyminduktion wird als Hauptschädigungsmechanismus der dioxinähnlichen Verbindungen angesehen.
CALUX verwendet ein reportergen-basiertes System aus gentechnisch veränderten, menschlichen Krebszellen. Die Ausmaß der Genaktivierung ist proportional zur Konzentration der dl-PCB in der zu untersuchenden Matrix, Blut, Staub etc. und wird als ausgesendetes Licht mit einem Luninometer gemessen.“
Das ist an Leute gerichtet, die sich mit dem Thema seit langem beschäftigen – wir haben den auch für andere verständlichen und entscheidenden Satz hervorgehoben. In Amsterdam wird diese Untersuchungsmethode angewendet. Man kann mit ihr eindeutig nachweisen, dass und in welchem Ausmaß PCB und andere dioxinähnliche Stoffe bestimmte Abschniite zu einer unnatürlichen Aktivität veranlassen. Mit dieser Methode könnte also eine Körperverletzung eindeutig nachgewiesen werden, doch sie wird – die Angeklagten wird es freuen – in Deutschland nicht angewendet... Warum wohl nicht? Ach, hört doch auf mit Euren Verschwörungstheorien!
„Angst ist ihr ständiger Begleiter“ ist übrigens der erste Satz des Sprechers im „Grünkohl-Film“ – Prof. Brümmendorf hat seine Richtigkeit bestätigt.
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15 (5-2015) Envio-Prozess in Dortmund –
Ein Ende mit Schrecken?
Im Mai 2012 begann vor dem Landgericht Dortmund der Prozess gegen den Betreiber des Recycling-Unternehmens „Envio“ und drei weitere Angeklagte. AZ hat mehrfach über den Skandal und den Prozess berichtet. Es geht um die Vergiftung zahlreicher bei Envio beschäftigter Menschen und in der Nähe des 2010 stillgelegten Betriebes Lebenden mit hochgiftigen Verbindungen der PCB-Gruppe. Hier soll es diesmal hauptsächlich um den Prozess gehen. Es deutet sich an, dass der Umweltskandal auch zu einem Justizskandal wird.
„Ich hoffe, dass sie alle bestraft werden und das bekommen, was sie verdienen“ – so Angelique Althoff, die damalige Frau eines der Hauptgeschädigten. Ihre Ehe ist inzwischen gescheitert: Christian Althoff, drei Jahre als Leiharbeiter bei Envio beschäftigt und sehr stark PCB-belastet, ist heute nervlich leicht reizbar – eine typische Folge von PCB-Vergiftung, allerdings eine der harmloseren...
Wie andere Sender auch berichtete ARD in der Tagesschau über den Prozessbeginn und rechnete mit einer Strafe von bis zu 10 Jahren Haft.
„Ob (Dirk Neupert) am Ende für einen der größten deutschen Umweltskandale zur Verantwortung gezogen wird, ist heute noch völlig offen – auch, ob sich Ende überhaupt jemand verantworten muss“ – so der Kommentar der Sprechers im Dokumentarfilm „Grünkohl, Gifte und Geschäfte“ des WDR im Juli 2012.
Die hier bereits kurz nach Prozessbeginn geäußerten Zweifel scheinen sich nun zu bestätigen: Für den Hauptangeklagten Neupert deutet sich ein Freispruch mangels Beweisen an in Bezug auf den Anklagepunkt „Körperverletzung“ – die Richter vertreten die Auffassung, eine Körperverletzung sei nicht „belastbar“ nachgewiesen, man könne allenfalls von einer „abstrakten Gefährdung“ reden.
Wir wissen nicht, ob „abstrakte Gefährdung“ in der Juristerei ein Fachterminus ist – zuzutrauen wäre es. Logisch ist er jedenfalls ein Unding. Entweder besteht eine Gefährdung, dann ist sie konkret, allenfalls noch nicht akut; oder es besteht keine Gefährdung, dann ist sie auch nicht „abstrakt“, sondern gar nicht vorhanden.
Der Prozess dauert nun schon fast dreieinhalb Jahre. Er begann für die Nebenkläger (51 Envio-Opfer), interessierte Dortmunder Bürger und die Mitglieder der Dortmunder Bürgerinitiative zur Aufklärung des PCD-Slandals recht verheißungsvoll. Der Staatsanwalt legte sich mächtig ins Zeug und haute den damals noch vier Angeklagten zahlreiche Verstöße um die Ohren. Auch in den folgenden Sitzungen erweckte er einen für die Envio-Opfer engagierten Eindruck: er forderte die Befragung von sieben Sachverständigen, warf der Verteidigung Prozessverschleppung vor usw.
Doch unter den Prozessbeobachtern kamen die ersten Warnungen auf. Grund dafür war die Art der Anklage: sie lautete sinngemäß „Körperverletzung in Tateinheit mit Verstößen gegen (zahlreiche Auflagen der Behörden)“ Es musste also eine Körperverletzung der Nebenkläger durch Envio-PCB konkret nachgewiesen werden und das ist sehr schwer, denn außer der Hautkrankheit Chlor-Akne können alle anderen durch PCB verursachten Gesundheitsschäden auch durch andere Ursachen hervorgerufen werden. Hätte die Anklage z.B. auf „fahrlässige Körperverletzung im Tateinheit mit...“ gelautet, so wäre die Fahrlässigkeit anhand der Auflagenverstöße und der fehlenden oder unzureichenden Schutzkleidung und anderer Schutzmaßnahmen leicht zu beweisen. So aber ist es sehr schwer. Einem Anfänger in der Position des Staatsanwalts kann so ein Fehler unterlaufen, auch er muss erst Berufserfahrungen sammeln. Doch unseres Wissens ist dieser Staatsanwalt kein Anfänger... (mit den Pünktchen fordern wir die/den Leser(in) zum eigenen Weiterdenken auf, wir wollen uns nicht strafbar machen.)
Zwei der Angeklagten sind übrigens inzwischen aus dem Prozess raus: der eine hat sich (?) für ein Bußgeld von 3000 € gewissermaßen freigekauft, die Gründe beim anderen kennen wir nicht. (Das erinnert an das Lied „Zehn kleine Negerlein... da waren `s nur noch zwei!“)
Den Prozessbeobachtern fiel nach einiger Zeit auf, dass sich die Art der Prozessführung seitens der Anklage änderte: seit mehr als einem Jahr hat die Nebenklage vor allem durch eine junge Anwältin die Rolle übernommen, die eigentlich dem Staatsanwalt zusteht. Sie verbeißt sich in das vom Sachverständigen Prof. Rettenmeier (ehem. Uni Duisburg/Essen) vorgelegte mindestens 80seitige Schriftstück, das von Richter und Verzeidigern als „Gutachten“ angesehen wird; sie beantragt – nicht immer erfolglos – die Heranziehung weiterer Sachverständiger; sie fordert mehrfach (vergeblich) die Ablehnung von Prof. Rettenmeier wegen Befangenheit, aus demselben Grund auch die des Richters... Die übrigen Vertreter der Nebenklage unterstützen sie dabei und schließen sich ihren Forderungen und Ausführungen an. Nur der Staatsanwalt - der ist nachweislich im Saal und schweigt, außer dass er sich von den Ausführungen und Anträgen distanziert. Da kommst Du schon ins Grübeln...
Die ehemaligen Bochumer Opelaner der GoG (Gruppe oppositioneller Gewerkschafter) sah sich auf einem ihrer Bildungsurlaube den Film „Grünkohl, Gifte und Geschäfte“ an. Ihre spontane Reaktion: „Wut“ und „Kurzer Prozess!“ Aus letzterem wurde nichts und jetzt befüchten wir das Ende geradezu, denn es droht ein Freispruch vom Vorwurf der Körperverletzung - mangels Beweisen. Das ist zwar ein Freispruch zweiter Klasse, aber immerhin ein Freispruch. Wir wundern uns nicht, wenn jemand den Eindruck gewinnt: darauf hat die Staatsanwaltschaft von Anfang an hingearbeitet. Übrig bliebe (vielleicht !) die Verurteilung wegen der Anwendung nicht genehmigter Verfahren beim Recycling o.ä. Das bedeutet dann aber auch, dass die gesundheitlichen Schäden der Beschäftigten nicht als Berufskrankheit anerkannt werden, die Arztkosten von den Betroffenen selbst getragen werden müssen usw.
Die Bürgerinitiative hat sich außerdem mit einem Schreiben an den Staatsanwalt und die Vertreter der Nebenklage gewandt mit dem Hinweis auf die strafrechtliche Verurteilung von HIV-Infizierten, die durch ungeschützten Geschlechtsverkehr eine andere Person anstecken. Eine Vergleichbarkeit mit der Belastung durch PCB scheint durchaus gegeben. Der HI-Virus dringt bei dem Infizierten in bestimmte Zellen ein (siehe dazu AZ 4/2015), verbringt dort bis zu 10 oder mehr Jahre im Ruhezustand und tritt erst dann als das Immunsystem ausschaltender Krankheitserreger auf. Ähnlich verläuft es mit den PCB-Verbindungen (209 verschiedene): sie sammeln sich im Fettgewebe über Jahre hinweg an und eventuell erst nach langer Zeit verursachen sie bzw. ihre Abbauprodukte gesundheitliche Schäden. Der HIV-Infizierte läuft also gewissermaßen zehn Jahre oder länger mit der Zeitbombe HIV in sich herum, bevor sie explodiert. Wird das dann vom Landgericht Dortmund als „abstrakte Gefährdung“ bezeichnet und der Verursacher „mangels Beweisen“ freigesprochen? Von anderen Gerichten sind die Verursacher unseres Wissens verurteilt worden. Und die PCB-Belasteten laufen jahrelang mit der Zeitbombe „PCB“ herum, bevor sie explodiert – „abstrakt gefährdet“ und ohne Verurteilung der Verursacher der jetzt oder später festgestellten Körperverletzung.
Der Arbeitsmediziner Prof. Kraus (Aachen) hat im Rahmen des Betreuungsprogramms den Zusammenhang zwischen der Beschäftigungsdauer bei Envio und der PCB-Belastungs des Blutes untersucht und einen eindeutigen Zusammenhang festgestellt: je länger die Arbeitszeit, desto höher die Belastung (dabei hat er auch die unterschiedliche Gefährdung an den Arbeitsplätzen berücksicht). Für die Richter in Dortmund ist das offenbar nur „abstrakt“ und Prof. Kraus ist ja auch als „befangen“ eingestuft worden.
Prof. Brümmendorf, ebenfalls aus Aachen, hat vor Gericht seine bereits bei einer früheren Befragung gemachte Auffassung wiederholt: als Wissenschaftler kann er die Körperverletzung der von ihm Untersuchten (ihm standen nur Akten zur Verfügung) noch (!) nicht beweisen – als Arzt ist er der festen Überzeugung, dass alle Untersuchten regelmäßig medizinisch begleitet, d.h. untersucht werden müssen. Auch diese Aussage reicht dem Gericht nicht. Übrigens hat Prof. Brümmendorf das Gericht darauf aufmerksam gemacht, dass er nur die schriftlichen Unterlagen kennt, aber keinen der Menschen; er bat daher um die Hinzuziehung von Prof. Kraus, da der auch die Personen kennt und über sie besser Auskunrft geben kann als so ein Blatt Papier. Wie hat das Gericht wohl über diese Bitte entschieden? Für sein „Gutachten“ stand Prof. Rettenmeier übrigens auch nur Papier zur Verfügung – Menschen hat er unseres Wissens nicht befragt.
Die Bürgerinitiative hat die Staatsanwaltschaft, die Nebenkläger und die Richter darauf hingewiesen, dass in Amsterdam mit dem „Calux-Verfahren“ sich die schädigende Wirkung von PCBs auf die Erbsubstanz eindeutig beweisen lässt. Dieses Verfahren wird in Deutschland unseres Wissens nicht angewendet. Bisher hat die BI außer einer von ihr für überflüssig gehaltenen „juristischen Belehrung“ keine Reaktion festgestellt. Ist das Gericht an eindeutigen Beweisen nicht interessiert?
Ach, übrigens: wir leben in einem Rechtsstaat! Das herrschende Recht ist das Recht der – äh, wie geht das Zitat noch mal weiter?
Zum Schluss noch eine Korrektur zu unserem Artikel in AZ 4/2015: Wir hatten geschrieben, dass Prof. Brümmendorf bei allen 20 von ihm Untersuchten eine Telomer-Verkürzung nachgewiesen hat; das stimmt so nicht, er hat bei einigen wenigen keine Verkürzung nachweisen können, aber der Durchschnittswert aller 20 ist eindeutig.
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16 (2015) Der Envio/PCB-Skandal in Dortmund:
Das Imperium schlägt zurück...
„Ein Ende mit Schrecken“ hatten wir in unserer letzten Ausgabe für den Ausgang des Prozesses vor dem Dortmunder Landgericht vorausgesehen. Das Ende wird nun offenbar doch noch hinausgezögert, dafür wird dann der Schrecken wohl um so größer...
Der Prozess gegen den Firmeninhaber Dirk Neupert und ursprünglich drei weitere Angeklagte läuft seit mehr als dreieinhalb Jahren – übriggeblieben sind nur noch Herr Neupert und Herr der einzige dieses Quartetts, der bisher eine Art Strafe erhielt, war der einzige Arbeiter unter ihnen; er wurde gegen Zahlung eines Bußgeldes von 3000 € aus dem Verfahren entlassen – von welchem Konto sie stammen, entzieht sich unserer Kenntnis.
Der Envio-Betrieb wurde 2010 von der Bezirksregierung Arnsberg stillgelegt wegen der Verseuchung des Firmengeländes und seiner Umgebung durch die beim Recycling von Transformatoren und anderer Elektrogeräte freiwerden hochgiftigen PCB-Verbindungen und wegen Verstößen der Firma gegen Auflagen der Bezirksregierung. Am 9. Mai (dem Tag der Befreiungs vom Hitler-Faschismus!) begann der Prozess mit drei Anklage-Schwerpunkten: Körperverletzung von 51 ehemaligen Envio-Beschäftigten (die als Nebenkläger auftreten), Vergiftung der Umwelt und Verstößen gegen Auflagen.
Hätte die Anklage auf „fahrlässige“ oder „vorsätzliche Körperverletzung“ gelautet, wäre nach Auffassung von Juristen der Prozess längst mit einer Verurteilung der Angeklagten beendet, denn Fahrlässigkeit bzw. Vorsatz wären dann längst nachgewiesen. Doch der Staatsanwalt erhob Anklage nur wegen Körperverletzung. Es war nicht seine erste Anklageschrift nach bestandenem Staatsexamen – wir halten es für möglich, dass er wußte, was er tat.
Medizinische Untersuchungen nicht nur im Verlaufe des seit mehreren Jahren laufenden Betreuungsprogramms der PCB-Opfer haben eindeutige Gesundheitsschädigungen bei allen Untersuchten ergeben, nur: diese Schäden an der Leber, der Schilddrüse, der Niere, im Verhalten usw. können auch durch andere Ursachen hervorgerufen werden. Die Hautkrankheit Chlor-Akne ist die einzige Krankheit, die ausschließlich von PCB verursacht wird. Ein Chlor-Akne-Fall ist auch unter den Betroffenen nachgewiesen, doch der Geschädigte gehört nicht zu den 51 Nebenklägern und ist daher zwar für uns, aber nicht für das Gericht interessant. Die bei den anderen von Prof. Krauss (Aachen) festgestellten Gesundheitsschäden können nach Auffassung des Haupt-Verteidigers Neuhaus „plausibel mit mit höchst ungesunden Lebensumständen“ der Nebenkläger begründet werden. Da können wir nicht einmal widersprechen, doch gerade wegen dieser höchst ungesunden Lebensumstände stehen bzw. standen Neupert und Mittäter ja vor Gericht!
Vor einigen Wochen wies der das Verfahren leitende Richter in einer öffentlichen Verhandlung so deutlich, wie er es vor einer Urteilsverkündigung tun kann, darauf hin, dass es zu einer Verurteilung wegen Körperverletzung nicht kommen werde. Er schlug dem Staatsanwalt, der Nebenklage und der Verteidigung in einem nicht öffentlichen Gespräch die Einstellung des Verfahrens vor. Das Ergebnis dieses Gesprächs verkündete er dann öffentlich auf einem Prozesstermin: die Verteidigung ist (wen wundert es ?) einverstanden; die Anwältinnen und Anwälte der Nebenklage sind – für uns zunächst überraschend – ebenfalls einverstanden; nur der Staatsanwalt bockt: er beharrt auf Körperverletzung. Damit das Verfahren eingestellt werden kann, müssen jedoch alle drei am Prozess beteiligten Parteien einverstanden sein. Also geht der Prozess weiter und wird enden mit... (unsere Befürchtung s.u.)
Erstaunt hat uns die Zustimmung der Nebenklage. Vor allem eine Anwältin hatte mindestens seit einem Jahr die Rolle der Staatsanwaltschaft übernommen und zahlreiche wissenschaftliche Ergebnisse vorgelegt, das Gutachten des „Lieblings-Sachverständigen“ des Gerichts zerpflückt, Befangenheitsanträge gegen diesen Sachverständigen und auch gegen Richter und Richterinnen gestellt usw. – alles wurde abgeschmettert (übrigens schloß sich auch der Staatsanwalt diesen Anträgen nicht an). Und nun knickt sie ein? Da wir bei der Besprechung nicht dabei waren, können wir die Gründe dafür nur vermuten: die Nebenklage erkannte die Aussichtslosigkeit und versuchte, für ihre Mandanten wenigstens noch eine finanzielle Entschädigung herauszuholen. Der arme Herr Neupert schilderte seine finanzielle Situation dem Gericht so, dass er mit Hilfe seiner Verwandtschaft in der Lage sei, etwa 80.000 € Entschädigung aufzubringen. Ehemalige Opel-Arbeiter aus Bochum fragten, als sie diese Summe hörten, sofort: „Für jeden?“ Nein, nein, für alle 51 Nebenkläger zusammen! Das sind dann etwa 1500 € für jeden – d.h. Herr Neupert zahlt jedem für etwa viereinhalb Jahre die Tageszeitung... Wofür übrigens eine Entschädigung? Eine Körperverletzung durch Envio wird ja bestritten! So, liebe(r) Leser(in), Du darfst jetzt wirklich dreimal raten (die Auflösung findest Du auf S. als Anmerkung, aber bitte nicht mogeln!)
Die Bockigkeit des Staatsanwalts erscheint uns auch verständlich: er hält den aussichtslosen Vorwurf der Körperverletzung aufrecht, obwohl er weiß, dass die zwei übriggebliebenen Angeklagten dann freigesprochen werden. So weit wir es juristisch beurteilen können, ist das sogar die einzige Möglichkeit, einen Freispruch zu erreichen. Das ist zwar einer „mangels Beweisen“, aber immerhin...
Bleiben noch die Geländeverseuchung und Verstöße gegen Auflagen. Bleiben sie wirklich? Die Firma, die vor Envio auf dem Gelände tätig war, hat ebenfalls PCB-haltiges Material verarbeitet. So einem auf dem Betriebsgelände gefundenen PCB-Molekül sieht man doch nicht an, seit wann es sich da befindet.
Damit hätten wir das auch vom Tisch. Bleiben noch die Auflagen. Kann man da nicht auch...
Zum einen wird bestritten, dass gegen Auflagen verstoßen wurde; zum anderen wird – leider zu Recht – darauf hingewiesen, dass die Bezirksregierung über alles informiert gewesen sei und alles geduldet habe. Nicht bestritten werden kann von der Verteidigung, dass Envio ein anderes Recycling-Verfahren als das von Arnsberg vorgeschriebene angewendet hat; noch im Jahr 2009 – ein Jahr vor der Stillegung – behauptete Envio in einem Werbeprospekt wahrheitswidrig, das vorgeschriebene LTR-Verfahren anzuwenden, und bezeichnete es als eines der „fortschrittlichsten“ und „sichersten“ . Doch: nun weise Du einmal nach, dass das nicht genehmigte Verfahren schlechter ist als das vorgegebene. Nun, Du brauchst das nicht zu machen, das soll nun ein Umweltprofessor aus Berlin untersuchen. Das Gericht rechnet mit einer Zeit von etwa 18 Monaten für diese Forschungen. Das ist auch der Grund dafür, dass das Ende des Schreckens doch noch nicht eingetreten ist...
Nach den bisherigen Prozess-Erfahrungen rechnen wir damit, dass die Untersuchungen in Berlin zu keinem für Neupert und Mitangeklagte negativen Ergebnis führen werd oder zumindest zu keinen „wissenschasftlich belastbaren“.
Ja und? Körperverletzung ist vom Tisch, ebenso Umweltvergiftung und relevante Auflagen-Verstöße – die beiden letzteren waren übrigens die Gründe für die Betriebs-Stillegung. Also gibt es für die keine rechtliche Grundlage mehr – auf denn. Herr Neupert und Mitstreiter! Vorwärts zur Schadensersatzklage! (Das können wir hier ruhig empfehlen, denn so, wie wir die Verteidigung zu schätzen gelernt haben, kommt sie auch allein auf so etwas.)
Nachtrag: in einer Gesprächsrunde berichteten wir über Verlauf und derzeitigen Stand des Skandals; Kommentar eines Teilnehmers: „Das ist ja reif für eine Kabarett-Sitzunf!“ Das trifft es durchaus, nur: eigentlich bleibt einem da das Lachen im Halse stecken!
Auflösung von S. :
Die 51 Nebenkläger sollen für die Belastung durch die lange Dauer des Prozesses entschädigt werden.
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17 (2016) Ring frei zur nächsten Runde im
Envio/PCB-Skandal in Dortmund:
Seit Beginn des Prozesses im Mai 2012 sah es immer wieder so aus, als stünde ein für die Betroffenen unbefriedigendes Ende unmittelbar bevor. So war es auch diesmal: der Prozess sollte im Dezember zu Ende sein. Doch wieder einmal kam es anders: er geht zumindest noch bis Ende April 2016 weiter. Kaum einer der PCB-Geschädigten, kaum jemand aus der Bürgerinitiative hat noch Hoffnung, dass es zu einer Verurteilung der noch übriggebliebenen zwei (von ehem. vier) Angeklagten kommt in einem der größten Umweltskandale Deutschlands. Hauptpunkte der Anklage sind Körperverletzung in 51 Fällen, Umweltschädigung und Verstöße gegen Auflagen der Bezirksregierung Arnsberg. Die beiden letztgenannten Punkte bildeten auch die Grundlage für die verfügte Schließung der Recycling-Firma im Jahr 2010.
Die drei Richter und Richterinnen lassen keinen Zweifel daran, dass ihrer Auffassung nach eine Körperverletzung nicht nachgewiesen werden kann, es also in diesem Punkt keine Verurteilung geben wird, sondern einen Freispruch. Die Verseuchung des Bodens durch Envio wird von der Verteidigung ebenfalls bestritten, da schon vor 2003 (Envio-Start) auf dem Gelände PCB-haltiges Material bearbeitet wurde und es außerdem in Nähe des Firmengeländes auch andere PCB-Quellen geben könnte. Und Nichteinhaltung der Auflagen? Da müßte erst einmal „belastbar“ nachgewiesen werden, dass die abweichend angewendeten Methoden schlechter sind als die vorgeschriebenen...
Die Verteidigung und die Nebenkläger waren bereit, dem vom Gericht gemachten Vorschlag auf Einstellung des Verfahrens zuzustimmen (siehe AZ 5-2015). Nur der Staatsanwalt streubt sich: er beharrt auf Körperverletzung, obwohl (oder weil ?) er weiß, dass dieser Anklagevorwurf vom Gericht zurückgewiesen werden wird. Objektive, aber nicht neutrale Prozessbeobachter fragen sich: warum? Sie haben eine Vermutung: eine Einstellung des Verfahrens bedeutet für den angeklagten Firmenchef Neupert keinen Freispruch und es bleibt dann immer ein Makel an ihm hängen. Aber das Beharren auf der Körperverletzung führt dann zumindest in diesem Anklagepunkt zu einem Freispruch „mangels Beweisen“ – das ist zwar ein Freispruch zweiter Klasse, aber immerhin ein Freispruch...
Eine nicht nur für die Envio-Beschäftigten und Anwohner, sondern für alle Dortmunder wichtige Frage ist auch noch: wer kommt für die bei der Dekontaminierung des Firmengeländes entstehenden Kosten auf? Aus langjähriger Erfahrung weiß natürlich jede geneigte Leserin, jeder geneigte Leser, wer das wieder einmal sein wird...
Da sollte man ja mal z.B. an das Verursacher-Prinzip denken. Doch da tun die unseres Erachtens Schuldigen einiges, um die Verwirrung und Undurchschaubarkeit zu erhöhen. Wie im Oktober 2015 bekannt wurde, hat das Envio-Gelände im April desselben Jahres – von der Öffentlichkeit unbemerkt – den Besitzer gewechselt. Das Envio-Firmengeflecht ist für Uneingeweihte sowieso nicht leicht durchschaubar, mehrere Teilgesellschaften mit Sitz in Dortmund, Hamburg und eventuell noch anderswo, einige von ihnen inzwischen insolvent – bei dieser Verschachtelung „ohne Leitliniensystem“ können Verantwortlichkeiten problemlos vernebelt werden. Für das Firmengelände verantwortlich ist z.B. eine „Envio Grundbesitz Holding GmbH“. Und die gehört nun seit letztem April einem gewissen Michael Flacks bzw. dessen internationaler „Flacks Group“ mit Hauptsitz in Miami (USA). Das heißt, so richtig gehört ihm das Gelände noch nicht, denn der Vertrag ist zwar unterschrieben, aber unseres Wissens nach ist das Geld dafür noch nicht gezahlt. Wer ist Michael Flacks? WDR-Mitarbeiter Kay Bandermann, der den Envio-Skandal seit Jahren objektiv (!) „begleitet“, charakterisiert ihn so: „Michael Flacks ist spezialisiert auf Firmen, die in Schwierigkeiten sind, aber versteckte Werte haben.“ Aha, das Gelände ist etwa 5 Hektar groß und besitzt – saniert ! – in der Dortmunder Innenstadt dann einen enormen Grundstückswert.
Die Verantwortlichen (!!! – jawoll, das seid ihr!) der Stadt Dortmund machen sich über die Sanierungskosten keine Sorgen. Die Firma, der das Gelände gehört, existiert noch, sie hat nur den Besitzer gewechselt. „Aber ist das denn realistisch,“ fragt nicht nur sich die WDR-Kommentatorin, „dass man von einer US-Firma das Geld einklagt – das ist doch schon bei deutschen Firmen enorm schwer.“
Kay Bandermann wies auf einen anderen Aspekt hin: in den vier Jahren seit Prozessbeginn und in der Zeit davor sind zahlreiche sehr umfangreiche schriftliche Gutachten erstellt worden, die nicht nur für die US-amerikanischen Juristen ins Englische übersetzt werden müssen, sondern die auch inhaltlich von denen verstanden und bearbeitet werden müssen – also eine weitere Verschnaufpause für die Angeklagten. Sollte es dann irgendwann zu juristischen Auseinandersetzungen über die Sanierungskosten kommen, dürften die sich auch noch Jahre hinziehen. Vielleicht sterben ja bis zum bösen Ende auch noch ein paar Nebenkläger weg – natürlich nicht wegen PCB, sondern wegen ihrer „höchst ungesunden Lebensumstände“, die Verteidiger Neuhaus „plausibel“ als Erklärung annahm? Recht hat er ja, nur: er vergaß hinzuzufügen, dass gerade wegen der höchst ungesunden Lebensumstände sein Mandant auf der Anklagebank sitzt!
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18 (3-2016): Und täglich grüßt das Murmeltier...
Neues vom PCB-Skandal in Dortmund und anderswo
„Das ist ja nur unnütze Geldverschwendung, was wir hier machen,“ – das empfand nicht etwa ein empörter Dortmunder Bürger oder ein Mitglied der „Bürgerinitiative für die Aufklärung des PCB-Skandals in Dortmund“, nein, das äußerte der hauptverantwortliche Richter im seit mehr als 4 Jahren laufenden Prozess. AZ hat über den Prozess mehrfach berichtet.
Im Dezember 2015 begannen die 3 Richter bzw. Richterinnen mit der Verlesung der Protolle der Firma Envio über die Anlieferung der PCB-belasteten Transformatoren. Im Januar ging das weiter. Jeweils für etwa 60 Minuten (oder auch kürzer) trafen sich Richter, Protokollführer, Staatsanwalt, Nebenkläger, Verteidiger und Angeklagte und lauschten der Verlesung von je etwa 50 –100 Seiten – so manche(r) Zuhörer(in) verließ genervt den Gerichtssaal.
So auch im Mai 2016. Doch diesmal verkündete der Richter eine schnellere Folge der nächsten Prozesstermine, so dass bei der zuhörenden Öffentlichket die Hoffnung entstand, es könne nun – nach mehr als 4 Jahren – endlich etwas Entscheidendes eintreten. Doch weit gefehlt – auch im August wurde noch „verlesen“ – und täglich grüßt das Murmeltier. Und nicht nur das: das schon für den Dezember 2015 vorgesehene Gutachten von Prof. Wolfgang Rotard aus Berlin lässt auf sich warten. Die im Jahr 2010 stillgelegte Firma Envio unter dem damaligen Chef Dirk Neupert hatte nachweislich und von ihm nicht bestritten ein anderes Recyclingverfahren angewendet als vorgeschrieben. Die Verteidigung bezweifelt nun, dass dadurch eine höhere PCB-Gefährdung für bei Envio Beschäftigte bzw. Anwohner entstanden sei. Prof. Rotard ist allerdings aus gesundheitlichen Gründen seit etwa einem halben Jahr nicht in der Lage, eine entsprechende Untersuchung (Vergleich beider Methoden) durchzuführen – vielleicht vertreibt man sich auch deshalb die Zeit mit dem unsinigen Verlesen von Daten, die jedem am Prozess Beteiligten schriftlich vorliegen. Gibt es in Deutschland oder anderswo nur Herrn Prof. Rotard, der die Untersuchung durchführen kann?
Prozessbeobachter zitieren den leitenden Richter mit der wiederholten Aussage „Ich weiß auch nicht mehr, was ich machen soll.“ Nanu – sagt ihm das denn keiner? Ach richtig: wir haben ja unabhängige Gerichte...
Von den in auffällig schneller Folge geplanten nächsten Terminen wurden nun mehrere abgesagt unter anderem mit der eingangs zitierten Feststellung. Immerhin eine Aussage, der wir nicht widersprechen...
Inzwischen haben wir erfahren, dass Prof. Rotard für den 15. September zur Anhörung vor dem Dortmunder Landgericht geladen worden ist. Nur: Termine wurden in diesem Prozess schon oft abgesagt oder verschoben. Die Hoffnung (worauf eigentlich ?) stirbt bekanntlich zuletzt...
PCB-Probleme gibt es allerdings nicht nur in Dortmund. Im Essener Stadtteil Kray kämpft z.B. seit vielen Jahren die „Bürgerinitiative gegen Gift-Schredder in Kray“ gegen die PCB-Vergiftung. Die Schredder-Firma Richter steht mitten im Wohngebiet, in dem es auch zahlreiche Kleingärten gibt. Das Umweltamt informierte im April 2015 etwa 1000 Haushalte, dass sie angebautes Gemüse wie z.B. Grünkohl nicht verzehren sollten wegen der nachgewiesenen hohen PCB-Belastung. Diese Warnung gilt auch heute noch. Für alle – das Umweltamt, LANUV, die Mitglieder der Bürgerinitiative – ist bewiesen, dass die Firma Richter die Quelle dieser Belastung ist; nur die Firma bestreitet das natürlich – was im Kapitalismus tatsächlich „natürlich“ ist. Die Bürgerinitiative betrachtet Recycling als sinnvoll, fordert aber seit langem entweder die Stillegung oder die Verlegung der Firma aus dem Wohngebiet und eine vollständige „Einhausung“ der Schredderanlage. Die Firma Richter hat jedoch seit langem einen „Bestandschutz“ und braucht deshalb keine Schließung zu befürchten – Schutz des Unternehmer-Profits geht offenbar über Gesundheitsschutz der Bevölkerung... Wie gut, dass die KZs keinen Bestandschutz hatten!
Eine PCB-Gefährdung für die Bevölkerung gibt es allerdings nicht nur durch Recycling- und Verbrennungsanlagen. PCBs wurden, da sie isolieren, schwer entflammbar sind usw., im Bergbau untertage und auch in der Bauindustrie vor etwa 50 Jahren eingesetzt; ihre Herstellung und Verwendung ist aber nicht nur in Deutschland, sondern weltweit seit langem verboten. Doch die Altlasten wirken nach...
Im Bergbau wurde z.B. Elektroschrott einfach in ausgedienten Stollen gelassen und diese versiegelt; PCB-haltiges Transformatorenöl wurde – wie Bergleute versichern: auf Anweisung „von oben“ – einfach in die Stollen ablaufen gelassen. In den stillgelegten Bergwerken wird das belastete Grubenwasser ohne Genehmigung abgelassen bzw. es steigt bis zum Grundwasser empor, wenn es nicht dauernd durch Pumpen daran gehindert wird – die Pumpen sollen aus Kostengründen abgeschaltet werden. Die Bergleute haben damals übrigens ohne Schutz gearbeitet, viele von ihnen sind an Krebs erkrankt. Es gibt Stellen an Lippe und Ruhr, wo die RAG mit Billigung der Aufsichtsbehörden Millionen Kubikmeter Grubenwasser einleitet. Die RAG führt Messungen durch und kommt zu dem Ergebnis, das Wasser an den Einleitungspunkten sei unbedenklich und würde außerdem durch den Fluss verdünnt. Umweltschützer kommen zu anderen Ergebnissen: sie haben Sedimentproben genommen, denn die PCBs sind wasserunlöslich, haften aber an Staubpartikeln, die sich bei geringerer Strömungsgeschwindigkeit natürlich am Boden ablagern.
NRW-Umweltminister Remmel sieht keine Möglichkeit, das gesetzwidrige.Einleiten zu verhindern. „Es ist nicht erlaubt, giftige Stoffe ins Gewässer einzuleiten... Was mache ich dann mit dem Wasser? Sollen wir das da unten lassen? Es ist eine Frage, die jedenfalls mit technischen Möglichkeiten zur Zeit und mit rechtlichen Möglichkeiten nicht abschließend beantwortet werden kann. Nur: wenn heute keine Ableitung von Wässern stattfinden würde, also nichts abgepumpt würde, würde uns das ganze Ruhrgebiet absaufen... Ich weiß darauf keine Antwort, um ehrlich zu sein.“ (Fernseh-Interview)
Tja, die herrschenden Gesetze sind die Gesetze der Herrschenden, sonst könnte man ja das Verursacherprinzip anwenden und den Verursacher für die Abwasserreinigung heranziehen –Bestandschutz vor Gesundheitsschutz? In den USA stellte die Firma Monsanto PCB her und wird von Geschädigten verklagt – in Deutschland stellte die Firma Bayer PCB her, fühlt sich aber für die Folgen nicht verantwortlich und verdient sogar an der Verbrennung der von ihr hergestellten Gifte!
Wie sieht es mit der PCB-Belastung von Gebäuden aus? Nach den nicht nur für NRW geltenden Richtlinien ist bei Räumen mit 3000 ng (nannogramm) PCB pro Kubikmeter Raumluft eine akute Gesundkeitsgefahr nicht mehr auszuschließen, der Raum darf nicht mehr genutzt werden; bei Werten zwischen 300 und 3000 ng/m³ muss „mittelfristig“ saniert werden und Räume mit weniger als 300 ng gelten als unbedenklich.
Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände (Unternehmer in NRW) teilte vor 2 Jahren mit, auf ihre Empfehlung „ist die PCB-Problematik grundsätzlich... systematisch durch Überprüfung der Gebäude abgearbeitet worden... insbesondere in den Jahren von 1996 bis 2003...In den letzten Jahren sind nach der o.a. Schadstoffsanierung ... nur wenige weitere Einzelfälle bekannt geworden... Bis zum heutigen Tag sind den kommunalen Spitzenverbänden keine weiteren aktuellen Fälle zur Kenntnis gegeben worden, in denen PCB in kommunalen Gebäuden noch festgestellt worden ist. ... bis zum Jahr 2003 (ist) in den Städten und Gemeinden die PCB-Problematik abgearbeitet worden und (sind) in den letzten Jahren lediglich Einzelfälle aufgetreten...“
Schön wäre es! Dabei muss man wissen, dass die für NRW und Deutschland geltenden Richtlinien mit den oben genannten Richtwerten völlig veraltet sind und um das 50fache höher liegen als die von der WHO schon 2003 empfohlenen Werte! Wir trauen jeder/jedem Leser(in) zu, 3000 ng durch 50 zu teilen... Die Gebäude wurden/werden oft nur „freigemessen,“ nicht freigemacht oder gar neu gebaut. Dass die Richtlinien überholt sind, ist den Verantwortlichen bekannt: „Gehört ja, aber – äh – wie gesagt: wir haben ein bestehendes Regelwerk, welches nach wie vor gilt, und nach dem wird gewertet.“ So ein Verantwortlicher vom Amt für Vermögen und Bau in Baden-Württemberg.
Außerdem vermutet das Bundesumweltamt, dass immer noch 50-80 % der PCBs in Gebäudeteilen vorhanden sind. In mehr als 78 Städten in NRW sind landeseigene Gebäude noch immer belastet, z. B. die Unis in Bochum und Düsseldorf, das Unizenter in Köln, ein Hochhaus mit mehreren hundert Wohnungen. Das Studentenwerk als Miteigentümer möchte eine Sanierung erreichen, doch die Eigentümergesellschaft „Haus und Grund“ wehrt sich dagegen: Einer ihrer Sprecher in einem Interview: „Wir haben in Deutschland in zahlreichen Wohngebäuden, in öffentlichen Gebäuden PCB-belastetes Material und das würde ja zur Folge haben, dass auch in diesen Wohnungen und in diesen Häusern, in diesen Gebäuden ebenfalls PCB-Sanierungen durchgeführt werden müssen - das kann ich mir nicht vorstellen, dass hier (!!!- AZ-Red.) ein Gericht dazu eine Entscheidung diesentsprechend treffen würde.“ Wir – ehrlich gesagt – auch nicht; die Sanierungskosten für das Unizenter Köln werden auf etwa 50 Mio € geschätzt – und soviel ist die Gesundkeit „der da unten“ dann doch nicht wert. „Bestabdschutz...“ – ach, das hatten wir ja schon!
Auch in Baden-Württemberg und Hessen haben neuere Messungen an öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Universitäten ergeben, dass viele „sanierte“ Gebäude noch stark belastet sind, PCB wurde in Farben, Lacken und Fugen eingesetzt. Es gaste im Laufe der Zeit aus diesen „Primärstoffen“ aus und belastete „Sekundärstoffe“ wie z.B. das Mobiliar. Wurde dieses bei der Sanierung nicht ebenfalls entfernt, gaste PCB wiederum aus und zog auch in das neue Baumaterial ein. „Freigemessen“ wurden Räume auch dadurch, dass nicht bei hohen Raumtemperaturen (Sommer, Heizung im Winter) gemessen wurde – dann entweichen die PCB-Verbindungen nämlich stärker als bei niedrigen und schädigen die Menschen im Raum mehr.
PCB ist nicht nur ein Dortmunder Problem – PCB ist ein Problem für alle Menschen in Deutschland. Bei der vorherrschenden „christlich-abendländischen Leidkultur“ (manche sagen Kapitalismus dazu) ist zu befürchten, dass die dieser Kultur Unterworfenen nicht nur mit ihrem Geld, sondern auch mit ihrer Gesundheit für so manchen „Bestandschutz“ zahlen müssen...
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19 (3-2017) PCB/Envio-Prozess in Dortmund eingestellt –
KEIN FREISPRUCH !
„Angst ist ihr ständiger Begleiter“ – so lautet der erste Satz des Kommentators im Dokumentarfilm „Grünkohl, Gifte und Geschäfte“ (2012/13). Und fast der letzte Satz lautet geradezu hellseherisch: „Ob sich am Ende überhaupt jemand verantworten muss, ist völlig unklar.“
Der letzte Satz des Richters im fast fünf Jahre dauernden Prozess lautete: „Dann wär’s das für heute.“ Er hatte vorher die Einstellung des Prozesses verkündet – ohne Verurteilung der Angeklagten, allerdings auch ohne deren Freispruch.
AZ hat seit Beginn des Prozesses (9. Mai 2012) immer wieder berichtet. Er wird von vielen als einer der größten Umweltskandale in Deutschland bezeichnet, aber auch als Politik- und Justizskandal. In der Anklage ging es um die Vorwürfe Körperverletzung, Umweltschädigung und Verstöße gegen Auflagen der Bezirksregierung Arnsberg. Envio in Dortmund machte seinen Reibach vor allem mit dem Ausschlachten von stark PCB-belasteter Transformatoren. PCB gehört zu den 12 giftigsten Stoffgruppen der Welt – seine Verwendung ist weltweit seit langem verboten. AZ ist hierauf in den früheren Artikeln ausführlich eingegangen. Betroffen von dem durch das Ausschlachten der Transformatoren freigesetzte PCB waren nicht nur die für den Profit von Envio arbeitenden (Zeit)Arbeiter, sondern auch die Anwohner.
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Für das Gericht ist nicht bewiesen, dass die von der Aachener Universität festgestellten gesundheitlichen Schäden der im Betreuungsprogramm untersuchten Menschen von Envio-PCB herrühren.
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Für das Gericht ist nicht bewiesen, dass die auf dem Envio-Gelände und seiner Umgebung festgestellten hohen PCB-Werte von Envio stammen; Fazit: Körperverletzung und Umweltverschmutzung fallen als Anklagepunkte weg.
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Bleiben die Verstöße gegen die Auflagen: Envio hat z.B. zugegebenermaßen ein anderes Recycling-Verfahren angewendet als angeordnet; die Verteidigung redete die Angeklagten damit erfolgreich heraus, dass das angewendete Verfahren nicht schlechter sei als das vorgeschriebene, dass also kein Schaden dadurch entstanden sei – sie hatte damit Erfolg.
Also: alle drei Anklagepunkte erfolgreich abgewehrt – aber wieso dann nur Einstellung des Verfahrens und kein Freispruch?
Wir haben die Diskussionen um den Prozessverlauf in den fast 5 Jahren aufmerksam verfolgt. Der Staatsanwalt ist kein Anfänger in seinem Beruf – er hätte wissen müssen, dass eine Körperverletzung durch PCB sehr schwer zu beweisen ist: alle Schädigungen (außer Chlor-Akne) können auch durch andere Ursachen hervorgerufen werden; eine „fahrlässige“ oder „vorsätzliche“, „billigend inkauf genommene“ Gefährdung hätte „belastbar“ nachgewiesen werden können – aber so lautete die Anklage eben nicht. Ein Versehen?
Übrigens war die Einstellung des Verfahrens von den RichterInnen vor etwa anderthalb Jahren schon einmal vorgeschlagen worden mt dem Hinweis darauf, dass es wohl zu keiner Verurteilung kommen werde. Mit diesem Vorschlag war die Verteidigung erwartungsgemäß einverstanden und erstaunlicherweise die Nebenkläger auch – nur die Staatsanwaltschaft nicht. Die Nebenkläger hatten die Aussichtslosigkeit des Verfahrens für ihre Mandanten wohl eingesehen und stimmten der Einstellung zu unter der Bedingung, dass ihren Mandanten eine Entschädigung gezahlt wird – insgesamt 80.000 Euro (nicht für jeden, sondern für alle zusammen!).
Durch die Weigerung der Staatsanwaltschaft zog sich der Prozess aber noch weitere mindestens 16 Monate in die Länge – auf Kosten der Steuerzahler. Nun wurde er doch beendet mit der schon früher vom Gericht vorgeschlagenen Begründung. Es gibt allerdings mindestens zwei Dinge zu bemerken:
erstens: es sind etwa eineinhalb Jahre Zeit vergangen – gut für wen? Böse Menschen argwöhnen, es könne um das Überschreiten von Verjährungsfristen gehen – aber wir sind ja keine bösen Menschen;
zweitens: als Entschädigung werden 80.010 Euro gezahlt – also 10 Euro mehr, wenn das den Kampf nicht gelohnt hat!
Übrigens „Entschädigung“ – wofür eigentlich? Wir schlagen unseren Lesern und Leserinnen vor, jetzt mit dem Weiterlesen einmal innezuhalten und sich einen möglichen Entschädigungsgrund zu überlegen (Halt! Noch nicht weiterlesen!)
Die von den ursprünglich 51 noch übriggebliebenen 21 PCB-Belasteten erhalten die Entschädigung für die Belastung, die sie durch die Länge des Prozesses ertragen mußte! Das ist unglaublich! Wir freuen uns natürlich darüber, dass jeder von ihnen etwas Geld erhält – im Gegenwert von 11 Monaten Mindestlohn!), aber wir sind doch erstaunt. Da haben die Nebenkläger – vor allem eine junge Anwältin – alles nur irgendwo in der Welt aufzutreibende Informationsmaterial über Gesundheitsschäden nicht nur bei Menschen durch PCB herangeschleppt: nichts davon war nach Auffassung des Gerichts als Fakt „belastbar“! An menschlichem Gewebe nachgewiesene (!) Schädigungen durch PCB wurden als Beweis nicht akzeptiert, weil die Untersuchung „im Reagenzglas“ durchgeführt wurde und nicht am lebenden Menschen (der Wissenschaftler war also nicht Dr. Mengele). Also: Ein Schaden durch PCB ist juristisch belastbar nicht nachgewiesen.
Und die lange Prozessdauer? Uns ist kein einziges Attest, kein einziges Gutachten eines Mediziners oder Psychiaters bekannt, in dem dieser seinem Patienten bestätigt, dass seine Verdauungs-, Schlaf- oder sonstigen Beschwerden auf die Länge des Prozesses zurückzuführen seien! Noch einmal: wir freuen uns, dass die 21 Nebenkläger wenigstens ein bißchen Geld bekommen, und hoffen, dass wir das nun nicht gefährden – aber die unterschiedlichen Maße, die das Gericht hier anlegt, sind doch zumindest befremdlich!
Was ist übrigens mit den zahlreichen Menschen in Deutschland, die durch den Prozessverlauf einen Schaden in ihrem Vertrauen in die Justitz und Politik erlitten haben? Wer entschädigt die?
Der Prozess ist also vorbei. Allerdings ist es für den Hauptangeklagten Dirk Neupert offenbar noch nicht vorbei: einen Tag nach Prozessende meldeten die Medien, dass gegen ihn nun ermittelt wird wegen Steuerhinterziehung 2007 und 2010 in Zusammenhang mit einem Betrieb, den er in Spanien hat(te?). Es kommt eine gewisse Schadenfreude auf, nur von diesem Prozess haben die PCB-Opfer nichts.
Zum Schluss etwas Positives: In Essen-Kray wurde der Recycling-Betrieb der Firma Richter stillgelegt. Die Firma hatte eigene Untersuchungen angestellt über die PCB-Belastung durch ihre Schredder im Wohngebiet; von LANUV vor kurzem mit anderen Methoden durchgeführte Untersuchungen ergaben jedoch viel höhere Werte. Richter hat „seit ewig“ einen Bestandsschutz – der schützte sie jetzt jedoch nicht davor, dass ihr das Recht zum Weiterbetrieb jetzt entzogen wurde. Richter verzichtete auf einen Widerspruch und legte die beiden Anlagen still. Gegen Richter hatte die Bürgerinitiative gegen Giftschredder in Kray etwa 20 Jahre gekämpft – die Stillegung ist auch auf ihren Kampf zurückzuführen. Herzliche Glückwünsche von uns dazu! Ein weiteres Bespiel für uns dafür:
WIR KÖNNEN ETWAS ERREICHEN!
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PCB - polychlorierte Biphenyle
Ein Vorwort
Die folgende Auswertung des PCB‐Skandals in Dortmund und über die Arbeit der „Bürgerinitiative zur Aufklärung des PCB‐Skandals“ wurde verfasst aus Anlass der Präsentation des Buches von Julia Unkel: 255,7376 μg. Der Bildband befasst sich mit dem PCB‐Skandal in Dortmund um die Firma Envio und nahm an der Fotoausstellung „F² Follow the water“ über Wassergerechtigkeit und Klimawandel im November 2019 im Dortmunder Depot teil.
In ihrem Vorwort zum Fotoband schreibt Svenja Noltemeyer:
"PCB galt lange Zeit als Wundermittel. Als Weichmacher oder Isoliermittel in Baustoffen, Trafos, Haushaltsgeräten.
2001 wurde PCB international verboten. Polychlorierte Biphenyle (PCB) verursachen Krebs, beeinflussen
den Hormonhaushalt, verändern das Erbgut, verursachen Fehlbildungen im Mutterleib, reichern sich im Körper
an, sind langlebig, giftig und verursachen verschiedene chronische Erkrankungen.
Messstationen machen erhöhte Werte sichtbar. Führen aber nicht zu den Verursachern.
Das Recycling von Transformatoren ist eine Geschäftsidee. Mit den aufgeschraubten Transformatoren gelangt
PCB ins Freie, Arbeiter*innen nehmen es auf und tragen es mit der Arbeitskleidung zu den Familien. Unsichtbares
Gift.
Die superlativ hohen PCB‐Messwerte im Blut führen zu keinen Konsequenzen. Regresspflicht, Schadensersatz stehen im
Raum, den aber niemand betreten mag. Der Prozess gegen die Manager wird nach knapp vier Jahren eingestellt.
Es gibt keinen sicheren Nachweis, dass PCB allein für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Kläger
verantwortlich ist. Leiharbeiter haben keine Lobby. Sie sollen günstig sein, bekommen kaum Fachbeistand. Sie
erhalten Niedriglohn unter gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen.
Fegeproben beweisen das Gift. Plastikabdeckungen sichern kontaminierte Stellen, bilden Giftschleusen zur
Nachbarschaft. Staub fliegt in die Wohngebiete oder Kleingärten, in denen sich das Gift in den Pflanzen anreichert.
Im Blut und auf Papier sind die PCB Werte dokumentiert.
Dortmund ist stolz auf seinen Hafen. Er ist der größte Kanalhafen Europas und neben der Recyclingbranche zunehmend
auch ein Ort der Kultur und Freizeit."
Über blinde Flecken und „missing links“ im Envio‐Skandal
Wiebke Claussen, November 2019
Die Chronologie der heißen Phase des PCB‐Skandals ist auf dieser Website dargestellt. Der folgende Text „Über blinde Flecken und „missing links“ im Envio‐Skandal“ stellt, ergänzend zu Julia Unkels Fotoband, Hintergründe, Ursachen, Auswirkungen und die blinden Fleckendes PCB‐Skandals dar. In der Anlage gibt es eine Reihe von erläuterndem Material, Literatur, Links etc.Wir möchten damit das Wissen, das wir im Zuge von über 10 Jahre BI‐Arbeit angesammelt haben, auch für Interessierte verfügbar machen.
Der Envio-Skandal ist einer der größten aufgedeckten Umweltskandale der letzten Jahrzehnte. Er wurde verursacht durch das Handeln der Geschäftsleitung (strafrechtlich geprüft), Personalabbau im Arbeits- und Umweltschutz, Politikversagen, massives Behördenversagen und ein wenig entschiedenes Gerichtsurteil. Das gesamte Szenario muss als Umwelt- und Politikskandal und als ein Fall von Justizversagen gewertet werden. Die Reaktion in Dortmund blieb seltsam verhalten, die Aufarbeitung zog sich zäh hin und wichtige Punkte sind bis heute nicht beleuchtet worden.
Seitdem die Firma Envio Recycling GmbH & Co. KG im Jahre 2010 stillgelegt wurde, sind im Dortmunder Hafen noch immer die Folgen eines der größten Umweltskandale Deutschlands zu spüren - nein, eben nicht zu spüren, denn das von der Firma verteilte PCB ist unsichtbar, es ist nicht zu riechen und nicht zu schmecken. PCB kann vom Körper nicht abgebaut werden, es lagert sich dort über Jahre hinweg ab. Es ist überall im Stadtteil verteilt und wird über die Atemluft, die Haut und die Nahrung aufgenommen.
PCB - der wunderbare Werkstoff
PCB galt als Allzweckwunderwerkstoff. Als Weichmacher wurde PCB in Lacken, Rostschutzfarben, und Fugendichtungsmassen, als Isoliermittel und Flammschutz in Bodenbelägen, in Akustikdecken und in Kunststoffen verwendet. In der offenen Anwendung finden wir PCB in Verwaltungsgebäuden, Schulen, Universitäten, Wohngebäuden der 1970er Jahre. Von etwa 20.000 Tonnen PCBs, die in Deutschland in Fugendichtungen verbaut worden sind, sind nach Expertenschätzungen noch 50 bis 80 Prozent in Verwendung.
In geschlossener Anwendung finden wir PCB als Isoliermittel und Flammschutz in elektronischen Kondensatoren und Neonröhren, in Transformatoren und in der Hydraulikflüssigkeit von Hydraulikanlagen, in den Großanlagen im Bergbau und bei Bergbauzulieferern oder auch in Militäranlagen. Und natürlich taucht PCB bei den Abfallverwertern auf, die PCB-belastete Anlagen sortieren, auseinanderschneiden, schreddern. Bei erhöhten Temperaturen entstehen dann auch Dioxinverbindungen.
Das Sekretariat der Stockholm-Konvention schätzte 2010, dass weltweit noch 3 Millionen Tonnen PCB-kontaminiertes Öl in Geräten ruhen, die nur zum Teil inventarisiert sind. Die Kosten für Verpackung, Transport und Zerstörung betragen zwischen 2000 bis 5000 Dollar 31 je Tonne, was insgesamt ca. 15 Milliarden Dollarbedeutet. Die gesamte Stockholm-Konvention hatte aber nur ein Gesamtbudget (über Welt Bank/Global Environment Facility) von 0,55 Milliarden US-Dollar für die vergangenen acht Jahre zur Verfügung. Schwer vorstellbar, dass das globale Ziel des PCB-Management bis 2025 erreicht wird.1
Schätzungsweise 20.000 t PCB-haltige Trafo-Öle wurden in den Bergbaustollen untertage einfach zurückgelassen und stellen mit dem Zurückfahren der Wasserhaltung im Bergbau eine weitere Altlast dar, die in Oberflächenwasser oder ins Grundwasser zu gelangen droht. Schätzungen aus dem Jahre 2007 gingen davon aus, dass insgesamt achthunderttausend bis eine Million Tonnen PCB noch nicht entsorgt sind. Mehr als die Hälfte der PCBs ruht noch in Gebäuden (UBA 2015).
Große PCB-Produzenten waren z.B. Bayer, Monsanto, die z.T. heute auch an der Entsorgung verdienen. In Deutschland wurde die Produktion von PCBs zwar 1983 eingestellt und der Einsatz von PCB ist hier seit 1989 verboten. Die Forschung zu PCB wurde stark zurückgefahren. PCB sind aber noch heute in vielen Materialien eingelagert. PCB haben sich überall auf der Erde ausgebreitet, sie sind in der Atmosphäre, den Gewässern und im Boden allgegenwärtig nachweisbar.
PCB werden inzwischen dem „dreckigen Dutzend“ zugeordnet, den gefährlichsten organischen Giftstoffen, die durch die Stockholmer Konvention vom 22. Mai 2001 weltweit verboten wurden. 2004 erhielten die Unterzeichnerstaaten die Auflage, die PCB-haltigen Altlasten zu entsorgen und UN-Institutionen zur Unterstützung der Entsorgung wurden eingerichtet. PCB schädigt Leber, Nieren, Nerven, das Immunsystem und gilt krebsauslösend (siehe Anlagen 1 und 2). Polychlorierte Biphenyle (PCB) sind eine Stoffgruppe industriell erzeugter Chlorverbindungen, die sich in 209 Kongenere (Stoffverbindungen) aufteilen.
Der Lauf des Envio-Skandals
Das Verbot von PCB (2001) und die Auflage zur Sanierung von PCB-Altlasten (2004) machten die PCB-Entsorgung zum lukrativen Geschäftsfeld. Die Envio Recycling-GmbH & Co. KG ging 2004 aus einem Management Buy Out des Dortmunder Anlagenbauers ABB hervor. Envio zog in ganz großem Stil die Demontage PCB-verseuchter Anlagen auf, für die bereits 1985 die BBC und dann auch ihr Nachfolger ABB die Genehmigung für den Bau einer Anlage zur „Vorbehandlung von PCB-haltigem Abfall“ erhalten hatte. Envio setzte den „Entsorgungsdruck“, der infolge des Stockholm Abkommens entstanden war, als höchst lukrative Geschäftsidee um. Dies geschah personell mit dem Einsatz billiger Leiharbeiter, die durch die Agenda 2010 seit Anfang der 2000er Jahre massenhaft verfügbar waren, und technisch auf der Grundlage des sagenhaftes LTR²-Verfahren, das allerdings nie richtig erprobt oder patentiert wurde.
Die Envio AG, Holding des Envio- Unternehmensgeflechtes ging 2007 an die Börse. Envio wurde zunächst als innovativer Vorzeigebetrieb gehätschelt, bekam einen Ökoprofitpreis verliehen und war im Ökoinvestmentfonds Murphy&Spitz gelistet, der sich allerdings schnell distanzierte, als der Umweltskandal um Envio Anfang 2010 Fahrt aufnahm.
Das LTR²- (low Temperatur Rinsing and Re-Use/Recovery“)-Verfahren bezog sich auf das „Niedertemperatur-Spülverfahren“ mit Tetrachlorethylen. Mangels Hitzeentwicklung entstünden somit bei der Demontage keine Dioxine und Furane. Die Trafogehäuse wurden mit Pechlorethylen/Tetrachlorethylen gespült und getrocknet, und in einer nachgeschalteten Destillationsanlage wurde das PCB vom Reinigungsmittel getrennt. Die abgeschiedenen PCB-haltigen Öle sowie die PCB-Destillationsfraktion gelangten danach zur endgültigen Entsorgung. Trafomaterialien wie Gehäuse (Stahlschrott), Spulen (Kupfer und Aluminium) und die Bleche des Trafokerns wurden als Sekundärrohstoffe zurückgewonnen und verkauft. Das ganze Verfahren der Behandlung von PCB belasteten Transformatoren war gemäß der Genehmigung eines Pilotverfahrens durch die Aufsichtsbehörden nur in der Halle 1, der „schwarzen Halle“, erlaubt. Von dieser Darstellung des Verfahrens wurde in der Realität stark abgewichen und der Probebetrieb immer weiter verlängert.
Die Arbeitsbedingungen bei Envio beschreibt ein Interview mit Nicole Vormann von Investmentfonds Murphy&Spitz nach einem Betriebsbesuch in 2010 folgendermaßen: „Was wir da vorgefunden haben, entsprach diesem Bild (eines Ökovorzeigebetriebs und Öko Geheimtipps) ganz und gar nicht. Also eher 1970er / 1980er Jahre Stand. Und dann überall standen diese Transformatoren rum, das Öl tropfte raus und nicht in Auffangwagen aber nicht ein Betrieb, der mit hochgefährlichen Stoffen umging.“ Interview mit Nicole Vormann (Ökoinvestmentfonds Murphy&Spitz) im WDR-Lokalzeit-Interview 2010 (https://www.youtube.com/watch?v=_E9T9yzL0Jg). Der Bezirksregierung lag schon früh eine anonyme Anzeige eines Mitarbeiters mit Verweis auf unsachgemäße und nicht genehmigungskonforme Aufarbeitung von Transformatoren vor, der aber nicht weiter nachgegangen wurde. Später wurden in den Betriebsbereichen außerhalb des „schwarzen“ Bereichs hohe PCB-Werte gemessen. Die Rede war von Entlüftung durch geöffnetes Hallentor, abgeschalteter Absauganlage und ähnlichem.
Und auch Behörden war Envio bekannt. Im Januar 2008 nahm Envio an einem URBAN II-Projekt unter Federführung der Dortmunder Wirtschaftsförderung, der Sozialen Innovation GmbH (SI) und der CE-Consult teil. Es ging darum, Betriebsabläufe zu analysieren und zu optimieren. Hier erfolgten auch Betriebsbesichtigungen. Zitat aus der Pressemitteilung der CE-Consult vom 16.5.2008: "Mit der blauen Taste läuft's - Positive Bilanz bei Weiterbildungs-Projekt - Bedienungsanleitungen von Destillationsanlagen und Transformatoren kennen Nina Möller und Heidi Dunczyk inzwischen gut. Die beiden Beraterinnen aus den Unternehmen "Soziale Innovation" und "CE Consult" wühlten sich seit Jahresbeginn durch oft 1.000 Seiten dicke Werke. "Meist fanden wir sie völlig verdreckt hinter den Maschinen", lacht Heidi Dunczyk. Doch nun ging die Arbeit erst los. Zusammen mit den Mitarbeitern in vier Firmen, unter ihnen die Envio AG, wurde "übersetzt". Das Ergebnis sind Handbücher "in der Sprache der Kollegen", so Nina Möller.". Die Zustände im Betrieb wurden in Augenschein genommen, der Bezug zum wenig sorgsamen Umgang mit den Gefahrstoffen aber nicht hergestellt.
Und der Betrieb bei Envio war auch durch den massenhaften Einsatz von Leiharbeitskräften äußerst lukrativ. Die Rede war von mindestens 150 Leiharbeitnehmern aus 15 verschiedenen Verleihfirmen. Dabei wurde nicht nur bei der Entlohnung, sondern auch bei ausreichendem Arbeits- und Gesundheitsschutz, Schutzanzügen, Atemmasken, Handschuhen gespart. Die Arbeitskleidung trugen die Arbeiter zur Wäsche mit nach Haus, und damit auch den PCB-verseuchten Staub, der sich in den Wohnungen absetzte und auch von Frauen und Kindern aufgenommen wurde und zu hohen PCB-Werten im Blut führte.
PCB-verseuchte UTB-Transformatoren wurden aus der untertägigen Giftmülldeponie der privaten Kali+Salz AG im hessischen Herfa-Neurode wieder zu Tage befördert (Wer erteilte hier eigentlich die Genehmigung?). Auch Großtransformatoren aus Energieanlagen aus aller Welt, Hydraulikanlagen aus dem Steinkohlebergbaus, bis hin zu PCB-verseuchten Kondensatoren einer Raketenabschussrampe in Kasachstan wurden in den Dortmunder Hafen verfrachtet und dort auseinandergenommen, um an die darin enthaltenen hochwertigen Metalle heran zu kommen und sie zu verkaufen. Bis 2010 verarbeitete Envio 14.000 Tonnen PCB-verseuchtes Material.
Ein erteilter Probebetrieb wurde jahrelang von den Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden geduldet, während die Produktionskapazitäten bei Envio stetig ausgebaut wurden. In 2007/2008 wurden dann an der stationären Dauermessstation am Naturkundemuseum in Dortmund alarmierend hohe PCB-Werte gemessen. Unerklärlich ist, dass es einige Jahre dauerte, bis die Behörden den Emittenten im Hafen endlich ermittelten. Schließlich platzte der Skandal Anfang 2010 und durch die anonyme vertrauliche Anzeige eines ehemaligen Envio-Mitarbeiters, die Recherche zweier Politiker der GRÜNEN und der LINKEN und eines Journalisten. Sicherlich war der Wechsel in NRW zu einer rot-grünen Landesregierung förderlich dafür, dass der Envio-Betrieb im Mai 2010 stillgelegt wurde. Im Oktober 2010 meldeten die Envio Recycling GmbH und Co. KG und die Envio Geschäftsführungs GmbH Insolvenz an.
Man sollte meinen, dass nach der Aufdeckung des Umweltskandals in 2010 alle Hebel in Bewegung gesetzt worden wären, das Firmengelände zu reinigen, doch eine lange Zeit ist nichts Erwähnenswertes passiert. Der Staub des noch gelagerten 1.150 t PCB-verseuchten Giftmülls wurde mit dem Wind in alle Richtungen zerstreut. Ende 2015 wurde die Sanierung der PCB-verseuchten Flächen und Anlagen dann endlich begonnen und Abriss, Abtrag und Abtransport Ende 2018 abgeschlossen. Das als belastet gemessene Material (Boden, Anlagen, Gebäudeabriss) wurde nach Frankreich und Holland zur Verbrennung geschickt, zum Teil auf der Mülldeponie Dortmund-Deusen abgekippt, und Flächen vor Ort versiegelt. Bis heute gibt es eine negative Verzehrsempfehlungen für den PCB-verseuchten Fisch im Hafenbecken und für Grünkohl in den Kleingärten am Rande des Dortmunder Hafens.
Gesundheitsfolgen des Envio-Skandals
Im Nachgang des Envio-Skandals wurde auf Drängen von Anwohnern das Angebot einer Blutbetestung, das die Behörden zunächst vor den Sommerfreien 2010 einstellen wollten, weitergeführt. 1.270 Personen nahmen das Angebot, den PCB-Gehalt ihres Blutes bestimmen zu lassen, wahr. Ein Gesundheitsbetreuungsprogramm für Menschen mit erhöhten PCB-Werten im Blut wurde 2011 begonnen und die RWTH Aachen mit der Durchführung betraut. An dem Programm nahmen 335 Menschen mit hohen PCB-Belastungen teil. Betroffen sind neben ehemaligen Envio-Mitarbeitern auch deren Ehepartner und Kinder und Beschäftigte benachbarter Firmen (wie ABB) und Kleingärtner. 146 Personen nehmen an dem „Nachsorge-Programm HELPcB“ an der RWTH Aachen, das zunächst bis Ende 2020 fortgesetzt wird, noch aktiv teil. 50 Personen versuchten (erfolglos), eine Berufserkrankung nachzuweisen.
Für die Aufnahme im Gesundheitsbetreuungsprogramm wurde als Kriterium festgelegt, dass Probanten mindestens eins der Kriterien (niedrig chlorierte PCB > 0,1 mikrogramm, höher chlorierte PCB über UBA-Referenzwert, 5 Dioxinähnliche PCB´s > 95 Quantil nach Schettgen) erfüllen. Aus der Übersicht geht die Verteilung der PCB-Belastungen im Blut der Testpersonen hervor. Relevant ist hier die Relation zwischen dem Referenzwert der PCB-Stoffgruppen und den statistischen Kennwerten (die Mittelwerte, das 95-Perzentil, der Maximalwert) der Messwertverteilung.
1PCB-Management: erledigte und unerledigte Hausaufgaben Rede von Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes, auf der Veranstaltung „30 Jahre PCB-Management – was ist (noch) zu tun?“ am 20. August 2013 in Berlin (https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/377/dokumente/pcb_management_erledigte_und_unerledigte_hausaufgaben.pdf)
Am schwersten getroffen hat es die ehemaligen Arbeiter, zum größten Teil Leiharbeiter und ihre Familienangehörigen. Unwissend und ohne ausreichende Schutzkleidung nahmen sie das Gift auf und lagerten es in hohen Dosen in ihren Körper ein. Unter den 270 untersuchten Arbeitern wurde nur ein Jahr nach Schließung der Anlage (Juli 2011) bereits bei sechs Personen eine Krebserkrankung neu diagnostiziert, bei weiteren 40 schwere PCP-bezogene Umwelterkrankungen identifiziert. Eine Person hat sogar 25000-fach (255,736 Mikrogramm) erhöhte PCB-Werte (dem niedrig-chlorierten PCB 28 siehe die Spalte in der Tabelle). Es wurden 44 Anträge auf Anerkennung von Berufserkrankungen eingeleitet (2011). Im Gesundheitsbetreuungsprogramm wurden 2014 15 Kinder mit erhöhter PCB-Belastung ermittelt, deren Väter das Gift mit der Arbeitskleidung mit nach Hause brachten. Sechs der untersuchten Kinder wiesen medizinische Auffälligkeiten auf.
Das Gesundheitsbetreuungsprogramm wird durch die Berufsgenossenschaft finanziert. Die Ergebnisse wurden im Strafprozess nicht verwertet. Das Interesse der Berufsgenossenschaft liegt natürlich daran, die Kosten (des Programmes selbst wie auch möglicher nachfolgender Forderungen Betroffener) nicht in die Höhe zu treiben.
Mehrmals forderten u.a. eine Gruppe von Ärzten aus Dortmund die Einrichtung einer Kontrollgruppe im Gesundheitsbetreuungsprogramm, um evidenzbasierte (und belastungsfähigere) Untersuchungsergebnisse zu erzeugen, die auch für die betroffenen Arbeiter vor Gericht Bestand gehabt und ihre Schadensersatzforderungen unterstützt) hätten. Das Umweltministerium schlug die Forderung jeweils aus. Es ging darum, die Folgen des Skandals und die damit verbundenen Kosten und nachfolgende Schadensersatzforderungen „einzuhegen“.
Durch das Gesundheitsbetreuungsprogramm wurden neue Erkenntnisse über die Gesundheitswirkungen von PCBs im menschlichen Körper gesammelt. Allerdings trug dies so gut wie nichts zur Aufarbeitung der Verantwortlichkeiten bei und die Geschädigten blieben auf sich allein gestellt: Angst ist ihr ständiger Begleiter.
PCB – heimtückisches Gift
Die Gesundheitsfolgen des Umweltgiftes PCB sind komplex, jedoch bis heute unzureichend „evidenzbasiert“ (gerichtsfest) nachgewiesen (siehe Anlage 3): Hautveränderung, Haarausfall und Chlorakne, Schädigung des Immunsystems und Stoffwechselerkrankungen, Leberschäden, Beeinträchtigung der Schilddrüsenfunktion, Krebserzeugung und Erbgutschädigung. PCBs erzeugen neurologische Erkrankungen und beeinträchtigen die Entwicklung des Gehirns. Sie schädigen den Hormonhaushalt, die Fortpflanzungsfähigkeit und erzeugen Gendefekte.
PCBs weisen eine hohe Fettlöslichkeit in Verbindung mit einer hohen Stabilität und einer damit verbundenen geringen (mikrobiellen) Abbaurate auf, insbesondere der höherchlorierten PCBs in allen Umweltkompartimenten. Da PCBs kaum verstoffwechselt werden können, reichern sie sich in fetthaltigen Geweben an und erreichen über die Nahrungskette schließlich den Menschen. Aufgenommen werden sie über Nahrungsmittel, über die Luft oder bei direktem Hautkontakt, wie bei den Envio-Arbeitern, über die Haut oder über die Atemluft. Die akute Toxidität von PCB ist gering. Aber eine chronische Giftigkeit ist schon bei geringen Mengen festzustellen. Es gibt keinen Grenzwert, unterhalb dessen PCB gesundheitlich unbedenklich ist. Aber es gibt keine evidenzbasierte Datenerhebung über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge und die gesundheitlichen Auswirkungen von PCBs.
Der Stoff ist wasserunlöslich, extrem langlebig und schwer abbaubar. Sichere Methoden der Behandlung und Ausleitung gibt es bisher nicht (zur gesetzlichen Regulierung und Orientierungswerten siehe Anlage 4).
So lange der evidenzbasierte Nachweis der Dosis-Wirkung-Beziehung von Schadstoffen nicht erbracht ist (bzw. nicht im Gutachterstreit vor Gericht anerkannt wird), werden Menschen, die hohe Dosen einer bestimmten Chemikalie im Blut aufweisen, mit denen sie auch an ihrem Arbeitsplatz hantieren, in Deutschland keine Schadensersatzansprüche geltend machen können und Strafprozesse versanden. Die Betroffenen werden bei vorhandenen Gesundheitsschäden auf ihre „ungesunde Lebensweise“ (z.B. Rauchen) und „ihr Eigenverschulden“ verwiesen und die Exposition am Arbeitsplatz, deren Wirkungsketten und Verantwortliche werden aus der Betrachtung draußen vorgehalten. Ihnen obliegt dann eine Nachweispflicht mit sehr ungleichen Kräfteverhältnissen. Dies geschah auch im Envio-Verfahren .
Die Prozesse im Envio-Verfahren gingen aus wie das Hornberger Schießen
Aufgrund einer Strafanzeige der Dortmunder LINKEN in 2010 hatte die Dortmunder Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen verantwortliche Mitarbeiter der Bezirksregierung Arnsberg aufgenommen, die 2011 jedoch eingestellt wurden. Dies wirkte später entlastend für die Angeklagten im Strafprozess.
Merkwürdig bleibt ein nicht aufgeklärter Todesfall. Am 23. 1. 2011 starb in Bochum ein 57-jähriger Trafo-Monteur aus Dortmund, der jahrelang auf dem Envio-Gelände gearbeitet hatte. Er hatte erhöhte Mengen von PCB im Körper. Der Mann brach auf der Toilette zusammen, kurz vor seiner Zeugenbefragung/Vernehmung im Prozess. Die Todesursache blieb unklar. Als Todesursache galt Herzversagen und wurde nicht weiter aufgeklärt, da der Leichnam nicht obduziert und kurze Zeit darauf verbrannt wurde.
Der Strafprozess wegen Körperverletzung in 51 Fällen und (nachgeordnet) Umweltdelikten gegen die Envio-Verantwortlichen, lief ab Mai 2012 über fünf Jahre und 167 Verhandlungstage und wurde am 4. 4. 2017 gegen die Zahlung einer Summe von 80.010 € durch den Geschäftsführer und den ehemaligen Betriebsleiter von Envio und ohne Anerkennung einer Rechtsschuld eingestellt. Darin eingebunden war die, letztlich erfolglose, Nebenklage von 22 geschädigten Envio-Mitarbeitern. Im Envio Strafprozess tobte ein wahrer Gutachterkrieg um die Auslegung der gesundheitlichen, strafrechtlichen, gerichts- und schadensersatzrelevanten Auswirkungen von PCB, in dem kritische Gutachter allerdings immer wieder als befangen ins Abseits gestellt wurden.
Anfang und Ende einer Fernsehdokumentation zum Envio-Skandal bringen die Situation der betroffenen, geschädigten Arbeiter und ihrer Angehörigen treffend auf den Punkt: „Angst ihr ständiger Begleiter.“ Und auch der Ausgang des Envio-Skandals wird treffend beschrieben: „Ob Neupert für einen der größten Umweltskandale in Deutschland zur Verantwortung gezogen wird, ist heute völlig offen – auch, ob sich am Ende überhaupt jemand verantworten muss.“ (siehe dazu die WDR-Dokumentation „Grünkohl, Gift & Geschäfte“ http://www.youtube.com/watch?v=ZgmTczMfXuo).
Der blinde Fleck
In jeder Branche gilt, jeder kennt jeden, wenn er wichtig ist und was zu sagen hat. Und das gilt auch im Fall Envio. Während des gesamten Ablaufs des Envio-Skandals fand das dahinter stehende ökonomische Interessengeflecht von Unternehmen und persönlichen Verquickungen kaum Erwähnung. Dazu gehören die Chemieindustrie (z.B. Bayer, BASF), Anlagenbauer (z.B. ABB) Bergbau (z.B. Ruhr Kohle AG und Bergbauzulieferer), Energieerzeuger (z.B. RWE, E.ON, EnBW), Berater- und Zertifizierungsbetriebe (z.B. die DQS Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen), Recyclingwirtschaft, Abfallverbrennung und -deponierung (z.B. die Kali + Salz AG, die Bayer Ausgründung CURRENTA, andere Schrottbetriebe im Dortmunder Hafen, wie Interseroh, Hermstrüwer, Ahle, Hittmeyer, die z.T. die Töchter der Georgsmarienhütte Holding GmbH sind). Dazu gehören Wissenschaftler z.B. der Universität Darmstadt, die Envio und Koproduzenten unterstützten, Gutachter im Strafprozess, Kommissionsmitglieder, die UNO-Kommissionen zur Umsetzung des Stockholm Abkommens, Institutionen (z.B. die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA in Dortmund), Aufsichts- und Genehmigungsbehörden, Gewerkschaften, Berufsgenossenschaften.
Umstrukturierung und massiver Personalabbau in den Genehmigung- und Aufsichtsbehörden und private Zertifizierungsverfahren unter dem Schlagwort „Privat vor Staat“ haben den Einfluss ökonomischer Interessen (Profitsicherung und Kostenabwehr) weiter steigen lassen. Im Envio-Skandal spielt auch das private Zertifizierungswesen eine Rolle, das als ökonomisches Instrument der Qualitätssteuerung gilt, das Markttransparenz und fairen Wettbewerb fördern soll und auf das sich andere Marktteilnehmer, Behörden, Kapitalanleger stützen. Envio war ein zertifiziertes Unternehmen, verfügte über die Zertifikate des Qualitäts- und Umweltmanagements (ISO 9001 und 114001) und war „Entsorgungsfachbetrieb“ (das EfbV-Zertifikat), die von der DQS GmbH (Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen), einem der ältesten und global agierenden Zertifizierer in Deutschland, ausgestellt worden waren. Hinzu kam das Öko-Profit-Zertifikat der B.A.U.M. Wie konnte ein Unternehmen, das offensichtlich über Jahre Auflagen und Arbeitsschutzmaßnahmen missachtet hat und dessen Mitarbeiter zum Beispiel mit PCB ohne Arbeitsschutzkleidung umgingen, zertifiziert werden? Envio wurde bereits im Mai 201i stillgelegt, die Zertifikate wurden aber erst im Juli 2010 ungültig. Wie zuverlässig sind derartige Verfahren? Der Sachverwalter welcher Interessen sind derartige Zertifizierungsträger?
Auch im Envio Strafprozess konnten sich kritische Gutachter nicht durchsetzen, sondern wurden als befangen ins Abseits gestellt. Die Folgen des Skandals wurden auf die Allgemeinheit abgewälzt: als Gesundheitslasten auf die Betroffenen, als Kosten auf die Steuerzahler oder als unter den Teppich gekehrte Altlasten. Die Kosten des Gerichtsverfahrens wurden nach einem ersten Meilenstein, dem 100. Prozesstagen in 2014, bereits auf gut 0,5 Mio €. Die Sanierungskosten wurden im Sanierungskonzept auf 7,5 Mio € veranschlagt. Hinzu kommen das Gesundheitsbetreuungsprogramm und andere Verfahren. Diese Kosten trägt die Allgemeinheit.
Politik, Verwaltung und Justiz arbeiteten den entstandenen Schaden ab, hegten ihn aber auch ein, so dass die wahren Ausmaße gar nicht ermessen wurden. Das lädierte Image des Produktionsstandortes Dortmunder Hafen, im Besitz der Hafen AG bzw. der Stadt Dortmund, wurde aufpoliert. Die Recyclingbetriebe im Dortmunder Hafen blieben weitgehend unangetastet, obwohl die Auswertung von Luftmessungen immer wieder mindestens einen weiteren PCB-Emittent vermuten ließen (siehe Anlage 5). Pittoreske Züge nahm es an, als die Aufsichtsbehörde in der Bezirksregierung Arnsberg hier allen Ernstes auf die Lagerfeuer des mittelalterlichen Weihnachtsmarktes, der in Nachbarschaft des Dortmunder Hafengelände stattfand, als Verursacher erhöhter dioxinähnlicher Werte im Hafenbereich in 2017/2018 verwies siehe Anlage 6).
Eine grundsätzliche Aufarbeitung des Skandals, um derartiges künftig zu vermeiden, hat kaum stattgefunden. Unter dem Strich hat sich infolge des Envio-Skandals substantiell nichts geändert. Solch ein Umweltskandal kann sich demnach jederzeit wiederholen.
Das Spiel geht weiter
Und doch muss der Strafgerichtsprozess um Envio auch als ein Trittstein in der Auseinandersetzung um die Gesundheitsschädlichkeit von PCB (und die Formulierung von Schutzstandards dagegen) angesehen werden. Die Akteure, die den Prozess kritisch begleiteten und immer wieder auf Änderungsbedarf hinwiesen, waren im Vergleich zu den im Hintergrund wirkenden einflussreichen ökonomischen Kräften schwächer, so dass die Verantwortlichen des Skandals straffrei ausgingen. Immerhin gab es aber eine Nebenklage von betroffenen Arbeitern im Strafgerichtsprozess, die durch u.a. durch Personen der Parteien Die GRÜNEN und Die LINKE, durch den DGB und Einzelpersonen initiiert wurde. Immerhin gibt es einige Akteure im Stadtteil, in Zivilgesellschaft, Medien und Politik, die sich unermüdlich für eine Aufklärung des Umweltskandals engagieren und ihr Wissen an andere weitergeben. Immerhin wurden einige neue wissenschaftliche Erkenntnisse über Gesundheitsfolgen von PCBs gesichert. Und eine Arbeitsgruppe der Internationalen Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte 2013 PCB für krebserregend. Insgesamt wurden die Stoffgrenzwerte im Umwelt-, Gesundheits- und Arbeitsschutz nicht verschärft (siehe Anlage 4). Und PCBs sind nach wie vor nicht als Gefahrgut und nicht als gesundheitsschädigende Stoffe in Arbeits- und Gesundheitsschutzstandards gelistet. Im Produktionsprozess kann weiter agiert werden wie bisher.
Es bleiben dicke Bretter zu bohren. Es ist noch ein weiter Weg und bedarf des langen Atems von Umweltengagierten, die diese Zustände nicht einfach hinzunehmen bereit sind und sich für so etwas wie das Vorsorge- und Verursacherprinzip, Kreislaufwirtschaft, nachhaltiges Wirtschaften, Umweltgerechtigkeit oder schlicht „gesunde Lebens- und Arbeitsbedingungen“ einsetzen (Anlage 7).
Wie können engagierte Bürger in solch einem Skandal agieren?
In solchen Verfahren spielen in Initiativen engagierte Menschen eine wichtige Rolle. Die regelmäßige Teilnahme als Prozessbeobachtung im Strafprozess und die Dokumentation des Ablaufs schafft Öffentlichkeit. Darüber hinaus können Befunde aus der wissenschaftlichen Diskussion, und Fragen über Medien verbreitet und damit in das Gerichtsverfahren eingespeist werden. Auch können die Betroffenen bei Klageerhebung unterstützt werden. Ein solchen Umweltskandalen können Bürger als Prozessbeobachter und deren Dokumentation leisten. Im Zuge des Freiheitsinformationsgesetz müssen Behörden Bürgern Auskünfte erteilen.
Was muss sich ändern?
Dem Verursacher- und Vorsorgeprinzip muss real die Bedeutung beigemessen werden, die sie formell eigentlich schon haben. Dafür braucht es u.a. eine fachlich und personell ausreichende Ausstattung der Aufsichts- und Genehmigungsbehörden, um Umwelt-, Gesundheits- Arbeitsschutz präventiv Geltung zu verschaffen. Das beinhaltet z.B. auch eine Änderung der Gewerbe- und Industriepolitik hin zu umwelt- und nachbarschaftsverträglichen Strukturen im Dortmunder Hafen und andernorts, denn bei Envio handelte es sich keineswegs um eine Altlast oder eine altindustrialisierte Anlage, sondern um eine neue (sogar als Ökovorzeigebetrieb honorierte) Betriebsanlage. Das Wegsehen von Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden ist sogar in ökonomischer Hinsicht als Wettbewerbsverzerrung gegenüber Mitbewerbern nicht haltbar.
Es ist äußerst unbefriedigend, dass private Lizenzierungsverfahren die Arbeit von Aufsichts- und Genehmigungsbehörden ersetzen und Entscheidungen in der Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik über Gerichtsverfahren erzwungen werden. Politik muss hier wieder ihre Abwägungs- und Entscheidungshoheit erringen, in der Vorsorge, Prävention, Umwelt und Gesundheitsrechte die angemessene Bedeutung haben.
Notwendig ist auch die Stärkung der Rechtsposition von Betroffenen und Arbeitnehmern, die illegale, umwelt- und gesundheitsschädigende Produktionsweisen ihrer Arbeitgeber zur Anzeige bringen (Whistleblower). Besonders zynisch zeigt sich im Fall die schwache Position und Ausbeutung von Leiharbeitskräften. Notwendig wäre ein energischeres Engagement der Gewerkschaften.
Änderungen im Haftungsrecht sind notwendig. Die Eigentümer von Betriebsflächen (die Fläche wurde Envio im von der Stadt Dortmund/der Hafen AG im Wege der Erbpacht überlassen) sollten in den Verträgen Haftungsklauseln verankern und so die Emittenten für ihre Hinterlassenschaften verantwortlich und haftbar machen.
Notwendig wäre die Umkehr der Beweislast. Bei einem HIV-Infizierten gilt z.B., dass dieser, falls er von seiner Infektion weiß, mit einem Nichtinfizierten ungeschützten Geschlechtsverkehr hat und ihn vorher nicht über seinen Zustand informiert und ihn ansteckt, er dafür vor Gericht verurteilt wird, obwohl die/der Neu-Infizierte außer dem „positiven“ HIV-Befund noch (!) keine dauernden gesundheitlichen Schäden aufweist. Wieso gilt eine entsprechende Rechtsprechung nicht auch für nachweislich PCB-belasteten Betroffenen?
In den USA gilt ein wesentlich schärferes Haftungsrecht als in Deutschland. Seit 2018 hat Bayer in den USA zwei Niederlagen vor Gericht hinnehmen müssen, der Konzern wurde zu hohem Schadenersatz an Krebskranke verurteilt. Der Bayerkonzern, der 2018 den Konkurrenten und Saatguthersteller Monsanto übernommen hatten, muss sich in den USA tausenden von Schadenersatzklagen stellen. Ein weiteres Beispiel ist die Klagewelle in den USA gegen den VW-Konzern im Zuge der Diesel-“Affaire.“
Darüber hinaus sind Dokumentationen von Schadstoffquellen notwendig. Es gibt weiterhin keine Inventarisierungs- und Beseitigungspflicht für PCBs in offenen Anwendungen wie Fugen, Anstriche, Wilhelmiplatten. Deshalb sind als erster Schritt eine Inventarisierung von Gebäuden mit PCB-Belastungen sowie ein fachgerechter Umgang mit PCB-haltiger Bausubstanz bei Umbaumaßnahmen, Sanierungen und Abriss anzustreben. Schweden könnte dafür als Vorbild dienen, das ein derartiges Inventar aufgebaut hat1
Anlage 1: Zeitleiste PCB Wunderwerkstoff und Megagesundheitsgift
1881: PCB wird zum ersten Mal hergestellt
1929: Beginn der industriellen Produktion von PCB in den USA
1935: Die US-Firma Monsanto übernimmt die Produktion, verkauft weltweit Lizenzen.
1936: Fabrikarbeiter, die mit erhitztem PCB arbeiten, sterben an schweren Leberschäden. Monsanto hat Kenntnis davon
1948: Monsanto preist PCB als Zusatz für langlebige Anstriche bei Brücken, Schwimmbädern, Strommasten oder unter Wasser. Weil PCB schwer brennbar ist, wird es in großen Mengen als Teil der Kühlflüssigkeit n Transformatoren und Kondensatoren eingesetzt.
1966: Der schwedische Chemiker Sören Jensen entdeckt PCB-Rückstände in Fischen und Vögeln weitab jeder Fabrik. Hohe Konzentrationen weisen Tiere am Ende der Nahrungskette auf.
1968: In Japan erkranken mehrere tausend Menschen, als sie kontaminiertes Reisöl essen. Kinder werden vergiften und weisen teilweise einen tieferen IQ auf. Zunächst starben 100.000 Hühner, kurz darauf zeigten sich bei etwa 2.000 Menschen erste Vergiftungssymptome in Form von Hautveränderungen, Chlorakne und einer Dunkelfärbung der Pigmente ( Yusho-Krankheit ). Später kam es zu schweren Organschäden und zu Krebs . 90 Prozent der betroffenen Babys kamen als sogenannte schwarze Babys zur Welt. In einer japanischen Lebensmittelfabrik war aus einer Kühlanlage flüssiges PCB in einen Reisöltank geflossen. Das vergiftete Reisöl gelangte in den Handel und wurde als Tierfutter und Lebensmittel verkauft.
1972: Monsanto kündigt an, PCB für Farben und Fugendichtungen vom Markt zu nehmen. Die Schweiz verbiete diese Anwendungen. Importierte PCB-haltige Fugendichtungen und Farben werden bis in die achtziger Jahre verwendet.
10. Juli 1976: Chemieunfall im italienischen Seveso. Das Unglück führte zusammen mit ähnlich gelagerten Unfällen zur heutigen Richtlinie 2012/18/EG des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen, Seveso II- oder Störfallverordnung (Seveso-III-Richtlinie (Seveso I: 1982, Seveso II: 1997 und Seveso III: 2012)
1979: In Taiwan wurde ein weitere Giftskandal bekannt, der auch auf den Verzehr von Reisöl zurückzuführen waren, das sowohl mit PCBs als auch teilweise mit polychlorierten Dibenzofuranen verunreinigt war („Yusho“ bzw. „Yu Cheng“-Krankheit).
1986: PCB wird in der Schweiz verboten.
1983: Verbot der Produktion von PCBs in Deutschland.
1989: Verbot des Einsatzes von PCB in Deutschland.
1993: Die letzte PCB-Fabrik schließt in Russland. Weltweit wurden 1,3 Millionen Tonnen produziert und rund 25 Prozent davon in offener Anwendungen verbaut.
1998: Als eines der ersten Länder weltweit inventarisiert die Schweiz PCB-haltige Transformatoren und Kondensatoren und entsorgt sie.
2004: Mit der Stockholm-Konvention werden 12 organische Schadstoffe weltweit verboten, dazu gehört auch PCB
2009: Bei einer deutschen Stichprobe liegen über 90% Schafsleber über dem Grenzwert.
2016: Mit der neuen Abfallverordnung müssen Schweizer Bauherren bei Bauarbeiten vorhandene Bauschadstoffe deklarieren.
2028: Deadline der Stockholm-Konvention für die Eliminierung von PCB-belasteten Materialien.
Anlage 2: Was sind polychlorierte Biphenyle (PCB)?
https://www.allum.de/stoffe-und-ausloeser/polychlorierte-biphenyle-pcb
Polychlorierte Biphenyle (PCB) ist die Bezeichnung für eine Stoffgruppe aus 209 Einzelstoffen, denen ein Grundgerüst aus zwei Kohlenstoffringen mit unterschiedlichem Chlorierungsgrad gemeinsam ist.
Die Einzelstoffe, PCB-Kongenere genannt, unterscheiden sich lediglich im Hinblick auf die Zahl und Lage der mit den Ringen verbundenen Chlor-Atome und werden der Einfachheit halber durchnummeriert.
PCB Indikator-Kongenere
In der Umweltanalytik werden aus Praktikabilitätsgründen meist nur so genannte Indikator-Kongenere bestimmt. Dazu gehören die flüchtigen, niederchlorierten Kongenere PCB -28, -52, -101 und die höher chlorierten PCB -138, -153 und -180. Aus ihrer Konzentration wird dann der Gesamt-PCB-Gehalt hochgerechnet.
Verwandte Stoffgruppen
Neben den PCB gibt es noch verwandte Stoffgruppen, die vergleichbare Eigenschaften aufweisen. Das sind beispielsweise polychlorierte Terphenyle (PCT) und Chlorparaffine. Unser Kenntnisstand zu diesen beiden Stoffgruppen im Vergleich zu PCB ist geringer, jedoch kann davon ausgegangen werden, dass PCT den PCB ähneln. Chlorparaffine sind nach gegenwärtigem Wissen für den Menschen akut wenig giftig, jedoch gefährden insbesondere kurzkettige hochchlorierte Chlorparaffine das Wasser und darin lebende Organismen.
PCB - Vorkommen und Verwendung
Die vielseitig nutzbaren chemischen Eigenschaften der polychlorierten Biphenyle sind seit mehr als 70 Jahren bekannt. Sie fanden vielfältige Anwendung in der Bau-, Elektro- und Kunststoffindustrie. Allerdings wurde zunehmend erkannt, dass sich PCB in der Umwelt und in der Nahrungskette aufgrund ihrer Stabilität und guten Fettlöslichkeit anreichern. Ihre Verwendung wurde daraufhin eingeschränkt. Seit 1978 ist die Anwendung von PCB in offenen Systemen und seit 1989 grundsätzlich (mit wenigen Ausnahmen) verboten. Als PCB-haltig gelten Materialien mit einem PCB-Gehalt größer als 50 Milligramm pro Kilogramm.
PCB in Umweltmedien
Auch heute noch finden sich polychlorierte Biphenyle in allen Umweltmedien – im Wasser, im Boden, in der Luft, in Sedimenten, aber auch in Pflanzen und Tieren. PCB können aufgrund der Struktur und toxikologischer Effekte in zwei Gruppen gegliedert werden; dioxinähnliche und nichtdioxinähnliche PCB. Weil dioxinähnliche PCB ähnliche toxikologische Eigenschaften wie Dioxine besitzen, werden die beiden Stoffgruppen bei Analysen oft zusammengefasst.
Insbesondere Lebensmittel tierischer Herkunft, die einen hohen Fettgehalt besitzen (Fische, z. B. Aal, Milch- und Fleischprodukte), sind weiterhin eine bedeutsame PCB-Quelle für den Menschen: unsere PCB-Belastung stammt zu über 90% aus der Nahrung. Kinder verzehren andere Lebensmittel als Erwachsene, weshalb die Hauptbelastungsquellen je nach Alter variieren.
Die höchsten PCB-Konzentrationen wurden in Aal, Fischleber und daraus hergestellten Produkten gemessen. Gleichzeitig konnte in den letzten Jahren ein starker Rückgang der Belastung mit PCB insbesondere bei folgenden Lebensmitteln festgestellt werden:
-
Rohmilch und Milchprodukte,
-
Hühnereier und Eiprodukte sowie
-
Fischfleisch außer Aal.
Insgesamt ist aber der PCB-Gehalt von Lebensmitteln in den letzten 10 Jahren auf rund ein Viertel zurückgegangen (Schäfer et al. 2000).
Die EU-Kommission beschloss im Oktober 2001 die Emissionen von PCB in die Umwelt zu verringern und die Konzentrationen in Lebensmitteln zu reduzieren. Für PCB wurden Höchstgehalte in Lebensmitteln festgesetzt.
PCB in der Muttermilch
Die Muttermilch weist noch eine messbare PCB-Belastung auf, jedoch mit fallender deutlich Tendenz (Wittsiepe und Mitarb., 2007, Kommission Human-Biomonitoring 2016).
PCB in Gebäuden
Im Mittelpunkt des Interesses stehen allerdings meist PCB-Quellen in Gebäuden. Diese finden sich typischerweise in Bauten, die zwischen 1960 und etwa 1975/80 errichtet wurden. Häufig handelt es sich dabei um öffentliche Gebäude wie Schulen und Kindergärten. Als Quellen kommen u.a. PCB-haltige Fugendichtmassen ("Thiokol"), lecke Kondensatoren in Leuchtstoffröhren, PCB-haltige Flammschutzmittel, sowie Anstriche und Kunststoffe mit PCB als Weichmacher in Frage. In Deckenplatten diente PCB als Weichmacher bzw. als Flammschutzmittel. Gelegentlich wurden auch Parkett- und Teppichfliesenkleber sowie Parkettfugenkitte mit PCB versetzt.
Konzept der "Toxizitätsaquivalente"
https://www.allum.de/stoffe-und-ausloeser/polychlorierte-biphenyle-pcb/grenzwerte-richtwerte
Zur toxikologischen Bewertung von Stoffgemischen, etwa von Dioxinen (polychlorierte Dibenzo-p-dioxine PCDD und Dibenzofurane PDDF) und/oder polychlorierten Biphenylen (PCB) wird oftmals das Konzept der so genannten "Toxizitätsaquivalente" herangezogen.
Hierfür wird der Stoff (das Kongener) mit der höchsten Toxizität als Bezugsstoff genommen. Die Toxizität aller anderen Stoffe wird mittels so genannter Toxizitätsäquivalentfaktoren (TEF) auf diesen Stoff bezogen. Für die hier interessierenden Substanzen ist der Bezugsstoff das 2,3,7,8-TCDD, das so genannte Seveso-Dioxin.
Die Toxizitätsäquivalentfaktoren für PCDD, PCDF und PCB wurden von der Weltgesundheitsorganisation WHO festgelegt. Mittels der Toxizitätsäquivalentfaktoren können Toxizitätsaquivalentkonzentrationen (WHO TEQ) berechnet werden. Auf diese Weise werden Stoffgemische untereinander vergleichbar und bewertbar.
Vereinfacht gesagt, rechnet man ein Stoffgemisch so um, als ob es einzig und allein aus dem Stoff mit der höchsten Toxizität bestünde. Aus diesem Grund sind Toxizitätsaquivalentkonzentrationen bzw. -mengen nicht gleichzusetzen mit analytisch bestimmten Einzel- oder Summenwerten für PCB in der Raumluft, im Hausstaub oder im Vollblut.
Diese zunächst besonders bei Dioxinen (Nebenprodukte bei industriellen Prozessen bzw. Verbrennungsprozessen) angewandte Berechnungsweise wird auch bei polychlorierten Biphenylen eingesetzt.
Einige PCB-Kongerene sind vom Molekülaufbau her den Dioxinen recht ähnlich, sie werden daher dl-PCB (engl. dioxin-like PCB) genannt. Die Mehrzahl der PCB-Kongenere sind allerdings von der Anzahl und Masse her den Dioxinen nicht ähnlich (ndl-PCB = non-dioxin-like PCB).
Duldbare tägliche Aufnahmemenge (TDI = tolerable daily intake) und duldbare wöchentliche Aufnahmemenge (TWI = tolerable weekly intake)
Die duldbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) bzw. wöchentliche Aufnahmemenge (TWI) bezieht sich in diesem Kontext auf die Summe der Äuivalentkonzentrationen für PCDD, PDCF und PCB (WHO-PCDD/F-PCB-TEQ). Die Mengenangaben erfolgen als pg (Pikogramm = billionstel Gramm).
Von der Weltgesundheitsorganisation wurde für die duldbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) ein Bereich von 1 bis 4 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro Kilogramm Körpergewicht festgelegt. Der untere Wert von 1 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro Kilogramm Körpergewicht ist als Zielwert zu verstehen.
Der Wissenschaftliche Lebensmittelausschuss (SCF = Scientific Committee on Food) der Europäischen Union hat eine duldbare wöchentliche Aufnahmemenge (TWI) in Höhe von 14 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro Kilogramm Körpergewicht festgelegt, was rein rechnerisch etwa dem mittleren Wert der WHO-Empfehlung entspricht.
PCB-Richtlinie (ARGEBAU 1995)
Fachleute von Bund und Ländern haben sich auf Handlungsempfehlungen für die Sanierung PCB-belasteter Gebäude geeinigt und diese Empfehlungen in einer PCB-Richtlinie niedergelegt. In einigen Bundesländern wurde die PCB-Richtlinie baurechtlich verbindlich eingeführt.
Die PCB-Richtlinie nennt als Zielwert eine Raumluftkonzentration von < 300 Nanogramm PCB pro Kubikmeter (1 Nanogramm (ng) = 1 Milliardstel Gramm). Im Bereich zwischen 300 und 3.000 Nanogramm pro Kubikmeter soll die PCB-Quelle aufgespürt und unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit eingedämmt oder beseitigt werden. Eine Intervention soll bei Raumluftkonzentrationen oberhalb von 3.000 Nanogramm pro Kubikmeter (im Jahresmittel und bei einer Aufenthaltsdauer von 24 Std. pro Tag) erfolgen. Das bedeutet aber auch, dass bei kürzerer Aufenthaltsdauer entsprechend höhere Konzentrationen zeitweilig toleriert werden können.
Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Innenraumlufthygiene-Kommission beim UBA und der AOLG
Diese Arbeitsgruppe hat in 2007 eine aktualisierte, fallbezogene Bewertung veröffentlicht (Umweltbundesamt 2007b):
"Zwei Fälle werden unterschieden:
A) Wenn eindeutig Fugenmassen mit PCB vorliegen, deren Chlorierungsgrad geringer ist als Clophen A60, dienen die Gesamt-PCB, basierend auf 6 Indikator-PCB (ohne PCB118), als Beurteilungsmaßstab. Bei Raumluftkonzentrationen oberhalb von 3 µg/m3 für Gesamt-PCB sind expositionsmindernde Maßnahmen zu prüfen. Bei Konzentrationen darunter ist das Lüftungsverhalten zu überprüfen und ggf. zu verbessern.
B) Sind Clophen A50- oder A60 haltige Deckenplatten verbaut worden und treten hauptsächlich hochchlorierte Clophene als PCB-Quellen auf, kann ebenfalls der PCB-Gesamtgehalt zur Beurteilung herangezogen werden. Bei höheren Gesamt-PCB-Gehalten (> 1µg/m3) soll die Konzentration von PCB118 zur Beurteilung herangezogen werden. Bei Raumluftkonzentrationen oberhalb von 0,01 µg PCB118/m3 sind expositionsmindernde Maßnahmen zu prüfen. Bei Konzentrationen darunter ist das Lüftungsverhalten zu überprüfen und ggf. zu verbessern."
Analytik und Biomonitoring
https://www.allum.de/stoffe-und-ausloeser/polychlorierte-biphenyle-pcb/analytik-und-biomonitoring
PCB Analytik
PCB-Messungen sind im Hausstaub, in Materialproben und in der Raumluft möglich.
Eine Analyse des Hausstaubs auf polychlorierte Biphenyle kann Gewissheit darüber bringen, ob eine Belastung vorliegt oder nicht. Meist werden Werte oberhalb von 5 Milligramm PCB pro Kilogramm Hausstaub als Hinweis auf eine PCB-Quelle angesehen. Dann können Materialproben von möglichen PCB-Quellen analysiert werden, etwa von Fugendichtmassen, Parkettkleber und Parkettfugenkitt (bei Parkett, das vor ca. 1980 verlegt wurde).
Wenn die Innenraumluft auf ihren PCB-Gehalt hin analysiert werden soll, wird über mehrere Stunden hinweg eine bestimmte Luftmenge durch ein absorbierendes Medium gesaugt, welches dann im Labor gaschromatisch auf PCB hin untersucht wird. Probennahme und Analytik sollten prinzipiell nur durch erfahrene und zertifizierte Laboratorien durchgeführt werden, die auch darauf achten, dass Vorgaben der PCB-Richtlinie beachtet werden. Beispielsweise findet man im Sommer infolge erhöhter PCB-Ausgasung häufig höhere Werte als im Winter. Sowohl eine Temperaturkontrolle als auch eine Probennahme bei geschlossenen Fenstern und Türen sind wichtig, um verlässliche Messwerte zu erhalten. Die eigentliche analytische PCB-Bestimmung erfolgt auf gaschromatografischem Weg.
PCB Biomonitoring
Die innere PCB-Belastung kann im Blut (Vollblut, Plasma, Serum), ggf. auch in der Muttermilch oder in Fettgewebsproben bestimmt werden.
Referenzwerte
Die Referenzwerte für die drei üblicherweise bestimmten PCB-Kongenere # 138, 153 und 180 sind altersabhängig (siehe nachfolgende Tabelle: Referenzwerte im Vollblut).
Referenzwerte für PCB-138, -153, -180 und deren Summe in Humanblut (Mikrogramm pro Liter) |
|
||||||
Alter (Jahre) |
PCB-138 |
PCB-153 |
PCB-180 |
Summe PCB |
|||
Blut* |
Jahr |
Blut* |
Jahr |
Blut* |
Jahr |
Blut* |
|
7-14 |
0,3 |
2003/6 |
0,4 |
2003/6 |
0,3 |
2003/6 |
1,0 |
18-19 |
0,4 |
1997/99 |
0,6 |
1997/99 |
0,3 |
1997/99 |
1,1 |
20-29 |
0,6 |
1997/99 |
0,9 |
1997/99 |
0,6 |
1997/99 |
2,0 |
30-39 |
0,9 |
1997/99 |
1,6 |
1997/99 |
1,0 |
1997/99 |
3,2 |
40-49 |
1,4 |
1997/99 |
2,2 |
1997/99 |
1,6 |
1997/99 |
5,1 |
50-59 |
1,7 |
1997/99 |
2,8 |
1997/99 |
2,1 |
1997/99 |
6,4 |
60-69 |
2,2 |
1997/99 |
3,3 |
1997/99 |
2,4 |
1997/99 |
7,8 |
Blut* = Vollblut; Summe PCB = PCB-138 + PCB-153 + PCB-180 |
|
Quelle: Umweltbundesamt und Kommission Human-Biomonitoring 2016 (Sachstand: August 2016)
Die Kommission Human-Biomonitoring hat im Sommer 2012 folgende HBM-Werte für Polychlorierte Biphenyle im (Blut)-Serum von Säuglingen, Kleinkindern und Frauen im gebärfähigen Alter festgelegt (2012):
HBM-I-Wert: 3.5 Mikrogramm Gesamt-PCB pro Liter Serum
HBM-II-Wert: 7 Mikrogramm Gesamt-PCB pro Liter Serum
Hierfür werden die Konzentrationen der PCB-Kongenere #138, 153 und 180 im Serum bestimmt, addiert und mit dem Faktor 2 multipliziert. Das Ergebnis kann direkt mit den vorgenannten HBM-Werten verglichen werden.
Untersuchungen haben allerdings gezeigt, dass sich eine PCB-Belastung der Raumluft im Bereich um 3 000 ng pro Kubikmeter (Interventionswert der PCB-Richtlinie) meist nicht in erhöhten Biomonitoringwerten niederschlägt (Kommission "Human-Biomonitoring", 2003). Das ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Zufuhr über die Nahrung im Vergleich zur Raumluft mengenmäßig viel bedeutsamer ist. Ferner reichern sich die PCB-Kongenere aus der Raumluft im Vergleich zur Nahrung im Menschen weniger stark an. Ein Biomonitoring gibt demnach wenig Aufschluss darüber, ob in der Vergangenheit eine PCB-Belastung über die Raumluft existiert hat, es kann aber in bezug auf die Risikokommunikation durchaus hilfreich sein.
In der Regel ist es also nicht sinnvoll, im Zusammenhang mit einer PCB-Innenraumluftbelastung eine Blutuntersuchung auf PCB vornehmen zu lassen (Humanbiomonitoring-Kommission 1999, Heudorf et al. 2000).
Anlage 3: Eine Stellungnahme zu evidenzbasierten wissenschaftlichen Belegen und gerichtsfester Begutachtung dieser Belege im Envio-Fall in Dortmund, 28. April 2019
Drei belegbare Behauptungen zu der Thematik:
1. Evidenzbasierte Nachweise der gesundheitlichen Schädlichkeit der PCB liegen vor.
2. In vereinzelten spezifischen Schädigungsfällen existieren auch konkrete bezifferte Mengen-Wirkungs-Beziehungen zwischen PCB-Gemengen und gesundheitlicher Auswirkung.
3. Die Ursache-Wirkungs-Beziehung im konkreten Einzelfall, also im Individualfall, ist in aller Regel
n i c h t mit aussagenkräftiger Evidenz belegt.
Für einige Gruppen von betroffenen Menschen liegt für bestimmte Beurteilungssituationen
ausreichende Evidenz der Schädlichkeit, bedingt durch PCB, vor. Die Beurteilungssituationen, z.B. strafrechtlich oder wissenschaftlich, sind dabei zu verbinden mit Erkenntnissen der Beweislehre bzw. den dabei anzuwendenden Beweisgrundsätzen. Beispielsweise kann für Rechtsprechende ein immer möglicher Restzweifel an einer Aussage derart winzig klein sein, dass ein vernünftiger Zweifel nicht bestehen kann und dass eben dadurch die Urteilsfähigkeit in der (Lebens- bzw. Gerichts-) Praxis gewonnen werden kann – wenn ein Verantwortlicher das will !!! Dies betrifft jedoch auch die Entscheidungswilligkeit von Entscheidern.
Im Envio-Fall bestand von Anfang der gesellschaftlich bestimmende Trend, eine Evidenz (zur PCB bedingten Gesundheitsschädigung) von vornherein n i c h t zu realisieren – diese Aussage hier ist belegbar durch die auch politisch nicht entschieden verfolgte Einrichtung einer Kontrollgruppe.
Die Behauptung, eine Kontrollgruppe ließe sich auch im Nachhinein realisieren - das Evidenzversäumnis, wäre also heilbar – wird von Vertretern des hier gesellschaftlich bestimmenden Trends als unzutreffend abgelehnt werden, kann prognostiziert werden. Hingegen darf durchaus angenommen werden, dass ein geeignet angelegtes Forschungsprojekt sehr wohl auch im Nachhinein passende Kontrollgruppen bilden kann.
Des weiteren darf davon ausgegangen werden, dass im Zug der Aachener Analysen (RWTH-Aachen, Prof. Kraus) bereits seit langem ausreichend Daten vorliegen, welche - ohne jeden vernünftigen Zweifel eine relevante gesundheitliche Beeinträchtigung der Gruppe der Envio-Arbeitenden – beweisen. Eine Meta-Analyse, die hier derzeit fehlt, um genau diesen Beweis wissenschaftlich zu führen und zu dokumentieren, fehlt freilich – eine kompetente, verantwortliche Person oder Gremium findet sich derzeit im gesellschaftlichen Ductus nicht, welches eine derartige Meta-Analyse veranlassen und finanzieren kann. Grund: Eine derartig aufklärende Mission ist derzeit mit zu vielen Widerständen und Unbequemlichkeiten verbunden. - Unbequeme Wahrheiten werden manchmal verschleppt, geradezu auch systemisch bedingt.
Zudem wird dann auch eine Auslassung der 35. Strafkammer des Dortmunder Landgerichtes deutlich - leider im Widerspruch zur gerichtlichen Pflicht einer vollständigen, objektiven Aufklärung im Strafverfahren - nämlich die Strafbarkeit der Schädigung einer großen Zahl von Menschen zu erkennen und im vorliegenden Fall festzustellen. Hier möchte ein möglichst objektiver Prozessbeobachter in Dortmund von einem Fall der Trendbeurteilung bei der deutschen Justiz gerne sprechen.
Wenn dann noch das Gericht zu der Meinung gelangt, die behördlichen Auflagen wären seitens des Entsorgers voll erfüllt worden, wäre ein hier Fürsorgepflichtiger – der Staat – nochmal zusätzlich gefordert, nämlich einige Regelwerke des Arbeitsschutzes zu überdenken und neu zu formulieren. … … … Alles, alles nicht erforderlich – wegen angeblich „fehlender Evidenz“ kann munter weiter behauptet werden, PCB-Gesundheitsschäden wären nicht beweisbar, und einige Hände können weiter 'im Schoß' tatenlos einfach ruhend liegen bleiben.
Tatsache dagegen: EVIDENZEN ZU DEN PCB-GESUNDHEITSWIRKUNGEN SIND WEITER GESELLSCHAFTLICH NICHT ERWÜNSCHT – sh. Verweigerung einer Kontrollgruppe ab 2010.
- Eine Gutmachung ist möglich, wenn eine wissenschaftlich neutrale Meta-Analyse begonnen wird. -
Anlage 4: Gesetzliche Regulierungen - Welche Grenzwerte gibt es?
Quelle: LANUV (2018): Schwerpunktbericht Polychlorierte Biphenyle (PCB)Überwachung und Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen. LANUV-Fachbericht 92 (https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuvpubl/3_fachberichte/LANUV-Fachbericht_92.pdf), S. 45ff
Toxikologisch begründete Grenzwerte - momentan gültige Grenzwerte
Quelle: PCB und Dioxine an der Universität Tübingen (http://www.pcbinfo.de/tabelle-grenzwerte.html
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dioxinähnliche PCB/Dioxine/Furane |
Gesamt-PCB |
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toxikologisch begründeter Gefahrenwert |
4,7 pg TEQ/m³ |
200 ng/m³ für Aufenthalt weniger als 7 Stunden |
toxikologisch begründeter Raumluftvorsorgewert |
0,47 pg TEQ/m³ |
20 ng/m³ für Aufenthalt weniger als 7 Stunden |
Literaturangabe/ Quelle |
Beitrag von PD Dr. Körner (LfU Augsburg) auf der Fachtagung "dioxinähnliche PCB in der Umwelt" am 13./14. Januar 2003 in Augsburg |
Toxikologische Bewertung polychlorierter Biphenyle (PCB) bei inhalativer Aufnahme, Studie des Landesumweltamtes NRW, 2002 |
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momentan gültige Raumluft-Interventionswerte für Innenräume |
Nachdem die EU die dioxinähnlichen PCB zusammen mit den Dioxinen bewertet hat, beschäftigt sich das Umweltbundesamt mit der Frage, ob nicht auch für dioxinähnliche Verbindungen im Innenraum Richtwerte aufgestellt werden müssen. Im Jahr 2003 werden im Rahmen eines Forschungsvorhabens dioxinähnliche Verbindungen in Innenräumen gemessen. Die Ergebnisse sollen Ende des Jahres vorliegen. |
3000 ng/m³ |
momentan gültige Raumluft-Vorsorgewerte für Innenräume |
siehe oben |
300 ng/m³ |
Literaturangabe/ Quelle |
Vortrag von Frau Dr. Roßkamp (Umweltbundesamt) auf der Tagung der Umweltmediziner vom 29.9. bis 1.10.03 in Tübingen |
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momentan gültiger Luftgrenzwert für Arbeitsplätze mit bekanntem Schadstoffumgang |
belasteter Bereich: ab 5 pg TEQ/m³ |
Vor dem Verwendungs- und Herstellungsverbot von PCB im Jahr 1989 galten folgende MAK-Werte (Maximale Arbeitsplatzkonzentration): |
Literaturangabe/ Quelle |
Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 557) Dioxine |
Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 900) "Luftgrenzwerte" S.8, S.22; |
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Luftgrenzwert für Schwangere |
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Der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) hat im Jahr 2002 empfohlen, für schwangere Arbeitnehmerinnen den Vorsorgewert von 300 ng/m³ (bezogen auf 24 Stunden) einzuhalten. Das Gewerbeaufsichtsamt hat die Universität Tübingen auf diese Empfehlung hingewiesen Die Universität Tübingen hat die Einhaltung zugesagt. |
Literaturangabe/ Quelle |
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27.02.2002: Schwäbisches Tagblatt; |
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Grenzwert für Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse |
Die Chemikalienverbotsverordnung gibt maximale Konzentrationen für verschiedene Dioxin- und Furankongenere an. Dies entspricht einer Belastung von ca. 100 bis 1000 ng TEQ/kg. Bei Überschreitung dürfen diese Stoffe nicht in Verkehr gebracht werden. (Die zwei Staubproben aus dem C-Bau, die auf dioxinähnliche PCB untersucht wurden, ergaben Werte zwischen 100 und 1000 ng PCB-TEQ/kg Staub. Staubsaugerbeutel müssen auf Grund des PCB-TEQ-Gehaltes als Sondermüll entsorgt werden.) |
Materialien, die mehr als 50 mg PCB/kg enthalten, dürfen nur in einer hierfür zugelassenen Anlage entsorgt werden. |
Literaturangabe/ Quelle |
Ist der Körper verschiedenen (Schad-)Stoffen gleichzeitig ausgesetzt, so können sich diese Stoffe in ihrer Wirkung beeinflussen.
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Zwischen dem Seveso-Dioxin und dem PCB-153 wurde ein synergistischer (verstärkender) Effekt nachgewiesen: van Birgelen et al., 1996
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Zwischen PCB und Methylquecksilber wurde ein synergistischer Effekt nachgewiesen: Bemis et al., 1999
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Eine Mischung von Dioxinen, Furanen und PCB wirkte bei niedrigen Dosen additiv und bei hohen Dosen mehr als additiv auf die Schilddrüse: Crofton et al., 2005
Additive und synergistische Effekte von verschiedenen (Schad)-Stoffen werden bisher bei Grenzwertabschätzungen nicht berücksichtigt.
Eigene Wertung:
In PCB-belasteten Gebäuden steigt die Raumluftbelastung mit der Temperatur. Das Institut Dr. Jäger schreibt (Prüfbericht Hörsaalzentrum/Physikwerkstatt, 11.02.2002) "Erfahrungsgemäß führt eine Temperaturerhöhung von 6-7°C zu einer Verdopplung der Raumluftbelastung ".
Raumluftmessungen aus dem Jahr 2000 in einem Raum der - inzwischen wegen der PCB-Belastung abgerissenen - Georg-Ledebour-Schule in Nürnberg/Fürth zeigen einen noch stärkeren Anstieg mit der Temperatur: Im Raum L52 wurden im Oktober 1252 ng/m³, im November 1331 ng/m³, im Juli 1796 ng/m³, im August 6083 ng/m³ und, an einem heißen Tag in den Pfingstferien, an dem die Raumtemperatur auf 35°C stieg, 20800 ng/m³ gemessen (Stadt Nürnberg, Vierteljahresbericht 3/2001,II. PCB-Belastung der Georg-Ledebour-Schule, Abschnitt 3.1).
Für schwangere Studentinnen (ohne Arbeitsvertrag) und für Kinder gelten die Grenzwerte der PCB-Richtlinie (3000 ng/m³ - In einigen Bundesländern, wie Baden-Württemberg, gelten auf die Aufenthaltsdauer bezogene höhere Grenzwerte). Für schwangere Arbeitnehmerinnen mit halber Stelle wird an der Universität Tübingen der Vorsorgewert von 300 ng/m³ auf 1800 ng/m³ hochgerechnet.
Ein hypothetisches Zahlenbeispiel:
Geht man davon aus, dass eine Temperaturerhöhung um 6°C in etwa zu einer Verdopplung der Raumluftbelastung führt, so ist in einem Raum, der bei einer üblichen Bürotemperatur von 22°C mit 1800 ng PCB/m³ belastet ist, an einem heißen Tag bei 34°C mit über 7000 ng PCB/m³ zu rechnen.
Falls die dioxinähnlichen PCB jeweils im selben Verhältnis vorhanden sind wie in der Physik-Bibliothek des Gebäudes C der Morgenstelle gemessen (8,44 pg TEQ pro 1000 ng PCB), so beträgt die Dioxinbelastung im Normalfall 15,2 pg TEQ/m³, an einem heißen Tag jedoch über 60 pg TEQ/m³.
So kann in Sommermonaten der Fall eintreten, dass - bei Anwendung der PCB-Richtlinie - Kinder oder schwangere Studentinnen in Räumen unterrichtet werden müssen, die Arbeiter - bei Anwendung der TRGS 557 - nur mit Schutzkleidung und Atemschutzgerät betreten dürfen.
Neuere Untersuchungen der Materialprüfungsanstalt, Universität Stuttgart ( Dioxinähnliche polychlorierte Biphenyle (PCB) und polychlorierte Dioxine/Furane (PCDD/F)im Innenraum, Volland,G.; Neuwirth,A., 2005) zeigen eine noch stärkere Temperaturabhängigkeit der PCB-Raumluftkonzentration: Bei einer Temperaturerhöhung um 5°C steigt die PCB-Raumluftkonzentration auf den doppelten und die Raumluftkonzentration der dioxinähnlichen PCB auf den dreifachen Wert.
Quelle: http://www.pcbinfo.de/tabelle-grenzwerte.html
PCB in Innenraumluft: Die PCB-Richtlinie (ARGEBAU 1995), die „PCB- Richtlinie NRW" (Juni 1996)2 und die Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Innenraumlufthygiene-Kommission beim UBA und der AOLG (Umweltbundesamt 2007b) hat Handlungsempfehlungen für die Sanierung PCB-belasteter Gebäude erarbeitet. Belastungen der Innenraumluft öffentlicher Gebäude beziehen. Dieser Bereich ist seit Juni 1996 durch die Einführung der „PCB- Richtlinie NRW" als Technische Baubestimmung eindeutig geregelt. Die Kombination aus Richtlinie und Ergänzung beinhaltet folgende Kernaussagen:
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PCB-Konzentrationen unter dem Vorsorge- und Sanierungsleitwert von 300 Nanogramm pro Kubikmeter Luft sind langfristig tolerabel.
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Bei PCB-Konzentrationen zwischen 300 und 3000 Nanogramm pro Kubikmeter Luft ist die PCB-Quelle aufzuspüren und mittelfristig zu sanieren. Zwischenzeitlich ist die Raumluftkonzentration durch regelmäßiges Lüften, gründliches Reinigen und Entstauben zu verringern.
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Überschreiten die PCB Konzentrationen den Interventionswert von 3000 Nanogramm pro Kubikmeter Luft sind sofort Kontrollanalysen durchzuführen. Bei Bestätigung der Werte sind binnen 6 Monaten Erstmaßnahmen zu ergreifen, die zu einer Senkung der Raumluftkonzentration unter 3000 Nanogramm pro Kubikmeter Luft führen (weiter wie unter 2.). Zwischenzeitlich kann das Gebäude an 8 Stunden pro Tag weiter genutzt werden. Andernfalls ist der Raum oder der Gebäudeabschnitt zu schließen, gegebenenfalls unter Erlass eines Nutzungsverbots.
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Der sofortige Nutzungsverzicht ist ab 9000 Nanogramm pro Kubikmeter Luft erforderlich.
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Unter dem Aspekt des vorbeugenden Gesundheitsschutzes von Risikogruppen (z.B. die Kinder in Schulen und Kindergärten) sind diesbezüglich 30 ng/m3 Raumluft anzustreben, um das Potential irreversibler Schädigungen möglichst klein zu halten
Diese Werte werden als viel zu hoch angesehen.3 Das Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen stellte fest, dass der Gefahrenwert der PCB-Richtlinie von 3.000 ng PCB/m3 durch einen toxikologisch begründeten Wert von 70 ng PCB/m3 ersetzt werden sollte (Quelle: Weber et al (2015): Analyse und Trendabschätzung der Belastung der Umwelt und von Lebensmitteln mit ausgewählten POPs und Erweiterung des Datenbestandes der POP-Dioxin-Datenbank des Bundes und der Länder mit dem Ziel pfadbezogener Ursachenaufklärung. Dokumentation 114/2015 Umweltforschungsplan des Bundeministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/analyse-trendabschaetzung-der-belastung-der-umwelt), S. 66f.)
Duldbare tägliche Aufnahmemenge (TDI = tolerable daily intake) und duldbare wöchentliche Aufnahmemenge (TWI = tolerable weekly intake): Von der Weltgesundheitsorganisation wurde im Jahr 2000 für die duldbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) ein Bereich von 1 bis 4 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro Kilogramm Körpergewicht festgelegt. Ein Pikogramm (pg) entspricht einem Billionstel (10-12) Gramm. Der untere Wert von 1 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro Kilogramm Körpergewicht ist als Zielwert zu verstehen.
Der Wissenschaftliche Lebensmittelausschuss (SCF = Scientific Committee on Food) der Europäischen Union hat 2001 eine duldbare wöchentliche Aufnahmemenge (TWI) in Höhe von 14 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro Kilogramm Körpergewicht festgelegt, was rein rechnerisch etwa dem mittleren Wert der WHO-Empfehlung entspricht.
Entsorgung von PCB haltigen Gemischen: Stoffgemische mit einem Gehalt von > 50 mg PCB je kg Gemisch sind als Sonderabfall zu entsorgen
Die EG-Richtlinie 96/59/EG 16. September 1996 über die Beseitigung polychlorierter Biphenyle und polychlorierter Terphenyle (PCB/PCT) schreibt eine Bestandsaufnahme PCB-haltiger Geräte vor, die mehr als 5 dm3 PCB (5 Liter) enthalten. PCB im Sinne der Richtlinie sind außerdem polychlorierte Diphenylmethane (PCDM) sowie jedes Gemisch mit einem Summengehalt größer als 0,005 Gewichts-Prozent (entspricht > 50 mg/kg) der genannten Stoffe. In Deutschland wurde die Richtlinie durch die PCB/PCT-Abfallverordnung vom 26. Juni 2000 umgesetzt.
Für PCB gilt gemäß der POP-VO4 sowie der EU-PCB-Richtlinie und der PCB AbfallV ein Grenzwert von 50 mg/kg, oberhalb dessen die Abfälle grundsätzlich derart beseitigt oder verwertet werden, dass der POP-Gehalt zerstört oder unumkehrbar umgewandelt wird.
Ablagerungsempfehlungen für Abfälle mit organischen Inhaltsstoffen – Vollzugshilfe –-6 / 18-Laut Entscheidung 2003/33/EG des Rates vom 19.12.2002 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren für die Annahme von Abfällen auf Abfalldeponien wird als PCB die Summe von sieben Kongeneren (PCB7) definiert. In der DepV vom 27.04.2009 wird als PCB die Summe der sechs Ballschmiter-Kongenere (PCB6) definiert. Gemäß 1. Änderung der DepV wird PCB als Summe von 7 Kongeneren (PCB7) definiert.Die analytische Bestimmung von PCB in Abfällen wird gemäß DIN EN 15308 von 2008 für 7 Kongenere durchgeführt.Für die Berechnung des gemäß POP-VO und PCB AbfallV definierten Grenzwertesvon 50 mg/kg für PCB wird die Summe der sechs bzw. sieben PCB-Kongenere mit dem Faktor 5 mul-tipliziert.PCB-Kongenere, die aufgrund struktureller Ähnlichkeiten ein den Dioxinen vergleichbares toxisches Wirkprofil zeigen, werden auch als dioxinähnliche PCB (dl-PCB) bezeichnet. Für diese 12 dl-PCB gelten i.d.R. ähnlich strenge Anforderungen und Grenzwerte wie für die PCDD/PCDF.
Unter dem Begriff Dioxine und Furane werden die Stoffklassen der polychlorierten Dibenzo-p-dioxine (PCDD, 75 Kongenere) und der polychlorierten Dibenzofurane (PCDF, 135 Kongenere) zusammengefasst. Dioxine und Furane treten immer in komplexen Kongenerengemischen auf. Von den 210 möglichen PCDD/PCDF-Kongeneren sind toxikologisch besonders relevant die 17 Verbindungen, die in 2,3,7,8-Stellung chlorsubstituiert sind. Dioxine und Furane sind hydrophob und weitgehend inert gegenüber Säuren, Basen, sowie oxidativen und reduktiven Prozessen. Sie sind sehr persistent, kaum biologisch abbaubar und gehören zu den POP. In der POP-VO ist ein Grenzwert für PCDD/PCDF von 15 μg/kg niedergelegt, oberhalb dessen die Abfälle grundsätzlich derart beseitigt oder verwertet werden müssen, dass der POP-Gehalt zerstört oder unumkehrbar umgewandelt wird (Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (2011): Ablagerungsempfehlungen für Abfälle mit organischen Schadstoffen – Vollzugshilfe–06. (Dezember2011) https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuv/abfall/deponierung/pdf/Vollzugshilfe_06122011.pdf
Anlage 5: Bericht des LANUV über PCB-in Fegestaubproben in Betrieben im Dortmunder Hafen
Eine Reihe weitere Betriebe neben Envio wiesen auffällig hohe Werte auf oberhalb des Grenzwertes, oberhalb dessen Material als Sonderabfall entsorgt werden muss.
Anlage 6: Korrespondenz mit Bezirksregierung Arnsberg und Medien zum PCB Emittenten Weihnachtsmarkt
Am 16.05.2018 um 11:00 schrieb Schmied, Joachim:
Depositionsmessungen des LANUV im Fredenbaumpark
Veranstaltung am 26.04.2018
Sehr geehrte Frau Claussen,
bei der Veranstaltung am 26.4.2018 haben Sie auf die auffälligen PCDD/F-Werte an der Messstelle 11 (Fredenbaumpark) im November/Dezember 2018 aufmerksam gemacht.
Zwischenzeitlich haben wir mit der Stadt Dortmund weitere Recherchen durchgeführt.
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass derartige Belastungen in der Regel durch thermische Prozesse verursacht werden. Derzeit liegen Hinweise vor, dass eine Verbindung zum "Mittelalterlichen Weihnachtsmarkt" bestehen könnte, der im Fredenbaumpark stattfand. Dieser Weihnachtsmarkt begann zwar erst am 14.12.2017, jedoch wurden bereits mehrere Wochen vor der Eröffnung (ab Mitte November 2017) bei umfangreichen Aufbau- und Vorbereitungsarbeiten auch zahlreiche Feuer abgebrannt. Die Auffanggläser standen unmittelbar neben der Zeltstadt, in der bei offenen Feuern übernachtet wurde. Bemerkenswert ist, dass beim Weihnachtsmarkt im Jahr 2016 die PCDD/F-Belastung nicht derartig auffällig war. Dies könnte mit abweichenden Abläufen des Weihnachtsmarktes zu erklären sein. Im Jahr 2018 werden vor Ort Überprüfungen im Umfeld der Messstelle erfolgen.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Joachim Schmied
Bezirksregierung Arnsberg
Hauptdezernent
Dezernat 52 - Abfallwirtschaft
59821 Arnsberg
Tel. 02931 822591
Sehr geehrter Herr Schmied,
erst einmal herzlichen Dank, dass Sie meinen Einwand auf der Multiplikatorenveranstaltung noch einmal aufnehmen und mir/uns détailliert antworten!
Allerdings fühle ich mich mit dem Verweis auf den Weihnachtsmarkt, gelinde gesagt: verarscht. Seid wann werden Weihnachtsmärkte schon im November aufgebaut?
Ich hatte auch auf auf den ätzenden Gestank nach verbranntem Öl aus dem Hafen hingewiesen. Und diese olfaktorische Zumutung war keine einmalige Erfahrung beim Spaziergang im Fredenbaumpark! Es ist ein wichtiges Naherholungsgebiet für eine große Zahl von Bewohnern der Nordstadt und darüber hinaus. Unweit davon liegt die Unfallklinik, eine weitere sensible Einrichtung. All das scheint keine Rolle zu spielen.
Ich hatte darauf hingewiesen, dass ein weiterer Emittent im Hafen seit einigen Monaten vermutet wird. Ich kenne Ihre Darlegung in den Antworten im Dortmuner Umweltausschuss (erfüllte Vorgaben, disperse Emissionsquellen, etc pp). Es bleibt jedoch Fakt, dass einem dicht bevölkerten Stadtteil, mit dem höchsten Anteil von Kindern in Dortmund, eine Luftqualität und Emissionsquellen zugemutet werden, dei jeder Beschreibung spotten und in ekinem anderem Stadtteil hingenommen würden.
Der Dortmunder Hafen wird derzeit um jeden Preis und mit Vehemenz in Nutzung gebracht. Vor dem Hintergrund des Envio-Desasters muss hier die Forderung sein, nachbarschafts-, umwelt- und sozialverträgliche Nutzungen anzusiedeln und nicht weiter zu wursteln auf dem end of pipe-Niveau der 70er/80er Jahre. Diese Einsicht und dieses Bemühen vermisse ich auf ganzer Linie.
Die Kürzung Ihres Vortrags um die Fredenbaumpark-Folie fand ich recht "verwegen". Finden Sie, dass sich so Vertrauen zu Bürgern (und hier zu Bürgern, die sich für ihre Stadt einsetzen) herstellen lässt?
Mit freundlichem Gruß
Wiebke Claussen
und BI-Kolleg*innen
Der Leserbrief „PCB im Fredenbaum – Verursacher: der Weihnachtmarkt?“ (der selbstverständlich nicht abgedruckt wurde)
Im November bzw. Dezember des vergangenen Jahres wurden im Fredenbaumpark erhöhte PCB-Werte gemessen. Das unsichtbare Gift PCB ist erbgutschädigend, krebserregend und für diverse weitere Krankheitsbilder verantwortlich.
Um der Belastung auf den Grund zu gehen, hat es offensichtlich eine Begehung des Fredenbaumparks durch Verantwortliche der Stadt Dortmund und der Bezirksregierung Arnsberg zum Zeitraum des Weihnachtsmarktes im November 2018 gegeben.
Selbstverständlich sind die Behörden fündig geworden: Erklärt wird eine erhöhte PCB-Belastung durch die Verwendung von Holzfeuern, Wachsfackeln und Stromaggregaten im Rahmen des Weihnachtsmarktes. Wirklich wahr!
Mit keinem einzigen Wort wird von der Bezirksregierung erwähnt, dass sich die hohen PCB-Werte im Bereich des Hafens und des Fredenbaumparks durch die Sanierungsmaßnahmen auf dem Gelände der Firma Envio erklären lassen. Wir erinnern uns: Envio war seinerzeit für den größten PCB-Skandal der bundesrepublikanischen Geschichte verantwortlich.
Auch wird verschwiegen, warum in den vergangenen Monaten erneut viel zu hohe PCB-Werte im Bereich des Hafens, der Kleingartenanlagen und des Fredenbaums auftraten. Hier liegt die Vermutung nahe, dass es noch (mindestens) eine weitere PCB emittierende Firma im Hafen geben muss.
Wenn die Bezirksregierung die Gefahr nun bei Holzfeuern, Wachsfackeln und Stromaggregaten auf dem Weihnachtsmarkt sucht, wird konsequent die kontinuierliche Emission von Schadstoffen und Giften durch im Hafen ansässige Firmen ignoriert.
Falls man der Argumentation der Bezirksregierung Glauben schenkt, stellt sich zudem die Frage, warum aufgrund der Emissionsbelastung der Weihnachtsmarkt weder abgesagt noch sofort geschlossen wurde!
Die ganze Groteske könnte zum Lachen sein, wenn nicht durch die Fahrlässigkeit der Verantwortlichen in Stadt und Bezirksregierung die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger gefährdet würde.
Anlage 7: Umweltskandale
Es gibt eine Vielzahl von Umweltskandalen, wo sich viele Strukturen des Envio-Skandals wiederholen. Hier eine Auswahl:
2010 - Envio-Skandal in Dortmund
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WDR-Dokumentation die story - „Grünkohl, Gift & Geschäfte“ (http://www.youtube.com/watch?v=ZgmTczMfXuo)
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Interview mit Nicole Vormann (Ökoinvestmentfonds Murphy&Spitz) im WDR-Lokalzeit-Interview 2010 (https://www.youtube.com/watch?v=_E9T9yzL0Jg)
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Sieben Jahre danach: Der Envio-Skandal und die Menschen https://www.youtube.com/watch?v=2NX4hj_WzG0
Die Giftmülldeponie Herfa-Neurode
Es gab seit 1972 die Untertagedeponie Herfa-Neurode in Hessen. Sie wurde für spezielle Chemierückstände und anorganische Reststoffe verwendet, so auch für Rückstände aus der Basler Chemie und später auch PCB-belastete Großtransformatoren. Die Deponie in einem stillgelegten Teil des Kalisalzbergwerks gehört zum Unternehmen der K+S Kali und Salz Entsorgung GmbH, an dem BASF bis März 2011 mit zehn Prozent beteiligt war. In der Untertagedeponie Herfa-Neurode wurden von 1990 bis 1996 ca. 85.500 Tonnen Transformatoren und Kondensatoren entsorgt. Jedoch erlaubt die europäische POP-Verordnung (2004) nur noch in Ausnahmefällen diesen Weg. Die Auslagerung der PCB verseuchten UTB-Trafos aus der Giftmülldeponie im großen Maßstab wurde vereinbart (wer erteilte hier eigentlich die Genehmigung und hielt sie (nicht) nach?).
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Die Untertagedeponie Herfa Neurode (Hessens verborgene Unterwelten Doku (2017) https://www.youtube.com/watch?v=gS447uIFrZU)
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Untertagedeponie Herfa-Neurode Das Giftgrab. 20.10.2006, 14:32 2006-10-20 14:32:00 Südeutsche Zeitung . Von Claudia Mayer (http://www.sueddeutsche.de/wissen/untertagedeponie-herfa-neurode-das-giftgrab-1.910158)
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Das größte Giftgrab der Welt. Die Welt: Pia Heinemann| 24.07.2007 Welt online vom 24.07.07| (http://www.welt.de/welt_print/article1049473/Das_groesste_Giftgrab_der_Welt.html
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Giftmüll Untertagedeponie der Kali+Salz: Herfa Neurode: Weltgrößte Untertage-Giftmüll-Deponie. Deutschlandfunk DLF vom 14.4.2019 (https://www.deutschlandfunk.de/untertagedeponie-herfa-neurode-im-salz-begraben.724.de.html?dram:article_id=445363)
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Herfa-Neurode in HessenDie größte unterirdische Giftmüll-Deponie der Welt. DLF 11.04.2019 https://www.deutschlandfunkkultur.de/herfa-neurode-in-hessen-die-groesste-unterirdische.1001.de.html?dram:article_id=446076
PCB in Bauwerken
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Europäische Gesellschaft für gesundes Bauen und Innenraumhygiene (2019): Bewertungen von Informationen und Prüfberichten zu Produkten/Produktgruppen, Schadstoffen Bausystemen beim Einsatz in Gebäuden mit erhöhten Anforderungen an die „Wohngesundheit“ (Schulen, Kitas und Risikogruppen: Allergiker, Chemikaliensensitive, Schwangere, Kleinkinder...) Informationsstand: 24.05.2019 Raumschadstoff PCB polychlorierte Biphenyle gesundheitliche Folgen Grenzwerterechtliche Fragen. PCB in Schulen und Kitas (http://www.eggbi.eu/fileadmin/EGGBI/PDF/Raumschadstoff_PCB.pdf)
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Nancy Hopf (2018): PCB ist toxisch – räumen wir auf!» Institut für Arbeit und Gesundheit in Lausanne.
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Das vergessene Gift wie PCB uns alle belastet. Doku des SWR aus 2018 (von Florian Nöthe) (https://www.swr.de/betrifft/betrifft-pcb-gift-krebs/-/id=98466/did=21821238/nid=98466/1s1iohx/index.html; https://www.youtube.com/watch?v=cKr8bPoDhcc
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UBA (2015) Christine Herold: Studie PCB im Bausektor mit einer systematischen Untersuchung der Belastung von Siedlung in Tübingen
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Zu PCB-Belastung in Schulen - die tickende Zeitbombe (WDR 'markt' - 18.08.2014) https://www.youtube.com/watch?v=gtStcrX7u04
PCB in Grubenwässer der Ruhrkohle AG
Der Steinkohlebergbau hat sich seit 2018 endgültig aus dem Ruhrgebiet zurückgezogen. Die Folgen des Steinkohlebergbaus z.B. Bergsenkungen und altlastenbelasteten Flächen, die „Ewigkeitslaste“ die weiterhin notwendige Wasserhaltung, um den Wandel der Emscherregion in eine weitläufige Seenlandschaft zu vermeiden, werden der Region weiterhin erhalten bleiben und Vorkehrungen erfordern. Dazu gehören auch Giftmüll, der zur Abfallentsorgung nach den 1980er in Stollen eingelagert wurde, und Maschinen und Maschinenöle. 20.000 t PCB haltige Trafo-Öle wurden untertage verklappt. Mit dem ansteigenden Grubenwasserspiegel steigen diese Stoffe in den Grundwasserspiegel (und damit ins Trinkwasser) auf und gelangen durch die Wasserhaltung und abgepumpte Grubenwasser in Oberflächengewässer der Lippe. Dasselbe gilt für das Saarland. Bisher leugnet die RAG diese Gefahr standhaft.
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PCB – das Gift in der Nachbarschaft“ im Rahmen der Sendung „Könnes kämpft“ (https://www.youtube.com/watch?v=ORnunAICUfE).
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Die story „Glückauf und vorbei: Das Ruhrgebiet nach der Kohle“ (https://www1.wdr.de/fernsehen/die-story/sendungen/glueckauf-und-vorbei100.html)
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Der Streit ums giftige Grubenwasser. In: Bildzeitung vom 3.6.2019 (https://www.bild.de/regional/saarland/saarland-news/umstrittene-rag-plaene-der-streit-ums-giftige-grubenwasser-62384098.bild.html)Alarmierende Schadstoffwerte im Grubenwasser an der Saar
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(https://www.rf-news.de/2018/kw18/alarmierende-schadstoffwerte-im-grubenwasser-und-in-aufnehmenden-gewaessern-an-der-saar)
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Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz des Saarland (2015): Saarland startet umfangreiche PCB-Studien (https://www.euwid-wasser.de/news/politik/einzelansicht/Artikel/saarland-startet-umfangreiche-pcb-studien.html)
Nico Metall im Dortmunder Hafen
Der Kabelverwerter Firma „Nico-Metall“ an der Schäferstraße im Dortmunder Hafen wurde Ende der 1980er Jahre wurde als Folge von Bränden und Abflämmpraxis durch hohe Dioxin- und Furanwerte auffällig. Die Firm wurde geschlossen. Die Fläche wird lediglich mit einer Betondecke verschlossen und wird von der Container Terminal Dortmund GmbH genutzt. Dies führte 1989 bis 1995 zu der Empfehlung an die Kleingärtner, kein Gemüse aus den belasteten Kleingartenanlagen Hafenwiese, Hobertsburg und Westerholz zu essen. (https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/dokumente/16_e_hiester.pdf)
PCB-Lasten im Umfeld der Sondermülldeponie Eyller-Berg in Kamp Lintfort
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Die Sondermülldeponie Eyller Berg in Kamp Lintfort, Bürgerinitiative (http://www.giftberg.de/index.php?option=com_content&view=article&id=210&Itemid=2)
PCB-Emissionen des Giftshredders in Essen-Kray
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Die jahrelange Auseinandersetzung um die PCB-Giftschredder der Recycling-Firma Richter in Essen-Kray (https://www.radioessen.de/essen/lokalnachrichten/lokalnachrichten/article/-beb5b20633.html)
1988 - PCB-Lasten in Remscheid nach dem Absturz eines Militärflugzeugs im Remscheid
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Der Absturz einer amerikanischen Militärflugzeug in Remscheid in 1988, durch den im Absturzgebiet hohe PCB Lasten freigesetzt wurden (Deutschlandfunk Kultur am 5.12.2018 - Flugzeugabsturz über Remscheid 1988Was war an Bord des abgestürzten US-Kampffliegers? - https://www.deutschlandfunkkultur.de/zeitfragen.975.de.html)
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Veronika Wolf (2015): Schweigende Stadt. Tatsachenroman über die Katastrophe des 8. Dezember 1988 in Remscheid. ISBN 978-3-00-047485-9
1985 - Altlast unter einem Neubaugebiet in Dortmund Dorstfeld-Süd 1985
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Roland Kirbach (1985): Gift im Garten: Betreten verboten. Der Dorstfelder Umweltskandal will kein Ende nehmen In: Die Zeit 3. Mai 1985 (https://www.zeit.de/1985/19/betreten-verboten)
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Dorstfeld-Süd: Altlasten-Skandal und kein Ende! 30. Juni 2016 (https://www.dortmundecho.org/2016/06/dorstfeld-sued-altlasten-skandal-und-kein-ende/)
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2016 - Sendung „Umweltgiften hilflos ausgeliefert?“ im Depot in Dortmund in der WDR5-Reihe Stadtgespräche (http://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/stadtgespraech/umweltgiften-ausgeliefert-100.html).
1993 - Sinteranlage der Westfalenhütte in Dortmund als exorbitante Dioxinschleuder
Mitte der 1990er Jahre wird die Sinteranlage bei Hoesch exorbitante Dioxinschleuder ermittelt. Die Ermittlungen über den Vorfall durch die Stadt Dortmund, Landesbehörden und Landtag ziehen sich außerordentlich zäh hin. In Zeiten der Stahlindustrie waren die Luftbelastungen in Dortmund erheblich. Ein einziges Sinterband des Hoesch-Stahlwerks "Westfalenhütte" in Dortmund pustet jedes Jahr ein Achtel der Dioxinmenge in die Ruhrgebietsluft, die in Seveso Tod und Verderben brachte - ganz legal, denn Grenzwerte für solche Sinteranlagen gibt es nicht( Quelle: TAZ 1993). Ein einziges Stahlwerk in Dortmund pustet dreimal so viele Dioxine in die Luft wie alle Müllverbrennungsanlagen (MVA) Deutschlands zusammen. Die Sinteranlage von Hoesch entpuppte sich bei Messungen der nordrhein-westfälischen Landesanstalt für Immissionsschutz als die größte bisher bekannte industrielle Dioxinquelle (http://www.focus.de/magazin/archiv/umwelt-schleichendes-gift-aus-dem-stahlwerk_aid_141820.html). Zum Vorfall wird ein Untersuchungsausschuss wird im NRW Landtag eingesetzt
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Stahlwerke als Dioxinschleudern enttarnt, in: Taz 29.9.1993 (http://www.taz.de/!1598701/ )
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Schleichendes Gift aus dem Stahlwerk, in: Focus Magazin No. 39 vom 27.09.1993 (http://www.focus.de/magazin/archiv/umwelt-schleichendes-gift-aus-dem-stahlwerk_aid_141820.html)
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Untersuchungsausschuss im NRW-Landtag (https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/Webmaster/GB_II/II.2/Suche/Landtag_Intern/Suchergebnisse_Landtag_Intern.jsp?w=native('+(+ID+ph+like+''LI942230''++)')&order=native('ID(1)%2FDescend+')&view=detail)
1950er Jahre und 2017 - Bayer Giftmülldeponie Leverkusener Brücke der A1
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Der Bayer-Giftmüll unter der Leverkusener Brücke, die im Zuge des Autobahnausbaus seit 2018 aufgerissen wird (Bayers giftiges Erbe DLf 12.4.2019 (https://www.deutschlandfunk.de/giftmuell-unter-der-leverkusener-bruecke-bayers-giftiges.724.de.html?dram:article_id=446109)
1976 - Seveso Unfall
Am 10 Juli 1976 ereignete sich im italienischen Seveso, nahe Mailand, in einer zum Roche-Konzern gehörende Chemiefabrik ein schwerer Unfall. Der Unfall setzte hochgiftiges Dioxin frei, was die Firmenleitung aber erst acht Tage später bekanntgab. 3300 Tierkadaver wurden im Umfeld gefunden; viele Menschen erkrankten an Chlorakne. Die Zwangsräumung des Gebiets begann erst am 26. Juli. Ein Gericht verurteilte fünf Verantwortliche des Unternehmens zunächst zu Freiheitsstrafen, die aber in der Bewährung zur Berufung ausgesetzt wurden. Daraus hervor ging die Seveso Richtlinie.
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3Sat Doku - SEVESO: Zeitbombe Chemie Dioxine (https://www.youtube.com/watch?v=rKezQ-mzoXo)
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Gambit - Neue Wahrheiten über Seveso Teil 1 und 2 https://www.youtube.com/watch?v=NDFtQ2dvyF0 und https://www.youtube.com/watch?v=EgXJJTo7xSk
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Jörg Sambeth (2004): Zwischenfall in Seveso. Der Tatsachenroman über das, was vor, während und nach der Katastrophe von Seveso geschah. Die Gewissenserforschung eines verantwortlichen Managers.
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Vahrenholt, Fritz, Koch, Egmont R. (1978): Seveso ist überall.
1984 - Der Dioxinskandal um das Hamburg Boehringer Chemiewerk und die Deponie Georgswerder
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Hamburgs giftiges Industrieerbe. Immer wieder Dioxin DLF 14.4.2019 ( https://www.deutschlandfunk.de/hamburgs-giftiges-industrieerbe-immer-wieder-dioxin.740.de.html?dram:article_id=446163)
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Dioxin 1984 –Hamburg Gift Dokumentation 1982 über Boehringer http://www.youtube.com/watch?v=_OIvAczLGAk&list=PL09A9B9A0FBD2D44C
2018 – Produktion und Entsorgung Ölpellets in Gelsenkirchen in einer Tongrube in Schermbeck (Gahlener Mühlenberg)
47.000 t industrieller Giftmüll wurde im Laufe der Jahre in der Tongrube in Schermbeck entsorgt, darunter auch Ölpellets der BP aus Gelsenkirchen, die als Nebenprodukt illegal entsorgt wurden.
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Billig entsorgt: Wie sich BP krebserzeugender Raffinerierückstände entledigt. Monitor vom 27.9.2018 (https://www.ardmediathek.de/ard/player/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLTlhYTc2MDY5LTkwM2ItNGMzMy04NzMxLTY2OWI5NmE3NzViMg/)
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Umweltskandal - Dunkle Materie aus Gelsenkirchen. Süddeutsche Zeitung vom 30.1.2019 (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/umweltskandal-dunkle-materie-aus-gelsenkirchen-1.4309364)
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Illegale Raffinerieabfälle. Nur die Spitze vom Müllberg? DLF 16.04.2019 (https://www.deutschlandfunkkultur.de/illegale-raffinerieabfaelle-nur-die-spitze-vom-muellberg.1001.de.html?dram:article_id=446425)
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Ölpellets in Schermbeck – BP weist Vorwürfe zurück in NRW vom 28.6.2018 (https://www.nrz.de/staedte/wesel-hamminkeln-schermbeck/oelpellets-in-schermbeck-bp-weist-vorwuerfe-zurueck-id214715673.html)
Giftmülldeponie in Ochtrup
Bis 2001 wurde die Tongrube in Ochtrup als Sondermülldeponie betrieben, in der 800.000 t z.T. dioxinhaltige Industrieabfälle, giftige Klärschlämme, Schlacken von ThyssenKrupp abgekippt wurden. Der Betreiber ist inzwischen insolvent. Der Landkreis mit der Sanierung der Deponie beauftragt.
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Die Todestanks werden abgebaut, WN vom 03.09.2008 (https://www.wn.de/Muensterland/Kreis-Steinfurt/Ochtrup/2008/09/Ochtrup-Deponie-Die-Todestanks-werden-abgebaut)
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Sondermülldeponie Ochtrup - Viele Fragen bleiben offen, WN vom 18.11.2015 (https://www.wn.de/Muensterland/Kreis-Steinfurt/Ochtrup/2015/11/2181532-Sondermuelldeponie-Ochtrup-Viele-Fragen-bleiben-offen)
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SAD war Thema im Umweltausschuss - Viele kritische Fragen zur Deponie , WN vom 16.05.2018 (https://www.wn.de/Muensterland/Kreis-Steinfurt/Ochtrup/3301172-SAD-war-Thema-im-Umweltausschuss-Viele-kritische-Fragen-zur-Deponie)
Weiteres zu Umweltgiften, Umweltskandalen und Lobbyismus
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Die Holzschutzmittel Opfer - Xyladecor - Legal vergiftet, dann vergessen https://www.youtube.com/watch?v=DPMANK4KIhc
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3Sat Doku - Umweltgifte und Lobbyismus Wissenschaft im Dienst von wirtschaftlichen Interessen https://www.youtube.com/watch?v=kHlSMZEMosI
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Illegale Verklappung von Giftmüll, Krankenhausabfällen in Kalabrien: Das Gift der Mafia. Und das europäische Gesetz des Schweigens (https://www.arte.tv/de/videos/062283-000-A/das-gift-der-mafia/)
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3Sat-Doku - "Lobbyisten - die stille Macht im Land" SWR (3.12.2014) (https://www.youtube.com/watch?v=Apv-pJD_GEY)
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Dreckschleuder Deutschland. Wir sind gut, denken wir Deutschen: grün, sauber, öko. In Wirklichkeit produzieren wir luxuriöse Feinstaubschleudern, trennen Müll - um dann doch alles zusammen zu verbrennen - und verseuchen Äcker und Flüsse. Wer blockiert eine vernünftige Umweltpolitik? WDR 5 -Dok 5 das Feature: (https://www1.wdr.de/mediathek/audio/feature-depot/index.html)
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Altlasten Die Last mit den stillgelegten Mülldeponien, Deutschlandfunk DLF vom 11.4.2019 (https://www.deutschlandfunk.de/altlasten-die-last-mit-den-stillgelegten-muelldeponien.724.de.html?dram:article_id=446103)
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Bundesweites Rechercheprojekt Wo der Giftmüll seine Spuren zieht. Deutschlandfunk 2019 (https://www.deutschlandfunk.de/giftmuell.3898.de.html)
1Quelle: PCB-Management: erledigte und unerledigte Hausaufgaben Rede von Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes, auf der Veranstaltung „30 Jahre PCB-Management – was ist (noch) zu tun?“ am 20. August 2013 in Berlin (https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/377/dokumente/pcb_management_erledigte_und_unerledigte_hausaufgaben.pdf
2https://www.booiman.de/docs/PCB_RichtlinieNRW.pdf
3Die Sanierungsdringlichkeit von PCB-belasteten Gebäuden wurde unter toxikologischen Gesichtspunkten durch das frühere Bundesgesundheitsamt (BGA) und die Arbeitsgemeinschaft der Leitenden Medizinalbeamten der Lander (AGLMB) bewertet. Auf der Grundlage des damals geltenden TDI (tolerierbare tägliche Aufnahme) von 1.000 ng PCB pro kg Körpergewicht und Tag (festgelegt vom ehem. Bundesgesundheitsamt 1983 (LUA 2002)) wurde für die Raumluft ein Gefahrenwert von 3.000 ng PCB/m3 abgeleitet. Bei dieser Konzentration ist der alte TDI allein über die belastete Atemluft ausgeschöpft. Der von der WHO 2003 aktualisierte TDI von 20 ng PCB/kg KG/Tag ist um den Faktor 50 niedriger als der alte TDI von 1.000 ng PCB/kg KG/Tag. Somit verlor aus unserer Sicht der Gefahrenwert der PCB-Richtlinie (3.000 ng PCB/m3) seine fachliche Basis. Der aktualisierte Gefahrenwert musste demzufolge um den Faktor 50 niedriger und damit bei 60 ng PCB/m3 liegen.
4POPs (persistent organic pollutants) sind langlebige Schadstoffe, die sich in der Umwelt und in Mensch und Tier anreichern. Sie sind ein globales Problem. Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören ebenfalls zu den POPs
---LINK ZUR PDF DATEI- Chronologie des Envio-Skandals---
Hier ein Link zu einer sehr guten Übersicht über Mess- und Bewertungsgrößen über PCB in Innenraumluft-
inklusive eines Links zum TV Bericht von SWR 3- PCB-die unterschätzte Gefahr .
Europäische Gesellschaft für gesundes Bauen und Innenraumhygiene (2019): Bewertungen von Informationen und Prüfberichten zu Produkten/Produktgruppen, Schadstoffen Bausystemen beim Einsatz in Gebäuden mit erhöhten Anforderungen an die „Wohngesundheit“ (Schulen, Kitas und Risikogruppen: Allergiker, Chemikaliensensitive, Schwangere, Kleinkinder...) Informationsstand: 24.05.2019 Raumschadstoff PCBpolychlorierte Biphenylegesundheitliche FolgenGrenzwerterechtliche FragenPCB in Schulen und Kitas
http://www.eggbi.eu/fileadmin/EGGBI/PDF/Raumschadstoff_PCB.pdf
Fotos der Diplom Fotodesignerin Julia Unkel aus ihrem Projekt zum PCB-Skandal wurden September in das Pixelprojekt Ruhrgebiet aufgenommen. Zurzeit hängen diese Fotos- gemeinsam mit allen anderen Neuzugängen diesen Jahres, die durch eine Jury ausgewählt wurden, im Wissenschaftspark Gelsenkirchen. "255,736 Mikrogramm" ist der Titel ihrer Fotoserie- und bezeichnet den Wert an PCB, der im Blut von Envio-Arbeitern gemessen wurde. Hier finden Sie die komplette Serie.
Eindrücke von der Ausstellungseröffnung, bei der auch BI-Mitglieder anwesend waren.
Brief der BI an die Bezirksregierung Arnsberg anlässlich der Depositionsmengen, die im August durch das LANUV veröffentlicht wurden
Sehr geehrter Herr Schmied,
sehr geehrte Damen und Herren,
wir haben die Ergebnisse der jüngsten Depositionsmessungen (vom 08.08.2018), ergänzt um Außenluftmessungen im Hafen erhalten. Auffällig sind die erhöhten Messwerte am Messpunkt Hafenwiese im Mai 2018 (PCDD/PCDF und PCB und Summe der PCB gesamt) bzw. die Werte der Außenluftmessungen im Mai/Juni 2018 (siehe Anlage 1).
Beigefügt war dem Schreiben die Erklärung des LANUV, das verschiedene Erklärungen geprüft, aber keine plausible Erklärung für die ermittelten Werte gefunden hat. Ein Bezug zur Sanierung, die Anfang Mai 2018 begonnen wurde und voraussichtlich bis Ende 2018 andauern wird, wurde nicht hergestellt. Dies ist umso unerklärlicher, als derzeit der sensibelste und der am stärksten PCB-verseuchte Sanierungsabschnitts läuft. Weitere Untersuchungen zur Ermittlung der Ursache/Quelle der erhöhten Werte wurden im LANUV-Schreiben nicht in Aussicht gestellt (Anlage 2).
Aufgrund der Niederschlagsarmut in den letzten Monaten werden mögliche in die Atmosphäre gelangte Schadstoffe nicht ausgewaschen, sondern weiter durch die Luft verwirbelt und aufkonzentriert. Das Messprotokoll der nächsten Monate wird Aufschluss darüber geben, ob die Messwerte in den trockenen Sommermonaten weiter auf hohem Niveau verblieben sind.
Es ist völlig inakzeptabel, wie ein Mißstand hingenommen wird und es der Bevölkerung zugemutet wird, mit den Schadstoffen in der Luft „zurechtzukommen“. Die Lage wird verharmlost. Die Behörden beschränken sich auf eine reine Dokumentationstätigkeit (immerhin werden diese Werte der Öffentlichkeit vermittelt). Sie entziehen sich aber der Verantwortung, den Ursachen weiter nachzugehen, die Missstände abzustellen und Vorsorge für die Gesundheit von Anwohnern und Anrainern zu treffen.
Wir von der „Bürgerinitiative zur Aufklärung des PCB-Skandals in Dortmund“ (www.pcb-skandal.de) möchten zu diesem Thema einige Fragen anschließen.
(1) Fragen zum Protokoll der letzten Fegestaub- und Außenluftmessungen um das Envio Gelände
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Welchen Bezug gibt es zwischen den Sanierungsarbeiten und den erhöhten Messwerten?
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Inwieweit sind diese erhöhten Messwerte auch mit den Messergebnissen der Messstationen auf dem Sanierungsgelände selbst abgeglichen worden? Was haben die Ergebnisse ergeben?
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Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen im Hinblick auf den Gesundheitsschutz sensibler Nutzer/Bevölkerungsgruppen (hier u.a. die Kleingärtner der KGA, die Unfallklinik, Erholungsfläche Fredenbaumpark, Kitas und Schulen), z.B. die Verschärfung einer negativen Verzehrsempfehlung?
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Welche weiteren Maßnahmen ergreifen Sie, um Ursache und Quellen der erhöhten Messwerte zu ermitteln?
Keine Erwähnung fand in der schriftlichen Darstellung des, dass auch die Messsäule der PCDD/PCDF und PCB im Februar 2018 und die Summe der PCB gesamt im April 2018 am Standort Containerhafen unerklärlich hoch waren. Für den April liegen für den Fredenbaumpark bedauerlicherweise keine Messwerte vor (Anlage 3).
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Woher rühren diese Werte? Welche Maßnahmen werden ergriffen, um den Verursacher zu ermitteln und den Missstand abzustellen?
Wir möchten jedoch noch zwei weitere Anmerkungen zu dem Themenkomplex anfügen:
(2) Darstellung der Luftbelastungssituation auf der Multiplikatorensitzung am 26.04.2018
Ich (Wiebke Claussen) hatte als Vertreterin unserer Bürgerinitiative an der letzten Multiplikatorensitzung am 26.04.2018 im Bergamt teilgenommen. Bei Ihrer Vorstellung der Luftbelastungssituation hatte ich moniert, dass Sie die Folie der Messwerte am Standort Fredenbaumpark, die im Zeitraum im November/Dezember 2017 sehr hohe Messwerte zeigte, nicht präsentiert hatten. Ich wies darauf hin, dass diese hohen Werte auf einen weiteren Emittenten im Hafen hinweisen würden und dieser Emmitent ermittelt werden müsse. Die These solch weiterer Emittenten wird ja seit der vorletzten Messphase auch vom LANUV wieder in die Diskussion gebracht.
Sie waren dieser Frage weiter nachgegangen und hatten uns kurze Zeit nach dem Multiplikatorentreffen freundlicherweise eine Erklärung für die hohen Werte zukommen lassen (Anlage 4). Allerdings hielten wir die Ursache, auf die verwiesen wurde: die Lagerfeuer als Dioxinschleudern auf dem mittelalterlichen Weihnachtsmarkt, für alles andere als plausibel. Dioxine und Furane werden beim Verbrennen von chlorhaltigen Substanzen, Plastik u.ä. erzeugt. Wir halten die massenhafte Verbrennung von Plastik in den Lagerfeuern für eher unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher scheinen die Emissionen von anderen z.B. Schrottverwertern im Hafen. Hierzu eine Frage:
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Welche Maßnahmen werden ergriffen, um den/die Verursacher der Emissionen zu ermitteln und die Missstände abzustellen?
(3) Darstellung der Situation der Angler im letzten Hafenmagazin Dock
Ein Artikel in der jüngsten Ausgabe der Hafenblättchens „Dock Hafenmagazin“ (3/2018 (siehe Anlage 5) hat uns sehr irritiert. In dem Beitrag "Das Glück hängt am Haken" lässt sich Bastian Reetz über sein Anglerglück interviewen. Sowohl die Herausgeber des Hafenmagazins, die Hafen AG wie auch der Interviewte wirken hier tatkräftig daran mit, das Image des Hafens als Arbeits- und Lebensort aufzupolieren – und die Belastung von Hafen und Hafenfisch zu verharmlosen. Denn in 2010/2011 wurde eine negative Verzehrsempfehlung für Hafenfisch ausgegeben und den Anglervereinen vermittelt. Weitere Messungen oder gar eine Entwarnung wurden nicht getätigt. Diese Verharmlosung ist unerträglich und verantwortungslos. Wir fordern Hafen AG und die Wirtschaftsförderung Dortmund auf, diese verantwortungslose Form der Verharmlosung zu beenden.
Dazu eine weitere Frage:
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Wie wird die Belastung des Hafenfischs aktuell eingeschätzt? Wann ist mit einer erneuten Überprüfung von Hafenfisch zu rechnen?
Mit freundlichem Gruß
Bürgerinitiative zur Aufklärung des PCB-Skandals in Dortmund (angehängte Anlagen wurden wegen der Übersicht nicht hier eingestellt)
Der Brief an die BI findet sich hier in PDF-Form:
Hier das Antwortschreiben der Bezirksregierung an die BI_10_2018
Der Envio-Skandal in größeren Zusammenhängen
Die Agenda 2010 war auch ein "Meilenstein", der den Envio-Skandal ermöglichte. Denn auch der Betriebsablauf von Envio, mit nur wenigen Leuten an Stammbelegschaft, stützte sich vor allem auf den Einsatz von vielen Arbeitskräften aus Verleihfirmen. Und bei dieser prekär beschäftigten Randbelegschaft wurde zynischerweise am Lohn und an Arbeitsschutzstandards gespart.
In dem Artikel aus dem Jungen Welt vom 01.03.2018 werden kenntnisreich, knapp und verständlich Wesen und Wirkung der Agenda 2010 dargestellt.
"In Verbindung mit dem im April vorherrschenden West-Süd-West Wind ist eine Emissionsquelle im westlich gelegenen Hafenbereich zu vermuten"
(Zitat aus einem Brief der Wirtschaftsförderung DO an die Mitglieder des runden Tisches)
Bekanntgabe von (Staubniederschlagsmessungen) und Außenluftmessungen
vom 17.07.2017 sowie die Übersicht der Windrichtungsverteilung
des Landesamtes für Natur,Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV)
vom 18.07.2017 im Bereich des Dortmunder Hafens .. Die Bezirksregierung Arnsberg teilt uns hierzu mit: "PCB im Dortmunder Hafen - PCDD/PCDF- und PCB-Depositionsmessungen sowie Luftkonzentrationsmessungen des LANUV im April und Mai 2017 Das LANUV hat den Messbericht vom 17.07.2017 über die Belastung des Staubniederschlages (Deposition) und der Außenluft (Schadstoffaufnahme über die Lunge) durch Dioxine, Furane und PCB sowie die Windrichtungsverteilung im Bereich des Dortmunder Hafens in den Monaten April und Mai 2017 vorgelegt. Die Daten der vorherigen Monate und die Mittelwerte der Vorjahre wurden ergänzend mit aufgenommen. Die Ergebnisse der Depositionsmessungen liegen am Messpunkt Fredenbaumpark innerhalb der normalen Schwankungsbreite der bisher ermittelten Monatsmittelwerte. Dies trifft auch für die nur am Standort Hafenwiese durchgeführten Außenluftmessungen zu. Am Messpunkt Containerterminal liegt die PCB-Depositionsbelastung im April mit 9,1 µg/(m² x d) deutlich höher als die bisherigen Jahresmittelwerte. Deutlich geringer aber immer noch auffällig ist die Belastung am Messpunkt Hafenwiese (0,34 µg/(m² x d)). Im Mai sinken die Werte auf das übliche Niveau. In Verbindung mit dem im April vorherrschenden West-Süd-West Wind ist eine Emissionsquelle im westlich gelegenen Hafenbereich zu vermuten. Die gemeinsame Untere Umweltschutzbehörde der Städte Bochum, Dortmund und Hagen wird Überprüfungen zur Ursachenermittlung durchführen." Den Bericht des LANUV finden Sie auch auf der Internetseite des LANUV https://www.lanuv.nrw.de/landesamt/veroeffentlichungen/umweltumweltschadensfaelle/ereignisse-und-stoerfaelle-in-industrieanlagen/ unter "PCB im Dortmunder Hafengebiet".
Am 4.April 2017 wurde am Landgericht Dortmund eine Einstellung des Verfahrens bezüglich des PCB-Skandals bei der Firma Envio beschlossen. Beobachtungen dazu:
"Keine Buße"
"Dann wär 's das für heute.." beendet Richter Thomas Kelm den offiziellen Teil des letzten Verhandlungstages. Ein historisches Datum, der 4.4.2017, nur durch erhöhte Kamerapräsenz und mehr Publikum im Gerichtssaal (11 Pressevertreter und 14 Zuhörer) als solches zu erkennen. Und vielleicht noch durch ein T-Shirt mit der Aufschrift "Justizversagen?", das einer der BI Vertreter trägt und nach der Verkündigung der Verfahrenseinstellung auch sichtbar macht.
(Foto: BI Protest vor dem Landgericht anlässlich der Verfahrenseinstellung)
Der Prozess am Landgericht Dortmund bezüglich des Envio- PCB-Umweltskandals wird beendet. Das Verfahren, das am 9. Mai 2012, also vor fast fünf Jahren begonnen hatte, wird nach über 165 Verhandlungstagen eingestellt.
Die 21 noch verbliebenen Nebenkläger werden von drei Anwälten vertreten. In der Summe sind von den Angeklagten 80010 € zu zahlen- der Betrag wird unter den Nebenklägern aufgeteilt, so dass jeder von ihnen 3810 Euro erhält. Das entspricht, wenn man vom aktuellen Mindestlohn ausgeht einer Zahlung in Höhe von rund 11 Wochen Arbeit. Wie diese Summe berechnet worden ist wird nicht erläutert. Nur, dass Dirk Neupert als Geschäftsführer 70010 € und sein ehemaliger Betriebsleiter K. 10000 € zu zahlen haben.
Erwähnenswert ist weiterhin, wie die Zahlung dieser Geldsumme von Seiten der Verteidigung des ehemaligen Envio Geschäftsführers Dirk Neupert deklariert wird: diese Geldzahlung sei "keine Buße", sondern nur als Entschädigung für die Umstände des langen Prozesses zu sehen. Die Zustimmung zur Verfahrenseinstellung erfolge rein aus prozessökonomischen Gründen.
Der Richter betont, dass er zwar den Anstoß zu dieser Einigung gegeben habe, an den Gesprächen selbst nicht beteiligt gewesen sei. Er fragt bei jeder einzelnen der Parteien nach deren Zustimmung: sie wird von allen bestätigt. Das hohe Gericht ist an diesem Prozesstag zweimal für jeweils nur kurze Zeit in Robe im Gerichtssaal sichtbar, die meisten Gespräche finden informell hinter den Kulissen statt, für die Öffentlichkeit nicht einsehbar.
Von Seiten des Staatsanwaltes Dr Marc Sotelsek erfolgt nur ein kurzes Statement, nämlich, dass das Verfahren nicht so zu Ende gehe, wie die Staatsanwaltschaft sich das vorgestellt hat. Die Zustimmung zur Verfahrenseinstellung erfolge, damit Schritte in Richtung des Rechtsfriedens erfolgen können.
Eine Bedingung, mit der sich die Empfänger der Entschädigungszahlung einverstanden erklären müssen ist die, dass im Falle weiterer juristischer Schritte, beispielsweise zivilrechtliche Klagen, die heute festgelegte Zahlung mit in eventuell folgende Ansprüche einzurechnen ist. Wirksam wird die heute beschlossenen Einstellung des Verfahrens dann, wenn alle Nebenkläger signalisiert haben, dass sie ihr Geld erhalten haben. Das Gericht setzt eine Frist von drei Monaten für die Zahlung.
Dirk Neupert wird nach Verlassen des Landgerichts von einer Dame regelrecht verfolgt, sie möchte, dass er stehen bleibt und mit ihr redet. Sie hatte sich der BI gegenüber als ehemalige Lebensgefährtin eines Geschädigten vorgestellt. Ob sie mit ihrem Gesprächsanliegen an Herrn Neupert Erfolg hatte wissen wir nicht. Aber auch ein Dirk Neupert mit seinem Stab von drei Verteidigern wird weiterhin nicht umhin kommen, sich an der einen oder anderen Stelle mit direkten Ansprachen von Seiten Betroffener oder Informierter auseinandersetzen zu müssen.
Envio als Thema im Studienbetrieb aufgegriffen
Beim BI Treffen im Mai waren Studenten der TU Dortmund zu Gast, die das Thema "Envio" für eine Studienarbeit bearbeiten. Wir sind gespannt auf die Recherche-Ergebnisse.
Umweltgiften hilflos ausgeliefert?
Hier folgt ein Bericht über das WDR5-Stadtgespräch „Umweltgiften hilflos ausgeliefert?“, das am 15.9.2016 im Depot in Dortmund stattfand.
(http://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/stadtgespraech/umweltgiften-ausgeliefert-100.html)
Eingeladen waren als Diskutanten auf dem Podium:
Staatssekretär Peter Knitsch, NRW-Umweltministerium
Dirk Jansen, Bund für Umwelt und Naturschutz
Dr Rainer Mackenbach, Leiter Umweltamt Dortmund
Jan De Bondt, Siedlergemeinschaft Dorstfeld-Süd
Der Rechtsanwalt Reinhard Birkenstock, der die Nebenkläger im Envio-Prozess vertritt, hatte Termin bedingt kurzfristig abgesagt.
Die Redaktion der Sendung hatte Maria Sand-Kubow inne. Die Moderation lag in den Händen von Beate Kowollik.
Anlass der Sendung waren die Recherchen des WDR-Journalisten Thorsten Pfänder zu den Umweltskandalen Dorstfeld-Süd und der Envio-Skandal um den Recycler PCB-verseuchter Großtransformatoren im Dortmunder Hafen. Gegenstand der Sendung waren allerdings auch noch weitere Umweltskandale im Land, die die Menschen an Rhein und Ruhr empören. Brisante Produktionsstätten werden offenbar nicht scharf genug kontrolliert. Aufsichtsbehörden sind nicht in der Lage, die Umweltvergifter zu identifizieren. Und vor Gericht pauken versierte Anwälte die Verdächtigen aus der Verantwortung.
Erfahren die Bürger sich „als hilflose Opfer“, die von der Bürokratie abgewimmelt werden? Überlässt die Landesregierung den Schutz seiner Bürger zu sehr den örtlichen Behörden, die aus Mangel an Personal kapitulieren? Brauchen wir verschärfte Haftungsgesetze für Unternehmen, die mit gefährlichen Stoffen arbeiten? Was ist aus den Umweltskandalen zu lernen, was ist an Änderungen einzufordern, um Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen, eine nachhaltige Sanierung vergifteter Flächen zu erreichen, die Leidtragenden zu entschädigen und Umweltverseuchung gar nicht erst entstehen zulassen? Welche Rolle spielen Bürgerinitiativen dabei? Dies und mehr wurde diskutiert am 15. September. In der Sendung ging es um eine Vielfalt von Umweltskandalen im Land.
In der Sendung ging es um eine Vielzahl von Umweltskandalen im Land:
Dorstfeld-Süd: Thorsten Pfänder erläuterte eingangs seine Recherchen zur auf Gift gebauten Siedlung Dorstfeld-Süd. Mitte der 80er Jahre wurde die Siedlung zu einer der großen Altlasten-Fälle in der Bundesrepublik: Das Kerngebiet in Dorstfeld-Süd wurde saniert. Pfänders Recherchen in 2015/2016 machten deutlich, dass Gesundheitsgefahren von der Fläche nach wie vor ausgehen. Er ermittelte 80 Krebsfälle. Als Folge führte das Dortmunder Gesundheitsamt eine Befragung von Bewohnern durch. Es erwies sich, dass 104 Bewohner (bei 1.250 Anwohnern) an Krebs erkrankt sind.
Ein Diskutant wies auf die vorgesehene Wohnbebauung auf einer hochkontaminierten Fläche der ehemaligen Zeche Haus Aden in Bergkamen hin. Aus dem Fall Dorstfeld-Süd wurde offenbar wenig gelernt.
Envio: Bei der Entsorgungsfirma Envio, einem Recycler PCB-verseuchter Transformatoren im Dortmunder Hafen, haben Arbeiter und ihre Familienangehörigen krebserregendes PCB im Blut, aber niemand scheint zur Verantwortung gezogen zu werden (siehe der Einspieler im Stadtgespräch und http://www.pcb-skandal.de/). 2010 wurde der Umweltskandal öffentlich bekannt. Der Envio-Betrieb wurde 2010 geschlossen und ging später in die Insolvenz. 150 Leiharbeiter waren bei Envio tätig. 44 Personen stellten Anträge auf Anerkennung einer Berufskrankheit. Über 330 Menschen nehmen im Nachgang des Envio-Giftskandals an einem Gesundheitsbetreuungsprogramm teil. Dazu gehören ehemalige Envio-Mitarbeiter, Leiharbeiter, aber auch Mitarbeiter benachbarter Betriebe, Kleingärtner - und perfiderweise die Familienangehörigen, auch kleine Kinder, die das Gift über die schmutzige Arbeitskleidung der Envio-Arbeiter, die zu Hause gewaschen wurde, aufnahmen. Der Strafprozess wird seit 2012 in Dortmund, inzwischen in 155 Prozesstagen verhandelt. 22 ehemalige Envio-Beschäftigte treten als Nebenkläger im Prozess auf. Diese Nebenklage wurde durch Grüne, Linke, Gewerkschafter und andere organisiert. Es ist wahrscheinlich, dass die Verantwortlichen ohne Strafe aus dem Prozess hervorgehen. Die Aussichten für die Geschädigten sind düster. Die PCB-verseuchten Betriebsflächen und Anlagen in Hafen werden derzeit saniert, auf Kosten des Steuerzahlers. Dirk Jansen vom BUND beschrieb den Envio-Skandal als „Mischung aus krimineller Energie, Behördenversagen und fehlender ordnungsrechtliche Regulierung“. Staatssekretär Knitsch formulierte deutlich, „dass die Bezirksregierung Arnsberg im Fall Envio in Vollzug und Überwachung versagt habe“.
In vielen Kleingärten im Ruhrgebiet ist das angebaute Gemüse seit Jahren so durch Gifte belastet, dass die Landesumweltbehörde LANUV negative Verzehrsempfehlungen ausgesprochen hat und vom Verzehr der Gartenerträge abrät. Kleingärtner aus Duisburg stellten ihre Situation in den Blei- und Cadmium verseuchten Kleingärten dar
Beim PFT-Skandal an der Ruhr ging es darum, dass zig Tonnen Klärschlamm, die mit Sondermüllt und perflorierten Tensiden (PFT) belastet waren, als Kompost auf Äcker im Oberlauf der Ruhr und der Möhne aufgetragen worden waren. Eher zufällig stießen Forscher vom Hygiene-Institut der Uni Bonn im Juni 2006 auf einen der bislang größten NRW-Umweltskandale: Sie untersuchten die Konzentration von schwer abbaubaren Schadstoffen entlang des Rheins und stellten dabei auf auffällig erhöhte Werte von perfluorierten Tensiden an der Mündung der Ruhr fest. Das Team um Harald Färber verfolgte die Spur flussaufwärts und fand mehrere Schadstoffquellen am Oberlauf der Möhne. Auch im Trinkwasser und Fischen wurden PFT nachgewiesen. Inzwischen wurden in der Region etwa 1.000 PFT-Verdachtsflächen festgestellt; mindestens 15.400 Tonnen des als „Bodenhilfsstoff“ deklarierten Sondermülls der Firma GW Umwelt gelangten auf Feld, Wald und Wiese.
(http://www.bund-nrw.de/themen_und_projekte/wasser/pft_skandal/)
(www1.wdr.de/archiv/jahresrueckblick/pftskandal100.html).
An den Umweltskandal schloss sich dann der Politik- und Justizskandal an, in dem die Angeklagten freigesprochen und der Staatssekretär Dr. Harald Friedrich durch den damaligen Umweltminister Uhlenberg der schwarz-gelben Landesregierung NRW entlassen wurde
http://www.derwesten.de/politik/eine-teure-justizposse-im-hause-uhlenberg-id9027.html,
http://www.ruhrbarone.de/dr-harald-friedrich-und-das-schlechte-trinkwasser-an-der-ruhr/41239)
Einige weitere Beispiele aus dem Bergbau: Die Ruhrkohle AG leitet PCB-verseuchte Grubenwässer in die Lippe. Der BUND erstattete Strafanzeige gegen die Ruhrkohle AG. Das Verfahren wurde allerdings eingestellt
(Filmbeitrag „PCB-Gift in der Nachbarschaft“ http://www1.wdr.de/fernsehen/koennes-kaempft/sendungen/pcb-gift-100.html).
In den 1990er Jahren lagerte die Ruhrkohle AG Giftmüll in Bergwerksstollen ein, allein 600.000 t als Wirtschaftsgut deklarierte Filterstäube aus Müllverbrennungsanlagen. Insgesamt wurden 1,6 Mio t Giftmüll untertage eingelagert. Mit der künftigen Grubenwässerhaltung im Zuge des auslaufenden Bergbaus ab 2018 drohen diese Giftstoffe ins Trinkwasser zu geraten
www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/bergwerke-gift-gutachten-100.html )
Ein Diskutant berichtete von der Sanierung der Opelfläche in Bochum, bei der sich eine Bürgerinitiative für eine sachgerechte Dekontaminierung und den Arbeitsschutz der Arbeiter bei der Entsorgung der Asbest- und PCB-verseuchten Baumaterialien einsetzt.
Im Stadthafen Lünen soll demnächst eine Wasserbesprengung die giftbelasteten Stäube binden helfen.
(https://www.lanuv.nrw.de/uploads/tx_commercedownloads/30061.pdf)
Die Rechtspositionen:
Hartmut Scheidmann aus der Bonner Kanzlei Redeker wurde in der Sendung zu rechtlichen Fragen befragt. Er stellte dar, dass es hinreichende rechtliche Grundlagen für das Eingreifen des Staates gäbe, z.B. dass die zuständigen Umweltbehörden in Richtung Sanierung und Sanierungsuntersuchungen tätig werden und sich der für Umweltbelastungen verantwortliche Akteur einer Sanierung stellt. Für die zivilrechtliche Durchsetzung gegen den Schädiger seit das strenge Umwelthaftungsgesetz zu nennen. Scheidmann verwies hier auf die verschuldensunabhängige Haftung der Betreiber von Anlagen, die Beweiserleichterung und ausdrückliche Kausalitätsvermutung beim Umgang mit gefährlichen Stoffen. Im Falle von Envio habe der Betrieb allerdings Insolvenz angemeldet und somit ein Urteil möglicherweise nicht vollstreckbar.
Dirk Jansen BUND wies darauf hin, dass dieses Recht auch anzuwenden und umzusetzen sei. Behörden seien z.B. dazu verpflichtet, bei besonders gefährlichen Betrieben die Störfallbetriebe einmal jährlich zu überprüfen. De facto wurden aber in NRW in den drei Jahren 2012-2014 1/3 der Störfallbetriebe überhaupt nicht kontrolliert.
Die Anwohnersicht aus Dorstfeld-Süd:
Jan de Bondt schilderte aus Betroffenensicht die Situation in Dorstfeld. Die Fälle ähnlicher Krebsarten häuften sich in der Nachbarschaft. Er habe ein Interesse, in dem Umfeld, in dem er das Haus seiner Eltern übernommen habe, wohnen zu bleiben, aber in einem nicht krank machenden Umfeld wohnen zu wollen. Aus diesem Grund engagiere er sich. Seiner Erfahrung nach bewegten sich Behörden nur so weit, wie sie müssten. Es bedürfe daher des Engagements von Betroffenen. Und anderseits erfahre er aus der Nachbarschaft, dass viele Leute ihre Ruhe haben wollten und gar kein Interesse an der erneuten Skandalisierung in Dorstfeld-Süd hätten, sondern nur um den Werterhalt ihrer Immobilie besorgt seien. Von daher würde er auch heftige Abwehr aus der Nachbarschaft erfahren.
Die Sicht der Landesregierung NRW:
Als Folge der schwarz gelben Landesregierung (2006-2010) „wurden die staatlichen Umweltämter zerschlagen“, so der Grüne Staatssekretär Knitsch aus dem Umweltministerium NRW. Zu dieser organisatorischen Schwächung kam ein drakonischer Personalabbau unter dem Schlagwort „privat vor Staat“ hinzu. Im Zeitraum 2000-2010 wurde das Personal im staatlichen Umweltschutz in NRW von 446 auf 209 Stellen und im Arbeitsschutz von 146 auf 97 abgebaut. Über 80% der Kapazitäten wurden bis 2010 für die Bearbeitung von Anträgen, Ausnahmen, Genehmigungen eingesetzt. Um 2010 waren lediglich 2 Personen für die Betriebskontrollen im Bezirk Hagen, Dortmund, Bochum zuständig. Nach 2010 wurde eine Personalaufstockung von insgesamt 100 neuen Stellen für die fünf Bezirksregierung beantragt (nicht einmal die Hälfte der 286 weggefallenen Stellen).
Änderungen im materiellen Umweltrecht
- mehr Transparenz: begonnen wurde damit, indem die Ergebnisse der Umweltinspektionen ins Internet gestellt werden
- mehr unangemeldete Betriebskontrollen
- mehr Vollzugskräfte auf Landesebene und v.a. auf kommunaler Ebene
- weitere Personaleinstellungen in den Aufsichtsbehörden.
Die Sicht der lokalen Behörde:
Rainer Mackenbach stellte dar, welche Schritte Gesundheits- und Umweltamt in Dortmund unternommen haben, um in der Wiederaufnahme des Falls Dorstfeld-Süd für Information und Transparenz zu sorgen. Im Juli 2016 führte die Stadt Dortmund eine Öffentlichkeitsveranstaltung durch, um die Anwohner über den Stand der Dinge, die Befragungsergebnisse und weitere zu unternehmende Schritte zu informieren.
Die Sicht einer Umweltbürgerinitiative:
Dr. Ulrike von Campenhausen, Umweltmedizinerin aus Dortmund, wies auf die Langfristfolgen von Umweltgiften hin. Der NRW- Umweltminister zusammen mit dem NRW-Arbeitsminister haben zwei Versuche eines offenen Briefes einer Dortmunder Ärztegruppe, im Falle Envio im Gesundheitsbetreuungsprogramm der RWTH Aachen auch eine Doppelblindstudie einzurichten, negativ beschieden. Dadurch wurde verhindert, die Envio-Katastrophe als Chance zu nutzen und dadurch mehr Wissen über die langfristigen Folgen von Umweltschadstoffen, z.B. in Krebs-, Rheuma- und Nervenerkrankungen zu generieren. Derart wurde auch vermieden, belastbare Daten für die Durchsetzung von Entschädigungszahlungen für Betroffene gegenüber der Berufsgenossenschaft und in Strafprozessen und für den Strafprozess zur Verurteilung der Verantwortlichen zu erhalten. Die Forderungen nach dieser Studie wurde von einigen anderen Trägern (DGB, Bürgerinitiative zur Aufklärung des PCB-Skandals in Dortmund) ebenfalls erhoben – und ebenfalls abgelehnt. Diese Doppelblindstudie wurde ebenfalls von RWTH Aachen befürwortet.
Rudolf Uebbing von der Bürgerinitiative zur Aufklärung des PCB-Skandals in Dortmund wies darauf hin, dass wichtige Untersuchungsergebnisse nicht publiziert werden. Beispiele sind
- die gerichtliche Zusprechung von US-Gerichten von Entschädigungen, nachdem festgestellt wurde, das es Tote wegen Lymphdrüsenkrebs in Zusammenhang mit PCB-Belastungen gegeben hat
- die 14 Kindern von gesundheitsbetroffenen Envio-Arbeitern, bei denen Entwicklungsverzögerungen, IQ-Beeinträchtigungen und Sprachauffälligkeiten festgestellt wurden
- Die RKI-Richtlinie (Robert Koch Institut) erfordert erst eine Nachuntersuchung in Gebieten, wenn die Werte 100% über den Werten des Krebsregisters liegen. Die Richtlinie wird bisher nicht in Frage gestellt. Sie steht aber einer genaueren Ermittlung in Krisenfällen im Wege.
Jan de Bondt knüpfte hier an und fordert die Weiterführung eines Monitorings nach Abschluss von Sanierungsmaßnahmen. Ein vorheriger Anwohner aus Dorstfeld hatte darauf hingewiesen, dass die Luftdrainagen im Feld Dorstfeld-Süd direkt neben einem Kinderspielplatz entlüftet werden – und deren Auslässe dieser Drainage nicht mehr geprüft werden.
Ansatzpunkte zur Vermeidung von Umweltskandalen:
In der Diskussion im Stadtgespräch am 16.9. wurden weitere Ansatzpunkte benannt, um künftige Umweltskandale zu vermeiden. Jansen vom BUND benannte folgende Ansatzpunkte:
- ein konsequenterer Rechtsvollzug,
- das Auseinanderhalten von Genehmigungs- und Kontrollfunktion,
- Anzeige und Ahndung von Straftatbeständen, die konsequentere strafrechtliche Vollzug, incl. Urteilssprüche mit Signalcharakter,
- die Einrichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Umweltkriminalität und
- die Personalaufstockung bei Aufsichtsbehörden,
- Investitionen in Prävention in den Unternehmen selbst.
Weitere Ansatzpunkte wurden in der Diskussion benannt:
- ein flächendeckendes Krebsregister in NRW nach einheitlichen Standards,
- den Einsatz von Monitoringverfahren
- der Einsatz von Biomonitoring (Beispiel Essen-Kray),
- Monitoringverfahren, die nach Abschluss von Sanierungsfällen weitergeführt wird (Beispiele Dortmund-Dorstfeld),
- die Durchführung von Doppelblindstudie (Beispiel Envio-Skandal in Dortmund),
- Information und Schaffung von Transparenz bei Vorfällen,
- die konsequente Aufarbeitung von Umweltskandalen, d.h. Sanierung, Monitoring, Ursachen-, Organisations- und Verfahrensanalyse,
- gegenseitige Unterstützung, Erfahrungsaustausch und Vernetzung von Umweltinitiativen,
- die Zusammenarbeit von Umweltinitiativen und Gewerkschaften (insbesondere, aber nicht nur, da, wo es um Umwelt-, Arbeits- und Gesundheitsschutz, um gute Arbeits- und Lebensbedingungen geht),
- die konsequentere Umsetzung des Vorsorgeprinzips,
- nicht das Arbeitsplatzargument gegen den Umweltschutz auszuspielen, das gilt für Kommunen, Mittelbehörden und Land,
- die Ausrichtung der Struktur- und Industriepolitik auf eine konsequente Verkehrs-, Energie- und Chemiewende, Kreislauf- und Suffizienzwirtschaft.
Zurück zum Titel der Sendung:
Bürgerinitiativen erfahren sich nicht als hilflos. Aber sie stoßen immer wieder an Grenzen in einer Auseinandersetzung mit sehr ungleichen Kräfteverhältnissen, in denen alles andere Gewinnen, Macht und Pfründen untergeordnet wird. Und sie setzen sich mit den Folgen unseres insgesamt zerstörerischen Wirtschafts- und Konsumsystems auseinander.
Bürgerinitiativen sind ein wichtiger Ansatz, um Umweltskandale aufzudecken und auf deren Sanierung und politische Aufarbeitung zu dringen. Deren Diskreditierung in jüngster Zeit durch den Bauminister (Minister Groschek greift "durchgrünte" Bürgerinitiativen an vom 24.8.2016 http://www.derwesten.de/politik/minisiter-groschek-greift-durchgruente-buergerinitiativen-an-id12131554.html) ist ein Beleg dafür, wie Wirtschaft / Arbeitsplätze und Umweltschutz/Lebensbedingungen gegeneinander ausgespielt werden. Schon merkwürdigend und entlarvend, wie auf Quartiersebene zivilgesellschaftliches Engagement umhegt und auf übergeordneter Ebene, bei den großen Themen als Investitionshemmnis diskreditiert wird!
Aber lassen wir uns nicht entmutigen: "Unterschätze nie, was eine kleine Gruppe engagierter Menschen tun kann, um die Welt zu verändern. Tatsächlich ist das das einzige, was je etwas bewirkt hat." - so die amerikanische Anthropologin und Ethnologin Magaret Mead.
Größenordnung von Altlastenflächen des Landes NRW- Blick auf Dortmund
In NRW sind aktuell mehr als 84.800 Altlasten- und Altlastenverdachtsflächen bekannt (Stand 01/2014). Hierzu gehören 31.667 Altablagerungen und 53.174 Altstandorte (Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung).
„So liegt der Flächenanteil der altlastverdächtigen Flächen und Altlasten beispielsweise in einer großen Stadt im Ruhrgebiet bei rund 15 % des Stadtgebietes“
(Seite des Umweltministeriums: https://www.umwelt.nrw.de/umweltschutz-umweltwirtschaft/umwelt-wirtschaft-und-ressourcenschutz/boden-und-flaechen/altlastensanierung-und-flaechenrecycling/).
Ende der 1990er Jahre wurden in Dortmund nahezu 2.000 Altstandorte und Altablagerungen erfasst. Die Verdachtsflächen machen insgesamt ca. 1/7 der Stadtfläche aus (Bausch, Hermann, J. (1999): Informationen zu Altlasten in einem Stadtarchiv: Das Beispiel Dortmund, Archivpflege in Westfalen und Lippe - Heft 51 - LWL). Dortmund war eine der ersten Städte, die ein Umweltamt einrichteten. Als erste Aufgabe gab das Amt die „Auseinandersetzung mit den historischen Sünden der Industrialisierung und Zersiedelung des Stadtraumes“ an.
Insgesamt wurden seit 1985 vom Umweltamt für rund 300 Verdachtsflächen in Dortmund Gefährdungsabschätzungen durchgeführt. Es kann heute bei der Beurteilung der Belastungssituation im Dortmunder Stadtgebiet auf weitere 500 gutachterliche Stellungnahmen und Berichte von Bauantragsstellern zurückgreifen. In 1985 gab die Stadt Dortmund erstmals eine Themenkarte der Altlastenstandorte heraus. Die Dortmunder Presse kommentierte: „Die Altlasten-Karte wird die Stadt Dortmund und ihre Bürger die nächsten Jahrzehnte in Atem halten“ (WAZ 27.9.1985). 1996 wurde die Altlastenkarte aktualisiert. Heute gibt es keine öffentlich zugängliche Altlastenkarte für Dortmund mehr. Informationen sind grundstücksbezogen und kostenpflichtig bei der Stadt abzufragen. Im aktuellen Flächennutzungsplan (2004) sind 101 Flächen benannt, die erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.
In Nordrhein -Westfalen fallen etwa 450 Betriebsbereiche unter den Anwendungsbereich der Störfallverordnung. Davon müssen 209 Betriebsbereiche die Grundpflichten der Störfallverordnung erfüllen. 241 Betriebsbereiche müssen zusätzlich die erweiterten Pflichten der Störfallverordnung (z.B. Erstellung eines Sicherheitsberichtes) erfüllen. Im Bereich des Staatlichen Umweltamtes Hagen gibt es 36 Betriebsbereiche mit Grundpflichten und 24 Betriebsbereiche mit erweiterten Pflichten. (BUND http://www.bund-nrw.de/index.php?id=4707)
Ortsbegehung Sanierung der Envio-Anlagen und Flächen am 8.4.2016 - Ergänzungen vom 28.10.2016
Auf Einladung der Bezirksregierung Arnsberg vereinbarte die Bürgerinitiative zur Aufklärung des PCB Skandals in Dortmund einen Ortstermin zur Begehung des Envio-Geländes, auf dem seit Beginn 2016 die Sanierung des ersten Abschnitts läuft. Einige andere Akteure nahmen ebenfalls an dem Termin teil. Demnächst wird der nächste Sanierungsabschnitt, der höchst kontaminierten Hallen 1 und 2 sowie der Außenflächen beginnen. Hier folgt ein Bericht über diesen Termin.
(Foto: li Versiegelung einer Halle auf dem Envio-Gelände, re: mit Schuhschutz zur Begehung des Envio-Geländes)
Vorweg einige Anmerkungen und Fragen , die im Zuge der Ortsbegehung aufgetaucht sind.
Das Sanierungsverfahren wurde uns in den Präsentation als kontrolliertes, sicheres Verfahren vorgestellt. Vor Ort sieht man, wie chaotisch solch ein Gelände aussieht und Risiken weiterbestehen. Bezirksregierung und Stadt Dortmund sind für unterschiedliche Bereiche zuständig. Und zwischen den Bereichen klaffen Lücken. Die Hallen werden nach den Arbeiten „freigemessen“. Die Einhaltung/Schaffung von arbeitsplatzrelevanten Werten wird dann auf den künftigen Nutzer/Mieter verschoben. Ist es angemessen, dass sich hier Behörden in ihre Zuständigkeitsbereiche abgrenzen? Wer trägt hier Sorge für die gebotene integrierte präventionsorientierte Ausrichtung?
(Foto: außen lagern in Folie verpackt Materialien aus den Hallen von Envio)
Mit Blick auf die anstehenden zweiten Sanierungsabschnitt der am stärksten kontaminierten Anlagen und Flächen: Wir befürchten, dass die Sanierung nach Kassenlage und durch Heranziehung von eigentlich nicht passenden Standards und Hilfsgrößen durchgeführt wird (bspw. nicht durchlaufende Abluftanlage, nicht Reinigung der LKW-Reifen, Betonplatte auf den verseuchten Freiflächen).
Das Sanierungsverfahren ist auf diverse Institutionen und Verfahren aufgeteilt, die jeweils Standardverfahren und damit verbundene Messverfahren und Grenzwerte einsetzen und nebeneinander herlaufen. Nicht geprüft wurde, ob z.B. die bei der Sanierung herangezogenen PCB Standardwerte auch die PCB-Verbindungen sind, die im Fall Envio die kritischen Größen sind.
Die PCB-Messungen basieren auf sechs 6 standardgemäß herangezogene PCB-Werte. Es wurde nicht ermittelt, welche der 209 PCB-Werte die auf dem Envio-Gelände kritischen Werte darstellen.
Es wurde auf vorhandene Referenzwerte zurückgegriffen, aber kein Modell entwickelt, um die spezifische Situation und davon ausgehende Risiken vor Ort zu eingeschätzt. Dies müsste beinhalten:
- Emissionen über die verschiedenen Pfade (Wasser, Luft, Boden), die verschiedenen Immissionspfade (Hautexposition, Atemwege, Lebensmittel, Grundwasser)
- in Kontakt stehenden Nutzergruppen/-arten (noch auf dem Gelände tätige Beschäftigte, Arbeiter der Entsorgungsfirmen, Schulen, Kindergärten, Spielplätze, Nutzer des Fredenbaumparks, Kleingärtner, Angler, Anwohner, Unfallklinik,… sowie vulnerable Gruppen (Kleinkinder, Schulkinder, alte Menschen))
- Mehrfachexpositionen (als Envio-Arbeiter, Kleingärtner, Angler)
- die vorhandene Hintergrundbelastungen (emissionsstarker Hafen, sowie die darin zusätzlich vorhandenen Schrottfirmen, Feinstaubbelastung in der Nordstadt), auf die sich die Emissionen
- von Emissionen aufaddieren. Statt dessen wird auf Hintergrundbelastung an Industriestandorten (Duisburg/Essen) referiert.
Die Sanierung muss auf einen möglichst zügigen Ablauf mit möglichst wenig Umlagerungen der Materialien zielen, um Verschleppung von Schadstoffen zu minimieren. Die höchst belasteten Bauteile, Anlagen, Materialien, Flächen müssen abgetragen und zur Entsorgung abtransportiert und Vermischung mit weniger belasteten Materialien vermieden werden. Bei Abbruch und Abtrag sind geeignete Vorkehrungen zu treffen (Absauganlagen, Umkofferung etc.), um einen erneuten Eintrag PCB-belasteter Stäube in die Umwelt zu vermeiden. Auch wenn Bewertungsstandards als Hilfsgrößen herangezogen werden, so gilt dennoch, dass es keine Grenzwert der Unbedenklich von PCBs gibt.
- Wie wird gewährleistet, eine schleichende Verschleppung von PCB-verseuchten Stäuben und Abrieben in die Umwelt auf das niedrigste Niveau, möglichst Null zu reduzieren? Wie wird gewährleistet, eine erneute Freisetzung PCB-verseuchter Stäube durch Abbruch- und Abfräsarbeiten (auf möglichst 0) zu vermeiden?
- Wird die Luft aus der Absauganlage auf PCB-Werte gemessen und wie stellen sich die Messwerte dar?
- Plant die Bezirksregierung einen zweiten Messstandort im Kleingartenbereich anzulegen, um im Fall von Diebstahl (von Messinstrumenten) auf anderes Messgut zurückgreifen zu können?
- Wie tief reichen die Verunreinigungen in die Wände der Hallen1 und 2? Wie tief muss abgefräst werden, um beim anschließenden Abriss eine Freisetzung durch PCB-Stäube (Arbeitnehmer der benachbarten Betriebe, Kleingärten, Fredenbaumpark, Anwohner) zu vermeiden? Ab welcher Wanddicke treten Statikprobleme auf, dass die beiden Gebäude einsturzgefährdet werden? Ist eine Umkofferung der Gebäude durch eine Traglufthalle, einen Sarkopharg o.ä. notwendig?
- Wie tief werden die befestigten Flächen abgefräst? Wie wird eine Verwehung der PCB-haltigen Stäube vermieden (für die Sanierungsarbeiter, benachbarte Betriebe, Kleingärtner, Fredenbaumpark, Anwohner) (durch Wässerung, durch ein mobiles Zelt o.ä.,…) ?
- Wie werden (kleinteilig) die unbefestigten Flächen (Zuständigkeit der Stadt Dortmund) beprobt (Sanierungsbedarf: gibt es PCB- Einträge und wie tief reichen sie ins Erdreich)? Wie werden diese betroffenen Bereiche behandelt? Die Versiegelung durch eine Betonplatte, wie auf der Nikometallfläche, ist nicht ausreichend.
Zu künftigen Hafenüberplanung und Prävention: Bei der Ortsbegehung wird deutlich, wie komplex das Verfahren ist und dass es nichtrisikofrei und sauber durchgeführt werden kann. Letztlich muss es darum gehen, alles auf die Prävention solcher Skandale zu setzen.
Der Dortmunder Hafen stellt eine Altlastenfläche dar, der aus allen möglichen Restflächen aufgeschüttet wurde. Dazu ein anderer interessanter Hinweis: Ende der 1990er Jahre wurden in Dortmund nahezu 2 000 Altstandorte und Altablagerungen erfasst. Die Verdachtsflächen machen insgesamt ca. 1/7 der Stadtflache aus (Bausch, Hermann, J. (1999): Informationen zu Altlasten in einem Stadtarchiv: Das Beispiel Dortmund, Archivpflege in Westfalen und Lippe - Heft 51 - LWL). Dortmund hat sich mittlerweile den Untertitel des Artikels zu eigen gemacht: „Altlasten einer Industriestadt: vergessene oder verdrängte Industriegeschichte.“ In 1985 gab die Stadt Dortmund erstmals eine Themenkarte der Altlastenstandorte heraus. Die Dortmunder Presse kommentierte: „Die Altlasten-Karte wird die Stadt Dortmund und ihre Burger die nächsten Jahrzehnte in Atem halten“ (WAZ 27.9.1985). 1996 wurde die Altlastenkarte aktualisiert. Heute gibt es keine öffentlich zugängliche Altlastenkarte für Dortmund mehr. Informationen sind grundstücksbezogen und kostenpflichtig bei der Stadt abzufragen. Und auch die Störfallbetriebe, die der Seveso III-Richtlinie zugrunde liegen, sind in Dortmund nicht in Publikationen benannt oder in Karten lokalisiert. In anderen Ruhrgebietsstädten gibt es diese öffentlich für alle zugänglichen und karierten Informationen noch.
Der Hafen im Flächennutzungsplan ist als „Sondernutzungsgebiet Hafen“ ausgewiesen, in dem alle möglichen Nutzung z.T. im 24 Stunden-Betrieb möglich sind. Darauf bezog sich ja der Aufkauf der Grundbesitz Kanalstraßen GmbH durch die Flacks Group Mitte 2015. Eine solche in keiner Weise regulierte Fläche in unmittelbarer Nähe eines dicht besiedelten Wohngebietes und sensibler Nutzungen ist nicht akzeptierbar. Wie kann eine nachbarschafts-, umwelt- und sozialverträgliche Planung dieses Gewerbe- und Industriestandortes im Hafen aussehen? Welche Maßnahmen ergreifen die Behörden, um die Feinstaubbelastung in der Nordstadt zu reduzieren?
Über den Stand der Sanierung
Die Arbeiten werden durch die ArGe Heitkamp Umwelt Technologie/Herne, Kluge, Trédi SA/St. Vauban,. Taberg Ingenieure/Lünen führt die Baustellenaufsicht und Beprobung. Die Federführung hat die Bezirksregierung inne, die auch regelmäßig auf der Baustelle ist. Der Baustellencontainer befindet sich an der Halle 55.
Derzeit werden die Hallen 55 und (südlich davon 51) ausgeschleust. Die Materialschleuse macht mit lauter zusammengesetzten Metallstücken einen „zusammengestückelten“ Eindruck. Angesichts des kleinen Tores fragt man sich, wie aus dieser relativ kleinräumigen Schleuse die Großtrafos ausgeschleust werden sollen.
(Foto: Sanierung des Envio-Geländes, li größerer Tor-Schleuse, re Mitarbeiter-Schleuse)
Das Material aus diesen Hallen wird sortiert, oberflächlich gesäubert, zur Versendung nach St. Vauban in der Nähe von Lyon ausgeschleust und draußen zwischengelagert. Danach werden die Hallen gereinigt und aus Umweltsicht „freigemessen“ auf der Grundlage der Normen und Konventionen der BImSchG. Aus Arbeitsschutzsicht hat der künftige Nutzer Mieter den Nachweis der Einhaltung von arbeitsschutzrechtlichen Grenzwerten zu erbringen.
Die Messung erfolgt auf der Grundlage eines Messstandards von 5-PCB-Werten, auf die man sich als Konvention geeinigt hat. Ob die auf dem Envio-Gelände relevanten PCBs identisch sind mit diesen 5 PCB-Werten, wurde nicht überprüft.
Die Straßenfläche zwischen ehemaligem „Zelt“standort und den Hallen 1 und 2, dem Schwarzbereich, wo die UTB auseinandergebaut wurden. Die großen Trafos wurden in der Halle 55 und draußen im Freien geknackt (bzw. auch gerne am Wochenende!). Die kontaminierten Materialien wurden hin- und hergefahren wurden und alles ist entsprechend stark PCB-verseucht, die PCB-Verbindungen sind auch in den Bitumen eingedrungen. Der Bereich war vorher gesperrt (durch ein einfaches verschiebbares Absperrgitter). Durch die Arbeiten jetzt wird Material aus der Bitumenschicht wieder frei gesetzt und verwirbelt.
Im östlichen Teil der Halle 51 war der Deutsche Paket Dienst DPD ansässig (!). Im nördlichen Teil der Halle 55 ist und war ABP ansässig. Bei der Informationsveranstaltung für die ABP-Belegschaft nach Bekanntwerden des PCB-Problems in 2012 wurde kein offenes Mineralwasser an die Redner ausgeschenkt (mit Verweis auf die Belastungssituation in der Halle!).
Die ehemalig „Zelt“Fläche und weitere nördliche Flächen sind durch eine Textildecke und Schotter abgedeckt. Darauf stehen eingepackte Gitterbogen mit ausgeschleustem Material. Durch die Decke wachsen Unkraut und Sträucher. Eine Gitterboxverpackung ist eingerissen und mit Gafferband verklebt.
Wir werfen einen Blick in die hoch belasteten Hallen 1 und 2. Der Schwarzbereich von Envio befand sich in der Halle 1, TSW war in der Halle 2 ansässig. Nördlich der beiden Hallen sind Großtrafos, u.a. auch der Barbados Trafo und die Wachsanlage gestapelt. Daneben lagern Metallgitterboxen. Alles sieht noch sehr unsortiert und unbehandelt aus. Hier liegen auch noch Abfallcontainer der Firma Lobbe, die damals mit der Säuberung der befestigten Flächen beauftragt war.
Aus einer Stellungnahme der Bez.-Reg. Arnsberg v. 28. Okt. 2016:
Sanierung der Hallen
"Die Bezirksregierung saniert die Hallen 51 und 55 auf der Grundlage
der vorliegenden Gutachten so weit, bis keine schädlichen Umwelteinwirkungen
verursacht werden können. Dies gilt selbstverständlich auch für den Rückbau
der Hallen 1 und 2 und die Sanierung der Freiflächen.
Weitergehende Sanierungsmaßnahmen können auf der Grundlage umweltrechtlicher
Regelungen nicht gefordert werden. Es erfolgt keine Sanierung nach Kassenlage
sondern auf der Grundlage der Ergebnisse des Taberg-Gutachtens und des
Ergebnisses des Sanierungsfachgespräches.
Bevor die Hallen 51 (Ostseite) und 55 (Südseite) jedoch wieder genutzt
werden können, müssen zum Schutz dort arbeitender Personen weitergehende
Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Dies ist durch den Nutzer
durchzuführen bzw. zu beauftragen und wird von der Bezirksregierung
überwacht (Dezernat betrieblicher Arbeitsschutz)."
(Fotos: wenig vertrauenserweckende Eindrücke vom Envio-Gelände)
In der Halle 1 gab es einen Wasserrohrbruch. Und hier waren die Per-Behälter zu entleeren, die im Ruhestand andere Materialien (Gefäßwände) aggressiv angreifen.
Unter dem Hallenboden gibt es eine Luftmessung, aber ohne Ermittlung der PCB-Werten.
Die PCB-Chargen im Niederschlags- und Abwässer werden durch die Kanalisation weggespült.
Im nördlichen Teil der heute besuchten Freifläche stand die Heizanlage mit hohem Schlot für das Grundbesitz-Gelände (Versorgung mit Heizwasser für Halle 1 und Halle 2). Dies war schon eine interessante Info.
Das Bürogebäude direkt an der Kanalstraße und Parkplatz ist bisher vollständig weitervermietet.
ABP klagt über Imageprobleme durch das Sanierungsverfahren.
Wo werden Entsorgungsreste deponiert?
Die Materialien werden nach St. Vauban zur Anlage von Trédi transportiert und dort bei ca. 1.200 Grad C verbrannt. Das weniger kontaminierte Material wird auf einer Deponie in Werksnähe abgelagert. Über die Deponierung der Asche gab es keine Angaben.
Läuft die Absauganlage durchgehend?
Die Absauganlage läuft nicht durchgehend, nachts und am Wochenende. Sie läuft mit einer Nachlaufzeit von ½ - 1 Stunde nach Arbeitsschluss.
PCB-haltige Öle: Wieviel Volumina PCB-verseuchter Öle aus den Transformatoren wiesen die Entsorgungsbelege aus? Wieviel wurde vor Ort gefunden? Wie hoch war die Differenz? Wurde dem nachgegangen (illegale Verfeuerung auf dem Gelände in Privatheizungen)? Wie und wo wird das Öl entsorgt?
Keine Aussage dazu
Wir sehen einen hohen Kamin am Grundstücksrand. Auf Nachfrage erläutert Herr Schmied, dass hier Heißwasser für die Hallen 1 und 2 produziert wurde. Wurden jemals Messproben von der Kante des Kamins genommen, um zu sehen, ob hier auch PCB-verseuchte Trafoöle mitverbrannt wurden?
Aus einer Stellungnahme der Bez.-Reg. Arnsberg v. 28. Okt. 2016:
PCB-haltige Öle
"Das Büro Taberg Ingenieure GmbH hat in seinem Gutachten vom 17.3.2011
(Internetseite der Bezirksregierung) festgehalten,
dass 41,5 t PCB-belastete Öle vorhanden sind. Menge und Belastung werden
bei der Räumung erneut überprüft. Das PCB-belastete Öl wird in einer
entsprechend zugelassenen Verbrennungsanlage der Firma Tredi in
Frankreich entsorgt.
Die Heizzentrale auf dem Grundstück Kanalstraße 25 (hoher Kamin)
wird ausschließlich mit Gas beheizt."
Wie werden Messungen durchgeführt?
Auf der Fläche sind an diversen Stellen je 5 Messbehälter angebracht, um die Emissionsseite zu messen und zu kontrollieren im Monatsturnus. Die Immissionssituation wird im Bereich Kleingärten und Fredenbaumpark gemessen. Im Bereich Kleingarten ist hier nicht die Luftbelastung die kritische relevante Größe, sondern in Lebensmitteln inkorporierte PCB-Gehalt.
Aus einer Stellungnahme der Bez.-Reg. Arnsberg v. 28. Okt. 2016:
PCB Werte
"Die PCB-Messungen basieren auf sechs standardgemäß herangezogenen PCB-Werten.
Diese Regelung geht zurück auf die Gesetzgebung der Europäischen Union
(u. a. Verordnung 850/2004/EG) und berücksichtigt die quantitativ
bedeutendsten Kongenere der industriellen PCB-Gemische. Für diese Werte
bestehen rechtsverbindliche Grenz- bzw- Zielwerte. Nur auf der Grundlage
derartiger Grenz- und Zielwerte können Anordnungen getroffen und umgesetzt
werden."
(Foto li: Messbecher zur Feststellung der aufgewirbelten Schadstoffmenge auf dem Envio-Gelände)
Was ist mit den entwendeten Messbechern geschehen? Wurde der Diebstahl angezeigt? Wer hat Anzeige erstattet?
In der letzten Messperiode wurden Messbecher im Kleingartenbereich entwendet. Die Bezirksregierung machte keine Diebstahlanzeige, da der Ermittlungserfolg einer solchen Anzeige gleich null ist. Es mutet eigenartig an, warum gerade zu Beginn der Sanierung diese Messbecher entwendet worden sind.
Wie sind die erhöhten Messwerte in 2015/2016 zu erklären?
Durch meteorologische Ereignisse. Durch die Arbeiten werden PCB haltige Materialien mobilisiert. Um dies zu kontrollieren und ggf. schnell einzugreifen, gibt es die Messbecher auf dem Gelände. Auf der Immissionsseite in der erweiterten Nachbarschaft zeigen sich keine Auswirkungen.
Die PCB-Gesamtbelastung des Grünkohls aus Kleingartenanlagen im Umfeld des Envio-Geländes hat sich 2014 gegenüber dem Vorjahr verringert. Ein Verzehr von zwei Portionen (jeweils 250 Gramm) selbstangebautem Gemüse pro Woche, basierend auf der Grundlage des untersuchten Grünkohls mit der höchsten PCB-Belastung, ist aus gesundheitlicher Sicht tolerabel. Der Verzehr von Blattgemüse wie Endivie, Spinat, Mangold und Zucchini etc. war bereits nach den Untersuchungen aus dem Jahr 2011 als gesundheitlich unbedenklich eingestuft worden. Einzige Ausnahme damals: Grünkohl sollte weiterhin nicht angebaut und gegessen werden. Nach den Untersuchungsergebnissen für 2014 hält das LANUV einen eingeschränkten Verzehr von selbstangebautem Grünkohl für tolerabel (http://www.bezreg-arnsberg.nrw.de/presse/2015/07/121_15/index.php).
Messergebnisse und Schrottverwerter im Hafen
Bei der Suche nach dem Verursacher der PCB-Emissionen 2009-2010 gerieten auch die Schrottplätze der Firmen Hittmeyer, Hermstrüwer und Ahle wegen erhöhte PCB-Konzentrationen in den Blick. Und auch die Fläche der Nico-Metall GmbH (Kabelzerlege- und –abbrennanlage) an der Schäferstraße geriet in den Fokus. In den 1990er Jahren waren hier nach mehreren Bränden im Außenlager Dioxine und Furane und Abwohnerbescherden entdeckt worden. Nico-Metall meldet 2002 Insolvenz an. Die Fläche wird als Containerlagerfläche genutzt. Die Vermutung lag nah, dass dort bei trockener Wetterlage und hohem Rangierverkehr Staubwolken entstehen und möglicherweise kontaminierte Stäube in Hauptwindrichtung verdriftet wurden.
In der Spitze wurde der Grenzwert des krebserregenden Stoffes um mehr als das Sechsfache überschritten. Bezirksregierung und Stadt lassen die Gelände reinigen. Von sechs Kehrproben, die das Landesumweltamt bei Firmen im Umfeld des stillgelegten PCB-Entsorgers Envio gezogen hatte, lagen besagte drei über der kritischen Marke von 50 mg/kg. Die höchste PCB-Dichte: 324 mg/kg auf dem Platz der Firma Hittmeyer. Zum Vergleich: Eine bei Envio genommene Kehrprobe enthielt 22 000 Milligramm PCB pro Kilo. Bei den ebenfalls beprobten Firmen Cronimet, Interseroh und Possehl Kehrmann blieben die Werte im Rahmen.
Die Messungen 2010 und später sprechen für mehr als eine Quelle. Vom Interseroh-Gelände gingen immer wieder hohe Emissionen aus. Dort versuchte man durch diverse Maßnahmen, u.a. Berieslung, die Emissionen in den Griff zu bekommen. Der Shredder wurde geschlossen. 2013 verkaufte Interseroh den Betrieb an die TSR Recycling. ist abgezogen. Was wird getan, um die Emissionen zu senken, die Anwohner und Arbeit nach wie vor hoch belasten?
Was ist mit dem Blindgängerverdacht geschehen?
Der Blindgängerverdacht liegt unter der nördlichen Teil der Halle 55. Mit den Arbeiten gehen Erschütterungen einher, insofern hat man den Blindgänger erst einmal, ruhen lassen. Die Entfernung soll später laufen, mit Einwilligung/Zusammenarbeit des Nutzers (ABP?).
Wo befindet sich die Vliesabdeckung?
In 2015 wurde im Zuge der Fegestaubproben ein Bereich der „Zelt“-Fläche ermittelt, der erhebliche PCB-Belastungen aufwies und der durch eine Vlies-Abdeckung gesichert wurde.
Zitat aus dem Bericht (Stadt Dortmund - Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen vom 02.12.2015; Drucksache Nr.: 02994-15, S. 2-3 - https://dosys01.digistadtdo.de/dosys/gremrech.nsf/%28embAttOrg%29/F906088414062585C1257F010065B322/$FILE/VorlageDS%2302994-15.doc.pdf?OpenElement):
Zur Beurteilung der PCB-Belastung des Envio-Geländes lässt die Bezirksregierung in regelmäßigen Abständen Fegestaubbeprobungen durchführen. Hierdurch soll beobachtet werden, ob von dem Gelände immissionsschutzrechtlich relevante PCB-Emissionen ausgehen können. Als Maßstab dient hier die Einhaltung des vom LANUV empfohlenen Reinigungszielwertes von 2,5 mg PCB/m². m(…)
Am 16.06.2015 wurden turnusmäßig auf dem Envio-Gelände PCB-Fegestaubproben genommen. An acht Messpunkten wurden PCB-Flächenbelastungen von 0,052 bis 1,96 mg PCB/m² ermittelt. Der Reinigungszielwert von 2,5 mg PCB/m² wurde unterschritten. An einer Messstelle auf der Zufahrt zum Westtor der Halle 55 ergab sich eine Belastung von 9,81 mg PCB/m² gemessen. Daraufhin wurden die Verkehrsflächen von einer Fachfirma gereinigt. Am 01.10.2015 wurden erneut Fegestaubproben genommen. Nach dem Laborbericht vom 19.10.2015 wurden an den neun Messpunkten PCB-Flächenbelastungen von 0,003 bis 0,68 mg PCB/m² ermittelt. Der Reinigungszielwert wurde somit deutlich unterschritten.
Zusätzlich zur Beprobung der Verkehrsflächen erfolgte am 16.6.2015 eine Probenahme auf einer mit Vlies abgedeckten Lagerfläche (neben Halle 55). Da sich das Vlies an einigen Stellen gelöst hatte, sollte geprüft werden, wie hoch die Belastung in diesem Bereich ist, um die Notwendigkeit zur Erneuerung des Vlieses zu prüfen. Der Wert lag mit 70,0 mg PCB/m² erheblich über dem Reinigungszielwert. Die Vliesabdeckung wurde daher durch eine Fachfirma wieder in Stand gesetzt bzw. erneuert.
(Fotos: Folienabdeckung des verseuchten Bodens auf dem Envio-Gelände)
Als dauerhafte Sanierung werden nach der Räumung des Geländes und dem Abriss der Hallen 1 und 2 die befestigten Flächen unter besonderen Schutzmaßnahmen (u. a. Einhausung der Fräsmaschine) abgefräst und erneuert.
Während der Sanierung erfolgen zusätzliche Staubniederschlagsmessungen auf dem Envio-Gelände.
Welche Auswirkung hat das Insolvenzverfahren gegen die Kanalstraßen Grundbesitz GmbH (Januar 2016) auf das Sanierungsverfahren?
„Die Envio-Grundstücksgesellschaft ist eigentlich verpflichtet, die Sanierung zu bezahlen. Denn ihr gehört das Gelände per Erbbaurecht. Die früheren Envio-Manager hatten diese Firma im vergangenen Jahr an den US-Investor Flacks verkauft. Laut Bezirksregierung ist er weder telefonisch noch schriftlich erreichbar. Deshalb hatte das Amtsgericht im Januar 2016 eine Prüfung angesetzt. Per Gutachten, wollte sie heraus finden, ob die Firma finanziell überhaupt in der Lage ist, die acht Millionen Euro teure Sanierung zu bezahlen. Parallel zur Prüfung meldete das Unternehmen dann Insolvenz an. Als vorläufiger Insolvenzverwalter ist mit Christian Koch ein Dortmunder Anwalt eingesetzt worden (Website des WDR 19.1.29016)
Die Insolvenz ist offensichtlich inzwischen wieder zurückgezogen worden. Gleichwohl war eine Fotografiergenehmigung vom eingesetzten Insolvenzverwalter einzuholen. Herr Schmied hatte die Einholung dieser Genehmigung angeregt
Spielt die Eigentumsübergabe keine Rolle. Sie hat keinen Einfluss auf das Sanierungsverfahren. Für die Bezirksregierung. Das neue Eigentümerverhältnis ist lediglich ein Thema für die Stadt Dortmund als Erbbaupachtgeber.
Zur Kontrollfunktion der Aufsichts- und Genehmigungsbehörden
Was wird aus dem Envio-Skandal für die Arbeit, Abläufe Personalausstattung der Aufsichts- und Genehmigungsbehörden gelernt?
Um 2010 waren lediglich 2 Personen für die Betriebskontrollen im Bezirk Hagen, Dortmund Bochum zuständig. Herr Schmied ist in dem Bereich bereits 30 Jahre tätig. Mitte 2016 gibt es 55 in der Bezirksregierung Arnsberg Oberinspektorenanwärter und 12 Mitarbeiter im höheren Verwaltungsdienst. Das erleichtert die Arbeit enorm. Es werden unangemeldete Kontrollen durchgeführt und Fegestaubproben aus den Eckebereichen entnommen.
Schmied verweist auf einen anderen Fall des Betriebs Deler bei Münster, der jüngst mit einem neuartigen Oxidationsverfahren bekannt wurde.
Zudem werden die Ergebnisse von regelmäßigen EU Betriebsinspektionen inzwischen auf der Website der Bezirksregierung Arnsberg veröffentlicht. Tauchen hier Betriebe häufig mit negativen Ergebnissen auf, so ist das keine gute PR.
Zum Hintergrund des Personalabbaus: 2000-2010 wurde das Person im staatlichen Umweltschutz in NRW von 446 auf 209 Stellen (-237, um 54%) und im Arbeitsschutz von 146 auf 97 (- 49, um 1/3) abgebaut. Über 80% der Kapazitäten wurden bis 2010 für die Bearbeitung von Anträgen, Ausnahmen, Genehmigungen eingesetzt. Lediglich 20% steht für Überwachungsaufgaben zur Verfügung. Die Folge: „Nur noch in schweren Unfällen sowie gravierenden Schadensfällen, zum Beispiel Explosionen“ können Vorfälle bearbeitet werden. 80.000 der 200.000 im Regierungsbezirk Arnsberg ansässigen Betriebe schaffen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Für deren betrieblichen Arbeitsschutz stehen deutlich weniger als 10 Fachbeamte zur Verfügung (Bollerrmann im WR-Interview und „Breites Versagen der Behörden, in: WR 12.1.2011; und Prognos Gutachten für Landesregierung NRW Januar/Februar 2011, Veröffentlichung in RN vom 13.1.2011).
Nach 2010 wurde eine erneute Personalaufstockung um 100 neue Stellen für die fünf BezReg beantragt (nicht einmal die Hälfte 286 der weggefallenen Stellen).
Wie erfolgen die nächsten Sanierungsschritte?
Im Anschluss an die jetzige Sanierungsphase werden die Hallen 1 und 2 behandelt, d.h. abgerissen werden. Zur Vermeidung von Emissionen sollen zunächst die Wände abgefräst werden (zunächst Aussage 2-3 cm, danach ist von 4-5 cm die Rede; Michael Müller hielt im Vorgespräch im Bergamt 7 cm für erforderlich!). Danach werden die Hallen abgerissen. Generell gibt es hier Probleme der Statik (die zusammenhängenden Hallen 1 und 2 und durch Materialabfräsung instabil werdende Wände).
Die Halle 1 und 2 hängen zusammen, wird die hochbelastete Halle 1 abgerissen, so verliere auch Halle 2 die statische Stabilität. In der Halle 2, ehemals durch WSB bewirtschaftet, sind jetzt Trafos gelagert, also auch kontaminiert. Wir werfen einen Blick in die Halle 2.
Nach Möglichkeit sollen der Hallenabriss und die Behandlung der Außenflächen parallel laufen. Die BezReg ist für das Sanierungsverfahren und die Sanierung der befestigten Flächen zuständig, die Stadt Dortmund für die unbefestigten Flächen. Die Stadt Do würde dann die zu behandelnden Flächen wie andernorts auch durch eine Betonplatte sichern. Wiebke fragt nach, ob hier wieder so vorsintflutlich gehandelt werde wie die Versiegelung der hoch belasteten Nico-Metallfläche an der Schäferstraße. Unter den Betonplatten läge weiterhin hochbelastetes Bodenmaterial. Auf Rückfrage versichert Schmied, dass die BezReg wird das sanieren, was zu sanieren ist und man mit der Stadt Dortmund Einigung finden wird.
Aus einer Stellungnahme der Bez.-Reg. Arnsberg v. 28. Okt. 2016:
PCB-Belastung der Gebäude und befestigten Freiflächen
"Das Büro Taberg Ingenieure GmbH hat die PCB-Belastungen der Gebäude und
Freiflächen ermittelt und in ihrem Gutachten vom 17.3.2011
(Internetseite der Bezirksregierung) dokumentiert. Diese Informationen
werden im Zusammenhang mit den Sanierungsmaßnahmen durch zusätzliche Untersuchungen
ergänzt.
Bei Überschreitung des Grenzwertes von 50 mg PCB/kg in den Baustoffen
(z. B. Beton, Estrich) oder befestigten Freiflächen erfolgt ein Abfräsen
der betroffenen Flächen. Der Hallenfußboden in Halle 1 ist bis zu einer Tiefe
von 5cm belastet und die Wände bis zu einer Tiefe von 1cm. Die Maßnahmen
werden von einem Statiker begutachtet. Die Freiflächen sind mit einer Ausnahme
bis zu einer Tiefe von 1 cm belastet. An einer Stelle liegt eine Belastung
bis 5cm vor. Die Belastung der Wände und Freiflächen ist nicht vollflächig;
das v.g. Abfräsen erfolgt daher nur bei den Teilflächen, bei denen der
v. g. Grenzwert überschritten ist.
In der Halle 1 erfolgen die Fräsarbeiten unter besonderen Schutzmaßnahmen
(Absaugung). Da der Baukörper anschließend unbelastet ist, kann der weitere
Rückbau konventionell erfolgen. Im Bereich der Freiflächen werden besondere
Schutzmaßnahmen - z. B. Abfräsen innerhalb einer Einhausung oder der
Einsatz spezieller Arbeitsgeräte (mit Absaugung) erfolgen."
Schmied stellt dar, dass der Dortmunder Hafen insgesamt aufgeschüttet worden sei und es sich insgesamt eigentlich um eine Altlastenfläche handele.
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Hier ein Foto von der instand gesetzten Vliesabdeckung eines besonders stark belasteten Areals auf dem Envio-Gelände, freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der Bezirksregierung Arnsberg (11-2015):
(Foto:Folienabdeckung des verseuchten Bodens auf dem Envio-Gelände)
Aus dem Bericht v. 6.8.10 des LANUV an die Bez.-Regierung Arnsberg (Prof. Dr. P. Bruckmann)
Informationsveranstaltung der Bezirksregierung zur Räumung des Envio Geländes vom 24.11.2015 im Dietrich Keuning Haus Dortmund
Im September 2015 wurde die Räumung des Envio-Firmengeländes an der Kanalstraße bei einer Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus den drei Firmen Kluge, Heitkamp Umwelttechnik und Trédi SA in Frankreich, in Auftrag gegeben (unter Federführung der Firma Kluge). Nach der Verwertung von 500 t Metallen durch den Insolvenzverwalter in 2014 werden nun weitere Voraussetzungen für eine Sanierung des Firmengeländes geschaffen. Der erste Abschnitt der Räumungsarbeiten wird Ende Dezember 2015 beginnen und seine Dauer auf bis September 2016 plus einen Monat Nachlauf veranschlagt.
In diesem Zeitraum müssen zunächst die erforderlichen Sicherheitsbauten auf dem Gelände installiert werden: z.B. eine Personalschleuse, in der die Arbeiter Schutzkleidung anlegen und sich nach der Schicht duschen und umziehen. Die Räumungsfirmen sind vom Gesetzgeber gehalten, möglichst wenige Mitarbeiter in den sogenannten schwarzen- also belasteten Teil- des Geländes zu schicken. Die Belastung der Mitarbeiter wird durch Human-Biomonitoring vor während und nach den Arbeiten kontrolliert (dies gilt auch für Firma Trédi in Frankreich). Luftdichte Schleusen für die eventuelle Verpackung und die Entnahme des gereinigten und verpackten Materials aus den Hallen entstehen an jeweils einem Hallentor der Hallen 1, 51 und 55.
3.300 Tonnen kontaminiertes Material werden aus den Hallen 1, 2, 55 und 51 herauszutragen sein und zum Teil per LKW in die Anlage von Trédi SA in Saint Vulbas der Nähe von Lyon transportiert werden. Materialien, die zur Weiterverwendung vorgesehen sind reinigt man dort in Autoklaven mit Perdampf. Nicht mehr verwertbare Materialien werden in der betriebseigenen Sondermüllverbrennungsanlage im Drehrohrofen bei 1.200 Grad C mit Abgasverbrennung (bei 1.200 Grad C und mehrstufiger Abgasreinigung) entsorgt.
Bereits vorab wurde das gesamte Material gesichtet und beprobt. Diese Arbeit wurde vom Gutachterbüro Taberg durchgeführt. Es sind 3000 Tonnen gefährliche Abfälle und 300 Tonnen sonstige Abfälle (Holz, Papier usw) mit Etiketten gekennzeichnet worden. In Halle 55 stehen große Transformatoren, die als Ganzes verpackt werden müssen, während in Halle 51 kleinteilige und auch weniger belastete Materialien lagern. Bei manchen Materialien wird eine Oberflächenreinigung ausreichen, um sie nach erfolgter Beprobung unverpackt nach außen zu bringen.
Halle 1 soll, wie vordem bei Envio, Ort der zentralen Arbeiten sein. In allen Hallen wird allerdings eine Absaug-Aktivkohlefilteranlage installiert, durch die 60.000 m3 Luft pro Stunde angesaugt und gefiltert werden. Während der Arbeitszeit wird diese Anlage in Betrieb sein, Unterdruck und Luftströmung von außen nach innen erzeugen. Es sollte also während dieser Zeit für Stäube nicht möglich sein, nach außen zu entweichen.
Auf Nachfrage eines Bürgers, ob diese Luftfilteranlage auch am Wochenende laufen würde- dies sei bei früheren Arbeiten nicht der Fall gewesen, stimmte ihm Christoph Hohlweck (Geschäftsführer Firma Kluge) zu, dass dies wünschenswert sei. Auf eine weitere Nachfrage teilte er aber mit, dass er aufgrund der länger zurückliegenden Ausschreibung (erfolgte bereits im Jahr 2014) nicht genau wisse, ob die Filteranlagen jeweils nach Beendigung der Arbeiten weiterlaufen werden.
Kostenmäßig müsste allerdings ein erheblicher Unterschied zwischen dem Dauerbetrieb der Anlage (168 Stunden pro Woche) und einem Betrieb nur während der Arbeitszeiten (regulär rund 40 Stunden pro Woche) bestehen- es liegt die Vermutung nahe, dass die Anlage jeweils nach Schichtende abgeschaltet wird. Bei den benannten Industriehallen 55, 1,2 und 51 handelt es sich um keine hermetisch abgeschlossenen Behältnisse. Es gibt vielmehr Lücken, Rissen und Luftaustausch ins Umfeld. Wie wird dafür gesorgt, dass auch in Ruhezeiten (nachts, Wochenende, Feiertage) keine verseuchten Stäube ans Umfeld geraten? Wir halten eine Nachhallphase der Absaugsanlage für dringend geboten.
(Foto: Bürgerinformation zum Thema Sanierung im Dietrich-Keuning-Haus)
Während der Dauer der Räumung werden einmal monatlich die Staubniederschläge gemessen, von der Firma Eurofins (Münster), sowie auf dem Gelände Fegeproben durch das LANUV vorgenommen werden. Hinzu kommen Beprobungen durch das Hygiene Institut. In der Trédi-Anlage in Saint Vulbas werden 5.000 Proben gezogen, die durch das SGS Institut Fresenius stichprobenartig kontrolliert werden. Die Überwachung aller Maßnahmen erfolgt durch die Bezirksregierung Arnsberg.
Der Weg, den die belasteten Materialien nach der Verpackung und der Kontrolle durch das Gutachterbüro nehmen wird, hängt vom Grad der Verunreinigung ab. Gering belastetes Material wird unter Umständen nach entsprechender Beprobung direkt heimischen Schrottverwertern zugeführt. Auch andere Materialien, die hier entsorgt werden können, sollen nicht den weiten Weg zur Firma Trédi bei Lyon nehmen. Dort können täglich maximal 2 LKW Ladungen aus Dortmund angenommen werden.
Um konstant diese Menge ausliefern zu können, will man in Dortmund 2-3 Tageslieferungen auf dem Enviogelände zwischenlagern. Das entspricht bei einer Ladung von 20-25 Tonnen pro LKW einer Lagermenge von 120 und 150 Tonnen. Wie wird hier für eine Sicherung gesorgt, so dass kein Material entwendet oder ummarkiert wird? Die Kontrolle der Logistik scheint einem fragenden Bürger unzureichend transparent. Es wird darauf verwiesen, dass es um grenzübergreifende Transporte von gefährlichen Abfällen geht, die den besonders strengen Auflagen der Baseler Konvention unterliegen.
Allerdings unterlag der Transport der PCB-verseuchten Kondensatoren aus Kasachstan in den Dortmunder Hafen zum Envio-Standort auch dieser Baseler Konvention. Und das Beispiel zeigte, dass erst Nachfragen der polnischen Behörden darauf aufmerksam machten, wie diese Auflagen unterlaufen worden waren.
Die Firma Trédi in Saint Vauban bei Lyon wurde vor der Beauftragung von Vertretern der Sanierungsarbeitsgemeinschaft und der Behörden besichtigt. Man überzeugte sich von hohen Sicherheitsstandards bei der Zerlegung und Reinigung belasteter Materialien. Teilweise entspricht das Arbeitsfeld von Trédi dem der früheren Firma Envio. Trédi ist für die Reinigung und Verbrennung von PCB-belasteten Materialien bekannt. Die Verbrennung erfolgt in der firmeneigenen Sondermüllverbrennungsanlage. UTD Trafos, auf deren Recycling man auch bei Firma Trédi als lukratives Geschäftsmodell in Zeiten knapper Rohstoffe (Kupfer) setzt, werden in besonders gesicherten Hallen zerlegt und gereinigt. Kondensatoren wandern hingegen direkt in die Verbrennung.
Die Kosten der Gesamtsanierung werden auf 7-7,5 Mio € angesetzt (für die Räumung sind rd 5 Mio € eingeplant), die in Ersatzvornahme durch die öffentliche Hand getragen werden.
Nach der Räumung der Halle 55 wird ein Blindgängerverdacht sondiert und dieser gegebenenfalls beseitigt. Der zweite Sanierungsabschnitt, der in den nächsten Monaten vorbereitet wird, wird den Abriss der Hallen 1 und 2 und die Sanierung der Freiflächen umfassen.
Es bleibt zu hoffen, dass bei der Räumung und der Entsorgung der Materialien des Enviobestandes mit größtmöglicher Sorgfalt und entsprechend den Vorschriften gearbeitet wird, um ein Austreten PCB-verseuchter Stäube und eine Belastung der Sanierungsarbeitskräfte, sowie von Beschäftigten im Hafen und Bewohnern im angrenzenden Stadtteil zu vermeiden. Die Bürgerinitiative zur Aufklärung des PCB-Skandals in Dortmund wird auf jeden Fall ein kritisches Augenmerk auf die Durchführung der Arbeiten und etwaige Unregelmäßigkeit richten.
(Foto: Pläne vom Envio- Gelände)
Nach wie vor gibt es erhebliche Schwankungen und immer wieder relativ hohe PCB-Luftmesswerte in den Sommermonaten. Dies ist auf niedrige Niederschläge, aber auch Ursachen bei den emittierenden Betrieben bzw. Abwehungen von belasteten Flächen, zurückzuführen. Bei den Emissionsmessungen in 2010 wurden fünf Betriebe in den Blick genommen. Wir halten es für zwingend erforderlich, den Ursachen dieser nach wie vor hohen Emissionen nachzugehen und sind nicht bereit, sie als gegeben zu akzeptieren. Welche anderen PCB Emittenden gibt es, sind es andere Abfallbetriebe oder im (Süd)Westen angrenzende Gebiete mit Staubabwehungen? Welche Maßnahmen werden ergriffen, um in den betrieblichen Abläufen Emissionen zu senken?
Bei den letzten Messwerten von Staubniederschlagsmessungen des LANUV wurde als Vergleichswert der LAI- Zielwert (Luftreinhalteplanung) und der LAI-Orientierungswert (Genehmigungsverfahren) beigefügt. Die an den Messpunkten gemessenen Werte liegen im Containerhafen um das 4- bis 17-fache oberhalb des LAI-Orientierungswertes (und 8- bis 40mal so hoch wie der LAI-Zielwert). Und auch die Werte im Kleingartenbereich lagen in den letzten 9 Monaten 5 Monate bis zu 2,5 mal über dem LAI-Orientierungswert und in 7 Monaten bis zu 5-fach über dem LAI-Zielwert. Bisher gibt es für den Hafen keine planungsrechtlichen Überlegungen, außer dass im „Sondernnutzungsgebiet Hafen“ laut FNP so gut wie alles möglich rund um die Uhr möglich ist. Die LAI-Werte weisen auf einen Handlungsbedarf hin. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Emissionen an diese Zielwerte heranzuführen?
06.12.2015
(Foto: BI Protest vor dem Landgericht Dortmund)