Infos zu aktuellen Entwicklungen

Ein Vorwort

Die folgende Auswertung des PCB‐Skandals in Dortmund und über die Arbeit der „Bürgerinitiative zur Aufklärung des PCB‐Skandals“ wurde verfasst aus Anlass der Präsentation des Buches von Julia Unkel: 255,7376 μg. Der Bildband befasst sich mit dem PCB‐Skandal in Dortmund um die Firma Envio und nahm an der Fotoausstellung „F² Follow the water“ über Wassergerechtigkeit und Klimawandel im November 2019 im Dortmunder Depot teil.

In ihrem Vorwort zum Fotoband schreibt Svenja Noltemeyer:

"PCB galt lange Zeit als Wundermittel. Als Weichmacher oder Isoliermittel in Baustoffen, Trafos, Haushaltsgeräten.

2001 wurde PCB international verboten. Polychlorierte Biphenyle (PCB) verursachen Krebs, beeinflussen

den Hormonhaushalt, verändern das Erbgut, verursachen Fehlbildungen im Mutterleib, reichern sich im Körper

an, sind langlebig, giftig und verursachen verschiedene chronische Erkrankungen.

Messstationen machen erhöhte Werte sichtbar. Führen aber nicht zu den Verursachern.

Das Recycling von Transformatoren ist eine Geschäftsidee. Mit den aufgeschraubten Transformatoren gelangt

PCB ins Freie, Arbeiter*innen nehmen es auf und tragen es mit der Arbeitskleidung zu den Familien. Unsichtbares

Gift.

Die superlativ hohen PCBMesswerte im Blut führen zu keinen Konsequenzen. Regresspflicht, Schadensersatz stehen im

Raum, den aber niemand betreten mag. Der Prozess gegen die Manager wird nach knapp vier Jahren eingestellt.

Es gibt keinen sicheren Nachweis, dass PCB allein für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Kläger

verantwortlich ist. Leiharbeiter haben keine Lobby. Sie sollen günstig sein, bekommen kaum Fachbeistand. Sie

erhalten Niedriglohn unter gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen.

Fegeproben beweisen das Gift. Plastikabdeckungen sichern kontaminierte Stellen, bilden Giftschleusen zur

Nachbarschaft. Staub fliegt in die Wohngebiete oder Kleingärten, in denen sich das Gift in den Pflanzen anreichert.

Im Blut und auf Papier sind die PCB Werte dokumentiert.

Dortmund ist stolz auf seinen Hafen. Er ist der größte Kanalhafen Europas und neben der Recyclingbranche zunehmend

auch ein Ort der Kultur und Freizeit."

 

Über blinde Flecken und „missing links“ im EnvioSkandal

Wiebke Claussen, November 2019

 Die Chronologie der heißen Phase des PCB‐Skandals ist auf dieser Website dargestellt. Der folgende Text „Über blinde Flecken und „missing links“ im Envio‐Skandal“ stellt, ergänzend zu Julia Unkels Fotoband, Hintergründe, Ursachen, Auswirkungen und die blinden Fleckendes PCB‐Skandals dar. In der Anlage gibt es eine Reihe von erläuterndem Material, Literatur, Links etc.Wir möchten damit das Wissen, das wir im Zuge von über 10 Jahre BI‐Arbeit angesammelt haben, auch für Interessierte verfügbar machen.

Der Envio-Skandal ist einer der größten aufgedeckten Umweltskandale der letzten Jahrzehnte. Er wurde verursacht durch das Handeln der Geschäftsleitung (strafrechtlich geprüft), Personalabbau im Arbeits- und Umweltschutz, Politikversagen, massives Behördenversagen und ein wenig entschiedenes Gerichtsurteil. Das gesamte Szenario muss als Umwelt- und Politikskandal und als ein Fall von Justizversagen gewertet werden. Die Reaktion in Dortmund blieb seltsam verhalten, die Aufarbeitung zog sich zäh hin und wichtige Punkte sind bis heute nicht beleuchtet worden.

Seitdem die Firma Envio Recycling GmbH & Co. KG im Jahre 2010 stillgelegt wurde, sind im Dortmunder Hafen noch immer die Folgen eines der größten Umweltskandale Deutschlands zu spüren - nein, eben nicht zu spüren, denn das von der Firma verteilte PCB ist unsichtbar, es ist nicht zu riechen und nicht zu schmecken. PCB kann vom Körper nicht abgebaut werden, es lagert sich dort über Jahre hinweg ab. Es ist überall im Stadtteil verteilt und wird über die Atemluft, die Haut und die Nahrung aufgenommen.

PCB - der wunderbare Werkstoff

PCB galt als Allzweckwunderwerkstoff. Als Weichmacher wurde PCB in Lacken, Rostschutzfarben, und Fugendichtungsmassen, als Isoliermittel und Flammschutz in Bodenbelägen, in Akustikdecken und in Kunststoffen verwendet. In der offenen Anwendung finden wir PCB in Verwaltungsgebäuden, Schulen, Universitäten, Wohngebäuden der 1970er Jahre. Von etwa 20.000 Tonnen PCBs, die in Deutschland in Fugendichtungen verbaut worden sind, sind nach Expertenschätzungen noch 50 bis 80 Prozent in Verwendung.

In geschlossener Anwendung finden wir PCB als Isoliermittel und Flammschutz in elektronischen Kondensatoren und Neonröhren, in Transformatoren und in der Hydraulikflüssigkeit von Hydraulikanlagen, in den Großanlagen im Bergbau und bei Bergbauzulieferern oder auch in Militäranlagen. Und natürlich taucht PCB bei den Abfallverwertern auf, die PCB-belastete Anlagen sortieren, auseinanderschneiden, schreddern. Bei erhöhten Temperaturen entstehen dann auch Dioxinverbindungen.

Das Sekretariat der Stockholm-Konvention schätzte 2010, dass weltweit noch 3 Millionen Tonnen PCB-kontaminiertes Öl in Geräten ruhen, die nur zum Teil inventarisiert sind. Die Kosten für Verpackung, Transport und Zerstörung betragen zwischen 2000 bis 5000 Dollar 31 je Tonne, was insgesamt ca. 15 Milliarden Dollarbedeutet. Die gesamte Stockholm-Konvention hatte aber nur ein Gesamtbudget (über Welt Bank/Global Environment Facility) von 0,55 Milliarden US-Dollar für die vergangenen acht Jahre zur Verfügung. Schwer vorstellbar, dass das globale Ziel des PCB-Management bis 2025 erreicht wird.1

Schätzungsweise 20.000 t PCB-haltige Trafo-Öle wurden in den Bergbaustollen untertage einfach zurückgelassen und stellen mit dem Zurückfahren der Wasserhaltung im Bergbau eine weitere Altlast dar, die in Oberflächenwasser oder ins Grundwasser zu gelangen droht. Schätzungen aus dem Jahre 2007 gingen davon aus, dass insgesamt achthunderttausend bis eine Million Tonnen PCB noch nicht entsorgt sind. Mehr als die Hälfte der PCBs ruht noch in Gebäuden (UBA 2015).

Große PCB-Produzenten waren z.B. Bayer, Monsanto, die z.T. heute auch an der Entsorgung verdienen. In Deutschland wurde die Produktion von PCBs zwar 1983 eingestellt und der Einsatz von PCB ist hier seit 1989 verboten. Die Forschung zu PCB wurde stark zurückgefahren. PCB sind aber noch heute in vielen Materialien eingelagert. PCB haben sich überall auf der Erde ausgebreitet, sie sind in der Atmosphäre, den Gewässern und im Boden allgegenwärtig nachweisbar.

PCB werden inzwischen dem „dreckigen Dutzend“ zugeordnet, den gefährlichsten organischen Giftstoffen, die durch die Stockholmer Konvention vom 22. Mai 2001 weltweit verboten wurden. 2004 erhielten die Unterzeichnerstaaten die Auflage, die PCB-haltigen Altlasten zu entsorgen und UN-Institutionen zur Unterstützung der Entsorgung wurden eingerichtet. PCB schädigt Leber, Nieren, Nerven, das Immunsystem und gilt krebsauslösend (siehe Anlagen 1 und 2). Polychlorierte Biphenyle (PCB) sind eine Stoffgruppe industriell erzeugter Chlorverbindungen, die sich in 209 Kongenere (Stoffverbindungen) aufteilen.

Der Lauf des Envio-Skandals

Das Verbot von PCB (2001) und die Auflage zur Sanierung von PCB-Altlasten (2004) machten die PCB-Entsorgung zum lukrativen Geschäftsfeld. Die Envio Recycling-GmbH & Co. KG ging 2004 aus einem Management Buy Out des Dortmunder Anlagenbauers ABB hervor. Envio zog in ganz großem Stil die Demontage PCB-verseuchter Anlagen auf, für die bereits 1985 die BBC und dann auch ihr Nachfolger ABB die Genehmigung für den Bau einer Anlage zur „Vorbehandlung von PCB-haltigem Abfall“ erhalten hatte. Envio setzte den „Entsorgungsdruck“, der infolge des Stockholm Abkommens entstanden war, als höchst lukrative Geschäftsidee um. Dies geschah personell mit dem Einsatz billiger Leiharbeiter, die durch die Agenda 2010 seit Anfang der 2000er Jahre massenhaft verfügbar waren, und technisch auf der Grundlage des sagenhaftes LTR²-Verfahren, das allerdings nie richtig erprobt oder patentiert wurde.

Die Envio AG, Holding des Envio- Unternehmensgeflechtes ging 2007 an die Börse. Envio wurde zunächst als innovativer Vorzeigebetrieb gehätschelt, bekam einen Ökoprofitpreis verliehen und war im Ökoinvestmentfonds Murphy&Spitz gelistet, der sich allerdings schnell distanzierte, als der Umweltskandal um Envio Anfang 2010 Fahrt aufnahm.

Das LTR²- (low Temperatur Rinsing and Re-Use/Recovery“)-Verfahren bezog sich auf das „Niedertemperatur-Spülverfahren“ mit Tetrachlorethylen. Mangels Hitzeentwicklung entstünden somit bei der Demontage keine Dioxine und Furane. Die Trafogehäuse wurden mit Pechlorethylen/Tetrachlorethylen gespült und getrocknet, und in einer nachgeschalteten Destillationsanlage wurde das PCB vom Reinigungsmittel getrennt. Die abgeschiedenen PCB-haltigen Öle sowie die PCB-Destillationsfraktion gelangten danach zur endgültigen Entsorgung. Trafomaterialien wie Gehäuse (Stahlschrott), Spulen (Kupfer und Aluminium) und die Bleche des Trafokerns wurden als Sekundärrohstoffe zurückgewonnen und verkauft. Das ganze Verfahren der Behandlung von PCB belasteten Transformatoren war gemäß der Genehmigung eines Pilotverfahrens durch die Aufsichtsbehörden nur in der Halle 1, der „schwarzen Halle“, erlaubt. Von dieser Darstellung des Verfahrens wurde in der Realität stark abgewichen und der Probebetrieb immer weiter verlängert.

Die Arbeitsbedingungen bei Envio beschreibt ein Interview mit Nicole Vormann von Investmentfonds Murphy&Spitz nach einem Betriebsbesuch in 2010 folgendermaßen: „Was wir da vorgefunden haben, entsprach diesem Bild (eines Ökovorzeigebetriebs und Öko Geheimtipps) ganz und gar nicht. Also eher 1970er / 1980er Jahre Stand. Und dann überall standen diese Transformatoren rum, das Öl tropfte raus und nicht in Auffangwagen aber nicht ein Betrieb, der mit hochgefährlichen Stoffen umging.“ Interview mit Nicole Vormann (Ökoinvestmentfonds Murphy&Spitz) im WDR-Lokalzeit-Interview 2010 (https://www.youtube.com/watch?v=_E9T9yzL0Jg). Der Bezirksregierung lag schon früh eine anonyme Anzeige eines Mitarbeiters mit Verweis auf unsachgemäße und nicht genehmigungskonforme Aufarbeitung von Transformatoren vor, der aber nicht weiter nachgegangen wurde. Später wurden in den Betriebsbereichen außerhalb des „schwarzen“ Bereichs hohe PCB-Werte gemessen. Die Rede war von Entlüftung durch geöffnetes Hallentor, abgeschalteter Absauganlage und ähnlichem.

Und auch Behörden war Envio bekannt. Im Januar 2008 nahm Envio an einem URBAN II-Projekt unter Federführung der Dortmunder Wirtschaftsförderung, der Sozialen Innovation GmbH (SI) und der CE-Consult teil. Es ging darum, Betriebsabläufe zu analysieren und zu optimieren. Hier erfolgten auch Betriebsbesichtigungen. Zitat aus der Pressemitteilung der CE-Consult vom 16.5.2008: "Mit der blauen Taste läuft's - Positive Bilanz bei Weiterbildungs-Projekt - Bedienungsanleitungen von Destillationsanlagen und Transformatoren kennen Nina Möller und Heidi Dunczyk inzwischen gut. Die beiden Beraterinnen aus den Unternehmen "Soziale Innovation" und "CE Consult" wühlten sich seit Jahresbeginn durch oft 1.000 Seiten dicke Werke. "Meist fanden wir sie völlig verdreckt hinter den Maschinen", lacht Heidi Dunczyk. Doch nun ging die Arbeit erst los. Zusammen mit den Mitarbeitern in vier Firmen, unter ihnen die Envio AG, wurde "übersetzt". Das Ergebnis sind Handbücher "in der Sprache der Kollegen", so Nina Möller.". Die Zustände im Betrieb wurden in Augenschein genommen, der Bezug zum wenig sorgsamen Umgang mit den Gefahrstoffen aber nicht hergestellt.

Und der Betrieb bei Envio war auch durch den massenhaften Einsatz von Leiharbeitskräften äußerst lukrativ. Die Rede war von mindestens 150 Leiharbeitnehmern aus 15 verschiedenen Verleihfirmen. Dabei wurde nicht nur bei der Entlohnung, sondern auch bei ausreichendem Arbeits- und Gesundheitsschutz, Schutzanzügen, Atemmasken, Handschuhen gespart. Die Arbeitskleidung trugen die Arbeiter zur Wäsche mit nach Haus, und damit auch den PCB-verseuchten Staub, der sich in den Wohnungen absetzte und auch von Frauen und Kindern aufgenommen wurde und zu hohen PCB-Werten im Blut führte.

PCB-verseuchte UTB-Transformatoren wurden aus der untertägigen Giftmülldeponie der privaten Kali+Salz AG im hessischen Herfa-Neurode wieder zu Tage befördert (Wer erteilte hier eigentlich die Genehmigung?). Auch Großtransformatoren aus Energieanlagen aus aller Welt, Hydraulikanlagen aus dem Steinkohlebergbaus, bis hin zu PCB-verseuchten Kondensatoren einer Raketenabschussrampe in Kasachstan wurden in den Dortmunder Hafen verfrachtet und dort auseinandergenommen, um an die darin enthaltenen hochwertigen Metalle heran zu kommen und sie zu verkaufen. Bis 2010 verarbeitete Envio 14.000 Tonnen PCB-verseuchtes Material.

Ein erteilter Probebetrieb wurde jahrelang von den Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden geduldet, während die Produktionskapazitäten bei Envio stetig ausgebaut wurden. In 2007/2008 wurden dann an der stationären Dauermessstation am Naturkundemuseum in Dortmund alarmierend hohe PCB-Werte gemessen. Unerklärlich ist, dass es einige Jahre dauerte, bis die Behörden den Emittenten im Hafen endlich ermittelten. Schließlich platzte der Skandal Anfang 2010 und durch die anonyme vertrauliche Anzeige eines ehemaligen Envio-Mitarbeiters, die Recherche zweier Politiker der GRÜNEN und der LINKEN und eines Journalisten. Sicherlich war der Wechsel in NRW zu einer rot-grünen Landesregierung förderlich dafür, dass der Envio-Betrieb im Mai 2010 stillgelegt wurde. Im Oktober 2010 meldeten die Envio Recycling GmbH und Co. KG und die Envio Geschäftsführungs GmbH Insolvenz an.

Man sollte meinen, dass nach der Aufdeckung des Umweltskandals in 2010 alle Hebel in Bewegung gesetzt worden wären, das Firmengelände zu reinigen, doch eine lange Zeit ist nichts Erwähnenswertes passiert. Der Staub des noch gelagerten 1.150 t PCB-verseuchten Giftmülls wurde mit dem Wind in alle Richtungen zerstreut. Ende 2015 wurde die Sanierung der PCB-verseuchten Flächen und Anlagen dann endlich begonnen und Abriss, Abtrag und Abtransport Ende 2018 abgeschlossen. Das als belastet gemessene Material (Boden, Anlagen, Gebäudeabriss) wurde nach Frankreich und Holland zur Verbrennung geschickt, zum Teil auf der Mülldeponie Dortmund-Deusen abgekippt, und Flächen vor Ort versiegelt. Bis heute gibt es eine negative Verzehrsempfehlungen für den PCB-verseuchten Fisch im Hafenbecken und für Grünkohl in den Kleingärten am Rande des Dortmunder Hafens.

Gesundheitsfolgen des Envio-Skandals

Im Nachgang des Envio-Skandals wurde auf Drängen von Anwohnern das Angebot einer Blutbetestung, das die Behörden zunächst vor den Sommerfreien 2010 einstellen wollten, weitergeführt. 1.270 Personen nahmen das Angebot, den PCB-Gehalt ihres Blutes bestimmen zu lassen, wahr. Ein Gesundheitsbetreuungsprogramm für Menschen mit erhöhten PCB-Werten im Blut wurde 2011 begonnen und die RWTH Aachen mit der Durchführung betraut. An dem Programm nahmen 335 Menschen mit hohen PCB-Belastungen teil. Betroffen sind neben ehemaligen Envio-Mitarbeitern auch deren Ehepartner und Kinder und Beschäftigte benachbarter Firmen (wie ABB) und Kleingärtner. 146 Personen nehmen an dem „Nachsorge-Programm HELPcB“ an der RWTH Aachen, das zunächst bis Ende 2020 fortgesetzt wird, noch aktiv teil. 50 Personen versuchten (erfolglos), eine Berufserkrankung nachzuweisen.

Für die Aufnahme im Gesundheitsbetreuungsprogramm wurde als Kriterium festgelegt, dass Probanten mindestens eins der Kriterien (niedrig chlorierte PCB > 0,1 mikrogramm, höher chlorierte PCB über UBA-Referenzwert, 5 Dioxinähnliche PCB´s > 95 Quantil nach Schettgen) erfüllen. Aus der Übersicht geht die Verteilung der PCB-Belastungen im Blut der Testpersonen hervor. Relevant ist hier die Relation zwischen dem Referenzwert der PCB-Stoffgruppen und den statistischen Kennwerten (die Mittelwerte, das 95-Perzentil, der Maximalwert) der Messwertverteilung.

1PCB-Management: erledigte und unerledigte Hausaufgaben Rede von Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes, auf der Veranstaltung „30 Jahre PCB-Management – was ist (noch) zu tun?“ am 20. August 2013 in Berlin (https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/377/dokumente/pcb_management_erledigte_und_unerledigte_hausaufgaben.pdf)

Am schwersten getroffen hat es die ehemaligen Arbeiter, zum größten Teil Leiharbeiter und ihre Familienangehörigen. Unwissend und ohne ausreichende Schutzkleidung nahmen sie das Gift auf und lagerten es in hohen Dosen in ihren Körper ein. Unter den 270 untersuchten Arbeitern wurde nur ein Jahr nach Schließung der Anlage (Juli 2011) bereits bei sechs Personen eine Krebserkrankung neu diagnostiziert, bei weiteren 40 schwere PCP-bezogene Umwelterkrankungen identifiziert. Eine Person hat sogar 25000-fach (255,736 Mikrogramm) erhöhte PCB-Werte (dem niedrig-chlorierten PCB 28 siehe die Spalte in der Tabelle). Es wurden 44 Anträge auf Anerkennung von Berufserkrankungen eingeleitet (2011). Im Gesundheitsbetreuungsprogramm wurden 2014 15 Kinder mit erhöhter PCB-Belastung ermittelt, deren Väter das Gift mit der Arbeitskleidung mit nach Hause brachten. Sechs der untersuchten Kinder wiesen medizinische Auffälligkeiten auf.

Das Gesundheitsbetreuungsprogramm wird durch die Berufsgenossenschaft finanziert. Die Ergebnisse wurden im Strafprozess nicht verwertet. Das Interesse der Berufsgenossenschaft liegt natürlich daran, die Kosten (des Programmes selbst wie auch möglicher nachfolgender Forderungen Betroffener) nicht in die Höhe zu treiben.

Mehrmals forderten u.a. eine Gruppe von Ärzten aus Dortmund die Einrichtung einer Kontrollgruppe im Gesundheitsbetreuungsprogramm, um evidenzbasierte (und belastungsfähigere) Untersuchungsergebnisse zu erzeugen, die auch für die betroffenen Arbeiter vor Gericht Bestand gehabt und ihre Schadensersatzforderungen unterstützt) hätten. Das Umweltministerium schlug die Forderung jeweils aus. Es ging darum, die Folgen des Skandals und die damit verbundenen Kosten und nachfolgende Schadensersatzforderungen „einzuhegen“.

Durch das Gesundheitsbetreuungsprogramm wurden neue Erkenntnisse über die Gesundheitswirkungen von PCBs im menschlichen Körper gesammelt. Allerdings trug dies so gut wie nichts zur Aufarbeitung der Verantwortlichkeiten bei und die Geschädigten blieben auf sich allein gestellt: Angst ist ihr ständiger Begleiter.

 

PCB – heimtückisches Gift

Die Gesundheitsfolgen des Umweltgiftes PCB sind komplex, jedoch bis heute unzureichend „evidenzbasiert“ (gerichtsfest) nachgewiesen (siehe Anlage 3): Hautveränderung, Haarausfall und Chlorakne, Schädigung des Immunsystems und Stoffwechselerkrankungen, Leberschäden, Beeinträchtigung der Schilddrüsenfunktion, Krebserzeugung und Erbgutschädigung. PCBs erzeugen neurologische Erkrankungen und beeinträchtigen die Entwicklung des Gehirns. Sie schädigen den Hormonhaushalt, die Fortpflanzungsfähigkeit und erzeugen Gendefekte.

PCBs weisen eine hohe Fettlöslichkeit in Verbindung mit einer hohen Stabilität und einer damit verbundenen geringen (mikrobiellen) Abbaurate auf, insbesondere der höherchlorierten PCBs in allen Umweltkompartimenten. Da PCBs kaum verstoffwechselt werden können, reichern sie sich in fetthaltigen Geweben an und erreichen über die Nahrungskette schließlich den Menschen. Aufgenommen werden sie über Nahrungsmittel, über die Luft oder bei direktem Hautkontakt, wie bei den Envio-Arbeitern, über die Haut oder über die Atemluft. Die akute Toxidität von PCB ist gering. Aber eine chronische Giftigkeit ist schon bei geringen Mengen festzustellen. Es gibt keinen Grenzwert, unterhalb dessen PCB gesundheitlich unbedenklich ist. Aber es gibt keine evidenzbasierte Datenerhebung über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge und die gesundheitlichen Auswirkungen von PCBs.

Der Stoff ist wasserunlöslich, extrem langlebig und schwer abbaubar. Sichere Methoden der Behandlung und Ausleitung gibt es bisher nicht (zur gesetzlichen Regulierung und Orientierungswerten siehe Anlage 4).

So lange der evidenzbasierte Nachweis der Dosis-Wirkung-Beziehung von Schadstoffen nicht erbracht ist (bzw. nicht im Gutachterstreit vor Gericht anerkannt wird), werden Menschen, die hohe Dosen einer bestimmten Chemikalie im Blut aufweisen, mit denen sie auch an ihrem Arbeitsplatz hantieren, in Deutschland keine Schadensersatzansprüche geltend machen können und Strafprozesse versanden. Die Betroffenen werden bei vorhandenen Gesundheitsschäden auf ihre „ungesunde Lebensweise“ (z.B. Rauchen) und „ihr Eigenverschulden“ verwiesen und die Exposition am Arbeitsplatz, deren Wirkungsketten und Verantwortliche werden aus der Betrachtung draußen vorgehalten. Ihnen obliegt dann eine Nachweispflicht mit sehr ungleichen Kräfteverhältnissen. Dies geschah auch im Envio-Verfahren .

 

Die Prozesse im Envio-Verfahren gingen aus wie das Hornberger Schießen

Aufgrund einer Strafanzeige der Dortmunder LINKEN in 2010 hatte die Dortmunder Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen verantwortliche Mitarbeiter der Bezirksregierung Arnsberg aufgenommen, die 2011 jedoch eingestellt wurden. Dies wirkte später entlastend für die Angeklagten im Strafprozess.

Merkwürdig bleibt ein nicht aufgeklärter Todesfall. Am 23. 1. 2011 starb in Bochum ein 57-jähriger Trafo-Monteur aus Dortmund, der jahrelang auf dem Envio-Gelände gearbeitet hatte. Er hatte erhöhte Mengen von PCB im Körper. Der Mann brach auf der Toilette zusammen, kurz vor seiner Zeugenbefragung/Vernehmung im Prozess. Die Todesursache blieb unklar. Als Todesursache galt Herzversagen und wurde nicht weiter aufgeklärt, da der Leichnam nicht obduziert und kurze Zeit darauf verbrannt wurde.

Der Strafprozess wegen Körperverletzung in 51 Fällen und (nachgeordnet) Umweltdelikten gegen die Envio-Verantwortlichen, lief ab Mai 2012 über fünf Jahre und 167 Verhandlungstage und wurde am 4. 4. 2017 gegen die Zahlung einer Summe von 80.010 € durch den Geschäftsführer und den ehemaligen Betriebsleiter von Envio und ohne Anerkennung einer Rechtsschuld eingestellt. Darin eingebunden war die, letztlich erfolglose, Nebenklage von 22 geschädigten Envio-Mitarbeitern. Im Envio Strafprozess tobte ein wahrer Gutachterkrieg um die Auslegung der gesundheitlichen, strafrechtlichen, gerichts- und schadensersatzrelevanten Auswirkungen von PCB, in dem kritische Gutachter allerdings immer wieder als befangen ins Abseits gestellt wurden.

Anfang und Ende einer Fernsehdokumentation zum Envio-Skandal bringen die Situation der betroffenen, geschädigten Arbeiter und ihrer Angehörigen treffend auf den Punkt: „Angst ihr ständiger Begleiter.“ Und auch der Ausgang des Envio-Skandals wird treffend beschrieben: „Ob Neupert für einen der größten Umweltskandale in Deutschland zur Verantwortung gezogen wird, ist heute völlig offen – auch, ob sich am Ende überhaupt jemand verantworten muss.“ (siehe dazu die WDR-Dokumentation „Grünkohl, Gift & Geschäfte“ http://www.youtube.com/watch?v=ZgmTczMfXuo).


Der blinde Fleck

In jeder Branche gilt, jeder kennt jeden, wenn er wichtig ist und was zu sagen hat. Und das gilt auch im Fall Envio. Während des gesamten Ablaufs des Envio-Skandals fand das dahinter stehende ökonomische Interessengeflecht von Unternehmen und persönlichen Verquickungen kaum Erwähnung. Dazu gehören die Chemieindustrie (z.B. Bayer, BASF), Anlagenbauer (z.B. ABB) Bergbau (z.B. Ruhr Kohle AG und Bergbauzulieferer), Energieerzeuger (z.B. RWE, E.ON, EnBW), Berater- und Zertifizierungsbetriebe (z.B. die DQS Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen), Recyclingwirtschaft, Abfallverbrennung und -deponierung (z.B. die Kali + Salz AG, die Bayer Ausgründung CURRENTA, andere Schrottbetriebe im Dortmunder Hafen, wie Interseroh, Hermstrüwer, Ahle, Hittmeyer, die z.T. die Töchter der Georgsmarienhütte Holding GmbH sind). Dazu gehören Wissenschaftler z.B. der Universität Darmstadt, die Envio und Koproduzenten unterstützten, Gutachter im Strafprozess, Kommissionsmitglieder, die UNO-Kommissionen zur Umsetzung des Stockholm Abkommens, Institutionen (z.B. die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA in Dortmund), Aufsichts- und Genehmigungsbehörden, Gewerkschaften, Berufsgenossenschaften.

Umstrukturierung und massiver Personalabbau in den Genehmigung- und Aufsichtsbehörden und private Zertifizierungsverfahren unter dem Schlagwort „Privat vor Staat“ haben den Einfluss ökonomischer Interessen (Profitsicherung und Kostenabwehr) weiter steigen lassen. Im Envio-Skandal spielt auch das private Zertifizierungswesen eine Rolle, das als ökonomisches Instrument der Qualitätssteuerung gilt, das Markttransparenz und fairen Wettbewerb fördern soll und auf das sich andere Marktteilnehmer, Behörden, Kapitalanleger stützen. Envio war ein zertifiziertes Unternehmen, verfügte über die Zertifikate des Qualitäts- und Umweltmanagements (ISO 9001 und 114001) und war „Entsorgungsfachbetrieb“ (das EfbV-Zertifikat), die von der DQS GmbH (Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen), einem der ältesten und global agierenden Zertifizierer in Deutschland, ausgestellt worden waren. Hinzu kam das Öko-Profit-Zertifikat der B.A.U.M. Wie konnte ein Unternehmen, das offensichtlich über Jahre Auflagen und Arbeitsschutzmaßnahmen missachtet hat und dessen Mitarbeiter zum Beispiel mit PCB ohne Arbeitsschutzkleidung umgingen, zertifiziert werden? Envio wurde bereits im Mai 201i stillgelegt, die Zertifikate wurden aber erst im Juli 2010 ungültig. Wie zuverlässig sind derartige Verfahren? Der Sachverwalter welcher Interessen sind derartige Zertifizierungsträger?

Auch im Envio Strafprozess konnten sich kritische Gutachter nicht durchsetzen, sondern wurden als befangen ins Abseits gestellt. Die Folgen des Skandals wurden auf die Allgemeinheit abgewälzt: als Gesundheitslasten auf die Betroffenen, als Kosten auf die Steuerzahler oder als unter den Teppich gekehrte Altlasten. Die Kosten des Gerichtsverfahrens wurden nach einem ersten Meilenstein, dem 100. Prozesstagen in 2014, bereits auf gut 0,5 Mio €. Die Sanierungskosten wurden im Sanierungskonzept auf 7,5 Mio € veranschlagt. Hinzu kommen das Gesundheitsbetreuungsprogramm und andere Verfahren. Diese Kosten trägt die Allgemeinheit.

Politik, Verwaltung und Justiz arbeiteten den entstandenen Schaden ab, hegten ihn aber auch ein, so dass die wahren Ausmaße gar nicht ermessen wurden. Das lädierte Image des Produktionsstandortes Dortmunder Hafen, im Besitz der Hafen AG bzw. der Stadt Dortmund, wurde aufpoliert. Die Recyclingbetriebe im Dortmunder Hafen blieben weitgehend unangetastet, obwohl die Auswertung von Luftmessungen immer wieder mindestens einen weiteren PCB-Emittent vermuten ließen (siehe Anlage 5). Pittoreske Züge nahm es an, als die Aufsichtsbehörde in der Bezirksregierung Arnsberg hier allen Ernstes auf die Lagerfeuer des mittelalterlichen Weihnachtsmarktes, der in Nachbarschaft des Dortmunder Hafengelände stattfand, als Verursacher erhöhter dioxinähnlicher Werte im Hafenbereich in 2017/2018 verwies siehe Anlage 6).

Eine grundsätzliche Aufarbeitung des Skandals, um derartiges künftig zu vermeiden, hat kaum stattgefunden. Unter dem Strich hat sich infolge des Envio-Skandals substantiell nichts geändert. Solch ein Umweltskandal kann sich demnach jederzeit wiederholen.

 

Das Spiel geht weiter

Und doch muss der Strafgerichtsprozess um Envio auch als ein Trittstein in der Auseinandersetzung um die Gesundheitsschädlichkeit von PCB (und die Formulierung von Schutzstandards dagegen) angesehen werden. Die Akteure, die den Prozess kritisch begleiteten und immer wieder auf Änderungsbedarf hinwiesen, waren im Vergleich zu den im Hintergrund wirkenden einflussreichen ökonomischen Kräften schwächer, so dass die Verantwortlichen des Skandals straffrei ausgingen. Immerhin gab es aber eine Nebenklage von betroffenen Arbeitern im Strafgerichtsprozess, die durch u.a. durch Personen der Parteien Die GRÜNEN und Die LINKE, durch den DGB und Einzelpersonen initiiert wurde. Immerhin gibt es einige Akteure im Stadtteil, in Zivilgesellschaft, Medien und Politik, die sich unermüdlich für eine Aufklärung des Umweltskandals engagieren und ihr Wissen an andere weitergeben. Immerhin wurden einige neue wissenschaftliche Erkenntnisse über Gesundheitsfolgen von PCBs gesichert. Und eine Arbeitsgruppe der Internationalen Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte 2013 PCB für krebserregend. Insgesamt wurden die Stoffgrenzwerte im Umwelt-, Gesundheits- und Arbeitsschutz nicht verschärft (siehe Anlage 4). Und PCBs sind nach wie vor nicht als Gefahrgut und nicht als gesundheitsschädigende Stoffe in Arbeits- und Gesundheitsschutzstandards gelistet. Im Produktionsprozess kann weiter agiert werden wie bisher.

Es bleiben dicke Bretter zu bohren. Es ist noch ein weiter Weg und bedarf des langen Atems von Umweltengagierten, die diese Zustände nicht einfach hinzunehmen bereit sind und sich für so etwas wie das Vorsorge- und Verursacherprinzip, Kreislaufwirtschaft, nachhaltiges Wirtschaften, Umweltgerechtigkeit oder schlicht „gesunde Lebens- und Arbeitsbedingungen“ einsetzen (Anlage 7).

Wie können engagierte Bürger in solch einem Skandal agieren?

In solchen Verfahren spielen in Initiativen engagierte Menschen eine wichtige Rolle. Die regelmäßige Teilnahme als Prozessbeobachtung im Strafprozess und die Dokumentation des Ablaufs schafft Öffentlichkeit. Darüber hinaus können Befunde aus der wissenschaftlichen Diskussion, und Fragen über Medien verbreitet und damit in das Gerichtsverfahren eingespeist werden. Auch können die Betroffenen bei Klageerhebung unterstützt werden. Ein solchen Umweltskandalen können Bürger als Prozessbeobachter und deren Dokumentation leisten. Im Zuge des Freiheitsinformationsgesetz müssen Behörden Bürgern Auskünfte erteilen.

Was muss sich ändern?

Dem Verursacher- und Vorsorgeprinzip muss real die Bedeutung beigemessen werden, die sie formell eigentlich schon haben. Dafür braucht es u.a. eine fachlich und personell ausreichende Ausstattung der Aufsichts- und Genehmigungsbehörden, um Umwelt-, Gesundheits- Arbeitsschutz präventiv Geltung zu verschaffen. Das beinhaltet z.B. auch eine Änderung der Gewerbe- und Industriepolitik hin zu umwelt- und nachbarschaftsverträglichen Strukturen im Dortmunder Hafen und andernorts, denn bei Envio handelte es sich keineswegs um eine Altlast oder eine altindustrialisierte Anlage, sondern um eine neue (sogar als Ökovorzeigebetrieb honorierte) Betriebsanlage. Das Wegsehen von Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden ist sogar in ökonomischer Hinsicht als Wettbewerbsverzerrung gegenüber Mitbewerbern nicht haltbar.

Es ist äußerst unbefriedigend, dass private Lizenzierungsverfahren die Arbeit von Aufsichts- und Genehmigungsbehörden ersetzen und Entscheidungen in der Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik über Gerichtsverfahren erzwungen werden. Politik muss hier wieder ihre Abwägungs- und Entscheidungshoheit erringen, in der Vorsorge, Prävention, Umwelt und Gesundheitsrechte die angemessene Bedeutung haben.

Notwendig ist auch die Stärkung der Rechtsposition von Betroffenen und Arbeitnehmern, die illegale, umwelt- und gesundheitsschädigende Produktionsweisen ihrer Arbeitgeber zur Anzeige bringen (Whistleblower). Besonders zynisch zeigt sich im Fall die schwache Position und Ausbeutung von Leiharbeitskräften. Notwendig wäre ein energischeres Engagement der Gewerkschaften.

Änderungen im Haftungsrecht sind notwendig. Die Eigentümer von Betriebsflächen (die Fläche wurde Envio im von der Stadt Dortmund/der Hafen AG im Wege der Erbpacht überlassen) sollten in den Verträgen Haftungsklauseln verankern und so die Emittenten für ihre Hinterlassenschaften verantwortlich und haftbar machen.

Notwendig wäre die Umkehr der Beweislast. Bei einem HIV-Infizierten gilt z.B., dass dieser, falls er von seiner Infektion weiß, mit einem Nichtinfizierten ungeschützten Geschlechtsverkehr hat und ihn vorher nicht über seinen Zustand informiert und ihn ansteckt, er dafür vor Gericht verurteilt wird, obwohl die/der Neu-Infizierte außer dem „positiven“ HIV-Befund noch (!) keine dauernden gesundheitlichen Schäden aufweist. Wieso gilt eine entsprechende Rechtsprechung nicht auch für nachweislich PCB-belasteten Betroffenen?

In den USA gilt ein wesentlich schärferes Haftungsrecht als in Deutschland. Seit 2018 hat Bayer in den USA zwei Niederlagen vor Gericht hinnehmen müssen, der Konzern wurde zu hohem Schadenersatz an Krebskranke verurteilt. Der Bayerkonzern, der 2018 den Konkurrenten und Saatguthersteller Monsanto übernommen hatten, muss sich in den USA tausenden von Schadenersatzklagen stellen. Ein weiteres Beispiel ist die Klagewelle in den USA gegen den VW-Konzern im Zuge der Diesel-“Affaire.“

Darüber hinaus sind Dokumentationen von Schadstoffquellen notwendig. Es gibt weiterhin keine Inventarisierungs- und Beseitigungspflicht für PCBs in offenen Anwendungen wie Fugen, Anstriche, Wilhelmiplatten. Deshalb sind als erster Schritt eine Inventarisierung von Gebäuden mit PCB-Belastungen sowie ein fachgerechter Umgang mit PCB-haltiger Bausubstanz bei Umbaumaßnahmen, Sanierungen und Abriss anzustreben. Schweden könnte dafür als Vorbild dienen, das ein derartiges Inventar aufgebaut hat1

 

 Anlage 1: Zeitleiste PCB Wunderwerkstoff und Megagesundheitsgift

1881: PCB wird zum ersten Mal hergestellt

1929: Beginn der industriellen Produktion von PCB in den USA

1935: Die US-Firma Monsanto übernimmt die Produktion, verkauft weltweit Lizenzen.

1936: Fabrikarbeiter, die mit erhitztem PCB arbeiten, sterben an schweren Leberschäden. Monsanto hat Kenntnis davon

1948: Monsanto preist PCB als Zusatz für langlebige Anstriche bei Brücken, Schwimmbädern, Strommasten oder unter Wasser. Weil PCB schwer brennbar ist, wird es in großen Mengen als Teil der Kühlflüssigkeit n Transformatoren und Kondensatoren eingesetzt.

1966: Der schwedische Chemiker Sören Jensen entdeckt PCB-Rückstände in Fischen und Vögeln weitab jeder Fabrik. Hohe Konzentrationen weisen Tiere am Ende der Nahrungskette auf.

1968: In Japan erkranken mehrere tausend Menschen, als sie kontaminiertes Reisöl essen. Kinder werden vergiften und weisen teilweise einen tieferen IQ auf. Zunächst starben 100.000 Hühner, kurz darauf zeigten sich bei etwa 2.000 Menschen erste Vergiftungssymptome in Form von Hautveränderungen, Chlorakne und einer Dunkelfärbung der Pigmente ( Yusho-Krankheit ). Später kam es zu schweren Organschäden und zu Krebs . 90 Prozent der betroffenen Babys kamen als sogenannte schwarze Babys zur Welt. In einer japanischen Lebensmittelfabrik war aus einer Kühlanlage flüssiges PCB in einen Reisöltank geflossen. Das vergiftete Reisöl gelangte in den Handel und wurde als Tierfutter und Lebensmittel verkauft.

1972: Monsanto kündigt an, PCB für Farben und Fugendichtungen vom Markt zu nehmen. Die Schweiz verbiete diese Anwendungen. Importierte PCB-haltige Fugendichtungen und Farben werden bis in die achtziger Jahre verwendet.

10. Juli 1976: Chemieunfall im italienischen Seveso. Das Unglück führte zusammen mit ähnlich gelagerten Unfällen zur heutigen Richtlinie 2012/18/EG des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen, Seveso II- oder Störfallverordnung (Seveso-III-Richtlinie (Seveso I: 1982, Seveso II: 1997 und Seveso III: 2012)

1979: In Taiwan wurde ein weitere Giftskandal bekannt, der auch auf den Verzehr von Reisöl zurückzuführen waren, das sowohl mit PCBs als auch teilweise mit polychlorierten Dibenzofuranen verunreinigt war („Yusho“ bzw. „Yu Cheng“-Krankheit).

1986: PCB wird in der Schweiz verboten.

1983: Verbot der Produktion von PCBs in Deutschland.

1989: Verbot des Einsatzes von PCB in Deutschland.

1993: Die letzte PCB-Fabrik schließt in Russland. Weltweit wurden 1,3 Millionen Tonnen produziert und rund 25 Prozent davon in offener Anwendungen verbaut.

1998: Als eines der ersten Länder weltweit inventarisiert die Schweiz PCB-haltige Transformatoren und Kondensatoren und entsorgt sie.

2004: Mit der Stockholm-Konvention werden 12 organische Schadstoffe weltweit verboten, dazu gehört auch PCB

2009: Bei einer deutschen Stichprobe liegen über 90% Schafsleber über dem Grenzwert.

2016: Mit der neuen Abfallverordnung müssen Schweizer Bauherren bei Bauarbeiten vorhandene Bauschadstoffe deklarieren.

2028: Deadline der Stockholm-Konvention für die Eliminierung von PCB-belasteten Materialien.



Anlage 2: Was sind polychlorierte Biphenyle (PCB)?

https://www.allum.de/stoffe-und-ausloeser/polychlorierte-biphenyle-pcb


Polychlorierte Biphenyle (PCB) ist die Bezeichnung für eine Stoffgruppe aus 209 Einzelstoffen, denen ein Grundgerüst aus zwei Kohlenstoffringen mit unterschiedlichem Chlorierungsgrad gemeinsam ist.

Die Einzelstoffe, PCB-Kongenere genannt, unterscheiden sich lediglich im Hinblick auf die Zahl und Lage der mit den Ringen verbundenen Chlor-Atome und werden der Einfachheit halber durchnummeriert.

PCB Indikator-Kongenere

In der Umweltanalytik werden aus Praktikabilitätsgründen meist nur so genannte Indikator-Kongenere bestimmt. Dazu gehören die flüchtigen, niederchlorierten Kongenere PCB -28, -52, -101 und die höher chlorierten PCB -138, -153 und -180. Aus ihrer Konzentration wird dann der Gesamt-PCB-Gehalt hochgerechnet.

Verwandte Stoffgruppen

Neben den PCB gibt es noch verwandte Stoffgruppen, die vergleichbare Eigenschaften aufweisen. Das sind beispielsweise polychlorierte Terphenyle (PCT) und Chlorparaffine. Unser Kenntnisstand zu diesen beiden Stoffgruppen im Vergleich zu PCB ist geringer, jedoch kann davon ausgegangen werden, dass PCT den PCB ähneln. Chlorparaffine sind nach gegenwärtigem Wissen für den Menschen akut wenig giftig, jedoch gefährden insbesondere kurzkettige hochchlorierte Chlorparaffine das Wasser und darin lebende Organismen.

PCB - Vorkommen und Verwendung

Die vielseitig nutzbaren chemischen Eigenschaften der polychlorierten Biphenyle sind seit mehr als 70 Jahren bekannt. Sie fanden vielfältige Anwendung in der Bau-, Elektro- und Kunststoffindustrie. Allerdings wurde zunehmend erkannt, dass sich PCB in der Umwelt und in der Nahrungskette aufgrund ihrer Stabilität und guten Fettlöslichkeit anreichern. Ihre Verwendung wurde daraufhin eingeschränkt. Seit 1978 ist die Anwendung von PCB in offenen Systemen und seit 1989 grundsätzlich (mit wenigen Ausnahmen) verboten. Als PCB-haltig gelten Materialien mit einem PCB-Gehalt größer als 50 Milligramm pro Kilogramm.

PCB in Umweltmedien

Auch heute noch finden sich polychlorierte Biphenyle in allen Umweltmedien – im Wasser, im Boden, in der Luft, in Sedimenten, aber auch in Pflanzen und Tieren. PCB können aufgrund der Struktur und toxikologischer Effekte in zwei Gruppen gegliedert werden; dioxinähnliche und nichtdioxinähnliche PCB. Weil dioxinähnliche PCB ähnliche toxikologische Eigenschaften wie Dioxine besitzen, werden die beiden Stoffgruppen bei Analysen oft zusammengefasst.

Insbesondere Lebensmittel tierischer Herkunft, die einen hohen Fettgehalt besitzen (Fische, z. B. Aal, Milch- und Fleischprodukte), sind weiterhin eine bedeutsame PCB-Quelle für den Menschen: unsere PCB-Belastung stammt zu über 90% aus der Nahrung. Kinder verzehren andere Lebensmittel als Erwachsene, weshalb die Hauptbelastungsquellen je nach Alter variieren.

Die höchsten PCB-Konzentrationen wurden in Aal, Fischleber und daraus hergestellten Produkten gemessen. Gleichzeitig konnte in den letzten Jahren ein starker Rückgang der Belastung mit PCB insbesondere bei folgenden Lebensmitteln festgestellt werden:

  • Rohmilch und Milchprodukte,

  • Hühnereier und Eiprodukte sowie

  • Fischfleisch außer Aal.

Insgesamt ist aber der PCB-Gehalt von Lebensmitteln in den letzten 10 Jahren auf rund ein Viertel zurückgegangen (Schäfer et al. 2000).

Die EU-Kommission beschloss im Oktober 2001 die Emissionen von PCB in die Umwelt zu verringern und die Konzentrationen in Lebensmitteln zu reduzieren. Für PCB wurden Höchstgehalte in Lebensmitteln festgesetzt.

PCB in der Muttermilch

Die Muttermilch weist noch eine messbare PCB-Belastung auf, jedoch mit fallender deutlich Tendenz (Wittsiepe und Mitarb., 2007, Kommission Human-Biomonitoring 2016).

PCB in Gebäuden

Im Mittelpunkt des Interesses stehen allerdings meist PCB-Quellen in Gebäuden. Diese finden sich typischerweise in Bauten, die zwischen 1960 und etwa 1975/80 errichtet wurden. Häufig handelt es sich dabei um öffentliche Gebäude wie Schulen und Kindergärten. Als Quellen kommen u.a. PCB-haltige Fugendichtmassen ("Thiokol"), lecke Kondensatoren in Leuchtstoffröhren, PCB-haltige Flammschutzmittel, sowie Anstriche und Kunststoffe mit PCB als Weichmacher in Frage. In Deckenplatten diente PCB als Weichmacher bzw. als Flammschutzmittel. Gelegentlich wurden auch Parkett- und Teppichfliesenkleber sowie Parkettfugenkitte mit PCB versetzt.



Konzept der "Toxizitätsaquivalente"

https://www.allum.de/stoffe-und-ausloeser/polychlorierte-biphenyle-pcb/grenzwerte-richtwerte

Zur toxikologischen Bewertung von Stoffgemischen, etwa von Dioxinen (polychlorierte Dibenzo-p-dioxine PCDD und Dibenzofurane PDDF) und/oder polychlorierten Biphenylen (PCB) wird oftmals das Konzept der so genannten "Toxizitätsaquivalente" herangezogen.

Hierfür wird der Stoff (das Kongener) mit der höchsten Toxizität als Bezugsstoff genommen. Die Toxizität aller anderen Stoffe wird mittels so genannter Toxizitätsäquivalentfaktoren (TEF) auf diesen Stoff bezogen. Für die hier interessierenden Substanzen ist der Bezugsstoff das 2,3,7,8-TCDD, das so genannte Seveso-Dioxin.

Die Toxizitätsäquivalentfaktoren für PCDD, PCDF und PCB wurden von der Weltgesundheitsorganisation WHO festgelegt. Mittels der Toxizitätsäquivalentfaktoren können Toxizitätsaquivalentkonzentrationen (WHO TEQ) berechnet werden. Auf diese Weise werden Stoffgemische untereinander vergleichbar und bewertbar.

Vereinfacht gesagt, rechnet man ein Stoffgemisch so um, als ob es einzig und allein aus dem Stoff mit der höchsten Toxizität bestünde. Aus diesem Grund sind Toxizitätsaquivalentkonzentrationen bzw.  -mengen nicht gleichzusetzen mit analytisch bestimmten Einzel- oder Summenwerten für PCB in der Raumluft, im Hausstaub oder im Vollblut.

Diese zunächst besonders bei Dioxinen (Nebenprodukte bei industriellen Prozessen bzw. Verbrennungsprozessen) angewandte Berechnungsweise wird auch bei polychlorierten Biphenylen eingesetzt.

Einige PCB-Kongerene sind vom Molekülaufbau her den Dioxinen recht ähnlich, sie werden daher dl-PCB (engl. dioxin-like PCB) genannt. Die Mehrzahl der PCB-Kongenere sind allerdings von der Anzahl und Masse her den Dioxinen nicht ähnlich (ndl-PCB = non-dioxin-like PCB).

Duldbare tägliche Aufnahmemenge (TDI = tolerable daily intake) und duldbare wöchentliche Aufnahmemenge (TWI = tolerable weekly intake)

Die duldbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) bzw. wöchentliche Aufnahmemenge (TWI) bezieht sich in diesem Kontext auf die Summe der Äuivalentkonzentrationen für PCDD, PDCF und PCB (WHO-PCDD/F-PCB-TEQ). Die Mengenangaben erfolgen als pg (Pikogramm = billionstel Gramm).

Von der Weltgesundheitsorganisation  wurde für die duldbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) ein Bereich von 1  bis 4 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro Kilogramm Körpergewicht festgelegt. Der untere Wert von 1 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro Kilogramm Körpergewicht ist als Zielwert zu verstehen.

Der Wissenschaftliche Lebensmittelausschuss (SCF = Scientific Committee on Food) der Europäischen Union hat eine duldbare wöchentliche Aufnahmemenge (TWI) in Höhe von 14 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro Kilogramm Körpergewicht festgelegt, was rein rechnerisch etwa dem mittleren Wert der WHO-Empfehlung entspricht.

PCB-Richtlinie (ARGEBAU 1995)

Fachleute von Bund und Ländern haben sich auf Handlungsempfehlungen für die Sanierung PCB-belasteter Gebäude geeinigt und diese Empfehlungen in einer PCB-Richtlinie niedergelegt. In einigen Bundesländern wurde die PCB-Richtlinie baurechtlich verbindlich eingeführt.

Die PCB-Richtlinie nennt als Zielwert eine Raumluftkonzentration von < 300 Nanogramm PCB pro Kubikmeter (1 Nanogramm (ng) = 1 Milliardstel Gramm). Im Bereich zwischen 300 und 3.000 Nanogramm pro Kubikmeter soll die PCB-Quelle aufgespürt und unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit eingedämmt oder beseitigt werden. Eine Intervention soll bei Raumluftkonzentrationen oberhalb von 3.000 Nanogramm pro Kubikmeter (im Jahresmittel und bei einer Aufenthaltsdauer von 24 Std. pro Tag) erfolgen. Das bedeutet aber auch, dass bei kürzerer Aufenthaltsdauer entsprechend höhere Konzentrationen zeitweilig toleriert werden können.

Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Innenraumlufthygiene-Kommission beim UBA und der AOLG

Diese Arbeitsgruppe hat in 2007 eine aktualisierte, fallbezogene Bewertung veröffentlicht (Umweltbundesamt 2007b):

"Zwei Fälle werden unterschieden:

A) Wenn eindeutig Fugenmassen mit PCB vorliegen, deren Chlorierungsgrad geringer ist als Clophen A60, dienen die Gesamt-PCB, basierend auf 6 Indikator-PCB (ohne PCB118), als Beurteilungsmaßstab. Bei Raumluftkonzentrationen oberhalb von 3 µg/m3 für Gesamt-PCB sind expositionsmindernde Maßnahmen zu prüfen. Bei Konzentrationen darunter ist das Lüftungsverhalten zu überprüfen und ggf. zu verbessern.

B) Sind Clophen A50- oder A60 haltige Deckenplatten verbaut worden und treten hauptsächlich hochchlorierte Clophene als PCB-Quellen auf, kann ebenfalls der PCB-Gesamtgehalt zur Beurteilung herangezogen werden. Bei höheren Gesamt-PCB-Gehalten (> 1µg/m3) soll die Konzentration von PCB118 zur Beurteilung herangezogen werden. Bei Raumluftkonzentrationen oberhalb von 0,01 µg PCB118/m3 sind expositionsmindernde Maßnahmen zu prüfen. Bei Konzentrationen darunter ist das Lüftungsverhalten zu überprüfen und ggf. zu verbessern."

Analytik und Biomonitoring

https://www.allum.de/stoffe-und-ausloeser/polychlorierte-biphenyle-pcb/analytik-und-biomonitoring

PCB Analytik

PCB-Messungen sind im Hausstaub, in Materialproben und in der Raumluft möglich.

Eine Analyse des Hausstaubs auf polychlorierte Biphenyle kann Gewissheit darüber bringen, ob eine Belastung vorliegt oder nicht. Meist werden Werte oberhalb von 5 Milligramm PCB pro Kilogramm Hausstaub als Hinweis auf eine PCB-Quelle angesehen. Dann können Materialproben von möglichen PCB-Quellen analysiert werden, etwa von Fugendichtmassen, Parkettkleber und Parkettfugenkitt (bei Parkett, das vor ca. 1980 verlegt wurde).

Wenn die Innenraumluft auf ihren PCB-Gehalt hin analysiert werden soll, wird über mehrere Stunden hinweg eine bestimmte Luftmenge durch ein absorbierendes Medium gesaugt, welches dann im Labor gaschromatisch auf PCB hin untersucht wird. Probennahme und Analytik sollten prinzipiell nur durch erfahrene und zertifizierte Laboratorien durchgeführt werden, die auch darauf achten, dass Vorgaben der PCB-Richtlinie beachtet werden. Beispielsweise findet man im Sommer infolge erhöhter PCB-Ausgasung häufig höhere Werte als im Winter. Sowohl eine Temperaturkontrolle als auch eine Probennahme bei geschlossenen Fenstern und Türen sind wichtig, um verlässliche Messwerte zu erhalten. Die eigentliche analytische PCB-Bestimmung erfolgt auf gaschromatografischem Weg.

PCB Biomonitoring

Die innere PCB-Belastung kann im Blut (Vollblut, Plasma, Serum), ggf. auch in der Muttermilch oder in Fettgewebsproben bestimmt werden.

Referenzwerte

Die Referenzwerte für die drei üblicherweise bestimmten PCB-Kongenere # 138, 153 und 180 sind altersabhängig (siehe nachfolgende Tabelle: Referenzwerte im Vollblut).

Referenzwerte für PCB-138, -153, -180 und deren Summe in Humanblut (Mikrogramm pro Liter)

 

Alter (Jahre)

PCB-138

PCB-153

PCB-180

Summe PCB

Blut*

Jahr

Blut*

Jahr

Blut*

Jahr

Blut*

7-14

0,3

2003/6

0,4

2003/6

0,3

2003/6

1,0

18-19

0,4

1997/99

0,6

1997/99

0,3

1997/99

1,1

20-29

0,6

1997/99

0,9

1997/99

0,6

1997/99

2,0

30-39

0,9

1997/99

1,6

1997/99

1,0

1997/99

3,2

40-49

1,4

1997/99

2,2

1997/99

1,6

1997/99

5,1

50-59

1,7

1997/99

2,8

1997/99

2,1

1997/99

6,4

60-69

2,2

1997/99

3,3

1997/99

2,4

1997/99

7,8

Blut* = Vollblut; Summe PCB = PCB-138 + PCB-153 + PCB-180

 

Quelle: Umweltbundesamt und Kommission Human-Biomonitoring 2016 (Sachstand: August 2016) 

HBM-Werte

Die Kommission Human-Biomonitoring hat im Sommer 2012 folgende HBM-Werte für Polychlorierte Biphenyle im (Blut)-Serum von Säuglingen, Kleinkindern und Frauen im gebärfähigen Alter festgelegt (2012):

HBM-I-Wert: 3.5 Mikrogramm Gesamt-PCB pro Liter Serum

HBM-II-Wert:   7 Mikrogramm Gesamt-PCB pro Liter Serum

Hierfür werden die Konzentrationen der PCB-Kongenere #138, 153 und 180 im Serum bestimmt, addiert und mit dem Faktor 2 multipliziert. Das Ergebnis kann direkt mit den vorgenannten HBM-Werten verglichen werden.

Untersuchungen haben allerdings gezeigt, dass sich eine PCB-Belastung der Raumluft  im Bereich um 3 000 ng pro Kubikmeter (Interventionswert der PCB-Richtlinie) meist nicht in erhöhten Biomonitoringwerten niederschlägt (Kommission "Human-Biomonitoring", 2003). Das ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Zufuhr über die Nahrung im Vergleich zur Raumluft mengenmäßig viel bedeutsamer ist. Ferner reichern sich die PCB-Kongenere aus der Raumluft im Vergleich zur Nahrung im Menschen weniger stark an. Ein Biomonitoring gibt demnach wenig Aufschluss darüber, ob in der Vergangenheit eine PCB-Belastung über die Raumluft existiert hat, es kann aber in bezug auf die Risikokommunikation durchaus hilfreich sein.

In der Regel ist es also nicht sinnvoll, im Zusammenhang mit einer PCB-Innenraumluftbelastung eine Blutuntersuchung auf PCB vornehmen zu lassen (Humanbiomonitoring-Kommission 1999, Heudorf et al. 2000).



Anlage 3: Eine Stellungnahme zu evidenzbasierten wissenschaftlichen Belegen und gerichtsfester Begutachtung dieser Belege im Envio-Fall in Dortmund, 28. April 2019
Drei belegbare Behauptungen zu der Thematik:
1. Evidenzbasierte Nachweise der gesundheitlichen Schädlichkeit der PCB liegen vor.
2. In vereinzelten spezifischen Schädigungsfällen existieren auch konkrete bezifferte Mengen-Wirkungs-Beziehungen zwischen PCB-Gemengen und gesundheitlicher Auswirkung.
3. Die Ursache-Wirkungs-Beziehung im konkreten Einzelfall, also im Individualfall, ist in aller Regel
n i c h t mit aussagenkräftiger Evidenz belegt.
Für einige
Gruppen von betroffenen Menschen liegt für bestimmte Beurteilungssituationen
ausreichende Evidenz der Schädlichkeit, bedingt durch PCB, vor. Die Beurteilungssituationen, z.B. strafrechtlich oder wissenschaftlich, sind dabei zu verbinden mit Erkenntnissen der Beweislehre bzw. den dabei anzuwendenden Beweisgrundsätzen. Beispielsweise kann für Rechtsprechende ein immer möglicher Restzweifel an einer Aussage derart winzig klein sein, dass ein vernünftiger Zweifel nicht bestehen kann und dass eben dadurch die Urteilsfähigkeit in der (Lebens- bzw. Gerichts-) Praxis gewonnen werden kann – wenn ein Verantwortlicher das will !!! Dies betrifft jedoch auch die Entscheidungswilligkeit von Entscheidern.
Im Envio-Fall bestand von Anfang der gesellschaftlich bestimmende Trend, eine Evidenz (zur PCB bedingten Gesundheitsschädigung) von vornherein n i c h t zu realisieren – diese Aussage hier ist belegbar durch die auch politisch nicht entschieden verfolgte Einrichtung einer Kontrollgruppe.
Die Behauptung, eine Kontrollgruppe ließe sich auch im Nachhinein realisieren - das Evidenzversäumnis, wäre also heilbar – wird von Vertretern des hier gesellschaftlich bestimmenden Trends als unzutreffend abgelehnt werden, kann prognostiziert werden. Hingegen darf durchaus angenommen werden, dass ein geeignet angelegtes Forschungsprojekt sehr wohl auch im Nachhinein passende Kontrollgruppen bilden kann.
Des weiteren darf davon ausgegangen werden, dass im Zug der Aachener Analysen (RWTH-Aachen, Prof. Kraus) bereits seit langem ausreichend Daten vorliegen, welche - ohne jeden vernünftigen Zweifel eine relevante gesundheitliche Beeinträchtigung der Gruppe der Envio-Arbeitenden – beweisen. Eine Meta-Analyse, die hier derzeit fehlt, um genau diesen Beweis wissenschaftlich zu führen und zu dokumentieren, fehlt freilich – eine kompetente, verantwortliche Person oder Gremium findet sich derzeit im gesellschaftlichen Ductus nicht, welches eine derartige Meta-Analyse veranlassen und finanzieren kann. Grund: Eine derartig aufklärende Mission ist derzeit mit zu vielen Widerständen und Unbequemlichkeiten verbunden. - Unbequeme Wahrheiten werden manchmal verschleppt, geradezu auch systemisch bedingt.
Zudem wird dann auch eine Auslassung der 35. Strafkammer des Dortmunder Landgerichtes deutlich - leider im Widerspruch zur gerichtlichen Pflicht einer vollständigen, objektiven Aufklärung im Strafverfahren - nämlich die Strafbarkeit der Schädigung einer großen Zahl von Menschen
zu erkennen und im vorliegenden Fall festzustellen. Hier möchte ein möglichst objektiver Prozessbeobachter in Dortmund von einem Fall der Trendbeurteilung bei der deutschen Justiz gerne sprechen.
Wenn dann noch das Gericht zu der Meinung gelangt, die behördlichen Auflagen wären seitens des Entsorgers voll erfüllt worden, wäre ein hier Fürsorgepflichtiger – der Staat – nochmal zusätzlich gefordert, nämlich einige Regelwerke des Arbeitsschutzes zu überdenken und neu zu formulieren. … … … Alles, alles nicht erforderlich – wegen angeblich „fehlender Evidenz“ kann munter weiter behauptet werden, PCB-Gesundheitsschäden wären nicht beweisbar, und einige Hände können weiter 'im Schoß' tatenlos einfach ruhend liegen bleiben.
Tatsache dagegen: EVIDENZEN ZU DEN PCB-GESUNDHEITSWIRKUNGEN SIND WEITER GESELLSCHAFTLICH NICHT ERWÜNSCHT – sh. Verweigerung einer Kontrollgruppe ab 2010.
- Eine Gutmachung ist möglich, wenn eine wissenschaftlich neutrale Meta-Analyse begonnen wird. -

 

Anlage 4: Gesetzliche Regulierungen - Welche Grenzwerte gibt es?

Quelle: LANUV (2018): Schwerpunktbericht Polychlorierte Biphenyle (PCB)Überwachung und Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen. LANUV-Fachbericht 92 (https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuvpubl/3_fachberichte/LANUV-Fachbericht_92.pdf), S. 45ff



Toxikologisch begründete Grenzwerte   -   momentan gültige Grenzwerte

Quelle: PCB und Dioxine an der Universität Tübingen (http://www.pcbinfo.de/tabelle-grenzwerte.html

 

dioxinähnliche PCB/Dioxine/Furane

Gesamt-PCB

 

 

 

toxikologisch begründeter Gefahrenwert

4,7 pg TEQ/m³

200 ng/m³ für Aufenthalt weniger als 7 Stunden
70 ng/m³ für Aufenthalt mehr als 7 Stunden

toxikologisch begründeter Raumluftvorsorgewert

0,47 pg TEQ/m³

20 ng/m³ für Aufenthalt weniger als 7 Stunden
10 ng/m³ für Aufenthalt mehr als 7 Stunden

Literaturangabe/ Quelle

Beitrag von PD Dr. Körner (LfU Augsburg) auf der Fachtagung "dioxinähnliche PCB in der Umwelt" am 13./14. Januar 2003 in Augsburg

Toxikologische Bewertung polychlorierter Biphenyle (PCB) bei inhalativer Aufnahme, Studie des Landesumweltamtes NRW, 2002

 

 

 

momentan gültige Raumluft-Interventionswerte für Innenräume

Nachdem die EU die dioxinähnlichen PCB zusammen mit den Dioxinen bewertet hat, beschäftigt sich das Umweltbundesamt mit der Frage, ob nicht auch für dioxinähnliche Verbindungen im Innenraum Richtwerte aufgestellt werden müssen. Im Jahr 2003 werden im Rahmen eines Forschungsvorhabens dioxinähnliche Verbindungen in Innenräumen gemessen. Die Ergebnisse sollen Ende des Jahres vorliegen.

3000 ng/m³
In einigen Bundesländern wird dieser Wert auf die Aufenthaltsdauer umgerechnet, d.h.
9000 ng/m³ für Schulen und Arbeitsplätze

momentan gültige Raumluft-Vorsorgewerte für Innenräume

siehe oben

300 ng/m³
In einigen Bundesländern wird dieser Wert auf die Aufenthaltsdauer umgerechnet, d.h.
900 ng/m³ für Schulen und Arbeitsplätze

Literaturangabe/ Quelle

Vortrag von Frau Dr. Roßkamp (Umweltbundesamt) auf der Tagung der Umweltmediziner vom 29.9. bis 1.10.03 in Tübingen

PCB-Richtlinie ;
PCB-Richtlinie Baden-Württemberg, (Auszug)

 

 

 

momentan gültiger Luftgrenzwert für Arbeitsplätze mit bekanntem Schadstoffumgang

belasteter Bereich: ab 5 pg TEQ/m³
Grenzwertkonzentration (Technische Richtkonzentration = TRK): 50 pg TEQ/m³
Wird die TRK nicht unterschritten, ist eine geeignete persönliche Schutzausrüstung zu tragen: Atemschutzgerät, Handschutz, Schutzkleidung.
"Ist die TRK nicht dauerhaft sicher eingehalten, so sind mindestens P2-Masken, Handschuhe und Einwegkleidung zur Verfügung zu stellen und sollten von den Mitarbeitern benutzt werden."
"Die mittlere Konzentration ... soll in keinem 15-Minuten-Zeitraum die 4-fache Grenzwertkonzentration überschreiten." (Spitzenbegrenzung)

Vor dem Verwendungs- und Herstellungsverbot von PCB im Jahr 1989 galten folgende MAK-Werte (Maximale Arbeitsplatzkonzentration):
54% Chlor (z.B. Clophen A50): 0,7 mg/m³ (andere Angaben: 0,5 mg/m³)
42% Chlor (z.B. Clophen A30): 1,1 mg/m³ (andere Angaben: 1,0 mg/m³)
Für Clophen A60 (64% Chlor), das vermutlich auf der Morgenstelle verwendet wurde, gab es keinen MAK-Wert.

"Beim Umgang mit hautresorptiven Stoffen (wie PCB) ist die Einhaltung des Luftgrenzwertes für den Schutz der Gesundheit nicht ausreichend. Durch organisatorische und arbeitshygienische Maßnahmen ist sicherzustellen, dass der Hautkontakt mit diesen Stoffen unterbleibt."

Literaturangabe/ Quelle

Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 557) Dioxine
Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 900) "Luftgrenzwerte" S.25

Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 900) "Luftgrenzwerte" S.8, S.22;
International Chemical Safety Cards

 

 

 

Luftgrenzwert für Schwangere

 

Der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) hat im Jahr 2002 empfohlen, für schwangere Arbeitnehmerinnen den Vorsorgewert von 300 ng/m³ (bezogen auf 24 Stunden) einzuhalten. Das Gewerbeaufsichtsamt hat die Universität Tübingen auf diese Empfehlung hingewiesen Die Universität Tübingen hat die Einhaltung zugesagt.
Für schwangere Studentinnen und schwangere Schülerinnen ist das Gewerbeaufsichtsamt nicht zuständig, d.h. für diese gilt der Grenzwert der PCB-Richtlinie.

Literaturangabe/ Quelle

 

27.02.2002: Schwäbisches Tagblatt;
Personalratsmitteilungen März 2002, S.5;
telefonische Mitteilung des Gewerbeaufsichtsamtes

 

 

 

Grenzwert für Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse

Die Chemikalienverbotsverordnung gibt maximale Konzentrationen für verschiedene Dioxin- und Furankongenere an. Dies entspricht einer Belastung von ca. 100 bis 1000 ng TEQ/kg. Bei Überschreitung dürfen diese Stoffe nicht in Verkehr gebracht werden. (Die zwei Staubproben aus dem C-Bau, die auf dioxinähnliche PCB untersucht wurden, ergaben Werte zwischen 100 und 1000 ng PCB-TEQ/kg Staub. Staubsaugerbeutel müssen auf Grund des PCB-TEQ-Gehaltes als Sondermüll entsorgt werden.)

Materialien, die mehr als 50 mg PCB/kg enthalten, dürfen nur in einer hierfür zugelassenen Anlage entsorgt werden.
(Alle sieben Staubproben aus dem C-Bau der Morgenstelle waren mit mehr als 50 mg PCB/kg Staub belastet. Staubsaugerbeutel müssen auf Grund des Gesamt-PCB-Gehaltes als Sondermüll entsorgt werden)

Literaturangabe/ Quelle

Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 557) Dioxine

PCB-Abfallverordnung


Ist der Körper verschiedenen (Schad-)Stoffen gleichzeitig ausgesetzt, so können sich diese Stoffe in ihrer Wirkung beeinflussen.

  • Zwischen dem Seveso-Dioxin und dem PCB-153 wurde ein synergistischer (verstärkender) Effekt nachgewiesen: van Birgelen et al., 1996

  • Zwischen PCB und Methylquecksilber wurde ein synergistischer Effekt nachgewiesen: Bemis et al., 1999

  • Eine Mischung von Dioxinen, Furanen und PCB wirkte bei niedrigen Dosen additiv und bei hohen Dosen mehr als additiv auf die Schilddrüse: Crofton et al., 2005

Additive und synergistische Effekte von verschiedenen (Schad)-Stoffen werden bisher bei Grenzwertabschätzungen nicht berücksichtigt.


Eigene Wertung:
In PCB-belasteten Gebäuden steigt die Raumluftbelastung mit der Temperatur. Das Institut Dr. Jäger schreibt (Prüfbericht Hörsaalzentrum/Physikwerkstatt, 11.02.2002) "Erfahrungsgemäß führt eine Temperaturerhöhung von 6-7°C zu einer Verdopplung der Raumluftbelastung ".
Raumluftmessungen aus dem Jahr 2000 in einem Raum der - inzwischen wegen der PCB-Belastung abgerissenen - Georg-Ledebour-Schule in Nürnberg/Fürth zeigen einen noch stärkeren Anstieg mit der Temperatur: Im Raum L52 wurden im Oktober 1252 ng/m³, im November 1331 ng/m³, im Juli 1796 ng/m³, im August 6083 ng/m³ und, an einem heißen Tag in den Pfingstferien, an dem die Raumtemperatur auf 35°C stieg, 20800 ng/m³ gemessen (Stadt Nürnberg, Vierteljahresbericht 3/2001,
II. PCB-Belastung der Georg-Ledebour-Schule, Abschnitt 3.1).

Für schwangere Studentinnen (ohne Arbeitsvertrag) und für Kinder gelten die Grenzwerte der PCB-Richtlinie (3000 ng/m³ - In einigen Bundesländern, wie Baden-Württemberg, gelten auf die Aufenthaltsdauer bezogene höhere Grenzwerte). Für schwangere Arbeitnehmerinnen mit halber Stelle wird an der Universität Tübingen der Vorsorgewert von 300 ng/m³ auf 1800 ng/m³ hochgerechnet.

Ein hypothetisches Zahlenbeispiel:
Geht man davon aus, dass eine Temperaturerhöhung um 6°C in etwa zu einer Verdopplung der Raumluftbelastung führt, so ist in einem Raum, der bei einer üblichen Bürotemperatur von 22°C mit 1800 ng PCB/m³ belastet ist, an einem heißen Tag bei 34°C mit über 7000 ng PCB/m³ zu rechnen.
Falls die dioxinähnlichen PCB jeweils im selben Verhältnis vorhanden sind wie in der Physik-Bibliothek des Gebäudes C der Morgenstelle gemessen (8,44 pg TEQ pro 1000 ng PCB), so beträgt die Dioxinbelastung im Normalfall 15,2 pg TEQ/m³, an einem heißen Tag jedoch über 60 pg TEQ/m³.
So kann in Sommermonaten der Fall eintreten, dass - bei Anwendung der PCB-Richtlinie - Kinder oder schwangere Studentinnen in Räumen unterrichtet werden müssen, die Arbeiter - bei Anwendung der TRGS 557 - nur mit Schutzkleidung und Atemschutzgerät betreten dürfen.

Neuere Untersuchungen der Materialprüfungsanstalt, Universität Stuttgart ( Dioxinähnliche polychlorierte Biphenyle (PCB) und polychlorierte Dioxine/Furane (PCDD/F)im Innenraum, Volland,G.; Neuwirth,A., 2005) zeigen eine noch stärkere Temperaturabhängigkeit der PCB-Raumluftkonzentration: Bei einer Temperaturerhöhung um 5°C steigt die PCB-Raumluftkonzentration auf den doppelten und die Raumluftkonzentration der dioxinähnlichen PCB auf den dreifachen Wert.

Quelle: http://www.pcbinfo.de/tabelle-grenzwerte.html

PCB in Innenraumluft: Die PCB-Richtlinie (ARGEBAU 1995), die „PCB- Richtlinie NRW" (Juni 1996)2 und die Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Innenraumlufthygiene-Kommission beim UBA und der AOLG (Umweltbundesamt 2007b) hat Handlungsempfehlungen für die Sanierung PCB-belasteter Gebäude erarbeitet. Belastungen der Innenraumluft öffentlicher Gebäude beziehen. Dieser Bereich ist seit Juni 1996 durch die Einführung der „PCB- Richtlinie NRW" als Technische Baubestimmung eindeutig geregelt. Die Kombination aus Richtlinie und Ergänzung beinhaltet folgende Kernaussagen:

  1. PCB-Konzentrationen unter dem Vorsorge- und Sanierungsleitwert von 300 Nanogramm pro Kubikmeter Luft sind langfristig tolerabel.

  2. Bei PCB-Konzentrationen zwischen 300 und 3000 Nanogramm pro Kubikmeter Luft ist die PCB-Quelle aufzuspüren und mittelfristig zu sanieren. Zwischenzeitlich ist die Raumluftkonzentration durch regelmäßiges Lüften, gründliches Reinigen und Entstauben zu verringern.

  3. Überschreiten die PCB Konzentrationen den Interventionswert von 3000 Nanogramm pro Kubikmeter Luft sind sofort Kontrollanalysen durchzuführen. Bei Bestätigung der Werte sind binnen 6 Monaten Erstmaßnahmen zu ergreifen, die zu einer Senkung der Raumluftkonzentration unter 3000 Nanogramm pro Kubikmeter Luft führen (weiter wie unter 2.). Zwischenzeitlich kann das Gebäude an 8 Stunden pro Tag weiter genutzt werden. Andernfalls ist der Raum oder der Gebäudeabschnitt zu schließen, gegebenenfalls unter Erlass eines Nutzungsverbots.

  4. Der sofortige Nutzungsverzicht ist ab 9000 Nanogramm pro Kubikmeter Luft erforderlich.

  5. Unter dem Aspekt des vorbeugenden Gesundheitsschutzes von Risikogruppen (z.B. die Kinder in Schulen und Kindergärten) sind diesbezüglich 30 ng/m3 Raumluft anzustreben, um das Potential irreversibler Schädigungen möglichst klein zu halten

Diese Werte werden als viel zu hoch angesehen.3 Das Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen stellte fest, dass der Gefahrenwert der PCB-Richtlinie von 3.000 ng PCB/m3 durch einen toxikologisch begründeten Wert von 70 ng PCB/m3 ersetzt werden sollte (Quelle: Weber et al (2015): Analyse und Trendabschätzung der Belastung der Umwelt und von Lebensmitteln mit ausgewählten POPs und Erweiterung des Datenbestandes der POP-Dioxin-Datenbank des Bundes und der Länder mit dem Ziel pfadbezogener Ursachenaufklärung. Dokumentation 114/2015 Umweltforschungsplan des Bundeministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/analyse-trendabschaetzung-der-belastung-der-umwelt), S. 66f.)

Duldbare tägliche Aufnahmemenge (TDI = tolerable daily intake) und duldbare wöchentliche Aufnahmemenge (TWI = tolerable weekly intake): Von der Weltgesundheitsorganisation  wurde im Jahr 2000 für die duldbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) ein Bereich von 1  bis 4 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro Kilogramm Körpergewicht festgelegt. Ein Pikogramm (pg) entspricht einem Billionstel (10-12) Gramm. Der untere Wert von 1 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro Kilogramm Körpergewicht ist als Zielwert zu verstehen.

Der Wissenschaftliche Lebensmittelausschuss (SCF = Scientific Committee on Food) der Europäischen Union hat 2001 eine duldbare wöchentliche Aufnahmemenge (TWI) in Höhe von 14 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro Kilogramm Körpergewicht festgelegt, was rein rechnerisch etwa dem mittleren Wert der WHO-Empfehlung entspricht.


Entsorgung von PCB haltigen Gemischen: Stoffgemische mit einem Gehalt von > 50 mg PCB je kg Gemisch sind als Sonderabfall zu entsorgen

Die EG-Richtlinie 96/59/EG 16. September 1996 über die Beseitigung polychlorierter Biphenyle und polychlorierter Terphenyle (PCB/PCT) schreibt eine Bestandsaufnahme PCB-haltiger Geräte vor, die mehr als 5 dm3 PCB (5 Liter) enthalten. PCB im Sinne der Richtlinie sind außerdem polychlorierte Diphenylmethane (PCDM) sowie jedes Gemisch mit einem Summengehalt größer als 0,005 Gewichts-Prozent (entspricht > 50 mg/kg) der genannten Stoffe. In Deutschland wurde die Richtlinie durch die PCB/PCT-Abfallverordnung vom 26. Juni 2000 umgesetzt.

Für PCB gilt gemäß der POP-VO4 sowie der EU-PCB-Richtlinie und der PCB AbfallV ein Grenzwert von 50 mg/kg, oberhalb dessen die Abfälle grundsätzlich derart beseitigt oder verwertet werden, dass der POP-Gehalt zerstört oder unumkehrbar umgewandelt wird.

Ablagerungsempfehlungen für Abfälle mit organischen Inhaltsstoffen – Vollzugshilfe –-6 / 18-Laut Entscheidung 2003/33/EG des Rates vom 19.12.2002 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren für die Annahme von Abfällen auf Abfalldeponien wird als PCB die Summe von sieben Kongeneren (PCB7) definiert. In der DepV vom 27.04.2009 wird als PCB die Summe der sechs Ballschmiter-Kongenere (PCB6) definiert. Gemäß 1. Änderung der DepV wird PCB als Summe von 7 Kongeneren (PCB7) definiert.Die analytische Bestimmung von PCB in Abfällen wird gemäß DIN EN 15308 von 2008 für 7 Kongenere durchgeführt.Für die Berechnung des gemäß POP-VO und PCB AbfallV definierten Grenzwertesvon 50 mg/kg für PCB wird die Summe der sechs bzw. sieben PCB-Kongenere mit dem Faktor 5 mul-tipliziert.PCB-Kongenere, die aufgrund struktureller Ähnlichkeiten ein den Dioxinen vergleichbares toxisches Wirkprofil zeigen, werden auch als dioxinähnliche PCB (dl-PCB) bezeichnet. Für diese 12 dl-PCB gelten i.d.R. ähnlich strenge Anforderungen und Grenzwerte wie für die PCDD/PCDF.

Unter dem Begriff Dioxine und Furane werden die Stoffklassen der polychlorierten Dibenzo-p-dioxine (PCDD, 75 Kongenere) und der polychlorierten Dibenzofurane (PCDF, 135 Kongenere) zusammengefasst. Dioxine und Furane treten immer in komplexen Kongenerengemischen auf. Von den 210 möglichen PCDD/PCDF-Kongeneren sind toxikologisch besonders relevant die 17 Verbindungen, die in 2,3,7,8-Stellung chlorsubstituiert sind. Dioxine und Furane sind hydrophob und weitgehend inert gegenüber Säuren, Basen, sowie oxidativen und reduktiven Prozessen. Sie sind sehr persistent, kaum biologisch abbaubar und gehören zu den POP. In der POP-VO ist ein Grenzwert für PCDD/PCDF von 15 μg/kg niedergelegt, oberhalb dessen die Abfälle grundsätzlich derart beseitigt oder verwertet werden müssen, dass der POP-Gehalt zerstört oder unumkehrbar umgewandelt wird (Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (2011): Ablagerungsempfehlungen für Abfälle mit organischen Schadstoffen – Vollzugshilfe–06. (Dezember2011) https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuv/abfall/deponierung/pdf/Vollzugshilfe_06122011.pdf

 

Anlage 5: Bericht des LANUV über PCB-in Fegestaubproben in Betrieben im Dortmunder Hafen

Eine Reihe weitere Betriebe neben Envio wiesen auffällig hohe Werte auf oberhalb des Grenzwertes, oberhalb dessen Material als Sonderabfall entsorgt werden muss.

 Anlage 6: Korrespondenz mit Bezirksregierung Arnsberg und Medien zum PCB Emittenten Weihnachtsmarkt

Am 16.05.2018 um 11:00 schrieb Schmied, Joachim:

Depositionsmessungen des LANUV im Fredenbaumpark

Veranstaltung am 26.04.2018

 

Sehr geehrte Frau Claussen,

bei der Veranstaltung am 26.4.2018 haben Sie auf die auffälligen PCDD/F-Werte an der Messstelle 11 (Fredenbaumpark) im November/Dezember 2018 aufmerksam gemacht.

Zwischenzeitlich haben wir mit der Stadt Dortmund weitere Recherchen durchgeführt.

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass derartige Belastungen in der Regel durch thermische Prozesse verursacht werden. Derzeit liegen Hinweise vor, dass eine Verbindung zum "Mittelalterlichen Weihnachtsmarkt" bestehen könnte, der im Fredenbaumpark stattfand. Dieser Weihnachtsmarkt begann zwar erst am 14.12.2017, jedoch wurden bereits mehrere Wochen vor der Eröffnung (ab Mitte November 2017) bei umfangreichen Aufbau- und Vorbereitungsarbeiten auch zahlreiche Feuer abgebrannt. Die Auffanggläser standen unmittelbar neben der Zeltstadt, in der bei offenen Feuern übernachtet wurde. Bemerkenswert ist, dass beim Weihnachtsmarkt im Jahr 2016 die PCDD/F-Belastung nicht derartig auffällig war. Dies könnte mit abweichenden Abläufen des Weihnachtsmarktes zu erklären sein. Im Jahr 2018 werden vor Ort Überprüfungen im Umfeld der Messstelle erfolgen.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Joachim Schmied

Bezirksregierung Arnsberg
Hauptdezernent
Dezernat 52 - Abfallwirtschaft
59821 Arnsberg

Tel.    02931 822591
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

 

Sehr geehrter Herr Schmied,
erst einmal herzlichen Dank, dass Sie meinen Einwand auf der Multiplikatorenveranstaltung noch einmal aufnehmen und mir/uns détailliert antworten!

Allerdings fühle ich mich mit dem Verweis auf den Weihnachtsmarkt,  gelinde gesagt: verarscht. Seid wann werden Weihnachtsmärkte schon im November aufgebaut?
Ich hatte auch auf auf den ätzenden Gestank nach verbranntem Öl aus dem Hafen hingewiesen. Und diese olfaktorische Zumutung war keine einmalige Erfahrung beim Spaziergang im Fredenbaumpark! Es ist ein wichtiges Naherholungsgebiet für eine große Zahl von Bewohnern der Nordstadt und darüber hinaus.  Unweit davon liegt die Unfallklinik, eine weitere sensible Einrichtung. All das scheint keine Rolle zu spielen.
Ich hatte darauf hingewiesen, dass ein weiterer Emittent im  Hafen seit einigen Monaten vermutet wird. Ich kenne Ihre Darlegung in den Antworten im Dortmuner Umweltausschuss (erfüllte Vorgaben, disperse Emissionsquellen, etc pp). Es bleibt jedoch Fakt, dass einem dicht bevölkerten Stadtteil, mit dem höchsten Anteil von Kindern in Dortmund, eine Luftqualität und Emissionsquellen zugemutet werden, dei jeder Beschreibung spotten und in ekinem anderem Stadtteil hingenommen würden.
Der Dortmunder Hafen wird derzeit um jeden Preis und mit Vehemenz in Nutzung gebracht. Vor dem Hintergrund des Envio-Desasters muss hier die Forderung sein, nachbarschafts-, umwelt- und sozialverträgliche Nutzungen anzusiedeln und nicht weiter zu wursteln auf dem end of pipe-Niveau der 70er/80er Jahre. Diese Einsicht und dieses Bemühen vermisse ich auf ganzer Linie.
Die Kürzung Ihres Vortrags um die Fredenbaumpark-Folie fand ich recht "verwegen". Finden Sie, dass sich so Vertrauen zu Bürgern (und hier zu Bürgern, die sich für ihre Stadt einsetzen) herstellen lässt?

Mit freundlichem Gruß
Wiebke Claussen
und BI-Kolleg*innen

 

Der Leserbrief „PCB im Fredenbaum – Verursacher: der Weihnachtmarkt?“ (der selbstverständlich nicht abgedruckt wurde)

Im November bzw. Dezember des vergangenen Jahres wurden im Fredenbaumpark erhöhte PCB-Werte gemessen. Das unsichtbare Gift PCB ist erbgutschädigend, krebserregend und für diverse weitere Krankheitsbilder verantwortlich.

Um der Belastung auf den Grund zu gehen, hat es offensichtlich eine Begehung des Fredenbaumparks durch Verantwortliche der Stadt Dortmund und der Bezirksregierung Arnsberg zum Zeitraum des Weihnachtsmarktes im November 2018 gegeben.

Selbstverständlich sind die Behörden fündig geworden: Erklärt wird eine erhöhte PCB-Belastung durch die Verwendung von Holzfeuern, Wachsfackeln und Stromaggregaten im Rahmen des Weihnachtsmarktes. Wirklich wahr!

Mit keinem einzigen Wort wird von der Bezirksregierung erwähnt, dass sich die hohen PCB-Werte im Bereich des Hafens und des Fredenbaumparks durch die Sanierungsmaßnahmen auf dem Gelände der Firma Envio erklären lassen. Wir erinnern uns: Envio war seinerzeit für den größten PCB-Skandal der bundesrepublikanischen Geschichte verantwortlich.

Auch wird verschwiegen, warum in den vergangenen Monaten erneut viel zu hohe PCB-Werte im Bereich des Hafens, der Kleingartenanlagen und des Fredenbaums auftraten. Hier liegt die Vermutung nahe, dass es noch (mindestens) eine weitere PCB emittierende Firma im Hafen geben muss.

Wenn die Bezirksregierung die Gefahr nun bei Holzfeuern, Wachsfackeln und Stromaggregaten auf dem Weihnachtsmarkt sucht, wird konsequent die kontinuierliche Emission von Schadstoffen und Giften durch im Hafen ansässige Firmen ignoriert.

Falls man der Argumentation der Bezirksregierung Glauben schenkt, stellt sich zudem die Frage, warum aufgrund der Emissionsbelastung der Weihnachtsmarkt weder abgesagt noch sofort geschlossen wurde!

Die ganze Groteske könnte zum Lachen sein, wenn nicht durch die Fahrlässigkeit der Verantwortlichen in Stadt und Bezirksregierung die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger gefährdet würde.

 

Anlage 7: Umweltskandale

Es gibt eine Vielzahl von Umweltskandalen, wo sich viele Strukturen des Envio-Skandals wiederholen. Hier eine Auswahl:

 

2010 - Envio-Skandal in Dortmund

Die Giftmülldeponie Herfa-Neurode

Es gab seit 1972 die Untertagedeponie Herfa-Neurode in Hessen. Sie wurde für spezielle Chemierückstände und anorganische Reststoffe verwendet, so auch für Rückstände aus der Basler Chemie und später auch PCB-belastete Großtransformatoren. Die Deponie in einem stillgelegten Teil des Kalisalzbergwerks gehört zum Unternehmen der K+S Kali und Salz Entsorgung GmbH, an dem BASF bis März 2011 mit zehn Prozent beteiligt war.  In der Untertagedeponie Herfa-Neurode wurden von 1990 bis 1996 ca. 85.500 Tonnen Transformatoren und Kondensatoren entsorgt. Jedoch erlaubt die europäische POP-Verordnung (2004) nur noch in Ausnahmefällen diesen Weg. Die Auslagerung der PCB verseuchten UTB-Trafos aus der Giftmülldeponie im großen Maßstab wurde vereinbart (wer erteilte hier eigentlich die Genehmigung und hielt sie (nicht) nach?).

 

PCB in Bauwerken

  • Europäische Gesellschaft für gesundes Bauen und Innenraumhygiene (2019): Bewertungen von Informationen und Prüfberichten zu Produkten/Produktgruppen, Schadstoffen Bausystemen beim Einsatz in Gebäuden mit erhöhten Anforderungen an die „Wohngesundheit“ (Schulen, Kitas und Risikogruppen: Allergiker, Chemikaliensensitive, Schwangere, Kleinkinder...) Informationsstand: 24.05.2019 Raumschadstoff PCB polychlorierte Biphenyle gesundheitliche Folgen Grenzwerterechtliche Fragen. PCB in Schulen und Kitas (http://www.eggbi.eu/fileadmin/EGGBI/PDF/Raumschadstoff_PCB.pdf)

  •  

  • Nancy Hopf (2018): PCB ist toxisch – räumen wir auf!» Institut für Arbeit und Gesundheit in Lausanne.

  • Das vergessene Gift wie PCB uns alle belastet. Doku des SWR aus 2018 (von Florian Nöthe) (https://www.swr.de/betrifft/betrifft-pcb-gift-krebs/-/id=98466/did=21821238/nid=98466/1s1iohx/index.html; https://www.youtube.com/watch?v=cKr8bPoDhcc

  • UBA (2015) Christine Herold: Studie PCB im Bausektor mit einer systematischen Untersuchung der Belastung von Siedlung in Tübingen

  • Zu PCB-Belastung in Schulen - die tickende Zeitbombe (WDR 'markt' - 18.08.2014) https://www.youtube.com/watch?v=gtStcrX7u04

 

PCB in Grubenwässer der Ruhrkohle AG

Der Steinkohlebergbau hat sich seit 2018 endgültig aus dem Ruhrgebiet zurückgezogen. Die Folgen des Steinkohlebergbaus z.B. Bergsenkungen und altlastenbelasteten Flächen, die „Ewigkeitslaste“ die weiterhin notwendige Wasserhaltung, um den Wandel der Emscherregion in eine weitläufige Seenlandschaft zu vermeiden, werden der Region weiterhin erhalten bleiben und Vorkehrungen erfordern. Dazu gehören auch Giftmüll, der zur Abfallentsorgung nach den 1980er in Stollen eingelagert wurde, und Maschinen und Maschinenöle. 20.000 t PCB haltige Trafo-Öle wurden untertage verklappt. Mit dem ansteigenden Grubenwasserspiegel steigen diese Stoffe in den Grundwasserspiegel (und damit ins Trinkwasser) auf und gelangen durch die Wasserhaltung und abgepumpte Grubenwasser in Oberflächengewässer der Lippe. Dasselbe gilt für das Saarland. Bisher leugnet die RAG diese Gefahr standhaft.

  • Der Streit ums giftige Grubenwasser. In: Bildzeitung vom 3.6.2019 (https://www.bild.de/regional/saarland/saarland-news/umstrittene-rag-plaene-der-streit-ums-giftige-grubenwasser-62384098.bild.html)Alarmierende Schadstoffwerte im Grubenwasser an der Saar

  • (https://www.rf-news.de/2018/kw18/alarmierende-schadstoffwerte-im-grubenwasser-und-in-aufnehmenden-gewaessern-an-der-saar)

  • Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz des Saarland (2015): Saarland startet umfangreiche PCB-Studien (https://www.euwid-wasser.de/news/politik/einzelansicht/Artikel/saarland-startet-umfangreiche-pcb-studien.html)

 

Nico Metall im Dortmunder Hafen

 

Der Kabelverwerter Firma „Nico-Metall“ an der Schäferstraße im Dortmunder Hafen wurde Ende der 1980er Jahre wurde als Folge von Bränden und Abflämmpraxis durch hohe Dioxin- und Furanwerte auffällig. Die Firm wurde geschlossen. Die Fläche wird lediglich mit einer Betondecke verschlossen und wird von der Container Terminal Dortmund GmbH genutzt. Dies führte 1989 bis 1995 zu der Empfehlung an die Kleingärtner, kein Gemüse aus den belasteten Kleingartenanlagen Hafenwiese, Hobertsburg und Westerholz zu essen. (https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/dokumente/16_e_hiester.pdf)

 

PCB-Lasten im Umfeld der Sondermülldeponie Eyller-Berg in Kamp Lintfort



PCB-Emissionen des Giftshredders in Essen-Kray

 

1988 - PCB-Lasten in Remscheid nach dem Absturz eines Militärflugzeugs im Remscheid

 

1985 - Altlast unter einem Neubaugebiet in Dortmund Dorstfeld-Süd 1985

 

1993 - Sinteranlage der Westfalenhütte in Dortmund als exorbitante Dioxinschleuder

Mitte der 1990er Jahre wird die Sinteranlage bei Hoesch exorbitante Dioxinschleuder ermittelt. Die Ermittlungen über den Vorfall durch die Stadt Dortmund, Landesbehörden und Landtag ziehen sich außerordentlich zäh hin. In Zeiten der Stahlindustrie waren die Luftbelastungen in Dortmund erheblich. Ein einziges Sinterband des Hoesch-Stahlwerks "Westfalenhütte" in Dortmund pustet jedes Jahr ein Achtel der Dioxinmenge in die Ruhrgebietsluft, die in Seveso Tod und Verderben brachte - ganz legal, denn Grenzwerte für solche Sinteranlagen gibt es nicht( Quelle: TAZ 1993). Ein einziges Stahlwerk in Dortmund pustet dreimal so viele Dioxine in die Luft wie alle Müllverbrennungsanlagen (MVA) Deutschlands zusammen. Die Sinteranlage von Hoesch entpuppte sich bei Messungen der nordrhein-westfälischen Landesanstalt für Immissionsschutz als die größte bisher bekannte industrielle Dioxinquelle (http://www.focus.de/magazin/archiv/umwelt-schleichendes-gift-aus-dem-stahlwerk_aid_141820.html). Zum Vorfall wird ein Untersuchungsausschuss wird im NRW Landtag eingesetzt

  • Stahlwerke als Dioxinschleudern enttarnt, in: Taz 29.9.1993 (http://www.taz.de/!1598701/ )

  • Schleichendes Gift aus dem Stahlwerk, in: Focus Magazin No. 39 vom 27.09.1993 (http://www.focus.de/magazin/archiv/umwelt-schleichendes-gift-aus-dem-stahlwerk_aid_141820.html)

  • Untersuchungsausschuss im NRW-Landtag (https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/Webmaster/GB_II/II.2/Suche/Landtag_Intern/Suchergebnisse_Landtag_Intern.jsp?w=native('+(+ID+ph+like+''LI942230''++)')&order=native('ID(1)%2FDescend+')&view=detail)

 

1950er Jahre und 2017 - Bayer Giftmülldeponie Leverkusener Brücke der A1

 

1976 - Seveso Unfall

Am 10 Juli 1976 ereignete sich im italienischen Seveso, nahe Mailand, in einer zum Roche-Konzern gehörende Chemiefabrik ein schwerer Unfall. Der Unfall setzte hochgiftiges Dioxin frei, was die Firmenleitung aber erst acht Tage später bekanntgab. 3300 Tierkadaver wurden im Umfeld gefunden; viele Menschen erkrankten an Chlorakne. Die Zwangsräumung des Gebiets begann erst am 26. Juli. Ein Gericht verurteilte fünf Verantwortliche des Unternehmens zunächst zu Freiheitsstrafen, die aber in der Bewährung zur Berufung ausgesetzt wurden. Daraus hervor ging die Seveso Richtlinie.

  • 3Sat Doku - SEVESO: Zeitbombe Chemie Dioxine (https://www.youtube.com/watch?v=rKezQ-mzoXo)

  • Gambit - Neue Wahrheiten über Seveso Teil 1 und 2 https://www.youtube.com/watch?v=NDFtQ2dvyF0 und https://www.youtube.com/watch?v=EgXJJTo7xSk

  • Jörg Sambeth (2004): Zwischenfall in Seveso. Der Tatsachenroman über das, was vor, während und nach der Katastrophe von Seveso geschah. Die Gewissenserforschung eines verantwortlichen Managers.

  • Vahrenholt, Fritz, Koch, Egmont R. (1978): Seveso ist überall.

 

1984 - Der Dioxinskandal um das Hamburg Boehringer Chemiewerk und die Deponie Georgswerder

 

2018 – Produktion und Entsorgung Ölpellets in Gelsenkirchen in einer Tongrube in Schermbeck (Gahlener Mühlenberg)

47.000 t industrieller Giftmüll wurde im Laufe der Jahre in der Tongrube in Schermbeck entsorgt, darunter auch Ölpellets der BP aus Gelsenkirchen, die als Nebenprodukt illegal entsorgt wurden.

Giftmülldeponie in Ochtrup

Bis 2001 wurde die Tongrube in Ochtrup als Sondermülldeponie betrieben, in der 800.000 t z.T. dioxinhaltige Industrieabfälle, giftige Klärschlämme, Schlacken von ThyssenKrupp abgekippt wurden. Der Betreiber ist inzwischen insolvent. Der Landkreis mit der Sanierung der Deponie beauftragt.

Weiteres zu Umweltgiften, Umweltskandalen und Lobbyismus

  • Die Holzschutzmittel Opfer - Xyladecor - Legal vergiftet, dann vergessen https://www.youtube.com/watch?v=DPMANK4KIhc

  • 3Sat Doku - Umweltgifte und Lobbyismus Wissenschaft im Dienst von wirtschaftlichen Interessen https://www.youtube.com/watch?v=kHlSMZEMosI

  • Illegale Verklappung von Giftmüll, Krankenhausabfällen in Kalabrien: Das Gift der Mafia. Und das europäische Gesetz des Schweigens (https://www.arte.tv/de/videos/062283-000-A/das-gift-der-mafia/)

  • 3Sat-Doku - "Lobbyisten - die stille Macht im Land" SWR (3.12.2014) (https://www.youtube.com/watch?v=Apv-pJD_GEY)

  • Dreckschleuder Deutschland. Wir sind gut, denken wir Deutschen: grün, sauber, öko. In Wirklichkeit produzieren wir luxuriöse Feinstaubschleudern, trennen Müll - um dann doch alles zusammen zu verbrennen - und verseuchen Äcker und Flüsse. Wer blockiert eine vernünftige Umweltpolitik? WDR 5 -Dok 5 das Feature: (https://www1.wdr.de/mediathek/audio/feature-depot/index.html)

  • Altlasten Die Last mit den stillgelegten Mülldeponien, Deutschlandfunk DLF vom 11.4.2019 (https://www.deutschlandfunk.de/altlasten-die-last-mit-den-stillgelegten-muelldeponien.724.de.html?dram:article_id=446103)

  • Bundesweites Rechercheprojekt Wo der Giftmüll seine Spuren zieht. Deutschlandfunk 2019 (https://www.deutschlandfunk.de/giftmuell.3898.de.html)

 

1Quelle: PCB-Management: erledigte und unerledigte Hausaufgaben Rede von Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes, auf der Veranstaltung „30 Jahre PCB-Management – was ist (noch) zu tun?“ am 20. August 2013 in Berlin (https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/377/dokumente/pcb_management_erledigte_und_unerledigte_hausaufgaben.pdf

 

2https://www.booiman.de/docs/PCB_RichtlinieNRW.pdf

 

3Die Sanierungsdringlichkeit von PCB-belasteten Gebäuden wurde unter toxikologischen Gesichtspunkten durch das frühere Bundesgesundheitsamt (BGA) und die Arbeitsgemeinschaft der Leitenden Medizinalbeamten der Lander (AGLMB) bewertet. Auf der Grundlage des damals geltenden TDI (tolerierbare tägliche Aufnahme) von 1.000 ng PCB pro kg Körpergewicht und Tag (festgelegt vom ehem. Bundesgesundheitsamt 1983 (LUA 2002)) wurde für die Raumluft ein Gefahrenwert von 3.000 ng PCB/m3 abgeleitet. Bei dieser Konzentration ist der alte TDI allein über die belastete Atemluft ausgeschöpft. Der von der WHO 2003 aktualisierte TDI von 20 ng PCB/kg KG/Tag ist um den Faktor 50 niedriger als der alte TDI von 1.000 ng PCB/kg KG/Tag. Somit verlor aus unserer Sicht der Gefahrenwert der PCB-Richtlinie (3.000 ng PCB/m3) seine fachliche Basis. Der aktualisierte Gefahrenwert musste demzufolge um den Faktor 50 niedriger und damit bei 60 ng PCB/m3 liegen.

 

4POPs (persistent organic pollutants) sind langlebige Schadstoffe, die sich in der Umwelt und in Mensch und Tier anreichern. Sie sind ein globales Problem. Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören ebenfalls zu den POPs

 

---LINK ZUR PDF DATEI- Chronologie des Envio-Skandals---

 


Hier ein Link zu einer sehr guten Übersicht  über Mess- und Bewertungsgrößen über PCB in Innenraumluft-

inklusive eines Links zum TV Bericht von SWR 3- PCB-die unterschätzte Gefahr .

Europäische Gesellschaft für gesundes Bauen und Innenraumhygiene (2019): Bewertungen von Informationen und Prüfberichten zu Produkten/Produktgruppen, Schadstoffen Bausystemen beim Einsatz in Gebäuden mit erhöhten Anforderungen an die „Wohngesundheit“ (Schulen, Kitas und Risikogruppen: Allergiker, Chemikaliensensitive, Schwangere, Kleinkinder...) Informationsstand: 24.05.2019 Raumschadstoff PCBpolychlorierte Biphenylegesundheitliche FolgenGrenzwerterechtliche FragenPCB in Schulen und Kitas


http://www.eggbi.eu/fileadmin/EGGBI/PDF/Raumschadstoff_PCB.pdf


Fotos der Diplom Fotodesignerin Julia Unkel aus ihrem Projekt zum PCB-Skandal wurden September in das Pixelprojekt Ruhrgebiet aufgenommen. Zurzeit hängen diese Fotos- gemeinsam mit allen anderen Neuzugängen diesen Jahres, die durch eine Jury ausgewählt wurden, im Wissenschaftspark Gelsenkirchen. "255,736 Mikrogramm" ist der Titel ihrer Fotoserie- und bezeichnet den Wert an PCB, der im Blut von Envio-Arbeitern gemessen wurde. Hier finden Sie die komplette Serie.

Eindrücke von der Ausstellungseröffnung, bei der auch BI-Mitglieder anwesend waren.

 

 


Brief der BI an die Bezirksregierung Arnsberg anlässlich der Depositionsmengen, die im August durch das LANUV veröffentlicht wurden

Sehr geehrter Herr Schmied,

sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben die Ergebnisse der jüngsten Depositionsmessungen (vom 08.08.2018), ergänzt um Außenluftmessungen im Hafen erhalten. Auffällig sind die erhöhten Messwerte am Messpunkt Hafenwiese im Mai 2018 (PCDD/PCDF und PCB und Summe der PCB gesamt) bzw. die Werte der Außenluftmessungen im Mai/Juni 2018 (siehe Anlage 1).

Beigefügt war dem Schreiben die Erklärung des LANUV, das verschiedene Erklärungen geprüft, aber keine plausible Erklärung für die ermittelten Werte gefunden hat. Ein Bezug zur Sanierung, die Anfang Mai 2018 begonnen wurde und voraussichtlich bis Ende 2018 andauern wird, wurde nicht hergestellt. Dies ist umso unerklärlicher, als derzeit der sensibelste und der am stärksten PCB-verseuchte Sanierungsabschnitts läuft. Weitere Untersuchungen zur Ermittlung der Ursache/Quelle der erhöhten Werte wurden im LANUV-Schreiben nicht in Aussicht gestellt (Anlage 2).

Aufgrund der Niederschlagsarmut in den letzten Monaten werden mögliche in die Atmosphäre gelangte Schadstoffe nicht ausgewaschen, sondern weiter durch die Luft verwirbelt und aufkonzentriert. Das Messprotokoll der nächsten Monate wird Aufschluss darüber geben, ob die Messwerte in den trockenen Sommermonaten weiter auf hohem Niveau verblieben sind.

Es ist völlig inakzeptabel, wie ein Mißstand hingenommen wird und es der Bevölkerung zugemutet wird, mit den Schadstoffen in der Luft „zurechtzukommen“. Die Lage wird verharmlost. Die Behörden beschränken sich auf eine reine Dokumentationstätigkeit (immerhin werden diese Werte der Öffentlichkeit vermittelt). Sie entziehen sich aber der Verantwortung, den Ursachen weiter nachzugehen, die Missstände abzustellen und Vorsorge für die Gesundheit von Anwohnern und Anrainern zu treffen.

Wir von der „Bürgerinitiative zur Aufklärung des PCB-Skandals in Dortmund“ (www.pcb-skandal.de) möchten zu diesem Thema einige Fragen anschließen.

 

(1) Fragen zum Protokoll der letzten Fegestaub- und Außenluftmessungen um das Envio Gelände

 

  1. Welchen Bezug gibt es zwischen den Sanierungsarbeiten und den erhöhten Messwerten?

  2. Inwieweit sind diese erhöhten Messwerte auch mit den Messergebnissen der Messstationen auf dem Sanierungsgelände selbst abgeglichen worden? Was haben die Ergebnisse ergeben?

  3. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen im Hinblick auf den Gesundheitsschutz sensibler Nutzer/Bevölkerungsgruppen (hier u.a. die Kleingärtner der KGA, die Unfallklinik, Erholungsfläche Fredenbaumpark, Kitas und Schulen), z.B. die Verschärfung einer negativen Verzehrsempfehlung?

  4. Welche weiteren Maßnahmen ergreifen Sie, um Ursache und Quellen der erhöhten Messwerte zu ermitteln?

 

Keine Erwähnung fand in der schriftlichen Darstellung des, dass auch die Messsäule der PCDD/PCDF und PCB im Februar 2018 und die Summe der PCB gesamt im April 2018 am Standort Containerhafen unerklärlich hoch waren. Für den April liegen für den Fredenbaumpark bedauerlicherweise keine Messwerte vor (Anlage 3).

  1. Woher rühren diese Werte? Welche Maßnahmen werden ergriffen, um den Verursacher zu ermitteln und den Missstand abzustellen?

 

Wir möchten jedoch noch zwei weitere Anmerkungen zu dem Themenkomplex anfügen:

(2) Darstellung der Luftbelastungssituation auf der Multiplikatorensitzung am 26.04.2018

Ich (Wiebke Claussen) hatte als Vertreterin unserer Bürgerinitiative an der letzten Multiplikatorensitzung am 26.04.2018 im Bergamt teilgenommen. Bei Ihrer Vorstellung der Luftbelastungssituation hatte ich moniert, dass Sie die Folie der Messwerte am Standort Fredenbaumpark, die im Zeitraum im November/Dezember 2017 sehr hohe Messwerte zeigte, nicht präsentiert hatten. Ich wies darauf hin, dass diese hohen Werte auf einen weiteren Emittenten im Hafen hinweisen würden und dieser Emmitent ermittelt werden müsse. Die These solch weiterer Emittenten wird ja seit der vorletzten Messphase auch vom LANUV wieder in die Diskussion gebracht.

Sie waren dieser Frage weiter nachgegangen und hatten uns kurze Zeit nach dem Multiplikatorentreffen freundlicherweise eine Erklärung für die hohen Werte zukommen lassen (Anlage 4). Allerdings hielten wir die Ursache, auf die verwiesen wurde: die Lagerfeuer als Dioxinschleudern auf dem mittelalterlichen Weihnachtsmarkt, für alles andere als plausibel. Dioxine und Furane werden beim Verbrennen von chlorhaltigen Substanzen, Plastik u.ä. erzeugt. Wir halten die massenhafte Verbrennung von Plastik in den Lagerfeuern für eher unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher scheinen die Emissionen von anderen z.B. Schrottverwertern im Hafen. Hierzu eine Frage:

 

  1. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um den/die Verursacher der Emissionen zu ermitteln und die Missstände abzustellen?

 

(3) Darstellung der Situation der Angler im letzten Hafenmagazin Dock

Ein Artikel in der jüngsten Ausgabe der Hafenblättchens „Dock Hafenmagazin“ (3/2018 (siehe Anlage 5) hat uns sehr irritiert. In dem Beitrag "Das Glück hängt am Haken" lässt sich Bastian Reetz über sein Anglerglück interviewen. Sowohl die Herausgeber des Hafenmagazins, die Hafen AG wie auch der Interviewte wirken hier tatkräftig daran mit, das Image des Hafens als Arbeits- und Lebensort aufzupolieren – und die Belastung von Hafen und Hafenfisch zu verharmlosen. Denn in 2010/2011 wurde eine negative Verzehrsempfehlung für Hafenfisch ausgegeben und den Anglervereinen vermittelt. Weitere Messungen oder gar eine Entwarnung wurden nicht getätigt. Diese Verharmlosung ist unerträglich und verantwortungslos. Wir fordern Hafen AG und die Wirtschaftsförderung Dortmund auf, diese verantwortungslose Form der Verharmlosung zu beenden.

Dazu eine weitere Frage:

 

  1. Wie wird die Belastung des Hafenfischs aktuell eingeschätzt? Wann ist mit einer erneuten Überprüfung von Hafenfisch zu rechnen?

 
 

Mit freundlichem Gruß

Bürgerinitiative zur Aufklärung des PCB-Skandals in Dortmund (angehängte Anlagen wurden wegen der Übersicht nicht hier eingestellt)

 


 Der Brief an die BI findet sich hier in PDF-Form:

Hier das Antwortschreiben der Bezirksregierung an die BI_10_2018

 


 Der Envio-Skandal in größeren Zusammenhängen

Die Agenda 2010 war auch ein "Meilenstein", der den Envio-Skandal ermöglichte. Denn auch der Betriebsablauf von Envio, mit nur wenigen Leuten an Stammbelegschaft, stützte sich vor allem auf den Einsatz von vielen Arbeitskräften aus Verleihfirmen. Und bei dieser prekär beschäftigten Randbelegschaft wurde zynischerweise am Lohn und an Arbeitsschutzstandards gespart.
In dem Artikel aus dem Jungen Welt vom 01.03.2018 werden kenntnisreich, knapp und verständlich Wesen und Wirkung der Agenda 2010 dargestellt.

"In Verbindung mit dem im April vorherrschenden West-Süd-West Wind ist eine Emissionsquelle im westlich gelegenen Hafenbereich zu vermuten"

(Zitat aus einem Brief der Wirtschaftsförderung DO an die Mitglieder des runden Tisches)

Bekanntgabe von (Staubniederschlagsmessungen) und Außenluftmessungen
vom 17.07.2017 sowie die Übersicht der Windrichtungsverteilung
des Landesamtes für Natur,Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV)
vom 18.07.2017 im Bereich des Dortmunder Hafens .. Die Bezirksregierung Arnsberg teilt uns hierzu mit: "PCB im Dortmunder Hafen - PCDD/PCDF- und PCB-Depositionsmessungen sowie Luftkonzentrationsmessungen des LANUV im April und Mai 2017 Das LANUV hat den Messbericht vom 17.07.2017 über die Belastung des Staubniederschlages (Deposition) und der Außenluft (Schadstoffaufnahme über die Lunge) durch Dioxine, Furane und PCB sowie die Windrichtungsverteilung im Bereich des Dortmunder Hafens in den Monaten April und Mai 2017 vorgelegt. Die Daten der vorherigen Monate und die Mittelwerte der Vorjahre wurden ergänzend mit aufgenommen. Die Ergebnisse der Depositionsmessungen liegen am Messpunkt Fredenbaumpark innerhalb der normalen Schwankungsbreite der bisher ermittelten Monatsmittelwerte. Dies trifft auch für die nur am Standort Hafenwiese durchgeführten Außenluftmessungen zu. Am Messpunkt Containerterminal liegt die PCB-Depositionsbelastung im April mit 9,1 µg/(m² x d) deutlich höher als die bisherigen Jahresmittelwerte. Deutlich geringer aber immer noch auffällig ist die Belastung am Messpunkt Hafenwiese (0,34 µg/(m² x d)). Im Mai sinken die Werte auf das übliche Niveau. In Verbindung mit dem im April vorherrschenden West-Süd-West Wind ist eine Emissionsquelle im westlich gelegenen Hafenbereich zu vermuten. Die gemeinsame Untere Umweltschutzbehörde der Städte Bochum, Dortmund und Hagen wird Überprüfungen zur Ursachenermittlung durchführen." Den Bericht des LANUV finden Sie auch auf der Internetseite des LANUV https://www.lanuv.nrw.de/landesamt/veroeffentlichungen/umweltumweltschadensfaelle/ereignisse-und-stoerfaelle-in-industrieanlagen/ unter "PCB im Dortmunder Hafengebiet".




 Am 4.April 2017 wurde am Landgericht Dortmund eine Einstellung des Verfahrens bezüglich des PCB-Skandals bei der Firma Envio beschlossen. Beobachtungen dazu:

"Keine Buße"

"Dann wär 's das für heute.." beendet Richter Thomas Kelm den offiziellen Teil des letzten Verhandlungstages. Ein historisches Datum, der 4.4.2017, nur durch erhöhte Kamerapräsenz und mehr Publikum im Gerichtssaal (11 Pressevertreter und 14 Zuhörer) als solches zu erkennen. Und vielleicht noch durch ein T-Shirt mit der Aufschrift "Justizversagen?", das einer der BI Vertreter trägt und nach der Verkündigung der Verfahrenseinstellung auch sichtbar macht.

(Foto: BI Protest vor dem Landgericht anlässlich der Verfahrenseinstellung)

Der Prozess am Landgericht Dortmund bezüglich des Envio- PCB-Umweltskandals wird beendet. Das Verfahren, das am 9. Mai 2012, also vor fast fünf Jahren begonnen hatte, wird nach über 165 Verhandlungstagen eingestellt.

Die 21 noch verbliebenen Nebenkläger werden von drei Anwälten vertreten. In der Summe sind von den Angeklagten 80010 € zu zahlen- der Betrag wird unter den Nebenklägern aufgeteilt, so dass jeder von ihnen 3810 Euro erhält. Das entspricht, wenn man vom aktuellen Mindestlohn ausgeht einer Zahlung in Höhe von rund 11 Wochen Arbeit. Wie diese Summe berechnet worden ist wird nicht erläutert. Nur, dass Dirk Neupert als Geschäftsführer 70010 € und sein ehemaliger Betriebsleiter K. 10000 € zu zahlen haben.

Erwähnenswert ist weiterhin, wie die Zahlung dieser Geldsumme von Seiten der Verteidigung des ehemaligen Envio Geschäftsführers Dirk Neupert deklariert wird: diese Geldzahlung sei "keine Buße", sondern nur als Entschädigung für die Umstände des langen Prozesses zu sehen. Die Zustimmung zur Verfahrenseinstellung erfolge rein aus prozessökonomischen Gründen.

Der Richter betont, dass er zwar den Anstoß zu dieser Einigung gegeben habe, an den Gesprächen selbst nicht beteiligt gewesen sei. Er fragt bei jeder einzelnen der Parteien nach deren Zustimmung: sie wird von allen bestätigt. Das hohe Gericht ist an diesem Prozesstag zweimal für jeweils nur kurze Zeit in Robe im Gerichtssaal sichtbar, die meisten Gespräche finden informell hinter den Kulissen statt, für die Öffentlichkeit nicht einsehbar.

Von Seiten des Staatsanwaltes Dr Marc Sotelsek erfolgt nur ein kurzes Statement, nämlich, dass das Verfahren nicht so zu Ende gehe, wie die Staatsanwaltschaft sich das vorgestellt hat. Die Zustimmung zur Verfahrenseinstellung erfolge, damit Schritte in Richtung des Rechtsfriedens erfolgen können.

Eine Bedingung, mit der sich die Empfänger der Entschädigungszahlung einverstanden erklären müssen ist die, dass im Falle weiterer juristischer Schritte, beispielsweise zivilrechtliche Klagen, die heute festgelegte Zahlung mit in eventuell folgende Ansprüche einzurechnen ist. Wirksam wird die heute beschlossenen Einstellung des Verfahrens dann, wenn alle Nebenkläger signalisiert haben, dass sie ihr Geld erhalten haben. Das Gericht setzt eine Frist von drei Monaten für die Zahlung.

Dirk Neupert wird nach Verlassen des Landgerichts von einer Dame regelrecht verfolgt, sie möchte, dass er stehen bleibt und mit ihr redet. Sie hatte sich der BI gegenüber als ehemalige Lebensgefährtin eines Geschädigten vorgestellt. Ob sie mit ihrem Gesprächsanliegen an Herrn Neupert Erfolg hatte wissen wir nicht. Aber auch ein Dirk Neupert mit seinem Stab von drei Verteidigern wird weiterhin nicht umhin kommen, sich an der einen oder anderen Stelle mit direkten Ansprachen von Seiten Betroffener oder Informierter auseinandersetzen zu müssen.

 


 

Envio als Thema im Studienbetrieb aufgegriffen

Beim BI Treffen im Mai waren Studenten der TU Dortmund zu Gast, die das Thema "Envio" für eine Studienarbeit bearbeiten. Wir sind gespannt auf die Recherche-Ergebnisse.

 


 

Umweltgiften hilflos ausgeliefert?

Hier folgt ein Bericht über das WDR5-Stadtgespräch „Umweltgiften hilflos ausgeliefert?“, das am 15.9.2016 im Depot in Dortmund stattfand.

(http://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/stadtgespraech/umweltgiften-ausgeliefert-100.html)

Eingeladen waren als Diskutanten auf dem Podium:
Staatssekretär Peter Knitsch, NRW-Umweltministerium
Dirk Jansen, Bund für Umwelt und Naturschutz
Dr Rainer Mackenbach, Leiter Umweltamt Dortmund
Jan De Bondt, Siedlergemeinschaft Dorstfeld-Süd
Der Rechtsanwalt Reinhard Birkenstock, der die Nebenkläger im Envio-Prozess vertritt, hatte Termin bedingt kurzfristig abgesagt.
Die Redaktion der Sendung hatte Maria Sand-Kubow inne. Die Moderation lag in den Händen von Beate Kowollik.

Anlass der Sendung waren die Recherchen des WDR-Journalisten Thorsten Pfänder zu den Umweltskandalen Dorstfeld-Süd und der Envio-Skandal um den Recycler PCB-verseuchter Großtransformatoren im Dortmunder Hafen. Gegenstand der Sendung waren allerdings auch noch weitere Umweltskandale im Land, die die Menschen an Rhein und Ruhr empören. Brisante Produktionsstätten werden offenbar nicht scharf genug kontrolliert. Aufsichtsbehörden sind nicht in der Lage, die Umweltvergifter zu identifizieren. Und vor Gericht pauken versierte Anwälte die Verdächtigen aus der Verantwortung.

Erfahren die Bürger sich „als hilflose Opfer“, die von der Bürokratie abgewimmelt werden? Überlässt die Landesregierung den Schutz seiner Bürger zu sehr den örtlichen Behörden, die aus Mangel an Personal kapitulieren? Brauchen wir verschärfte Haftungsgesetze für Unternehmen, die mit gefährlichen Stoffen arbeiten? Was ist aus den Umweltskandalen zu lernen, was ist an Änderungen einzufordern, um Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen, eine nachhaltige Sanierung vergifteter Flächen zu erreichen, die Leidtragenden zu entschädigen und Umweltverseuchung gar nicht erst entstehen zulassen? Welche Rolle spielen Bürgerinitiativen dabei? Dies und mehr wurde diskutiert am 15. September. In der Sendung ging es um eine Vielfalt von Umweltskandalen im Land.

In der Sendung ging es um eine Vielzahl von Umweltskandalen im Land:

Dorstfeld-Süd: Thorsten Pfänder erläuterte eingangs seine Recherchen zur auf Gift gebauten Siedlung Dorstfeld-Süd. Mitte der 80er Jahre wurde die Siedlung zu einer der großen Altlasten-Fälle in der Bundesrepublik: Das Kerngebiet in Dorstfeld-Süd wurde saniert. Pfänders Recherchen in 2015/2016 machten deutlich, dass Gesundheitsgefahren von der Fläche nach wie vor ausgehen. Er ermittelte 80 Krebsfälle. Als Folge führte das Dortmunder Gesundheitsamt eine Befragung von Bewohnern durch. Es erwies sich, dass 104 Bewohner (bei 1.250 Anwohnern) an Krebs erkrankt sind.

Ein Diskutant wies auf die vorgesehene Wohnbebauung auf einer hochkontaminierten Fläche der ehemaligen Zeche Haus Aden in Bergkamen hin. Aus dem Fall Dorstfeld-Süd wurde offenbar wenig gelernt.

Envio: Bei der Entsorgungsfirma Envio, einem Recycler PCB-verseuchter Transformatoren im Dortmunder Hafen, haben Arbeiter und ihre Familienangehörigen krebserregendes PCB im Blut, aber niemand scheint zur Verantwortung gezogen zu werden (siehe der Einspieler im Stadtgespräch und http://www.pcb-skandal.de/). 2010 wurde der Umweltskandal öffentlich bekannt. Der Envio-Betrieb wurde 2010 geschlossen und ging später in die Insolvenz. 150 Leiharbeiter waren bei Envio tätig. 44 Personen stellten Anträge auf Anerkennung einer Berufskrankheit. Über 330 Menschen nehmen im Nachgang des Envio-Giftskandals an einem Gesundheitsbetreuungsprogramm teil. Dazu gehören ehemalige Envio-Mitarbeiter, Leiharbeiter, aber auch Mitarbeiter benachbarter Betriebe, Kleingärtner - und perfiderweise die Familienangehörigen, auch kleine Kinder, die das Gift über die schmutzige Arbeitskleidung der Envio-Arbeiter, die zu Hause gewaschen wurde, aufnahmen. Der Strafprozess wird seit 2012 in Dortmund, inzwischen in 155 Prozesstagen verhandelt. 22 ehemalige Envio-Beschäftigte treten als Nebenkläger im Prozess auf. Diese Nebenklage wurde durch Grüne, Linke, Gewerkschafter und andere organisiert. Es ist wahrscheinlich, dass die Verantwortlichen ohne Strafe aus dem Prozess hervorgehen. Die Aussichten für die Geschädigten sind düster. Die PCB-verseuchten Betriebsflächen und Anlagen in Hafen werden derzeit saniert, auf Kosten des Steuerzahlers. Dirk Jansen vom BUND beschrieb den Envio-Skandal als „Mischung aus krimineller Energie, Behördenversagen und fehlender ordnungsrechtliche Regulierung“. Staatssekretär Knitsch formulierte deutlich, „dass die Bezirksregierung Arnsberg im Fall Envio in Vollzug und Überwachung versagt habe“.

In vielen Kleingärten im Ruhrgebiet ist das angebaute Gemüse seit Jahren so durch Gifte belastet, dass die Landesumweltbehörde LANUV negative Verzehrsempfehlungen ausgesprochen hat und vom Verzehr der Gartenerträge abrät. Kleingärtner aus Duisburg stellten ihre Situation in den Blei- und Cadmium verseuchten Kleingärten dar

(http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/blei-und-cadmium-im-boden-zwingen-stadt-zu-auflagen-id6736070.html,

http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/sued/bleiboeden-in-huettenheim-sind-eine-hinterlassenschaft-von-mhd-id8487559.html).

Beim PFT-Skandal an der Ruhr ging es darum, dass zig Tonnen Klärschlamm, die mit Sondermüllt und perflorierten Tensiden (PFT) belastet waren, als Kompost auf Äcker im Oberlauf der Ruhr und der Möhne aufgetragen worden waren. Eher zufällig stießen Forscher vom Hygiene-Institut der Uni Bonn im Juni 2006 auf einen der bislang größten NRW-Umweltskandale: Sie untersuchten die Konzentration von schwer abbaubaren Schadstoffen entlang des Rheins und stellten dabei auf auffällig erhöhte Werte von perfluorierten Tensiden an der Mündung der Ruhr fest. Das Team um Harald Färber verfolgte die Spur flussaufwärts und fand mehrere Schadstoffquellen am Oberlauf der Möhne. Auch im Trinkwasser und Fischen wurden PFT nachgewiesen. Inzwischen wurden in der Region etwa 1.000 PFT-Verdachtsflächen festgestellt; mindestens 15.400 Tonnen des als „Bodenhilfsstoff“ deklarierten Sondermülls der Firma GW Umwelt gelangten auf Feld, Wald und Wiese.

(http://www.bund-nrw.de/themen_und_projekte/wasser/pft_skandal/)

(www1.wdr.de/archiv/jahresrueckblick/pftskandal100.html).

An den Umweltskandal schloss sich dann der Politik- und Justizskandal an, in dem die Angeklagten freigesprochen und der Staatssekretär Dr. Harald Friedrich durch den damaligen Umweltminister Uhlenberg der schwarz-gelben Landesregierung NRW entlassen wurde

(http://www.anstageslicht.de/themen/gesundheit/pft-im-trinkwasser/making-of-harald-friedrich-und-das-pft-im-trinkwasser/,

http://www.whistleblower-net.de/whistleblowing/fall-beispiele-fur-whistleblowing/ausstellung/ausstellung-harald-friedrich/

 http://www.derwesten.de/politik/eine-teure-justizposse-im-hause-uhlenberg-id9027.html,

http://www.ruhrbarone.de/dr-harald-friedrich-und-das-schlechte-trinkwasser-an-der-ruhr/41239)

Einige weitere Beispiele aus dem Bergbau: Die Ruhrkohle AG leitet PCB-verseuchte Grubenwässer in die Lippe. Der BUND erstattete Strafanzeige gegen die Ruhrkohle AG. Das Verfahren wurde allerdings eingestellt

(Filmbeitrag „PCB-Gift in der Nachbarschaft“ http://www1.wdr.de/fernsehen/koennes-kaempft/sendungen/pcb-gift-100.html).

In den 1990er Jahren lagerte die Ruhrkohle AG Giftmüll in Bergwerksstollen ein, allein 600.000 t als Wirtschaftsgut deklarierte Filterstäube aus Müllverbrennungsanlagen. Insgesamt wurden 1,6 Mio t Giftmüll untertage eingelagert. Mit der künftigen Grubenwässerhaltung im Zuge des auslaufenden Bergbaus ab 2018 drohen diese Giftstoffe ins Trinkwasser zu geraten

(http://www.derwesten.de/wirtschaft/gutachter-ermitteln-gefahren-durch-giftmuell-unter-tage-id10930412.html,

www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/bergwerke-gift-gutachten-100.html )

Ein Diskutant berichtete von der Sanierung der Opelfläche in Bochum, bei der sich eine Bürgerinitiative für eine sachgerechte Dekontaminierung und den Arbeitsschutz der Arbeiter bei der Entsorgung der Asbest- und PCB-verseuchten Baumaterialien einsetzt.

(http://www.derwesten.de/staedte/bochum/3000-tonnen-asbest-muessen-im-opel-werk-gesichert-werden-id11803181.html)

Im Stadthafen Lünen soll demnächst eine Wasserbesprengung die giftbelasteten Stäube binden helfen.

(https://www.lanuv.nrw.de/uploads/tx_commercedownloads/30061.pdf)

Die Rechtspositionen:

Hartmut Scheidmann aus der Bonner Kanzlei Redeker wurde in der Sendung zu rechtlichen Fragen befragt. Er stellte dar, dass es hinreichende rechtliche Grundlagen für das Eingreifen des Staates gäbe, z.B. dass die zuständigen Umweltbehörden in Richtung Sanierung und Sanierungsuntersuchungen tätig werden und sich der für Umweltbelastungen verantwortliche Akteur einer Sanierung stellt. Für die zivilrechtliche Durchsetzung gegen den Schädiger seit das strenge Umwelthaftungsgesetz zu nennen. Scheidmann verwies hier auf die verschuldensunabhängige Haftung der Betreiber von Anlagen, die Beweiserleichterung und ausdrückliche Kausalitätsvermutung beim Umgang mit gefährlichen Stoffen. Im Falle von Envio habe der Betrieb allerdings Insolvenz angemeldet und somit ein Urteil möglicherweise nicht vollstreckbar.

Dirk Jansen BUND wies darauf hin, dass dieses Recht auch anzuwenden und umzusetzen sei. Behörden seien z.B. dazu verpflichtet, bei besonders gefährlichen Betrieben die Störfallbetriebe einmal jährlich zu überprüfen. De facto wurden aber in NRW in den drei Jahren 2012-2014 1/3 der Störfallbetriebe überhaupt nicht kontrolliert.

Die Anwohnersicht aus Dorstfeld-Süd:

Jan de Bondt schilderte aus Betroffenensicht die Situation in Dorstfeld. Die Fälle ähnlicher Krebsarten häuften sich in der Nachbarschaft. Er habe ein Interesse, in dem Umfeld, in dem er das Haus seiner Eltern übernommen habe, wohnen zu bleiben, aber in einem nicht krank machenden Umfeld wohnen zu wollen. Aus diesem Grund engagiere er sich. Seiner Erfahrung nach bewegten sich Behörden nur so weit, wie sie müssten. Es bedürfe daher des Engagements von Betroffenen. Und anderseits erfahre er aus der Nachbarschaft, dass viele Leute ihre Ruhe haben wollten und gar kein Interesse an der erneuten Skandalisierung in Dorstfeld-Süd hätten, sondern nur um den Werterhalt ihrer Immobilie besorgt seien. Von daher würde er auch heftige Abwehr aus der Nachbarschaft erfahren.

Die Sicht der Landesregierung NRW:

Als Folge der schwarz gelben Landesregierung (2006-2010) „wurden die staatlichen Umweltämter zerschlagen“, so der Grüne Staatssekretär Knitsch aus dem Umweltministerium NRW. Zu dieser organisatorischen Schwächung kam ein drakonischer Personalabbau unter dem Schlagwort „privat vor Staat“ hinzu. Im Zeitraum 2000-2010 wurde das Personal im staatlichen Umweltschutz in NRW von 446 auf 209 Stellen und im Arbeitsschutz von 146 auf 97 abgebaut. Über 80% der Kapazitäten wurden bis 2010 für die Bearbeitung von Anträgen, Ausnahmen, Genehmigungen eingesetzt. Um 2010 waren lediglich 2 Personen für die Betriebskontrollen im Bezirk Hagen, Dortmund, Bochum zuständig. Nach 2010 wurde eine Personalaufstockung von insgesamt 100 neuen Stellen für die fünf Bezirksregierung beantragt (nicht einmal die Hälfte der 286 weggefallenen Stellen).

Änderungen im materiellen Umweltrecht

  • mehr Transparenz: begonnen wurde damit, indem die Ergebnisse der Umweltinspektionen ins Internet gestellt werden
  • mehr unangemeldete Betriebskontrollen
  • mehr Vollzugskräfte auf Landesebene und v.a. auf kommunaler Ebene
  • weitere Personaleinstellungen in den Aufsichtsbehörden.

Die Sicht der lokalen Behörde:

Rainer Mackenbach stellte dar, welche Schritte Gesundheits- und Umweltamt in Dortmund unternommen haben, um in der Wiederaufnahme des Falls Dorstfeld-Süd für Information und Transparenz zu sorgen. Im Juli 2016 führte die Stadt Dortmund eine Öffentlichkeitsveranstaltung durch, um die Anwohner über den Stand der Dinge, die Befragungsergebnisse und weitere zu unternehmende Schritte zu informieren.

Die Sicht einer Umweltbürgerinitiative:

Dr. Ulrike von Campenhausen, Umweltmedizinerin aus Dortmund, wies auf die Langfristfolgen von Umweltgiften hin. Der NRW- Umweltminister zusammen mit dem NRW-Arbeitsminister haben zwei Versuche eines offenen Briefes einer Dortmunder Ärztegruppe, im Falle Envio im Gesundheitsbetreuungsprogramm der RWTH Aachen auch eine Doppelblindstudie einzurichten, negativ beschieden. Dadurch wurde verhindert, die Envio-Katastrophe als Chance zu nutzen und dadurch mehr Wissen über die langfristigen Folgen von Umweltschadstoffen, z.B. in Krebs-, Rheuma- und Nervenerkrankungen zu generieren. Derart wurde auch vermieden, belastbare Daten für die Durchsetzung von Entschädigungszahlungen für Betroffene gegenüber der Berufsgenossenschaft und in Strafprozessen und für den Strafprozess zur Verurteilung der Verantwortlichen zu erhalten. Die Forderungen nach dieser Studie wurde von einigen anderen Trägern (DGB, Bürgerinitiative zur Aufklärung des PCB-Skandals in Dortmund) ebenfalls erhoben – und ebenfalls abgelehnt. Diese Doppelblindstudie wurde ebenfalls von RWTH Aachen befürwortet.

Rudolf Uebbing von der Bürgerinitiative zur Aufklärung des PCB-Skandals in Dortmund wies darauf hin, dass wichtige Untersuchungsergebnisse nicht publiziert werden. Beispiele sind

  • die gerichtliche Zusprechung von US-Gerichten von Entschädigungen, nachdem festgestellt wurde, das es Tote wegen Lymphdrüsenkrebs in Zusammenhang mit PCB-Belastungen gegeben hat
  • die 14 Kindern von gesundheitsbetroffenen Envio-Arbeitern, bei denen Entwicklungsverzögerungen, IQ-Beeinträchtigungen und Sprachauffälligkeiten festgestellt wurden
  • Die RKI-Richtlinie (Robert Koch Institut) erfordert erst eine Nachuntersuchung in Gebieten, wenn die Werte 100% über den Werten des Krebsregisters liegen. Die Richtlinie wird bisher nicht in Frage gestellt. Sie steht aber einer genaueren Ermittlung in Krisenfällen im Wege.

Jan de Bondt knüpfte hier an und fordert die Weiterführung eines Monitorings nach Abschluss von Sanierungsmaßnahmen. Ein vorheriger Anwohner aus Dorstfeld hatte darauf hingewiesen, dass die Luftdrainagen im Feld Dorstfeld-Süd direkt neben einem Kinderspielplatz entlüftet werden – und deren Auslässe dieser Drainage nicht mehr geprüft werden.

Ansatzpunkte zur Vermeidung von Umweltskandalen:

In der Diskussion im Stadtgespräch am 16.9. wurden weitere Ansatzpunkte benannt, um künftige Umweltskandale zu vermeiden. Jansen vom BUND benannte folgende Ansatzpunkte:

  • ein konsequenterer Rechtsvollzug,
  • das Auseinanderhalten von Genehmigungs- und Kontrollfunktion,
  • Anzeige und Ahndung von Straftatbeständen, die konsequentere strafrechtliche Vollzug, incl. Urteilssprüche mit Signalcharakter,
  • die Einrichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Umweltkriminalität und
  • die Personalaufstockung bei Aufsichtsbehörden,
  • Investitionen in Prävention in den Unternehmen selbst.

Weitere Ansatzpunkte wurden in der Diskussion benannt:

  • ein flächendeckendes Krebsregister in NRW nach einheitlichen Standards,
  • den Einsatz von Monitoringverfahren
  • der Einsatz von Biomonitoring (Beispiel Essen-Kray),
  • Monitoringverfahren, die nach Abschluss von Sanierungsfällen weitergeführt wird (Beispiele Dortmund-Dorstfeld),
  • die Durchführung von Doppelblindstudie (Beispiel Envio-Skandal in Dortmund),
  • Information und Schaffung von Transparenz bei Vorfällen,
  • die konsequente Aufarbeitung von Umweltskandalen, d.h. Sanierung, Monitoring, Ursachen-, Organisations- und Verfahrensanalyse,
  • gegenseitige Unterstützung, Erfahrungsaustausch und Vernetzung von Umweltinitiativen,
  • die Zusammenarbeit von Umweltinitiativen und Gewerkschaften (insbesondere, aber nicht nur, da, wo es um Umwelt-, Arbeits- und Gesundheitsschutz, um gute Arbeits- und Lebensbedingungen geht),
  • die konsequentere Umsetzung des Vorsorgeprinzips,
  • nicht das Arbeitsplatzargument gegen den Umweltschutz auszuspielen, das gilt für Kommunen, Mittelbehörden und Land,
  • die Ausrichtung der Struktur- und Industriepolitik auf eine konsequente Verkehrs-, Energie- und Chemiewende, Kreislauf- und Suffizienzwirtschaft.

Zurück zum Titel der Sendung:

Bürgerinitiativen erfahren sich nicht als hilflos. Aber sie stoßen immer wieder an Grenzen in einer Auseinandersetzung mit sehr ungleichen Kräfteverhältnissen, in denen alles andere Gewinnen, Macht und Pfründen untergeordnet wird. Und sie setzen sich mit den Folgen unseres insgesamt zerstörerischen Wirtschafts- und Konsumsystems auseinander.

Bürgerinitiativen sind ein wichtiger Ansatz, um Umweltskandale aufzudecken und auf deren Sanierung und politische Aufarbeitung zu dringen. Deren Diskreditierung in jüngster Zeit durch den Bauminister (Minister Groschek greift "durchgrünte" Bürgerinitiativen an vom 24.8.2016 http://www.derwesten.de/politik/minisiter-groschek-greift-durchgruente-buergerinitiativen-an-id12131554.html) ist ein Beleg dafür, wie Wirtschaft / Arbeitsplätze und Umweltschutz/Lebensbedingungen gegeneinander ausgespielt werden. Schon merkwürdigend und entlarvend, wie auf Quartiersebene zivilgesellschaftliches Engagement umhegt und auf übergeordneter Ebene, bei den großen Themen als Investitionshemmnis diskreditiert wird!

Aber lassen wir uns nicht entmutigen: "Unterschätze nie, was eine kleine Gruppe engagierter Menschen tun kann, um die Welt zu verändern. Tatsächlich ist das das einzige, was je etwas bewirkt hat." - so die amerikanische Anthropologin und Ethnologin Magaret Mead.


Größenordnung von Altlastenflächen des Landes NRW- Blick auf Dortmund

In NRW sind aktuell mehr als 84.800 Altlasten- und Altlastenverdachtsflächen bekannt (Stand 01/2014). Hierzu gehören 31.667 Altablagerungen und 53.174 Altstandorte (Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung).

„So liegt der Flächenanteil der altlastverdächtigen Flächen und Altlasten beispielsweise in einer großen Stadt im Ruhrgebiet bei rund 15 % des Stadtgebietes“

(Seite des Umweltministeriums: https://www.umwelt.nrw.de/umweltschutz-umweltwirtschaft/umwelt-wirtschaft-und-ressourcenschutz/boden-und-flaechen/altlastensanierung-und-flaechenrecycling/).

 

Ende der 1990er Jahre wurden in Dortmund nahezu 2.000 Altstandorte und Altablagerungen erfasst. Die Verdachtsflächen machen insgesamt ca. 1/7 der Stadtfläche aus (Bausch, Hermann, J. (1999): Informationen zu Altlasten in einem Stadtarchiv: Das Beispiel Dortmund, Archivpflege in Westfalen und Lippe - Heft 51 - LWL). Dortmund war eine der ersten Städte, die ein Umweltamt einrichteten. Als erste Aufgabe gab das Amt die „Auseinandersetzung mit den historischen Sünden der Industrialisierung und Zersiedelung des Stadtraumes“ an.

 

Insgesamt wurden seit 1985 vom Umweltamt für rund 300 Verdachtsflächen in Dortmund Gefährdungsabschätzungen durchgeführt. Es kann heute bei der Beurteilung der Belastungssituation im Dortmunder Stadtgebiet auf weitere 500 gutachterliche Stellungnahmen und Berichte von Bauantragsstellern zurückgreifen. In 1985 gab die Stadt Dortmund erstmals eine Themenkarte der Altlastenstandorte heraus. Die Dortmunder Presse kommentierte: „Die Altlasten-Karte wird die Stadt Dortmund und ihre Bürger die nächsten Jahrzehnte in Atem halten“ (WAZ 27.9.1985). 1996 wurde die Altlastenkarte aktualisiert. Heute gibt es keine öffentlich zugängliche Altlastenkarte für Dortmund mehr. Informationen sind grundstücksbezogen und kostenpflichtig bei der Stadt abzufragen. Im aktuellen Flächennutzungsplan (2004) sind 101 Flächen benannt, die erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.

 

In Nordrhein -Westfalen fallen etwa 450 Betriebsbereiche unter den Anwendungsbereich der Störfallverordnung. Davon müssen 209 Betriebsbereiche die Grundpflichten der Störfallverordnung erfüllen. 241 Betriebsbereiche müssen zusätzlich die erweiterten Pflichten der Störfallverordnung (z.B. Erstellung eines Sicherheitsberichtes) erfüllen. Im Bereich des Staatlichen Umweltamtes Hagen gibt es 36 Betriebsbereiche mit Grundpflichten und 24 Betriebsbereiche mit erweiterten Pflichten. (BUND http://www.bund-nrw.de/index.php?id=4707)

 



 


Ortsbegehung Sanierung der Envio-Anlagen und Flächen am 8.4.2016 - Ergänzungen vom 28.10.2016

Auf Einladung der Bezirksregierung Arnsberg vereinbarte die Bürgerinitiative zur Aufklärung des PCB Skandals in Dortmund einen Ortstermin zur Begehung des Envio-Geländes, auf dem seit Beginn 2016 die Sanierung des ersten Abschnitts läuft. Einige andere Akteure nahmen ebenfalls an dem Termin teil. Demnächst wird der nächste Sanierungsabschnitt, der höchst kontaminierten Hallen 1 und 2 sowie der Außenflächen beginnen. Hier folgt ein Bericht über diesen Termin.

(Foto: li Versiegelung einer Halle auf dem Envio-Gelände, re: mit Schuhschutz zur Begehung des Envio-Geländes)

Vorweg einige Anmerkungen und Fragen , die im Zuge der Ortsbegehung aufgetaucht sind.

Das Sanierungsverfahren wurde uns in den Präsentation als kontrolliertes, sicheres Verfahren vorgestellt. Vor Ort sieht man, wie chaotisch solch ein Gelände aussieht und Risiken weiterbestehen. Bezirksregierung und Stadt Dortmund sind für unterschiedliche Bereiche zuständig. Und zwischen den Bereichen klaffen Lücken. Die Hallen werden nach den Arbeiten „freigemessen“. Die Einhaltung/Schaffung von arbeitsplatzrelevanten Werten wird dann auf den künftigen Nutzer/Mieter verschoben. Ist es angemessen, dass sich hier Behörden in ihre Zuständigkeitsbereiche abgrenzen? Wer trägt hier Sorge für die gebotene integrierte präventionsorientierte Ausrichtung?

 

(Foto: außen lagern in Folie verpackt Materialien aus den Hallen von Envio)

 

Mit Blick auf die anstehenden zweiten Sanierungsabschnitt der am stärksten kontaminierten Anlagen und Flächen: Wir befürchten, dass die Sanierung nach Kassenlage und durch Heranziehung von eigentlich nicht passenden Standards und Hilfsgrößen durchgeführt wird (bspw. nicht durchlaufende Abluftanlage, nicht Reinigung der LKW-Reifen, Betonplatte auf den verseuchten Freiflächen).

Das Sanierungsverfahren ist auf diverse Institutionen und Verfahren aufgeteilt, die jeweils Standardverfahren und damit verbundene Messverfahren und Grenzwerte einsetzen und nebeneinander herlaufen. Nicht geprüft wurde, ob z.B. die bei der Sanierung herangezogenen PCB Standardwerte auch die PCB-Verbindungen sind, die im Fall Envio die kritischen Größen sind.

Die PCB-Messungen basieren auf sechs 6 standardgemäß herangezogene PCB-Werte. Es wurde nicht ermittelt, welche der 209 PCB-Werte die auf dem Envio-Gelände kritischen Werte darstellen.

Es wurde auf vorhandene Referenzwerte zurückgegriffen, aber kein Modell entwickelt, um die spezifische Situation und davon ausgehende Risiken vor Ort zu eingeschätzt. Dies müsste beinhalten:

  • Emissionen über die verschiedenen Pfade (Wasser, Luft, Boden), die verschiedenen Immissionspfade (Hautexposition, Atemwege, Lebensmittel, Grundwasser)
  • in Kontakt stehenden Nutzergruppen/-arten (noch auf dem Gelände tätige Beschäftigte, Arbeiter der Entsorgungsfirmen, Schulen, Kindergärten, Spielplätze, Nutzer des Fredenbaumparks, Kleingärtner, Angler, Anwohner, Unfallklinik,… sowie vulnerable Gruppen (Kleinkinder, Schulkinder, alte Menschen))
  • Mehrfachexpositionen (als Envio-Arbeiter, Kleingärtner, Angler)
  • die vorhandene Hintergrundbelastungen (emissionsstarker Hafen, sowie die darin zusätzlich vorhandenen Schrottfirmen, Feinstaubbelastung in der Nordstadt), auf die sich die Emissionen
  • von Emissionen aufaddieren. Statt dessen wird auf Hintergrundbelastung an Industriestandorten (Duisburg/Essen) referiert.

Die Sanierung muss auf einen möglichst zügigen Ablauf mit möglichst wenig Umlagerungen der Materialien zielen, um Verschleppung von Schadstoffen zu minimieren. Die höchst belasteten Bauteile, Anlagen, Materialien, Flächen müssen abgetragen und zur Entsorgung abtransportiert und Vermischung mit weniger belasteten Materialien vermieden werden. Bei Abbruch und Abtrag sind geeignete Vorkehrungen zu treffen (Absauganlagen, Umkofferung etc.), um einen erneuten Eintrag PCB-belasteter Stäube in die Umwelt zu vermeiden. Auch wenn Bewertungsstandards als Hilfsgrößen herangezogen werden, so gilt dennoch, dass es keine Grenzwert der Unbedenklich von PCBs gibt.

  • Wie wird gewährleistet, eine schleichende Verschleppung von PCB-verseuchten Stäuben und Abrieben in die Umwelt auf das niedrigste Niveau, möglichst Null zu reduzieren? Wie wird gewährleistet, eine erneute Freisetzung PCB-verseuchter Stäube durch Abbruch- und Abfräsarbeiten (auf möglichst 0) zu vermeiden?
  • Wird die Luft aus der Absauganlage auf PCB-Werte gemessen und wie stellen sich die Messwerte dar?
  • Plant die Bezirksregierung einen zweiten Messstandort im Kleingartenbereich anzulegen, um im Fall von Diebstahl (von Messinstrumenten) auf anderes Messgut zurückgreifen zu können?
  • Wie tief reichen die Verunreinigungen in die Wände der Hallen1 und 2? Wie tief muss abgefräst werden, um beim anschließenden Abriss eine Freisetzung durch PCB-Stäube (Arbeitnehmer der benachbarten Betriebe, Kleingärten, Fredenbaumpark, Anwohner) zu vermeiden? Ab welcher Wanddicke treten Statikprobleme auf, dass die beiden Gebäude einsturzgefährdet werden? Ist eine Umkofferung der Gebäude durch eine Traglufthalle, einen Sarkopharg o.ä. notwendig?
  • Wie tief werden die befestigten Flächen abgefräst? Wie wird eine Verwehung der PCB-haltigen Stäube vermieden (für die Sanierungsarbeiter, benachbarte Betriebe, Kleingärtner, Fredenbaumpark, Anwohner) (durch Wässerung, durch ein mobiles Zelt o.ä.,…) ?
  • Wie werden (kleinteilig) die unbefestigten Flächen (Zuständigkeit der Stadt Dortmund) beprobt (Sanierungsbedarf: gibt es PCB- Einträge und wie tief reichen sie ins Erdreich)? Wie werden diese betroffenen Bereiche behandelt? Die Versiegelung durch eine Betonplatte, wie auf der Nikometallfläche, ist nicht ausreichend.

Zu künftigen Hafenüberplanung und Prävention: Bei der Ortsbegehung wird deutlich, wie komplex das Verfahren ist und dass es nichtrisikofrei und sauber durchgeführt werden kann. Letztlich muss es darum gehen, alles auf die Prävention solcher Skandale zu setzen.

Der Dortmunder Hafen stellt eine Altlastenfläche dar, der aus allen möglichen Restflächen aufgeschüttet wurde. Dazu ein anderer interessanter Hinweis: Ende der 1990er Jahre wurden in Dortmund nahezu 2 000 Altstandorte und Altablagerungen erfasst. Die Verdachtsflächen machen insgesamt ca. 1/7 der Stadtflache aus (Bausch, Hermann, J. (1999): Informationen zu Altlasten in einem Stadtarchiv: Das Beispiel Dortmund, Archivpflege in Westfalen und Lippe - Heft 51 - LWL). Dortmund hat sich mittlerweile den Untertitel des Artikels zu eigen gemacht: „Altlasten einer Industriestadt: vergessene oder verdrängte Industriegeschichte.“ In 1985 gab die Stadt Dortmund erstmals eine Themenkarte der Altlastenstandorte heraus. Die Dortmunder Presse kommentierte: „Die Altlasten-Karte wird die Stadt Dortmund und ihre Burger die nächsten Jahrzehnte in Atem halten“ (WAZ 27.9.1985). 1996 wurde die Altlastenkarte aktualisiert. Heute gibt es keine öffentlich zugängliche Altlastenkarte für Dortmund mehr. Informationen sind grundstücksbezogen und kostenpflichtig bei der Stadt abzufragen. Und auch die Störfallbetriebe, die der Seveso III-Richtlinie zugrunde liegen, sind in Dortmund nicht in Publikationen benannt oder in Karten lokalisiert. In anderen Ruhrgebietsstädten gibt es diese öffentlich für alle zugänglichen und karierten Informationen noch.

Der Hafen im Flächennutzungsplan ist als „Sondernutzungsgebiet Hafen“ ausgewiesen, in dem alle möglichen Nutzung z.T. im 24 Stunden-Betrieb möglich sind. Darauf bezog sich ja der Aufkauf der Grundbesitz Kanalstraßen GmbH durch die Flacks Group Mitte 2015. Eine solche in keiner Weise regulierte Fläche in unmittelbarer Nähe eines dicht besiedelten Wohngebietes und sensibler Nutzungen ist nicht akzeptierbar. Wie kann eine nachbarschafts-, umwelt- und sozialverträgliche Planung dieses Gewerbe- und Industriestandortes im Hafen aussehen? Welche Maßnahmen ergreifen die Behörden, um die Feinstaubbelastung in der Nordstadt zu reduzieren?

 

Über den Stand der Sanierung

Die Arbeiten werden durch die ArGe Heitkamp Umwelt Technologie/Herne, Kluge, Trédi SA/St. Vauban,. Taberg Ingenieure/Lünen führt die Baustellenaufsicht und Beprobung. Die Federführung hat die Bezirksregierung inne, die auch regelmäßig auf der Baustelle ist. Der Baustellencontainer befindet sich an der Halle 55.

Derzeit werden die Hallen 55 und (südlich davon 51) ausgeschleust. Die Materialschleuse macht mit lauter zusammengesetzten Metallstücken einen „zusammengestückelten“ Eindruck. Angesichts des kleinen Tores fragt man sich, wie aus dieser relativ kleinräumigen Schleuse die Großtrafos ausgeschleust werden sollen.

(Foto: Sanierung des Envio-Geländes, li größerer Tor-Schleuse, re Mitarbeiter-Schleuse)

Das Material aus diesen Hallen wird sortiert, oberflächlich gesäubert, zur Versendung nach St. Vauban in der Nähe von Lyon ausgeschleust und draußen zwischengelagert. Danach werden die Hallen gereinigt und aus Umweltsicht „freigemessen“ auf der Grundlage der Normen und Konventionen der BImSchG. Aus Arbeitsschutzsicht hat der künftige Nutzer Mieter den Nachweis der Einhaltung von arbeitsschutzrechtlichen Grenzwerten zu erbringen.

Die Messung erfolgt auf der Grundlage eines Messstandards von 5-PCB-Werten, auf die man sich als Konvention geeinigt hat. Ob die auf dem Envio-Gelände relevanten PCBs identisch sind mit diesen 5 PCB-Werten, wurde nicht überprüft.

Die Straßenfläche zwischen ehemaligem „Zelt“standort und den Hallen 1 und 2, dem Schwarzbereich, wo die UTB auseinandergebaut wurden. Die großen Trafos wurden in der Halle 55 und draußen im Freien geknackt (bzw. auch gerne am Wochenende!). Die kontaminierten Materialien wurden hin- und hergefahren wurden und alles ist entsprechend stark PCB-verseucht, die PCB-Verbindungen sind auch in den Bitumen eingedrungen. Der Bereich war vorher gesperrt (durch ein einfaches verschiebbares Absperrgitter). Durch die Arbeiten jetzt wird Material aus der Bitumenschicht wieder frei gesetzt und verwirbelt.

Im östlichen Teil der Halle 51 war der Deutsche Paket Dienst DPD ansässig (!). Im nördlichen Teil der Halle 55 ist und war ABP ansässig. Bei der Informationsveranstaltung für die ABP-Belegschaft nach Bekanntwerden des PCB-Problems in 2012 wurde kein offenes Mineralwasser an die Redner ausgeschenkt (mit Verweis auf die Belastungssituation in der Halle!).

Die ehemalig „Zelt“Fläche und weitere nördliche Flächen sind durch eine Textildecke und Schotter abgedeckt. Darauf stehen eingepackte Gitterbogen mit ausgeschleustem Material. Durch die Decke wachsen Unkraut und Sträucher. Eine Gitterboxverpackung ist eingerissen und mit Gafferband verklebt.

Wir werfen einen Blick in die hoch belasteten Hallen 1 und 2. Der Schwarzbereich von Envio befand sich in der Halle 1, TSW war in der Halle 2 ansässig. Nördlich der beiden Hallen sind Großtrafos, u.a. auch der Barbados Trafo und die Wachsanlage gestapelt. Daneben lagern Metallgitterboxen. Alles sieht noch sehr unsortiert und unbehandelt aus. Hier liegen auch noch Abfallcontainer der Firma Lobbe, die damals mit der Säuberung der befestigten Flächen beauftragt war.

Aus einer Stellungnahme der Bez.-Reg. Arnsberg v. 28. Okt. 2016:
Sanierung der Hallen
"Die Bezirksregierung saniert die Hallen 51 und 55 auf der Grundlage
der vorliegenden Gutachten so weit, bis keine schädlichen Umwelteinwirkungen
verursacht werden können. Dies gilt selbstverständlich auch für den Rückbau
der Hallen 1 und 2 und die Sanierung der Freiflächen.
Weitergehende Sanierungsmaßnahmen können auf der Grundlage umweltrechtlicher
Regelungen nicht gefordert werden. Es erfolgt keine Sanierung nach Kassenlage
sondern auf der Grundlage der Ergebnisse des Taberg-Gutachtens und des
Ergebnisses des Sanierungsfachgespräches.
Bevor die Hallen 51 (Ostseite) und 55 (Südseite) jedoch wieder genutzt
werden können, müssen zum Schutz dort arbeitender Personen weitergehende
Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Dies ist durch den Nutzer
durchzuführen bzw. zu beauftragen und wird von der Bezirksregierung
überwacht (Dezernat betrieblicher Arbeitsschutz)."

 

(Fotos: wenig vertrauenserweckende Eindrücke vom Envio-Gelände)

In der Halle 1 gab es einen Wasserrohrbruch. Und hier waren die Per-Behälter zu entleeren, die im Ruhestand andere Materialien (Gefäßwände) aggressiv angreifen.

Unter dem Hallenboden gibt es eine Luftmessung, aber ohne Ermittlung der PCB-Werten.

Die PCB-Chargen im Niederschlags- und Abwässer werden durch die Kanalisation weggespült.

Im nördlichen Teil der heute besuchten Freifläche stand die Heizanlage mit hohem Schlot für das Grundbesitz-Gelände (Versorgung mit Heizwasser für Halle 1 und Halle 2). Dies war schon eine interessante Info.

Das Bürogebäude direkt an der Kanalstraße und Parkplatz ist bisher vollständig weitervermietet.

ABP klagt über Imageprobleme durch das Sanierungsverfahren.

Wo werden Entsorgungsreste deponiert?

Die Materialien werden nach St. Vauban zur Anlage von Trédi transportiert und dort bei ca. 1.200 Grad C verbrannt. Das weniger kontaminierte Material wird auf einer Deponie in Werksnähe abgelagert. Über die Deponierung der Asche gab es keine Angaben.

Läuft die Absauganlage durchgehend?

Die Absauganlage läuft nicht durchgehend, nachts und am Wochenende. Sie läuft mit einer Nachlaufzeit von ½ - 1 Stunde nach Arbeitsschluss.

PCB-haltige Öle: Wieviel Volumina PCB-verseuchter Öle aus den Transformatoren wiesen die Entsorgungsbelege aus? Wieviel wurde vor Ort gefunden? Wie hoch war die Differenz? Wurde dem nachgegangen (illegale Verfeuerung auf dem Gelände in Privatheizungen)? Wie und wo wird das Öl entsorgt?

Keine Aussage dazu

Wir sehen einen hohen Kamin am Grundstücksrand. Auf Nachfrage erläutert Herr Schmied, dass hier Heißwasser für die Hallen 1 und 2 produziert wurde. Wurden jemals Messproben von der Kante des Kamins genommen, um zu sehen, ob hier auch PCB-verseuchte Trafoöle mitverbrannt wurden?

Aus einer Stellungnahme der Bez.-Reg. Arnsberg v. 28. Okt. 2016:
PCB-haltige Öle
"Das Büro Taberg Ingenieure GmbH hat in seinem Gutachten vom 17.3.2011
(Internetseite der Bezirksregierung) festgehalten,
dass 41,5 t PCB-belastete Öle vorhanden sind. Menge und Belastung werden
bei der Räumung erneut überprüft. Das PCB-belastete Öl wird in einer
entsprechend zugelassenen Verbrennungsanlage der Firma Tredi in
Frankreich entsorgt.
Die Heizzentrale auf dem Grundstück Kanalstraße 25 (hoher Kamin)
wird ausschließlich mit Gas beheizt."

Wie werden Messungen durchgeführt?

Auf der Fläche sind an diversen Stellen je 5 Messbehälter angebracht, um die Emissionsseite zu messen und zu kontrollieren im Monatsturnus. Die Immissionssituation wird im Bereich Kleingärten und Fredenbaumpark gemessen. Im Bereich Kleingarten ist hier nicht die Luftbelastung die kritische relevante Größe, sondern in Lebensmitteln inkorporierte PCB-Gehalt.

Aus einer Stellungnahme der Bez.-Reg. Arnsberg v. 28. Okt. 2016:
PCB Werte
"Die PCB-Messungen basieren auf sechs standardgemäß herangezogenen PCB-Werten.
Diese Regelung geht zurück auf die Gesetzgebung der Europäischen Union
(u. a. Verordnung 850/2004/EG) und berücksichtigt die quantitativ
bedeutendsten Kongenere der industriellen PCB-Gemische. Für diese Werte
bestehen rechtsverbindliche Grenz- bzw- Zielwerte. Nur auf der Grundlage
derartiger Grenz- und Zielwerte können Anordnungen getroffen und umgesetzt
werden."

 

(Foto li: Messbecher zur Feststellung der aufgewirbelten Schadstoffmenge auf dem Envio-Gelände)

Was ist mit den entwendeten Messbechern geschehen? Wurde der Diebstahl angezeigt? Wer hat Anzeige erstattet?

In der letzten Messperiode wurden Messbecher im Kleingartenbereich entwendet. Die Bezirksregierung machte keine Diebstahlanzeige, da der Ermittlungserfolg einer solchen Anzeige gleich null ist. Es mutet eigenartig an, warum gerade zu Beginn der Sanierung diese Messbecher entwendet worden sind.

Wie sind die erhöhten Messwerte in 2015/2016 zu erklären?

Durch meteorologische Ereignisse. Durch die Arbeiten werden PCB haltige Materialien mobilisiert. Um dies zu kontrollieren und ggf. schnell einzugreifen, gibt es die Messbecher auf dem Gelände. Auf der Immissionsseite in der erweiterten Nachbarschaft zeigen sich keine Auswirkungen.

Die PCB-Gesamtbelastung des Grünkohls aus Kleingartenanlagen im Umfeld des Envio-Geländes hat sich 2014 gegenüber dem Vorjahr verringert. Ein Verzehr von zwei Portionen (jeweils 250 Gramm) selbstangebautem Gemüse pro Woche, basierend auf der Grundlage des untersuchten Grünkohls mit der höchsten PCB-Belastung, ist aus gesundheitlicher Sicht tolerabel. Der Verzehr von Blattgemüse wie Endivie, Spinat, Mangold und Zucchini etc. war bereits nach den Untersuchungen aus dem Jahr 2011 als gesundheitlich unbedenklich eingestuft worden. Einzige Ausnahme damals: Grünkohl sollte weiterhin nicht angebaut und gegessen werden. Nach den Untersuchungsergebnissen für 2014 hält das LANUV einen eingeschränkten Verzehr von selbstangebautem Grünkohl für tolerabel (http://www.bezreg-arnsberg.nrw.de/presse/2015/07/121_15/index.php).

Messergebnisse und Schrottverwerter im Hafen

Bei der Suche nach dem Verursacher der PCB-Emissionen 2009-2010 gerieten auch die Schrottplätze der Firmen Hittmeyer, Hermstrüwer und Ahle wegen erhöhte PCB-Konzentrationen in den Blick. Und auch die Fläche der Nico-Metall GmbH (Kabelzerlege- und –abbrennanlage) an der Schäferstraße geriet in den Fokus. In den 1990er Jahren waren hier nach mehreren Bränden im Außenlager Dioxine und Furane und Abwohnerbescherden entdeckt worden. Nico-Metall meldet 2002 Insolvenz an. Die Fläche wird als Containerlagerfläche genutzt. Die Vermutung lag nah, dass dort bei trockener Wetterlage und hohem Rangierverkehr Staubwolken entstehen und möglicherweise kontaminierte Stäube in Hauptwindrichtung verdriftet wurden.

In der Spitze wurde der Grenzwert des krebserregenden Stoffes um mehr als das Sechsfache überschritten. Bezirksregierung und Stadt lassen die Gelände reinigen. Von sechs Kehrproben, die das Landesumweltamt bei Firmen im Umfeld des stillgelegten PCB-Entsorgers Envio gezogen hatte, lagen besagte drei über der kritischen Marke von 50 mg/kg. Die höchste PCB-Dichte: 324 mg/kg auf dem Platz der Firma Hittmeyer. Zum Vergleich: Eine bei Envio genommene Kehrprobe enthielt 22 000 Milligramm PCB pro Kilo. Bei den ebenfalls beprobten Firmen Cronimet, Interseroh und Possehl Kehrmann blieben die Werte im Rahmen.

Die Messungen 2010 und später sprechen für mehr als eine Quelle. Vom Interseroh-Gelände gingen immer wieder hohe Emissionen aus. Dort versuchte man durch diverse Maßnahmen, u.a. Berieslung, die Emissionen in den Griff zu bekommen. Der Shredder wurde geschlossen. 2013 verkaufte Interseroh den Betrieb an die TSR Recycling. ist abgezogen. Was wird getan, um die Emissionen zu senken, die Anwohner und Arbeit nach wie vor hoch belasten?

Was ist mit dem Blindgängerverdacht geschehen?

Der Blindgängerverdacht liegt unter der nördlichen Teil der Halle 55. Mit den Arbeiten gehen Erschütterungen einher, insofern hat man den Blindgänger erst einmal, ruhen lassen. Die Entfernung soll später laufen, mit Einwilligung/Zusammenarbeit des Nutzers (ABP?).

Wo befindet sich die Vliesabdeckung?

In 2015 wurde im Zuge der Fegestaubproben ein Bereich der „Zelt“-Fläche ermittelt, der erhebliche PCB-Belastungen aufwies und der durch eine Vlies-Abdeckung gesichert wurde.

Zitat aus dem Bericht (Stadt Dortmund - Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen vom 02.12.2015; Drucksache Nr.: 02994-15, S. 2-3 - https://dosys01.digistadtdo.de/dosys/gremrech.nsf/%28embAttOrg%29/F906088414062585C1257F010065B322/$FILE/VorlageDS%2302994-15.doc.pdf?OpenElement):

Zur Beurteilung der PCB-Belastung des Envio-Geländes lässt die Bezirksregierung in regelmäßigen Abständen Fegestaubbeprobungen durchführen. Hierdurch soll beobachtet werden, ob von dem Gelände immissionsschutzrechtlich relevante PCB-Emissionen ausgehen können. Als Maßstab dient hier die Einhaltung des vom LANUV empfohlenen Reinigungszielwertes von 2,5 mg PCB/m². m(…)

Am 16.06.2015 wurden turnusmäßig auf dem Envio-Gelände PCB-Fegestaubproben genommen. An acht Messpunkten wurden PCB-Flächenbelastungen von 0,052 bis 1,96 mg PCB/m² ermittelt. Der Reinigungszielwert von 2,5 mg PCB/m² wurde unterschritten. An einer Messstelle auf der Zufahrt zum Westtor der Halle 55 ergab sich eine Belastung von 9,81 mg PCB/m² gemessen. Daraufhin wurden die Verkehrsflächen von einer Fachfirma gereinigt. Am 01.10.2015 wurden erneut Fegestaubproben genommen. Nach dem Laborbericht vom 19.10.2015 wurden an den neun Messpunkten PCB-Flächenbelastungen von 0,003 bis 0,68 mg PCB/m² ermittelt. Der Reinigungszielwert wurde somit deutlich unterschritten.

Zusätzlich zur Beprobung der Verkehrsflächen erfolgte am 16.6.2015 eine Probenahme auf einer mit Vlies abgedeckten Lagerfläche (neben Halle 55). Da sich das Vlies an einigen Stellen gelöst hatte, sollte geprüft werden, wie hoch die Belastung in diesem Bereich ist, um die Notwendigkeit zur Erneuerung des Vlieses zu prüfen. Der Wert lag mit 70,0 mg PCB/m² erheblich über dem Reinigungszielwert. Die Vliesabdeckung wurde daher durch eine Fachfirma wieder in Stand gesetzt bzw. erneuert.

(Fotos: Folienabdeckung des verseuchten Bodens auf dem Envio-Gelände)

Als dauerhafte Sanierung werden nach der Räumung des Geländes und dem Abriss der Hallen 1 und 2 die befestigten Flächen unter besonderen Schutzmaßnahmen (u. a. Einhausung der Fräsmaschine) abgefräst und erneuert.

Während der Sanierung erfolgen zusätzliche Staubniederschlagsmessungen auf dem Envio-Gelände.

Welche Auswirkung hat das Insolvenzverfahren gegen die Kanalstraßen Grundbesitz GmbH (Januar 2016) auf das Sanierungsverfahren?

„Die Envio-Grundstücksgesellschaft ist eigentlich verpflichtet, die Sanierung zu bezahlen. Denn ihr gehört das Gelände per Erbbaurecht. Die früheren Envio-Manager hatten diese Firma im vergangenen Jahr an den US-Investor Flacks verkauft. Laut Bezirksregierung ist er weder telefonisch noch schriftlich erreichbar. Deshalb hatte das Amtsgericht im Januar 2016 eine Prüfung angesetzt. Per Gutachten, wollte sie heraus finden, ob die Firma finanziell überhaupt in der Lage ist, die acht Millionen Euro teure Sanierung zu bezahlen. Parallel zur Prüfung meldete das Unternehmen dann Insolvenz an. Als vorläufiger Insolvenzverwalter ist mit Christian Koch ein Dortmunder Anwalt eingesetzt worden (Website des WDR 19.1.29016)

Die Insolvenz ist offensichtlich inzwischen wieder zurückgezogen worden. Gleichwohl war eine Fotografiergenehmigung vom eingesetzten Insolvenzverwalter einzuholen. Herr Schmied hatte die Einholung dieser Genehmigung angeregt

Spielt die Eigentumsübergabe keine Rolle. Sie hat keinen Einfluss auf das Sanierungsverfahren. Für die Bezirksregierung. Das neue Eigentümerverhältnis ist lediglich ein Thema für die Stadt Dortmund als Erbbaupachtgeber.

Zur Kontrollfunktion der Aufsichts- und Genehmigungsbehörden

Was wird aus dem Envio-Skandal für die Arbeit, Abläufe Personalausstattung der Aufsichts- und Genehmigungsbehörden gelernt?

Um 2010 waren lediglich 2 Personen für die Betriebskontrollen im Bezirk Hagen, Dortmund Bochum zuständig. Herr Schmied ist in dem Bereich bereits 30 Jahre tätig. Mitte 2016 gibt es 55 in der Bezirksregierung Arnsberg Oberinspektorenanwärter und 12 Mitarbeiter im höheren Verwaltungsdienst. Das erleichtert die Arbeit enorm. Es werden unangemeldete Kontrollen durchgeführt und Fegestaubproben aus den Eckebereichen entnommen.

Schmied verweist auf einen anderen Fall des Betriebs Deler bei Münster, der jüngst mit einem neuartigen Oxidationsverfahren bekannt wurde.

Zudem werden die Ergebnisse von regelmäßigen EU Betriebsinspektionen inzwischen auf der Website der Bezirksregierung Arnsberg veröffentlicht. Tauchen hier Betriebe häufig mit negativen Ergebnissen auf, so ist das keine gute PR.

Zum Hintergrund des Personalabbaus: 2000-2010 wurde das Person im staatlichen Umweltschutz in NRW von 446 auf 209 Stellen (-237, um 54%) und im Arbeitsschutz von 146 auf 97 (- 49, um 1/3) abgebaut. Über 80% der Kapazitäten wurden bis 2010 für die Bearbeitung von Anträgen, Ausnahmen, Genehmigungen eingesetzt. Lediglich 20% steht für Überwachungsaufgaben zur Verfügung. Die Folge: „Nur noch in schweren Unfällen sowie gravierenden Schadensfällen, zum Beispiel Explosionen“ können Vorfälle bearbeitet werden. 80.000 der 200.000 im Regierungsbezirk Arnsberg ansässigen Betriebe schaffen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Für deren betrieblichen Arbeitsschutz stehen deutlich weniger als 10 Fachbeamte zur Verfügung (Bollerrmann im WR-Interview und „Breites Versagen der Behörden, in: WR 12.1.2011; und Prognos Gutachten für Landesregierung NRW Januar/Februar 2011, Veröffentlichung in RN vom 13.1.2011).

Nach 2010 wurde eine erneute Personalaufstockung um 100 neue Stellen für die fünf BezReg beantragt (nicht einmal die Hälfte 286 der weggefallenen Stellen).

Wie erfolgen die nächsten Sanierungsschritte?

Im Anschluss an die jetzige Sanierungsphase werden die Hallen 1 und 2 behandelt, d.h. abgerissen werden. Zur Vermeidung von Emissionen sollen zunächst die Wände abgefräst werden (zunächst Aussage 2-3 cm, danach ist von 4-5 cm die Rede; Michael Müller hielt im Vorgespräch im Bergamt 7 cm für erforderlich!). Danach werden die Hallen abgerissen. Generell gibt es hier Probleme der Statik (die zusammenhängenden Hallen 1 und 2 und durch Materialabfräsung instabil werdende Wände).

Die Halle 1 und 2 hängen zusammen, wird die hochbelastete Halle 1 abgerissen, so verliere auch Halle 2 die statische Stabilität. In der Halle 2, ehemals durch WSB bewirtschaftet, sind jetzt Trafos gelagert, also auch kontaminiert. Wir werfen einen Blick in die Halle 2.

Nach Möglichkeit sollen der Hallenabriss und die Behandlung der Außenflächen parallel laufen. Die BezReg ist für das Sanierungsverfahren und die Sanierung der befestigten Flächen zuständig, die Stadt Dortmund für die unbefestigten Flächen. Die Stadt Do würde dann die zu behandelnden Flächen wie andernorts auch durch eine Betonplatte sichern. Wiebke fragt nach, ob hier wieder so vorsintflutlich gehandelt werde wie die Versiegelung der hoch belasteten Nico-Metallfläche an der Schäferstraße. Unter den Betonplatten läge weiterhin hochbelastetes Bodenmaterial. Auf Rückfrage versichert Schmied, dass die BezReg wird das sanieren, was zu sanieren ist und man mit der Stadt Dortmund Einigung finden wird.

 

Aus einer Stellungnahme der Bez.-Reg. Arnsberg v. 28. Okt. 2016:
PCB-Belastung der Gebäude und befestigten Freiflächen
"Das Büro Taberg Ingenieure GmbH hat die PCB-Belastungen der Gebäude und
Freiflächen ermittelt und in ihrem Gutachten vom 17.3.2011
(Internetseite der Bezirksregierung) dokumentiert. Diese Informationen
werden im Zusammenhang mit den Sanierungsmaßnahmen durch zusätzliche Untersuchungen
ergänzt.
Bei Überschreitung des Grenzwertes von 50 mg PCB/kg in den Baustoffen
(z. B. Beton, Estrich) oder befestigten Freiflächen erfolgt ein Abfräsen
der betroffenen Flächen. Der Hallenfußboden in Halle 1 ist bis zu einer Tiefe
von 5cm belastet und die Wände bis zu einer Tiefe von 1cm. Die Maßnahmen
werden von einem Statiker begutachtet. Die Freiflächen sind mit einer Ausnahme
bis zu einer Tiefe von 1 cm belastet. An einer Stelle liegt eine Belastung
bis 5cm vor. Die Belastung der Wände und Freiflächen ist nicht vollflächig;
das v.g. Abfräsen erfolgt daher nur bei den Teilflächen, bei denen der
v. g. Grenzwert überschritten ist.
In der Halle 1 erfolgen die Fräsarbeiten unter besonderen Schutzmaßnahmen
(Absaugung). Da  der Baukörper anschließend unbelastet ist, kann der weitere
Rückbau konventionell erfolgen. Im Bereich der Freiflächen werden besondere
Schutzmaßnahmen - z. B. Abfräsen innerhalb einer Einhausung oder der
Einsatz spezieller Arbeitsgeräte (mit Absaugung) erfolgen."

 

Schmied stellt dar, dass der Dortmunder Hafen insgesamt aufgeschüttet worden sei und es sich insgesamt eigentlich um eine Altlastenfläche handele.

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Hier ein Foto von der instand gesetzten Vliesabdeckung eines besonders stark belasteten Areals auf dem Envio-Gelände, freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der Bezirksregierung Arnsberg (11-2015):

(Foto:Folienabdeckung des verseuchten Bodens auf dem Envio-Gelände)

Aus dem Bericht v. 6.8.10 des LANUV an die Bez.-Regierung Arnsberg (Prof. Dr. P. Bruckmann)

"Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass im Juli 2010 noch ein „frischer“ Eintrag von dem Firmengelände ENVIO in die Luft stattgefunden hat. Dazu haben ... weitere Abwehungen vom belasteten Firmengelände beigetragen..."

Informationsveranstaltung der Bezirksregierung zur Räumung des Envio Geländes vom 24.11.2015 im Dietrich Keuning Haus Dortmund

Im September 2015 wurde die Räumung des Envio-Firmengeländes an der Kanalstraße bei einer Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus den drei Firmen Kluge, Heitkamp Umwelttechnik und Trédi SA in Frankreich, in Auftrag gegeben (unter Federführung der Firma Kluge). Nach der Verwertung von 500 t Metallen durch den Insolvenzverwalter in 2014 werden nun weitere Voraussetzungen für eine Sanierung des Firmengeländes geschaffen. Der erste Abschnitt der Räumungsarbeiten wird Ende Dezember 2015 beginnen und seine Dauer auf bis September 2016 plus einen Monat Nachlauf veranschlagt.

In diesem Zeitraum müssen zunächst die erforderlichen Sicherheitsbauten auf dem Gelände installiert werden: z.B. eine Personalschleuse, in der die Arbeiter Schutzkleidung anlegen und sich nach der Schicht duschen und umziehen. Die Räumungsfirmen sind vom Gesetzgeber gehalten, möglichst wenige Mitarbeiter in den sogenannten schwarzen- also belasteten Teil- des Geländes zu schicken. Die Belastung der Mitarbeiter wird durch Human-Biomonitoring vor während und nach den Arbeiten kontrolliert (dies gilt auch für Firma Trédi in Frankreich). Luftdichte Schleusen für die eventuelle Verpackung und die Entnahme des gereinigten und verpackten Materials aus den Hallen entstehen an jeweils einem Hallentor der Hallen 1, 51 und 55.

3.300 Tonnen kontaminiertes Material werden aus den Hallen 1, 2, 55 und 51 herauszutragen sein und zum Teil per LKW in die Anlage von Trédi SA in Saint Vulbas der Nähe von Lyon transportiert werden. Materialien, die zur Weiterverwendung vorgesehen sind reinigt man dort in Autoklaven mit Perdampf. Nicht mehr verwertbare Materialien werden in der betriebseigenen Sondermüllverbrennungsanlage im Drehrohrofen bei 1.200 Grad C mit Abgasverbrennung (bei 1.200 Grad C und mehrstufiger Abgasreinigung) entsorgt.

Bereits vorab wurde das gesamte Material gesichtet und beprobt. Diese Arbeit wurde vom Gutachterbüro Taberg durchgeführt. Es sind 3000 Tonnen gefährliche Abfälle und 300 Tonnen sonstige Abfälle (Holz, Papier usw) mit Etiketten gekennzeichnet worden. In Halle 55 stehen große Transformatoren, die als Ganzes verpackt werden müssen, während in Halle 51 kleinteilige und auch weniger belastete Materialien lagern. Bei manchen Materialien wird eine Oberflächenreinigung ausreichen, um sie nach erfolgter Beprobung unverpackt nach außen zu bringen.

Halle 1 soll, wie vordem bei Envio, Ort der zentralen Arbeiten sein. In allen Hallen wird allerdings eine Absaug-Aktivkohlefilteranlage installiert, durch die 60.000 m3 Luft pro Stunde angesaugt und gefiltert werden. Während der Arbeitszeit wird diese Anlage in Betrieb sein, Unterdruck und Luftströmung von außen nach innen erzeugen. Es sollte also während dieser Zeit für Stäube nicht möglich sein, nach außen zu entweichen.

Auf Nachfrage eines Bürgers, ob diese Luftfilteranlage auch am Wochenende laufen würde- dies sei bei früheren Arbeiten nicht der Fall gewesen, stimmte ihm Christoph Hohlweck (Geschäftsführer Firma Kluge) zu, dass dies wünschenswert sei. Auf eine weitere Nachfrage teilte er aber mit, dass er aufgrund der länger zurückliegenden Ausschreibung (erfolgte bereits im Jahr 2014) nicht genau wisse, ob die Filteranlagen jeweils nach Beendigung der Arbeiten weiterlaufen werden.

Kostenmäßig müsste allerdings ein erheblicher Unterschied zwischen dem Dauerbetrieb der Anlage (168 Stunden pro Woche) und einem Betrieb nur während der Arbeitszeiten (regulär rund 40 Stunden pro Woche) bestehen- es liegt die Vermutung nahe, dass die Anlage jeweils nach Schichtende abgeschaltet wird. Bei den benannten Industriehallen  55, 1,2 und 51 handelt es sich um keine hermetisch abgeschlossenen Behältnisse. Es gibt vielmehr Lücken, Rissen und Luftaustausch ins Umfeld. Wie wird dafür gesorgt, dass auch in Ruhezeiten (nachts, Wochenende, Feiertage) keine verseuchten Stäube ans Umfeld geraten? Wir halten eine Nachhallphase der Absaugsanlage für dringend geboten.

(Foto: Bürgerinformation zum Thema Sanierung im Dietrich-Keuning-Haus)

Während der Dauer der Räumung werden einmal monatlich die Staubniederschläge gemessen, von der Firma Eurofins (Münster), sowie auf dem Gelände Fegeproben durch das LANUV vorgenommen werden. Hinzu kommen Beprobungen durch das Hygiene Institut. In der Trédi-Anlage in Saint Vulbas werden 5.000 Proben gezogen, die durch das SGS Institut Fresenius stichprobenartig kontrolliert werden. Die Überwachung aller Maßnahmen erfolgt durch die Bezirksregierung Arnsberg.

Der Weg, den die belasteten Materialien nach der Verpackung und der Kontrolle durch das Gutachterbüro nehmen wird, hängt vom Grad der Verunreinigung ab. Gering belastetes Material wird unter Umständen nach entsprechender Beprobung direkt heimischen Schrottverwertern zugeführt. Auch andere Materialien, die hier entsorgt werden können, sollen nicht den weiten Weg zur Firma Trédi bei Lyon nehmen. Dort können täglich maximal 2 LKW Ladungen aus Dortmund angenommen werden.

Um konstant diese Menge ausliefern zu können, will man in Dortmund 2-3 Tageslieferungen auf dem Enviogelände zwischenlagern. Das entspricht bei einer Ladung von 20-25 Tonnen pro LKW einer Lagermenge von 120 und 150 Tonnen. Wie wird hier für eine Sicherung gesorgt, so dass kein Material entwendet oder ummarkiert wird? Die Kontrolle der Logistik scheint einem fragenden Bürger unzureichend transparent. Es wird darauf verwiesen, dass es um grenzübergreifende Transporte von gefährlichen Abfällen geht, die den besonders strengen Auflagen der Baseler Konvention unterliegen.

Allerdings unterlag der Transport der PCB-verseuchten Kondensatoren aus Kasachstan in den Dortmunder Hafen zum Envio-Standort auch dieser Baseler Konvention. Und das Beispiel zeigte, dass erst Nachfragen der polnischen Behörden darauf aufmerksam machten, wie diese Auflagen unterlaufen worden waren.

Die Firma Trédi in Saint Vauban bei Lyon wurde vor der Beauftragung von Vertretern der Sanierungsarbeitsgemeinschaft und der Behörden besichtigt. Man überzeugte sich von hohen Sicherheitsstandards bei der Zerlegung und Reinigung belasteter Materialien. Teilweise entspricht das Arbeitsfeld von Trédi dem der früheren Firma Envio. Trédi ist für die Reinigung und Verbrennung von PCB-belasteten Materialien bekannt. Die Verbrennung erfolgt in der firmeneigenen Sondermüllverbrennungsanlage. UTD Trafos, auf deren Recycling man auch bei Firma Trédi als lukratives Geschäftsmodell in Zeiten knapper Rohstoffe (Kupfer) setzt, werden in besonders gesicherten Hallen zerlegt und gereinigt. Kondensatoren wandern hingegen direkt in die Verbrennung.

Die Kosten der Gesamtsanierung werden auf 7-7,5 Mio € angesetzt (für die Räumung sind rd 5 Mio € eingeplant), die in Ersatzvornahme durch die öffentliche Hand getragen werden.

Nach der Räumung der Halle 55 wird ein Blindgängerverdacht sondiert und dieser gegebenenfalls beseitigt. Der zweite Sanierungsabschnitt, der in den nächsten Monaten vorbereitet wird, wird den Abriss der Hallen 1 und 2 und die Sanierung der Freiflächen umfassen.

Es bleibt zu hoffen, dass bei der Räumung und der Entsorgung der Materialien des Enviobestandes mit größtmöglicher Sorgfalt und entsprechend den Vorschriften gearbeitet wird, um ein Austreten PCB-verseuchter Stäube und eine Belastung der Sanierungsarbeitskräfte, sowie von Beschäftigten im Hafen und Bewohnern im angrenzenden Stadtteil zu vermeiden. Die Bürgerinitiative zur Aufklärung des PCB-Skandals in Dortmund wird auf jeden Fall ein kritisches Augenmerk auf die Durchführung der Arbeiten und etwaige Unregelmäßigkeit richten.

(Foto: Pläne vom Envio- Gelände)

Nach wie vor gibt es erhebliche Schwankungen und immer wieder relativ hohe PCB-Luftmesswerte in den Sommermonaten. Dies ist auf niedrige Niederschläge, aber auch Ursachen bei den emittierenden Betrieben bzw. Abwehungen von belasteten Flächen, zurückzuführen. Bei den Emissionsmessungen in 2010 wurden fünf Betriebe in den Blick genommen. Wir halten es für zwingend erforderlich, den Ursachen dieser nach wie vor hohen Emissionen nachzugehen und sind nicht bereit, sie als gegeben zu akzeptieren. Welche anderen PCB Emittenden gibt es, sind es andere Abfallbetriebe oder im (Süd)Westen angrenzende Gebiete mit Staubabwehungen? Welche Maßnahmen werden ergriffen, um in den betrieblichen Abläufen Emissionen zu senken?

Bei den letzten Messwerten von Staubniederschlagsmessungen des LANUV wurde als Vergleichswert der LAI- Zielwert (Luftreinhalteplanung) und der LAI-Orientierungswert   (Genehmigungsverfahren) beigefügt. Die an den Messpunkten gemessenen Werte liegen im Containerhafen um das 4- bis 17-fache oberhalb des LAI-Orientierungswertes (und 8- bis 40mal so hoch wie der LAI-Zielwert). Und auch die Werte im Kleingartenbereich lagen in den letzten 9 Monaten 5 Monate bis zu 2,5 mal über dem LAI-Orientierungswert und in 7 Monaten bis zu 5-fach über dem LAI-Zielwert. Bisher gibt es für den Hafen keine planungsrechtlichen Überlegungen, außer dass im „Sondernnutzungsgebiet Hafen“ laut FNP so gut wie alles möglich rund um die Uhr möglich ist. Die LAI-Werte weisen auf einen Handlungsbedarf hin. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Emissionen an diese Zielwerte heranzuführen?                             

 06.12.2015  

 


 

 

       

 

                  

Protest Landgericht

(Foto: BI Protest vor dem Landgericht Dortmund)

 
Am 16.12.2014 gab das Amtsgericht Dortmund bekannt, dass es dem Antrag der Nebenklage nicht stattgibt und den Gutachter Prof. Albert Rettenmeier für nicht befangen hält. Allerdings sollen weitere Experten hinzugezogen und der Frage der Zellveränderung nachgegangen werden. Lediglich ein kleines Protestgrüppchen fand sich vor dem Landgericht ein, um auf eine Wende im Prozess zu dringen..
Ob die Envio-Verantwortlichen durch mehr Expertensachverstand nun doch eine Anklage auf 51-fache Körperverletzung der Envio-Verantwortlichen und auch eines Umweltstraftatbestand droht, ist nach wie vor unsicher. Unter Umständen gehen Dirk Neupert und Mitverantwortliche also als nicht vorbestraft, ohne Verurteilung, noch Geldbuße aus. Und ein gerichtlicher Freispruch Neuperts wäre die Aufforderung an andere Unternehmen, es doch Envio gleichzutun und künftig am teuren Umwelt- und Arbeitsschutz zu sparen.
 
Gleichwohl ist der Envio-Skandal einer der größten Umweltskandale in Deutschland. Und dem Umwelt- und Politikskandal folgt Envio: der Justizskandal. Auch bei gerichtlichem Freispruch von Neupert
hat er immense Schäden verursacht. Envio hinterlässt vergiftete Anlagen und Flächen, vergiftete Wohnungen und vergiftete Menschen. Die Zeche zahlen dann die öffentliche Hand (die Sanierungs- und Prozesskosten) und die Steuerzahler. Die erkrankten Arbeiter und ihre Familien zahlen es mit ihrer Gesundheit.
Über die Sanierungskosten streiten derzeit mal wieder Stadt Dortmund, Bezirksregierung Arnsberg und das Verwaltungsgericht, und zögern die Sanierungsperspektive erneut hinaus. Die Nordstadtbewohner wohnen also weiterhin neben einem Giftgrab, in dem 2.500 t PCB-verseuchte Materialien lagern - und dies über einem vermuteten Blindgänger. Das Gebahren der Envio-Geschäftsführung und der Genehmigungsbehörden und die schleppende Aufarbeitung des Skandals verursachen einen weiteren politischen Vertrauensverlust.
 
Verursacher im Envio-Skandal sind Gewinnsucht und strafrechtlich abzuklärende Energie der Envio-Verantwortlichen, aber auch die Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden, die die Geschäftsführung in ihrem vergiftendem Geschäftsgebahren unbehelligt gewähren ließen. Die Behörden wurden zuvor von jeder dienst- und strafrechtlichen Verfolgung freigesprochen. Und auch dies entlastet die Envio-Verantwortlichen vor Gericht.Insgesamt ist der Envio-Skandal die Folge von Deregulierung und Personalabbau der Behörden, der Ausweitung prekärer Leiharbeit, einer Politik unter dem Motto „Hauptsache Arbeit“, „Sicherung des Wirtschaftsstandortes Dortmund und Abwendung jeglichen Imageschadens“ und der schleppenden Aufarbeitung des Skandals. Und all dies scheint in dieser Stadt niemanden so richtig zu beunruhigen.
 
Wir fordern: Verurteilung der Envio-Verantwortlichen, Entschädigung der betroffenen Arbeiter, zügige Sanierung der PCB-verseuchten Anlagen und Flächen im Hafen und die Aufklärung des Envio-Skandals in Richtung einer umwelt- und nachbarschaftsverträglichen Produktion im Ruhrgebiet.
 

 

Die  Verfahren am Landgericht Dortmund wurde eingestellt- am 04.04.2017 war der letzte Prozesstag.

 Aktenzeichen AZ 35 KLs 52/11  bzw 164 Js70/10

www.lg-dortmund.nrw.de